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§ 167 SGB IX: Prävention

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.07.2021

Änderung

Teilhabebestärkungsgesetz Abschnitt 4.2 - Wahl der Vertrauensperson

Dokumentdaten
Stand07.07.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger von Leistungen für Bildung und Teilhabe in der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz) vom 02.06.2021 in Kraft getreten am 10.06.2021
Rechtsgrundlage

§ 167 SGB IX

Version002.00

Inhalt der Regelung

Die Sicherung des Arbeitsplatzes beziehungsweise der Erhalt der Erwerbsfähigkeit für Beschäftigte steht bei dieser Vorschrift im Vordergrund. Arbeitgeber werden verpflichtet, frühzeitig Anstrengungen zu unternehmen, die geeignet sind, Arbeitsunfähigkeitszeiten vorzubeugen, zu überwinden und den Arbeitsplatz zu erhalten.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 178 SGB IX), von unter anderem Betriebs- und Personalräten (§ 176 SGB IX) und der Integrationsämter (§ 185 SGB IX) im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements ist vorgesehen.

Die Begriffe Behinderung, Menschen mit Schwerbehinderung und schwerbehinderte gleichgestellte Personen werden im § 2 SGB IX erläutert.

§ 7 SGB IX klärt den Vorrang eines Trägers im Hinblick auf seine geltenden spezifischen Leistungsgesetze.

§ 10 Abs. 5 SGB IX verpflichtet Rehabilitationsträger, die durch Arbeitgeber zu einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement hinzugezogen wurden, auf eine frühzeitige Antragstellung auf Leistungen zur Teilhabe nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen hinzuwirken.

Allgemeines

Absatz 1 der Vorschrift regelt das Vorgehen, wenn aufgrund einer vorliegenden Behinderung eine Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung beziehungsweise des Integrationsamtes gegeben ist.

Absatz 2 verpflichtet den Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten und durchzuführen, sobald Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind.

Die Erweiterung der in Absatz 1 vorgenommenen Beschränkung auf schwerbehinderte Mitarbeiter bezieht sich hier auf alle behinderten oder von Behinderung bedrohten Personen im Sinne des § 2 SGB IX.

Absatz 3 eröffnet den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern die Möglichkeit, Arbeitgeber bei der Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements zu fördern.

Vermeidung der Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters (§ 167 Abs. 1 SGB IX)

Das Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen soll mit den Möglichkeiten, die in Absatz 1 genannt werden, möglichst auf Dauer erhalten werden. Das Integrationsamt ist einzubeziehen. Hiermit soll sichergestellt werden, dass die Fachkräfte des Integrationsamtes mit einer Beratung zu den zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten, die einen Erhalt des Arbeitsplatzes unterstützen können, frühestmöglich in den Prozess eingebunden werden.

Initiativpflichtig ist der Arbeitgeber, der zunächst verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten am Arbeitsplatz erkennen muss. Die Probleme müssen so schwerwiegend sein, dass der Arbeitsplatz des Mitarbeiters bedroht ist. Liegt ein solcher Fall vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, frühzeitig den Kontakt zur Schwerbehindertenvertretung (§ 178 SGB IX) und den Mitarbeitervertretungen des § 176 SGB IX aufzunehmen. Darüber hinaus ist das Integrationsamt (§ 185 SGB IX) einzuschalten. Ziel dieser Beteiligung ist es, durch Prüfung aller in Frage kommenden Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten das Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis zu erhalten. Zum Erhalt des Arbeitsplatzes des schwerbehinderten Mitarbeiters sollen von den Genannten alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung herangezogen und mögliche finanzielle Hilfen zum Erhalt des Arbeitsplatzes erwogen werden.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Einsatz dieser präventiven Maßnahme ist nicht auf bestimmte Unternehmen beschränkt, sondern betrifft alle Arbeitgeber. Betriebe, die weder über eine Mitarbeitervertretung noch über eine Schwerbehindertenvertretung verfügen, haben nur das Integrationsamt einzuschalten. Öffentliche und private Arbeitgeber sind gleichermaßen verpflichtet.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) (§ 167 Abs. 2 SGB IX)

In der Erweiterung der Vorgaben des Absatzes 1 richtet sich das in Absatz 2 geregelte Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) an alle Beschäftigte eines Unternehmens. Auf die Anerkennung als Schwerbehinderter oder gleichgestellten behinderten Menschen kommt es nicht an. Es setzt ein strukturiertes Vorgehen des Arbeitgebers zur Überwindung einer aktuellen Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise der Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit voraus, mit dem Ziel, den Arbeitsplatz des Beschäftigten zu erhalten.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) als Aufgabe des Arbeitgebers

Adressat der Regelung ist - wie auch in Absatz 1 der Vorschrift - der Arbeitgeber. Nach dem Gesetzeswortlaut hat er mit Ablauf der sechsten Woche einer ununterbrochenen oder wiederholten Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten innerhalb eines Jahres ein Betriebliches Eingliederungsmanagement einzuleiten. Der Arbeitgeber ist aber auch berechtigt, bereits zu einem früheren Zeitpunkt einzugreifen, wenn dies erforderlich erscheint. Im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung sowie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann es zur Wiedereingliederung des erkrankten Mitarbeiters durchaus sinnvoll sein, den Kontakt zum Beschäftigten früher aufzunehmen und mit dessen Einwilligung die inner- und außerbetrieblichen Akteure bereits vor Ablauf von sechs Wochen in das Betriebliche Eingliederungsmanagement einzubeziehen.

Beteiligte Stellen

Neben dem Arbeitgeber und dem betroffenen Arbeitnehmer sind verschiedene betriebsinterne oder -externe Stellen an dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement beteiligt. Dazu gehören insbesondere:

  • Betriebs- beziehungsweise Personalrat,
  • Schwerbehindertenvertretung (wenn Schwerbehinderte betroffenen sind),
  • betriebsinterne Stellen: zum Beispiel Vertreter, Betriebsarzt, Sozialberaterin,,
  • externe Partner: Rehabilitationsträger, wie Agentur für Arbeit und Deutsche Rentenversicherung, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, Integrationsämter und örtliche Fürsorgestellen bei schwerbehinderten Arbeitnehmern sowie Integrationsfachdienste.

Die Beteiligung dieser Stellen hängt von dem Einverständnis des Arbeitnehmers ab. Ohne dessen Zustimmung darf der Arbeitgeber sie nicht zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement hinzuziehen.

Die beteiligten betrieblichen Akteure sind die zuständige Interessenvertretung (§ 176 SGB IX) sowie bei schwerbehinderten Menschen zusätzlich die betriebliche Schwerbehindertenvertretung (§ 178 SGB IX). Sie sind zunächst aufgefordert Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, um aktuelle Arbeitsunfähigkeit zu überwinden oder drohender Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Betriebs- oder Werksärzte können bei Bedarf hinzugezogen werden (§ 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX). Im Mittelpunkt des BEM steht dabei der erkrankte Mitarbeiter, der im Hinblick auf seine Persönlichkeitsrechte der Einleitung und Durchführung des BEM zustimmen muss. Eine wirksame Zustimmung setzt eine Information über die Ziele des BEM voraus. Dabei ist auch über Art und Umfang der erforderlichen Daten für dieses Verfahren zu informieren. Als weitere externe Beteiligte können die Rehabilitationsträger am Verfahren beteiligt werden. Dies beinhaltet für die Rehabilitationsträger im Einzelfall die Pflicht, auf weitere Beratungsangebote und die Leistungen anderer Träger hinzuweisen und auf eine frühzeitige Beantragung von Teilhabeleistungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen hinzuwirken (§ 10 Abs. 5 SGB IX). Soweit erforderlich, beteiligen sie hierbei auch schon die anderen Rehabilitationsträger. Dies ergibt sich aus dem Gesetz (§ 10 Abs. 4 S. 2 SGB IX, der entsprechende Anwendung findet) und der Verpflichtung der Rehabilitationsträger zur Koordination und Kooperation sowie der Anforderung „Leistungen wie aus einer Hand“ zu erbringen.

Auf Wunsch der Beschäftigten kann zusätzlich auch eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzugezogen werden. Den Beschäftigten steht es frei, selbst zu wählen, wer als Vertrauensperson am BEM-Verfahren teilnehmen soll. Dabei kann es sich um ein Mitglied der Interessenvertretung, eine Person aus dem Betrieb oder um eine Person außerhalb des Betriebes - beispielsweise einen Rechtsbeistand - handeln. Dies war vor der gesetzlichen Ergänzung des § 167 Absatz 2 SGB IX durch das Teilhabebestärkungsgesetz nicht möglich. Die Entscheidung, ob und gegebenenfalls wer hinzugezogen wird, liegt alleine bei dem BEM-Berechtigten. Die Arbeitgeber sollen die Beschäftigten über die Möglichkeit, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen, informieren.

Ziele eines BEM

Der Gesetzeswortlaut geht davon aus, dass das primäre Ziel des BEM der Erhalt des bisherigen Arbeitsplatzes des Arbeitsnehmers im Betrieb oder Unternehmen ist. Die tatsächlichen Umstände können es aber auch erforderlich machen, dem Mitarbeiter zu einem anderen Arbeitsplatz im gleichen Unternehmen oder bei einem anderen Unternehmen zu verhelfen. Wesentlicher Erfolg ist in allen Fällen der Verbleib des Beschäftigten im Erwerbsprozess. Wird dieses Ziel erreicht, kommt ein erfolgreiches BEM allen Beteiligten, das heißt Arbeitnehmern, Arbeitgebern und den Sozialversicherungsträgern zu Gute.

Verfahren zur Durchführung eines BEM

Das Verfahren zur Durchführung eines BEM ist keinen besonderen Regeln unterworfen. Im Interesse eines individuellen und flexiblen Vorgehens wird nicht vorgeschrieben, welche Maßnahmen einzuleiten sind. Damit lässt der Gesetzgeber Raum für alle denkbaren Lösungen. Häufig wird danach als Mittel der Wahl eine Leistung zur Teilhabe oder eine begleitende Hilfe im Arbeitsleben in Betracht kommen. Externe Hilfestellung soll hier durch die Integrationsämter bei Schwerbehinderten oder durch die anderen Rehabilitationsträger erfolgen. Hierbei bietet es sich an auch auf die Informationsangebote der Ansprechstellen nach § 12 Abs. 1 S. 3 SGB IX zurückzugreifen.

Konkreter Ablauf eines BEM

In der Praxis sollten folgende Punkte beachtet werden:

  1. Identifikation des Mitarbeiters, der in den letzten 12 Monaten mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt war. Die Einleitung eines BEM kann bereits vor Ablauf der 6-Wochen-Frist erfolgen, danach ist sie jedoch verpflichtend.
  2. Die Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Mitarbeiter erfolgt in Form eines Erstgesprächs. Mittels einer schriftlichen Aufklärung wird der Mitarbeiter über Sinn und Zweck eines BEM sowie über die Notwendigkeit der Erhebung bestimmter Daten informiert.
  3. Einholen der schriftlichen Einwilligung zur Durchführung eines BEM beim erkrankten Mitarbeiter.
  4. Bei Einwilligung des Mitarbeiters findet eine Fallbesprechung statt, an der neben Arbeitgeber und Mitarbeiter je nach Bedarf auch interne und externe Berater teilnehmen, um gemeinsam einen Maßnahmeplan zu erstellen.
  5. Der Maßnahmeplan ist schriftlich festzuhalten. Die darin aufgeführten Maßnahmen können sowohl betrieblicher (zum Beispiel innerbetriebliche Umsetzung, Schulungen, behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung) als auch außerbetrieblicher Art (zum Beispiel Rehabilitationsleistung) sein.
  6. Zeitnahe Umsetzung der festgelegten Maßnahmen mit dem Ziel der betrieblichen Eingliederung. Der Mitarbeiter sollte in dieser Phase begleitet werden, damit erforderlich werdende Korrekturen umgehend vorgenommen werden können.
  7. Abschließende Auswertung des Falles mit Beurteilung, ob mit den eingeleiteten Maßnahmen das Ziel des BEM erreicht worden ist.

Prämien und Boni für die Einführung des BEM (§ 167 Abs. 3 SGB IX)

Arbeitgeber können von den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern durch Prämien oder durch einen Bonus gefördert werden, wenn sie BEM im Unternehmen einführen. Ein Rechtsanspruch auf die Förderung besteht nicht. Von Seiten des Gesetzgebers gibt es keinerlei konkrete Vorgaben, wie ein förderungsfähiges Eingliederungsmanagement auszusehen hat.

Unter Berücksichtigung der Regelung in § 7 Abs. 1 SGB IX, nach der die Vorschriften des SGB IX nur gelten, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt, können entsprechende Prämien oder Boni allerdings nur dann gezahlt werden, wenn das für den jeweiligen Träger geltende spezifische Leistungsrecht dies zulässt. § 167 Abs. 3 SGB IX stellt insoweit keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar. Die Rentenversicherung kann Arbeitgeber beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement durch individuelle Beratungs- und Unterstützungsleistungen fördern.

Hierfür halten die Rentenversicherungsträger aufsuchende Beratungsangebote vor, die direkt im Unternehmen einsetzen und die die Eingliederung erkrankter Mitarbeiter zum Ziel haben.

Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger von Leistungen für Bildung und Teilhabe in der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz) vom 02.06.2021 (BGBl. I S. 1387)

Inkrafttreten: 10.06.2021

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/28834

§ 167 Absatz 2 SGB IX wurde durch das Teilhabebestärkungsgesetz dahingehend ergänzt, dass auf Wunsch der Beschäftigten zusätzlich auch eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzugezogen werden kann.

Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016
Inkrafttreten: 01.01.2018
Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9522

Die Absätze 1 und 3 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 84 SGB IX, der lediglich in den § 167 SGB IX überführt wurde. In Absatz 2 wird nunmehr anstelle der Gemeinsamen Servicestellen, die zum 1. Januar 2019 aufgelöst werden (§ 241 Abs. 7 SGB IX), auf die Rehabilitationsträger verwiesen.

Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.04.2004 (BGBl. I S. 606)

Inkrafttreten: 01.05.2004

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1783

SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046)

Inkrafttreten: 01.07.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5074

Seit der Novellierung des § 84 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.04.2004 (BGBl. I S. 606) muss der Arbeitgeber bereits nach 6 Wochen ununterbrochener oder wiederholter Arbeitsunfähigkeit seines Beschäftigten aktiv werden und sich um dessen Eingliederung bemühen.

Zusatzinformationen

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