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§ 84 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017: Prävention

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Komplette Überarbeitung

Dokumentdaten
Stand24.11.2016
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB IX vom 19.06.2001 in Kraft getreten am 01.07.2001
Rechtsgrundlage

§ 84 SGB IX

Version001.00

Inhalt der Regelung

Die Sicherung des Arbeitsplatzes beziehungsweise der Erhalt der Erwerbsfähigkeit für Beschäftigte steht bei dieser Vorschrift im Vordergrund. Arbeitgeber werden verpflichtet, frühzeitig Anstrengungen zu unternehmen, die geeignet sind, Arbeitsunfähigkeitszeiten vorzubeugen, zu überwinden und den Arbeitsplatz zu erhalten

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die Gemeinsamen Servicestellen (§ 22 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) beraten und unterstützen berechtigte Personen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement.

Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 95 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017), von unter anderem Betriebs- und Personalräten (§ 93 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) und der Integrationsämter (§ 102 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements ist vorgesehen.

Die Begriffe Behinderung, Menschen mit Schwerbehinderung und schwerbehinderte gleichgestellte Personen werden im § 2 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 erläutert.

§ 7 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 klärt den Vorrang eines Trägers im Hinblick auf seine geltenden spezifischen Leistungsgesetze.

Allgemeines

Absatz 1 der Vorschrift regelt das Vorgehen, wenn aufgrund einer vorliegenden Behinderung eine Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung beziehungsweise des Integrationsamtes gegeben ist.

Absatz 2 verpflichtet den Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten und durchzuführen, sobald Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind.

Die Erweiterung der in Absatz 1 vorgenommenen Beschränkung auf schwerbehinderte Mitarbeiter bezieht sich hier auf alle behinderten oder von Behinderung bedrohten Personen im Sinne des § 2 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017.

Absatz 3 eröffnet den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern die Möglichkeit, Arbeitgeber bei der Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements zu fördern.

Vermeidung der Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters (§ 84 Absatz 1 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017)

Das Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen soll mit den Möglichkeiten, die in Absatz 1 genannt werden, möglichst auf Dauer erhalten werden. Der aufgehobene § 14c SchwbG wurde in den Absatz 1 nahezu inhaltsgleich übernommen. Die Vorschrift wurde ergänzt um die Hinzuziehung des Integrationsamtes, welches ohnehin bei Kündigungsverfahren von schwerbehinderten Menschen einzubeziehen ist. Diese vorgenommene Ergänzung erweist sich als ausgesprochen sinnvoll, da die Fachkräfte des Integrationsamtes über die zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten, die einen Erhalt des Arbeitsplatzes unterstützen können, bestens unterrichtet sind.

Initiativpflichtig ist der Arbeitgeber, der zunächst verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten am Arbeitsplatz erkennen muss. Die Probleme müssen so schwerwiegend sein, dass der Arbeitsplatz des Mitarbeiters bedroht ist. Liegt ein solcher Fall vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, frühzeitig den Kontakt zur Schwerbehindertenvertretung (§ 95 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) und den Mitarbeitervertretungen des § 93 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 aufzunehmen. Darüber hinaus ist das Integrationsamt (§ 102 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) einzuschalten. Ziel dieser Beteiligung ist es, durch Prüfung aller in Frage kommenden Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten das Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis zu erhalten. Zum Erhalt des Arbeitsplatzes des schwerbehinderten Mitarbeiters sollen von den Genannten alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung herangezogen und mögliche finanzielle Hilfen zum Erhalt des Arbeitsplatzes erwogen werden.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Einsatz dieser präventiven Maßnahme ist nicht auf bestimmte Unternehmen beschränkt, sondern betrifft alle Arbeitgeber. Betriebe, die weder über eine Mitarbeitervertretung noch über eine Schwerbehindertenvertretung verfügen, haben nur das Integrationsamt einzuschalten. Öffentliche und private Arbeitgeber sind gleichermaßen verpflichtet.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) (§ 84 Absatz 2 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017)

In der Erweiterung der Vorgaben des Absatzes 1 richtet sich das in Absatz 2 geregelte Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) an alle Beschäftigte eines Unternehmens. Auf die Anerkennung als Schwerbehinderter oder gleichgestellten behinderten Menschen kommt es nicht an. Es setzt ein strukturiertes Vorgehen des Arbeitgebers zur Überwindung einer aktuellen Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise der Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit voraus, mit dem Ziel, den Arbeitsplatz des Beschäftigten zu erhalten.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) als Aufgabe des Arbeitgebers

Adressat der Regelung ist - wie auch in Absatz 1 der Vorschrift - der Arbeitgeber. Nach dem Gesetzeswortlaut hat er mit Ablauf der sechsten Woche einer unununterbrochenen oder wiederholten Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten innerhalb eines Jahres ein Betriebliches Eingliederungsmanagement einzuleiten. Der Arbeitgeber ist aber auch berechtigt, bereits zu einem früheren Zeitpunkt einzugreifen, wenn dies erforderlich erscheint. Im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung sowie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann es zur Wiedereingliederung des erkrankten Mitarbeiters durchaus sinnvoll sein, den Kontakt zum Beschäftigten früher aufzunehmen und mit dessen Einwilligung die inner- und außerbetrieblichen Akteure bereits vor Ablauf von sechs Wochen in das Betriebliche Eingliederungsmanagement einzubeziehen.

Beteiligte Stellen

Neben dem Arbeitgeber und dem betroffenen Arbeitnehmer sind verschiedene betriebsinterne oder -externe Stellen an dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement beteiligt. Dazu gehören insbesondere:

  • Betriebs- beziehungsweise Personalrat,
  • Schwerbehindertenvertretung (wenn Schwerbehinderte betroffenen sind),
  • betriebsinterne Stellen: zum Beispiel Vertreter, Betriebsarzt, Sozialberaterin,,
  • externe Partner: Rehabilitationsträger, wie Agentur für Arbeit und Deutsche Rentenversicherung, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, Integrationsämter und örtliche Fürsorgestellen bei schwerbehinderten Arbeitnehmern sowie Integrationsfachdienste.

Die Beteiligung dieser Stellen hängt von dem Einverständnis des Arbeitnehmers ab. Ohne dessen Zustimmung darf der Arbeitgeber sie nicht zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement hinzuziehen.

Die beteiligten betrieblichen Akteure sind die zuständige Interessenvertretung (§ 93 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) sowie bei schwerbehinderten Menschen zusätzlich die betriebliche Schwerbehindertenvertretung (§ 95 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017). Sie sind zunächst aufgefordert Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, um aktuelle Arbeitsunfähigkeit zu überwinden oder drohender Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Betriebs- oder Werksärzte können bei Bedarf hinzugezogen werden (Absatz 2 Satz 2). Im Mittelpunkt des BEM steht dabei der erkrankte Mitarbeiter, der im Hinblick auf seine Persönlichkeitsrechte der Einleitung und Durchführung des BEM zustimmen muss. Eine wirksame Zustimmung setzt eine Information über die Ziele des BEM voraus. Dabei ist auch über Art und Umfang der erforderlichen Daten für dieses Verfahren zu informieren.

Als weitere externe Beteiligte können die Gemeinsamen Servicestellen (§ 22 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) für Rehabilitation oder die Rehabilitationsträger selbst am Verfahren beteiligt werden.

Ziele eines BEM

Der Gesetzeswortlaut geht davon aus, dass das primäre Ziel des BEM der Erhalt des bisherigen Arbeitsplatzes des Arbeitsnehmers im Betrieb oder Unternehmen ist. Die tatsächlichen Umstände können es aber auch erforderlich machen, dem Mitarbeiter zu einem anderen Arbeitsplatz im gleichen Unternehmen oder bei einem anderen Unternehmen zu verhelfen. Wesentlicher Erfolg ist in allen Fällen der Verbleib des Beschäftigten im Erwerbsprozess. Wird dieses Ziel erreicht, kommt ein erfolgreiches BEM allen Beteiligten, das heißt Arbeitnehmern, Arbeitgebern und den Sozialversicherungsträgern zu Gute.

Verfahren zur Durchführung eines BEM

Das Verfahren zur Durchführung eines BEM ist keinen besonderen Regeln unterworfen. Im Interesse eines individuellen und flexiblen Vorgehens wird nicht vorgeschrieben, welche Maßnahmen einzuleiten sind. Damit lässt der Gesetzgeber Raum für alle denkbaren Lösungen. Häufig wird danach als Mittel der Wahl eine Leistung zur Teilhabe oder eine begleitende Hilfe im Arbeitsleben in Betracht kommen. Externe Hilfestellung soll hier durch die Integrationsämter bei Schwerbehinderten oder durch die Gemeinsamen Servicestellen (§ 22 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) für Rehabilitation erfolgen. Die Servicestellen haben die Aufgabe im Rahmen des Eingliederungsprozesses dafür Sorge zu tragen, dass die Leistungen unverzüglich beantragt und diese innerhalb der Fristen des § 14 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 erbracht werden.

Konkreter Ablauf eines BEM

In der Praxis sollten folgende Punkte beachtet werden:

  1. Identifikation des Mitarbeiters, der in den letzten 12 Monaten mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt war. Die Einleitung eines BEM kann bereits vor Ablauf der 6-Wochen-Frist erfolgen, danach ist sie jedoch verpflichtend.
  2. Die Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Mitarbeiter erfolgt in Form eines Erstgesprächs. Mittels einer schriftlichen Aufklärung wird der Mitarbeiter über Sinn und Zweck eines BEM sowie über die Notwendigkeit der Erhebung bestimmter Daten informiert.
  3. Einholen der schriftlichen Einwilligung zur Durchführung eines BEM beim erkrankten Mitarbeiter.
  4. Bei Einwilligung des Mitarbeiters findet eine Fallbesprechung statt, an der neben Arbeitgeber und Mitarbeiter je nach Bedarf auch interne und externe Berater teilnehmen, um gemeinsam einen Maßnahmeplan zu erstellen.
  5. Der Maßnahmeplan ist schriftlich festzuhalten. Die darin aufgeführten Maßnahmen können sowohl betrieblicher (zum Beispiel innerbetriebliche Umsetzung, Schulungen, behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung) als auch außerbetrieblicher Art (zum Beispiel Rehabilitationsleistung) sein.
  6. Zeitnahe Umsetzung der festgelegten Maßnahmen mit dem Ziel der betrieblichen Eingliederung. Der Mitarbeiter sollte in dieser Phase begleitet werden, damit erforderlich werdende Korrekturen umgehend vorgenommen werden können.
  7. Abschließende Auswertung des Falles mit Beurteilung, ob mit den eingeleiteten Maßnahmen das Ziel des BEM erreicht worden ist.

Prämien und Boni für die Einführung des BEM (§ 84 Absatz 3 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017)

Arbeitgeber können von den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern durch Prämien oder durch einen Bonus gefördert werden, wenn sie BEM im Unternehmen einführen. Ein Rechtsanspruch auf die Förderung besteht nicht. Von Seiten des Gesetzgebers gibt es keinerlei konkrete Vorgaben, wie ein förderungsfähiges Eingliederungsmanagement auszusehen hat.

Unter Berücksichtigung der Regelung in § 7 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017, nach der die Vorschriften des SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 nur gelten, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt, können entsprechende Prämien oder Boni allerdings nur dann gezahlt werden, wenn das für den jeweiligen Träger geltende spezifische Leistungsrecht dies zulässt. § 84 Abs. 3 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 stellt insoweit keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar. Die Rentenversicherung kann Arbeitgeber beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement durch individuelle Beratungs- und Unterstützungsleistungen fördern.

Hierfür halten die Rentenversicherungsträger aufsuchende Beratungsangebote vor, die direkt im Unternehmen einsetzen und die die Eingliederung erkrankter Mitarbeiter zum Ziel haben.

Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.04.2004 (BGBl. I S. 606)

Inkrafttreten: 01.05.2004

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1783

SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046)

Inkrafttreten: 01.07.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5074

Seit der Novellierung des § 84 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 muss der Arbeitgeber bereits nach 6 Wochen ununterbrochener oder wiederholter Arbeitsunfähigkeit seines Beschäftigten aktiv werden und sich um dessen Eingliederung bemühen.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 84 SGB IX