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§ 73 SGB X: Übermittlung für die Durchführung eines Strafverfahrens

Änderungsdienst
veröffentlicht am

16.10.2021

Änderung

Die GRA wurde aktualisiert.

Dokumentdaten
Stand19.01.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 in Kraft getreten am 25.05.2018
Rechtsgrundlage

§ 73 SGB X

Version003.00

Inhalt der Regelung

In § 73 SGB X ist die Datenübermittlung an die Strafverfolgungsbehörden zur Durchführung eines Strafverfahrens geregelt.

Voraussetzung ist die Anordnung durch einen Richter oder eine Richterin.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Fehlt eine richterliche Anordnung, ist bei Auskunftsersuchen von Staatsanwaltschaften, Gerichten oder Polizeibehörden zu prüfen, ob eine Datenübermittlung nach § 68 SGB X möglich ist. Sofern es sich um Strafverfahren im Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB handelt, kann auch eine Datenübermittlung nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X in Betracht kommen.

Der Umfang der zulässig zu übermittelnden Daten ergibt sich unter anderem aus § 72 SGB X. Einschränkungen ergeben sich, sofern es um die Übermittlung medizinischer Daten geht, aus § 76 SGB X.

Sofern Sozialdaten nach § 73 SGB X übermittelt wurden, wird das unabdingbare Auskunftsrecht der betroffenen Person nach Art. 15 DSGVO durch § 83 Abs. 5 SGB X grundsätzlich eingeschränkt (siehe Abschnitt 11).

Nach § 77 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB X ist eine Übermittlung an Stellen in anderen Mitgliedsstaaten der EU sowie in diesen nach § 35 Abs. 7 SGB I gleichgestellte Staaten zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 73 SGB X vorliegen und ein inländisches Gericht dies anordnet.

Allgemeines

Das Strafverfahren muss sich nicht gegen die von der Übermittlung betroffene Person selbst richten. Eine Übermittlung ist somit bei entsprechender richterlicher Anordnung auch dann zulässig, wenn die betroffenen Personen lediglich als Zeugen oder Hinweisgeber in Betracht kommen.

Eine Datenübermittlung für eine sogenannte Rasterfahndung oder einen Datenabgleich, der einen größeren Personenkreis umfasst, ist nach § 73 SGB X unzulässig. Hierfür wurde zum 01.01.2002 die Vorschrift des § 68 Abs. 3 SGB X geschaffen.

Handelt es sich um ein Strafverfahren mit SGB-Bezug, ist § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X einschlägig.

Ist der angegangene Rentenversicherungsträger nicht für die Kontoführung zuständig, ist die Anfrage zusammen mit dem richterlichen Beschluss an die anfragende Staatsanwaltschaft oder Polizeibehörde zurückzugeben und unter Benennung des zuständigen Trägers auf die Unzuständigkeit hinzuweisen. Eine Weiterleitung an den zuständigen Rentenversicherungsträger hat nicht zu erfolgen.

Der aktuell kontoführende Rentenversicherungsträger darf die Daten auch dann übermitteln, wenn in der richterlichen Anordnung nach § 73 Abs. 3 SGB X nicht er, sondern nur die Deutsche Rentenversicherung allgemein oder die DSRV als Adressat benannt ist.

Wird der angegangene Rentenversicherungsträger mit dem richterlichen Beschluss zur Auskunft über sämtliche oder zumindest mehrere Beschäftigte eines bestimmten Arbeitgebers verpflichtet, besteht meist die Problematik, dass der angegangene Rentenversicherungsträger nicht für alle Beschäftigten der aktuell kontoführende Rentenversicherungsträger ist.

In diesen Fällen sind, unabhängig von der Zuständigkeit für eine Betriebsprüfung des angegangenen Rentenversicherungsträgers, zunächst die in der IT-Anwendung CBP enthaltenen Informationen der Betroffenen zu ermitteln und mitzuteilen (AGGDS 1/2019, TOP 2).

Wird darüber hinaus die Auskunft weiterer Daten über einzelne oder mehrere Beschäftigte angeordnet, dürfen diese nur vom kontoführenden Rentenversicherungsträger übermittelt werden. Bei Unzuständigkeit des angegangenen Rentenversicherungsträgers für einzelne Betroffene darf auf den aktuellen Kontoführer verwiesen werden.

Die Weiterleitung des richterlichen Beschlusses an den/die zuständigen Kontoführer ist aufgrund der formalen Besonderheiten auch in diesen Fällen unzulässig.

Strafverfahren wegen eines Verbrechens oder einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung (§ 73 Abs. 1 SGB X)

Nach § 73 Abs. 1 SGB X dürfen Sozialdaten übermittelt werden, soweit dies zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Es handelt sich jeweils um eine rechtswidrige Tat, welche im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist (§ 12 Abs. 1 beziehungsweise Abs. 2 StGB).

Anhaltspunkte für eine „Straftat von erheblicher Bedeutung“ können zum Beispiel die Schadenshöhe (bei Betrug), die Schwere des erlittenen Körperschadens (bei Körperverletzung) oder auch ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (bei extremistischen Taten oder Taten mit sexuellem Hintergrund) sein. Ob es sich um eine „sonstige Straftat von erheblicher Bedeutung“ handelt, muss der Richter oder die Richterin entscheiden. Eine eigenständige Definition hierzu hat der Gesetzgeber nicht geschaffen.

Hinweis:

Der engen Rechtsauslegung der Rentenversicherungsträger, wonach auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 und 3 SGB X wegen der strengen Zweckbindung des § 28p Abs. 8 SGB IV die in dem von der Datenstelle der Rentenversicherungsträger geführten Teil der Arbeitgeberdatei (Basisdatei nach § 28p Abs. S. 3 SGB IV) enthaltenen Daten nur übermittelt werden dürfen, wenn es sich um Sachverhalte wegen des Verdachts des Betruges zum Nachteil der Rentenversicherung, der Beitragsvorenthaltung oder ähnliche die Rentenversicherungsbeiträge betreffende Delikte handelt, wird nicht mehr gefolgt.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 und 3 SGB X ist stets auch die Übermittlung von Sozialdaten aus den Dateien nach § 28p Abs. 8 SGB IV zulässig.

Strafverfahren wegen einer anderen Straftat (§ 73 Abs. 2 SGB X)

Nach § 73 Abs. 2 SGB X dürfen Sozialdaten übermittelt werden, soweit dies zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer anderen Straftat erforderlich ist. Bei einer „anderen Straftat“ handelt es sich um ein Vergehen. Ein Vergehen ist eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bedroht ist (§ 12 Abs. 2 StGB).

Anfragende Stellen

Auskunftsersuchen nach § 73 SGB X werden von den Strafverfolgungsbehörden gestellt. Zu den Strafverfolgungsbehörden zählen Gerichte mit Strafverfolgungsaufgaben (Strafrichter, -kammern und -senate), Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden.

Richterliche Anordnung (§ 73 Abs. 3 SGB X)

Eine Datenübermittlung nach § 73 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X ist nur zulässig, wenn dem Auskunftsersuchen eine richterliche Anordnung zugrunde liegt.

Eine Prüfung und Entscheidung, ob Sozialdaten übermittelt werden sollen, ist durch einen Richter oder eine Richterin notwendig, da diese bei ihren Entscheidungen unabhängig sind. Ein Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin sind an Weisungen gebunden.

Des Weiteren muss aus der richterlichen Anordnung hervorgehen,

  • ob es sich um ein Strafverfahren nach § 73 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X handelt und
  • die Übermittlung und der Umfang der erbetenen Daten zur Durchführung des Strafverfahrens im Einzelfall erforderlich sind.

Hinweis:

Die Vorlage eines Haftbefehls ersetzt eine richterliche Anordnung nicht. Sie kann sich allerdings im Einzelfall aus dem richterlichen Anschreiben ergeben.

Als richterliche Anordnungen nach § 73 SGB X sind grundsätzlich auch Anordnungen zur Ladung von Zeugen, die das (Straf-)Gericht während des Hauptverfahrens beziehungsweise der Entscheidung über dessen Eröffnung vornimmt, anzusehen.

Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der richterlichen Anordnung, steht das Rechtsmittel der - unbefristeten - Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) zur Verfügung.

Wird Beschwerde eingelegt, so hemmt dies die Durchführung der richterlichen Anordnung nicht (§ 307 Abs. 1 StPO), es kann jedoch beantragt werden, dass das Gericht die Vollziehung der Anordnung gemäß § 307 Abs. 2 StPO aussetzt.

Zeugenladung

Beabsichtigt das Gericht die Vernehmung von öffentlichen Bediensteten, so ist insbesondere § 54 StPO zu beachten. Danach ist das Gericht zum Schutz öffentlicher Geheimhaltungsinteressen verpflichtet, vor einer Vernehmung von öffentlichen Bediensteten als Zeugen eine Aussagegenehmigung des Dienstvorgesetzten oder der Dienstvorgesetzten einzuholen. In einem solchen Antrag müssen die Vorgänge, über die der Zeuge oder die Zeugin vernommen werden soll, kurz, aber erschöpfend angegeben werden. Erfolgt ein solcher Antrag nicht, so schafft § 54 StPO ein Beweiserhebungsverbot (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 54 StPO RdNr. 2). In entsprechenden Fällen ist Beschwerde einzulegen.

Umfang der zulässigen Übermittlung

In Fällen des § 73 Abs. 1 SGB X ist es zulässig, sämtliche erforderlichen und im Beschluss benannten Sozialdaten zu übermitteln. Eine Beschränkung auf bestimmte Sozialdaten besteht nicht.

Die einzige Einschränkung bildet § 76 Abs. 1 SGB X, wonach medizinische Daten nicht übermittelt werden dürfen, da sie einem besonderen Schutz unterliegen.

In Fällen des § 73 Abs. 2 SGB X ist die Datenübermittlung auf die in § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X genannten Angaben sowie die Angabe, ob Geldleistungen an die betroffene Person erbracht wurden beziehungsweise demnächst zu erbringen sind, beschränkt.

Zu den in § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X genannten Daten zählen:

  • Name, Vorname, früher geführte Namen,
  • Geburtsdatum und Geburtsort,
  • derzeitige und frühere Anschriften,
  • Namen und Anschriften derzeitiger und früherer Arbeitgeber.

Unter demnächst zu erbringenden Geldleistungen sind Sozialleistungen zu verstehen, deren Ansprüche dem Grunde nach bestehen, die aber noch nicht durch Bescheid festgestellt sind oder noch nicht an die betroffenen Personen ausbezahlt wurden. Hierzu gehören insbesondere:

  • die Konkretisierung der Geldleistung,
  • die Höhe der Geldleistung,
  • der Zeitraum, für den die Geldleistung erbracht wurde oder demnächst zu erbringen ist und
  • der Zahlungszeitpunkt.

Die Angabe der Bankverbindung der betroffenen Person gehört nicht dazu.

Abgrenzung zu § 68 SGB X

Grundsätzlich ist eine Datenübermittlung an eine Polizeibehörde, eine Staatsanwaltschaft oder ein Gericht auch nach § 68 SGB X zulässig. Der zulässig zu übermittelnde Datenumfang ist dann auf die in § 68 Abs. 1 SGB X genannten Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige Anschrift, derzeitiger oder zukünftiger Aufenthaltsort sowie Namen, Vornamen oder Firma und Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber) beschränkt, vergleiche GRA zu § 68 SGB X.

Abgrenzung zu § 69 SGB X

Eine Datenübermittlung an Gerichte, Polizeibehörden oder Staatsanwaltschaften ist nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X für die Durchführung eines gerichtlichen oder Strafverfahrens auch zulässig, wenn diese Verfahren im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Aufgabe nach dem SGB stehen. Ein richterlicher Beschluss ist hier nicht erforderlich. Näheres hierzu kann der GRA zu § 69 SGB X entnommen werden.

Auskunftsrecht der betroffenen Person nach § 83 SGB X in Verbindung mit Art. 15 DSGVO

Nach Art. 15 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, auf Antrag Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Sozialdaten zu erhalten. Dies betrifft auch Angaben zu Herkunft oder Empfänger der Daten. Die Regelung nach § 83 SGB X enthält die Einschränkung des Auskunftsrechts der betroffenen Person.

§ 83 Abs. 5 SGB X begrenzt die Auskunfts- und Einsichtsrechte der betroffenen Personen, wenn die Vorgänge Schriftwechsel mit Polizeibehörden, Gerichten im Bereich der Strafverfolgung, Verfassungsschutzbehörden, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst oder Staatsanwaltschaften enthalten. In derartigen Fällen ist eine Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO nur zulässig, wenn vorab die entsprechende Stelle hierzu ihre Zustimmung gegeben hat. Auf die GRA zu § 83 SGB X und die GRA zu Art. 15 DSGVO wird ergänzend hingewiesen.

Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2541)

Inkrafttreten: 25.05.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/12611

Die bisherigen Regelungen werden beibehalten und redaktionell an die Begriffsbestimmungen aus Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) angepasst.

2. SGB ÄndG vom 13.06.1994 (BGBl. I S. 1229)

Inkrafttreten: 01.07.1994

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 12/5187, BT-Drucksache12/6334

Mit Wirkung vom 01.07.1994 wurde die Vorschrift des § 73 SGB X durch Artikel 6 Nummer 4 des 2. SGB ÄndG neu gefasst. Neben der Anpassung an die neue Begrifflichkeit aufgrund der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG; BGBl. I 1990 S. 2954) wird nicht mehr zwischen Verbrechen und Vergehen unterschieden. Stattdessen wurden in die Kategorie Verbrechen sonstige Straftaten von erheblicher Bedeutung eingegliedert.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/4022

Zum 01.01.1981 wurde das Zweite Kapitel des SGB X mit den Vorschriften zum Schutz der Sozialdaten (§§ 67 bis 85a SGB X) eingeführt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 73 SGB X