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§ 78 SGB X: Zweckbindung und Geheimhaltungspflicht

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Redaktionelle Überarbeitung und Abstimmung mit Regionalträger

Dokumentdaten
Stand05.10.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstes (Dienstrechtsneuordnungsgesetz) vom 05.02.2009 in Kraft getreten am 12.02.2009
Rechtsgrundlage

§ 78 SGB X

Version001.00

Inhalt der Regelung

Diese Vorschrift regelt die Zweckbindung und die Pflicht zur Geheimhaltung von Sozialdaten durch Personen und Stellen, die nicht in § 35 SGB I genannt sind.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 67 SGB X enthält Definitionen der Begriffe des Sozialdatenschutzrechts, wie zum Beispiel „Nutzen“, „Übermitteln“, „Sozialdaten“ oder „Dritter“.

Die einzelnen Übermittlungsgrundlagen ergeben sich aus den §§ 68 bis 77 SGB X.

§ 77 Abs. 5 SGB X weitet die sich aus § 78 SGB X ergebende Verpflichtung zum Hinweis auf die Zweckbindung auf Empfänger außerhalb der Bundesrepublik Deutschland sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen aus.

Zweckbindung und Geheimhaltungspflicht (Absatz 1)

§ 78 Abs. 1 SGB X regelt die Zweckbindungs- und Geheimhaltungspflichten der Stellen und Personen, die nicht in § 35 SGB I (Sozialleistungsträger) genannt und denen Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 SGB X zulässig übermittelt worden sind.

Diese Verpflichtungen obliegen den Empfängern der Sozialdaten auch in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 35 Abs. 4 SGB I in Verbindung mit § 67 Abs. 1 Satz 2 SGB X.

Für die Sozialleistungsträger ergibt sich die Geheimhaltungspflicht unmittelbar aus § 35 SGB I und die Zweckbindung aus § 67c SGB X.

Zweckbindung und Verwendungsverbot (Absatz 1 Satz 1)

Personen oder Stellen, die nicht in § 35 SGB I genannt sind und denen Sozialdaten zulässig übermittelt worden sind, dürfen diese nur zu dem Zweck verarbeiten oder nutzen, zu dem sie ihnen befugt übermittelt worden sind (Gebot der Zweckbindung).

Voraussetzung für eine befugte Verarbeitung oder Nutzung der Sozialdaten ist, dass den Datenempfängern die Sozialdaten im Rahmen der in §§ 67d bis 77 SGB X aufgeführten gesetzlichen Übermittlungsbefugnisse oder einer Einwilligung im Sinne des § 67b Abs. 2 SGB X zulässig übermittelt wurden.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass unbefugt oder unzulässig übermittelte Sozialdaten einem absoluten Verarbeitungs- oder Nutzungsverbot unterliegen. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von einem allgemeinem Verwendungs- beziehungsweise Verwertungsverbot gesprochen, so zum Beispiel „Unbefugt übermittelte Sozialdaten dürfen überhaupt nicht verarbeitet oder genutzt werden.“ (Rombach in Hauck SGB X, 1,2 K § 78 RdNr. 14).

Wurden Sozialdaten unzulässig an eine dritte Stelle oder Person übermittelt, ist diese Stelle oder Person unverzüglich von der Unzulässigkeit der Übermittlung in Kenntnis zu setzen und ein Verwendungsverbot für die unzulässig übermittelten Daten auszusprechen. Dies gilt auch für die Weiterübermittlung durch den Datenempfänger, also für die gesamte Übermittlungskette.

Geheimhaltungspflicht (Absatz 1 Satz 2)

Sind Sozialdaten befugt an dritte Personen oder Stellen übermittelt worden, so sind diese verpflichtet, die ihnen übermittelten Sozialdaten in demselben Umfang geheim zu halten wie von dem Sozialleistungsträger, der die Daten übermittelt hat. So wird sichergestellt, dass das hohe Schutzniveau für Sozialdaten auch dann gilt, wenn diese den Schutz- und Verantwortungsbereich des Sozialleistungsträgers verlassen.

Ausnahmen von der Zweckbindung (Absatz 1 Sätze 3 bis 5, Absatz 3 und Absatz 4)

Die absolute Zweckbindung nach Absatz 1 Satz 1 wird in bestimmten Fällen und für bestimmte Stellen oder Personen aufgehoben. Diese sind abschließend in Absatz 1 Sätze 3 bis 5 und Absatz 3 und 4 SGB X aufgelistet.

Staatsanwaltschaften und Gerichte, Polizei und Behörden der Gefahrenabwehr

Eine vollständige Ausnahme von der Zweckbindung gilt für Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte oder Behörden der Gefahrenabwehr. Diese dürfen Sozialdaten, die ihnen befugt übermittelt wurden, auch für Zwecke der Gefahrenabwehr sowie der Strafverfolgung und -vollstreckung verarbeiten und nutzen (§ 78 Abs. 1 Satz 5 SGB X).

Für Staatsanwaltschaften und Gerichte lässt § 78 SGB X unter bestimmten Voraussetzungen weitere (begrenzte) Ausnahmen von der Zweckbindung zu.

  • Sie sind berechtigt, gerichtliche Entscheidungen, die Sozialdaten enthalten, unter den Voraussetzungen weiterzuleiten, unter denen auch die übermittelnde Stelle (also der Sozialleistungsträger) berechtigt wäre, diese Daten an den Dritten zu übermitteln (§ 78 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Sie haben also - wie der Sozialleistungsträger - die Voraussetzungen der §§ 67ff. SGB X zu prüfen.
  • Darüber hinaus dürfen sie in Strafverfahren gegen Beamte nach § 78 Abs. 1 Satz 4 SGB X bestimmte Sozialdaten auch an Dienstvorgesetzte übermitteln, um die erforderlichen dienstrechtlichen Maßnahmen sicher zu stellen (§ 115 BBG); die Übermittlungsvorschriften der §§ 67ff. SGB X müssen hier nicht geprüft werden.
  • Zur Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens zulässig an Staatsanwaltschaften und Gerichte gemäß § 73 SGB X übermittelte Sozialdaten dürfen von diesen unter Beachtung der §§ 476 und 487 Abs. 4 StPO beziehungsweise §§ 49b und 49c OwiG für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung verarbeitet und genutzt werden. (§ 78 Abs. 4 SGB X); § 75 SGB X gilt in diesen Fällen nicht (Amtl. Begründung BT-Drucksache 14/1484).

Vollstreckungsbeamte

Nach § 78 Abs. 3 SGB X dürfen Sozialdaten, die im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens nach § 66 SGB X oder zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens befugt übermittelt wurden, auch zum Zwecke der Strafverfolgung verarbeitet oder genutzt werden. Konkret geht es hier um Vollstreckungsbeamte, die im Rahmen ihrer Tätigkeit oft verbalen oder tätlichen Angriffen ausgesetzt sind, und die damit in die Lage versetzt werden, Strafanzeigen zu erstatten.

Hinweispflicht bei Übermittlung an nicht-öffentliche Stellen (Absatz 2)

Nach Absatz 2 sind nicht-öffentliche Stellen, denen Sozialdaten befugt übermittelt werden, grundsätzlich dazu verpflichtet, die bei ihnen beschäftigten Personen spätestens bei der Datenübermittlung darauf hinzuweisen, dass sie

  • die übermittelten Sozialdaten in gleicher Weise geheim zu halten haben, wie die in § 35 SGB I genannten Stellen (Sozialleistungsträger) und
  • diese Daten auch nur zweckgebunden verwenden dürfen.

Eine Hinweispflicht durch die übermittelnde Stelle (Sozialleistungsträger) ergibt sich nicht unmittelbar aus § 78 Abs. 2 SGB X. Sie ist insbesondere dennoch dann gegeben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Datenempfänger seine sich aus § 78 SGB X ergebenden Pflichten nicht kennt oder vernachlässigt.

Auf Anregung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) wurden unter Beteiligung der Spitzenverbände der sozialen Sicherung und der Bundesagentur für Arbeit Festlegungen über die Notwendigkeit eines Hinweises auf die Zweckbindung und Geheimhaltungspflicht bei der Übermittlung von Sozialdaten getroffen (Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz vom 05.10.1992, Az: Z b 7 - 8405.023/.421/.422).

Hinweise oder Belehrungen durch die Träger der Rentenversicherung sind in folgenden beispielhaft aufgezählten Fallgruppen erforderlich:

  • Auskunft über die Rentenhöhe an einen Pfändungsgläubiger im Zusammenhang mit der Abgabe einer Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO,
  • Auskunft nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB X an eine Privatperson zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens,
  • Auskunft im Rahmen eines Regressverfahrens im Sinne der § 116 SGB X, § 119 SGB X an eine Privatperson,
  • Versand von Fahrausweisen zur An- und Abreise mit der Deutschen Bahn AG durch ein privates Reisebüro bei der Durchführung von Leistungen zur Teilhabe
  • Beauftragung von Dolmetschern, sofern nicht ein Vertrag nach § 80 SGB X geschlossen wurde.

Grundsätzlich ist ein Hinweis auf die Zweckbindung und auf die Geheimhaltungspflicht auch bei einer Datenübermittlung in das Ausland sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen notwendig. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 77 Abs. 5 SGB X.

Ausnahmen:

Eine Hinweispflicht besteht nicht für Ärzte und andere Personen und Stellen, die den Regelungen des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB unterliegen.

Nicht notwendig ist im Regelfall die Belehrung von Behörden oder Berufsverbänden, weil diese genügend eigene Rechtskenntnisse besitzen. Da sich die Geheimhaltungspflicht und Zweckbindung des § 78 SGB X auch im allgemeinen Datenschutzrecht findet (§ 39 BDSG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften), ist die grundsätzliche Geheimhaltungspflicht von (Sozial)daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen diesen Stellen geläufig.

Eine Belehrung kann ferner entfallen bei privaten Institutionen wie zum Beispiel Banken oder Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, die dauerhaft mit den Sozialleistungsträgern zusammenarbeiten. Hier kann unterstellt werden, dass deren Hauptstellen beziehungsweise Hauptverwaltungen die sich aus § 78 SGB X ergebenden Geheimhaltungspflichten und die mit der Datenübermittlung verbundene Zweckbindung bekannt sind.

Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts - DNeuG - vom 05.02.2009 (BGBl. I S. 160)

Inkrafttreten: 12.02.2009

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksachen 17/10749, 17/11185; BR-Drucksache 629/12

Durch Artikel 15 Abs. 99 des DNeuG wurde in § 78 Absatz 1 Satz 4 SGB X die Angabe „§ 125c des Beamtenrechtsrahmengesetzes“ durch die Angabe „§ 115 des Bundesbeamtengesetzes“ ersetzt.

Gesetz zur Änderung des Ordnungswidrigkeitenverfahrensrechts vom 26.07.2002 (BGBl. I S. 2864)

Inkrafttreten: 01.10.2002

Quellen zum Entwurf: 330/02, BT-Drucksache 14/9001

Durch Artikel 3 des Gesetzes zur Änderung des Ordnungswidrigkeitenverfahrensrechts wurde § 78 Absatz 4 SGB X neu gefasst. Im Ergebnis findet diese Vorschrift künftig auch für Bußgeldverfahren Anwendung.

Gesetz zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze vom 18.05.2001
(BGBl. I S. 904)

Inkrafttreten: 23.05.2001

Quelle zum Entwurf: BR-Drucksache 461/00, BT-Drucksache 14/4329

Durch Artikel 8 § 2 des Gesetzes zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze wurde in § 78 Absatz 1 Sätze 2 und 3 SGB X das Wort „Empfänger“ durch das Wort „Dritten“ ersetzt und insoweit der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 (Abl.EGL Nr. 281 vom 23.11.1995, S. 31ff.) angepasst.

Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts - Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 - vom 02.08.2000 (BGBl. I S. 1253)

Inkrafttreten: 01.11.2000

Quelle zum Entwurf: BR-Drucksache 65/99, BT-Drucksache 14/2595

Durch Artikel 2 StVÄG 1999 wurde Absatz 4 neu eingefügt. 

Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze - JuMiG - vom 18.06.1997 (BGBl. I S. 1430)

Inkrafttreten: 01.06.1998

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 13/4709

Durch Artikel 30 des JuMiG wurden nach § 78 Absatz 1 Satz 3 SGB X folgender Satz 4 eingefügt: „Abweichend von Satz 3 ist eine Übermittlung nach § 125c des Beamtenrechtsrahmengesetzes und nach Vorschriften, die auf diese Vorschrift verweisen, zulässig.“

2. SGBÄndG vom 13.06.1994 (BGBl. I S. 1229)

Inkrafttreten: 01.07.1994

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/6334

Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wurde durch Art. 6 des 2. SGBÄndG neu gefasst und an die Begrifflichkeiten des BDSG angepasst. In § 78 Abs. 1 Satz 5 SGB X wurde für die Strafverfolgungsbehörden (Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden) sowie für Behörden der Gefahrenabwehr eine Ausnahmeregelung vom Zweckbindungsgebot aufgenommen.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksachen 8/4216, 8/4022 und 8/4330

§ 78 SGB X wurde durch das Sozialgesetzbuch (SGB) - Verwaltungsverfahren vom 18.08.1980 in das Zweite Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch eingefügt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 78 SGB X