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§ 49 SGB X: Rücknahme und Widerruf im Rechtsbehelfsverfahren

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Abstimmungsprozess GRA

Dokumentdaten
Stand05.05.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB X vom 18.08.1980 in Kraft getreten am 01.01.1981
Rechtsgrundlage

§ 49 SGB X

Version001.01
Schlüsselwörter
  • 0805

  • 1805

Inhalt der Regelung

§ 49 SGB X enthält Regelungen zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung. Nach dieser Vorschrift gelten die §§ 45 Abs. 1 bis 4, 47 und 48 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem belasteten Dritten angefochten wurde, während eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens aufgehoben wird, soweit damit der Widerspruch oder die Klage des Dritten Erfolg hat.

Bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung lässt § 49 SGB X die Beseitigung der begünstigenden Regelung also unter leichteren Voraussetzungen zu, als dies sonst regelmäßig der Fall ist, wenn die Bestandskraft eines begünstigenden Verwaltungsaktes durchbrochen werden soll. So wird der Vertrauensschutz des Begünstigten im Interesse des belasteten Dritten reduziert.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die §§ 45, 47 und 48 SGB X bleiben Rechtsgrundlage für die Aufhebung gegenüber dem begünstigten Adressaten des Verwaltungsaktes, wenn ein Dritter Widerspruch oder Klage einlegt. § 49 SGB X ist also keine eigenständige Eingriffsnorm. Nur von den einschränkenden Regelungen, die § 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 SGB X vorsehen, ist die Behörde freigestellt (Abschnitt 3).

Tatbestandsvoraussetzungen

Nach § 49 SGB X ist die Behörde an die einschränkenden Voraussetzungen der §§ 45 Abs. 1 bis 4, 47 und 48 SGB X nicht gebunden, sofern sie

  • einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Drittwirkung (Abschnitt 2.1),
  • der von einem Dritten angefochten worden ist (Abschnitt 2.2),
  • während eines anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahrens (Abschnitt 2.3)
  • zu Lasten des Begünstigten aufhebt, um dem Widerspruch abzuhelfen oder der Klage stattzugeben (Abschnitt 2.4).

Begünstigender Verwaltungsakt mit Drittwirkung

In § 49 SGB X geht es um die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit belastender Drittwirkung, also eines Verwaltungsaktes, der einen oder mehrere Betroffene begünstigt und mindestens einen Dritten belastet (vergleiche GRA zu § 31 SGB X, Abschnitt 4.7).

Unerheblich ist, ob der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut: Die Überschrift nennt neben der Rücknahme auch den Widerruf.

Dritter im Sinne des § 49 SGB X ist ein anderer als derjenige, dem gegenüber § 49 SGB X die Aufhebung zulässt. § 49 SGB X verlangt nicht, dass der Begünstigte Adressat und der Dritte nicht Adressat des Verwaltungsaktes ist. Hat zum Beispiel die Einzugsstelle die Versicherungspflicht eines Arbeitnehmers festgestellt und wird der Bescheid vom Arbeitgeber angefochten, so ist der belastete Arbeitgeber im Verhältnis zum begünstigten Arbeitnehmer Dritter, unabhängig davon, ob der Bescheid nur den Arbeitgeber, nur den Arbeitnehmer oder beide als Adressaten nennt. Dritter ist vor allem derjenige, der durch den einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt unmittelbar in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit beschwert ist. Ausreichend ist die Belastung des Dritten im Sinne einer Beschwer. Die Wirkung auf den Dritten muss nicht notwendig auch im Sinne des § 44 SGB X belastend sein, was regelmäßig aber der Fall sein dürfte.

Denkbare Fälle von begünstigenden Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung sind zum Beispiel

  • die Entscheidung über die Auszahlung laufender Leistungen an Unterhaltsberechtigte des Leistungsberechtigten gemäß § 48 SGB I,
  • die Feststellung der Versicherungspflicht gegenüber einem Arbeitnehmer (sie wirkt sich für den Arbeitgeber als zur Beitragszahlung Verpflichteter belastend, für den Arbeitnehmer selbst begünstigend aus),
  • die Bewilligung einer Witwen- oder Witwerrente, sofern diese auf mehrere Berechtigte nach § 91 SGB VI aufzuteilen ist.

Anfechtung durch einen Dritten

Die Anwendung des § 49 SGB X setzt voraus, dass der begünstigende Verwaltungsakt von einem durch die begünstigende Regelung belasteten Dritten angefochten worden ist. Solange der Verwaltungsakt noch nicht angefochten, eine Anfechtung durch den Dritten aber noch zulässig ist, ist der Vertrauensschutz des Begünstigten wegen der Anfechtungsmöglichkeit durch den Dritten zwar von vornherein eingeschränkt. Aber die bloße Möglichkeit der Anfechtung ist nicht ausreichend für eine Aufhebung durch die Behörde unter Anwendung des § 49 SGB X, sodass der Anwendungsausschluss der §§ 45 Abs. 1 bis 4, 47, 48 SGB X vor Anfechtung nicht eintritt.

Die Anfechtung des Verwaltungsaktes durch den Dritten erfolgt mit zulässig eingelegtem Widerspruch oder zulässig erhobener Klage (vergleiche insbesondere GRA zu § 84 SGG und GRA zu § 78 SGG). Widerspruch und Klage müssen auch begründet sein, da dem Gesetzeswortlaut nach die Aufhebung unter „erleichterten” Voraussetzungen nur zulässig ist, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird.

Ein Antrag des Dritten auf Überprüfung des Verwaltungsaktes im Sinne des § 44 SGB X nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist führt nicht mehr zur Anwendung des § 49 SGB X, denn ansonsten könnte der nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eintretende Bestandsschutz gegenüber dem Begünstigten bei einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung beliebig unterlaufen werden.

Anhängigkeit eines Rechtsbehelfsverfahrens

Die Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Drittwirkung nach § 49 SGB X muss während des Vorverfahrens oder während eines gerichtlichen Verfahrens, das durch den Rechtsbehelf eines Dritten anhängig geworden ist, erfolgen, denn nur für die Dauer der Anhängigkeit des Rechtsbehelfsverfahrens gilt die erweiterte Aufhebungsbefugnis nach § 49 SGB X bezüglich des begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Aufhebung ist auch noch während des Berufungs- oder Revisionsverfahrens möglich.

Abhilfe oder Stattgabe des Rechtsbehelfs durch Aufhebung

Die erleichterten Rücknahme-, Widerrufs- beziehungsweise Aufhebungsvoraussetzungen gelten dem Gesetzeswortlaut des § 49 SGB X nach nur, soweit durch die Aufhebung dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird.

§ 49 SGB X lässt die Korrektur eines rechtswidrigen oder rechtmäßigen Verwaltungsaktes aber nicht in uneingeschränktem Maße zu. Nur im Umfang der Begründetheit des Rechtsbehelfs ist seine Aufhebung zulässig.

Rechtsfolgen des § 49 SGB X

Sofern die Anfechtung des Dritten zu einer Abhilfe- oder Stattgabeentscheidung geführt hat, ist im gleichen sachlichen und zeitlichen Umfang die Korrektur der bisherigen Begünstigung erforderlich. Hebt die Behörde unter den Voraussetzungen des § 49 SGB X einen begünstigenden Verwaltungsakt auf, so ist sie von den einschränkenden Regelungen, die § 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 SGB X vorsehen, freigestellt. Missverständlich ist die gesetzliche Formulierung, dass die oben genannten Vorschriften nicht für die Aufhebung während eines Rechtsbehelfsverfahrens gelten. Tatsächlich sollen nur die in § 45 Abs. 2 bis 4, §§ 47 und 48 SGB X enthaltenen Einschränkungen ausgeschlossen werden, nicht aber die Ermächtigungsgrundlagen für eine Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte selbst. Auch in Drittwiderspruchs- und -klagefällen bleiben daher die §§ 45, 47 und 48 SGB X Rechtsgrundlage für die Aufhebung gegenüber dem Begünstigten. § 49 SGB X ist also keine eigenständige Eingriffsnorm.

Inwieweit bei einer Aufhebung über § 49 SGB X Ermessen auszuüben ist, ist durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Während die Behörde bei der Aufhebung von den besonderen Beschränkungen der maßgeblichen Korrekturvorschriften, der Vertrauensschutzprüfung und dem Einhalten von Fristen, freigestellt ist, sollte sicherheitshalber davon ausgegangen werden, dass eine Ermessensausübung von § 49 SGB X nicht ausgeschlossen ist. Allerdings ist hierbei dem Aspekt der Sicherung der Belange des (mit einer rechtswidrigen Entscheidung) belasteten Dritten ein so hohes Gewicht beizumessen, dass die individuellen Interessen des Begünstigten dieses rechtswidrigen Bescheides vergleichsweise „gegen Null“ gehen.

Wird ein Verwaltungsakt aufgehoben, so sind gegebenenfalls an den Begünstigten bereits zu Unrecht erbrachte Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Verfahren/zuständige Behörde

Die Aufhebung über § 49 SGB X gehört nicht zum Rechtsbehelfsverfahren, sondern erfolgt in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren. Für das Aufhebungsverfahren und die Zuständigkeit gelten also die allgemeinen Bestimmungen des SGB X.

Der Begünstigte, also derjenige, zu dessen Lasten die Aufhebung erfolgen soll, ist vor Aufhebung des Verwaltungsaktes nach § 24 SGB X anzuhören und nach § 12 SGB X zu beteiligen. Das gilt auch während des Klageverfahrens, da die Aufhebung über § 49 SGB X eine verwaltungsverfahrensrechtliche Maßnahme ist.

§ 49 SGB X schließt die Anwendung des § 45 Abs. 5 SGB X nicht aus, sodass über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Rahmen des § 49 SGB X die zuständige Behörde entscheidet. Sofern nicht die Verwaltung, sondern die für den Widerspruch zuständige Stelle beziehungsweise das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt, findet § 49 SGB X keine Anwendung.

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)
Inkrafttreten: 03.10.1990 beziehungsweise 01.01.1991

Im Beitrittsgebiet gilt § 49 SGB X ab dem 03.10.1990 (Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885), im Bereich der Rentenversicherung ist er aber erst ab dem 01.01.1991 anzuwenden (Art. 8 und Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D III Nr. 2 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990, BGBl. II S. 889).

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

Der § 49 SGB X wurde mit dem SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) eingeführt und ist ab dem 01.01.1981 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 49 SGB X