§ 47 SGB IX: Hilfsmittel
veröffentlicht am |
20.08.2019 |
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Änderung | Neu aufgenommen (BTHG) |
Stand | 22.01.2018 |
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Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016 in Kraft getreten am 01.01.2018 |
Rechtsgrundlage | |
Version | 001.00 |
Schlüsselwörter |
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Inhalt der Regelung
Die Vorschrift entspricht der bisherigen Regelung zur Versorgung der Rehabilitanden mit Hilfsmitteln.
Absatz 1 führt zum Hilfsmittelbegriff im Rahmen der medizinischen Rehabilitation aus und stellt klar, dass der Versorgung mit Hilfsmitteln spezielle Zielsetzungen zugrunde liegen.
Nach Absatz 2 umfasst der Anspruch auf Versorgung mit erforderlichen Hilfsmitteln auch die notwendige Änderung, Instandsetzung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel.
Absatz 3 bestimmt, dass Leistungsempfänger die Mehrkosten einer aufwendigeren Ausführung selbst tragen müssen.
Nach Absatz 4 können erforderliche Hilfsmittel auch leihweise überlassen werden.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
§ 47 SGB IX spezifiziert die in § 42 SGB IX enthaltene Aufzählung von möglichen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (hier: Hilfsmittel nach § 42 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX).
Zur individuellen Bedarfsfeststellung, Auswahl, Leistungserbringung und Dokumentation enthält § 48 Nr. 2 SGB IX eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit.
Anzuwendendes Recht
Nach § 301 Abs. 1 S. 1 SGB VI sind für Leistungen zur Teilhabe jeweils bis zu deren Ende die Vorschriften weiter anzuwenden, die im Zeitpunkt der Antragstellung oder, wenn den Leistungen ein Antrag nicht vorausging, der Inanspruchnahme galten.
Es gilt somit grundsätzlich das am Tag der rechtswirksamen Antragstellung maßgebende Recht, und zwar sowohl hinsichtlich der Antragsprüfung (Zuständigkeitsklärung, konkrete Bedarfsfeststellung, Fristen und Anspruchsvoraussetzungen), als auch hinsichtlich der Leistungserbringung.
Hilfsmittel
Hilfsmittel sind Sachleistungen, die dazu beitragen sollen, Einschränkungen körperlicher Funktionen, wie zum Beispiel Greifen, Gehen, Sitzen, Hören und Sehen, auszugleichen. Sie umfassen Körperersatzstücke sowie orthopädische Hilfsmittel und andere Hilfsmittel.
Körperersatzstücke sollen ein verloren gegangenes oder funktionsunfähiges Körperteil möglichst vollständig ersetzen. Körperersatzstücke sind insbesondere künstliche Gliedmaßen (zum Beispiel Arm- und Beinprothesen) und andere künstliche Körperteile (zum Beispiel Kunstaugen, Kunstohren).
Orthopädische Hilfsmittel dienen der Behandlung und Versorgung von Gesundheitsschäden des Stütz- und Bewegungsapparates. Hierzu gehören unter anderem Bruchbänder, Bandagen, Orthesen, orthopädische Schuhe.
Andere Hilfsmittel sind solche, die sich auf Sinnesorgane oder Mobilität beziehen, zum Beispiel Hörgeräte, Gehhilfen, Krankenfahr-/Rollstühle und andere Mobilitätshilfen.
Zubehör
Zu den von der Versorgung mit Hilfsmitteln umfassten Leistungen gehört auch das Zubehör.
Zubehöre sind bewegliche Sachen, die als Nebensachen dazu bestimmt sind, dem Zweck des Hilfsmittels zu dienen, und ohne die das Hilfsmittel nicht sachgerecht genutzt werden kann. Als Zubehör kommen zum Beispiel Batterien oder Adapter in Betracht.
Reparatur und Ersatz
Notwendige Instandsetzungen/Reparaturen und gegebenenfalls die Ersatzbeschaffung sind ebenfalls von der Leistungspflicht für Hilfsmittel umfasst.
Nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX geht dabei - unter den Gesichtspunkten Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit - eine Instandsetzung beziehungsweise Änderung des vorhandenen Hilfsmittels einer Ersatzbeschaffung vor, sofern dies möglich ist.
Individuelles Anpassen und Erlernen des Gebrauchs
Die Hilfsmittelversorgung ist nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX davon abhängig, dass die Betroffenen sich zweckorientiert mit dem Anpassen des konkreten Hilfsmittels und dessen Gebrauch auseinandersetzen beziehungsweise sich entsprechend unterweisen lassen.
Dabei kann die Ausbildung im Gebrauch des Hilfsmittels ebenfalls Bestandteil der Leistungserbringung sein.
Zuständigkeit und Leistungserbringung
Hilfsmittel sollen einer drohenden Behinderung vorbeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung sichern oder dem behinderungsbedingten Ausgleich bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens dienen und damit zu einer möglichst selbstbestimmten, gleichberechtigten Teilhabe der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben beitragen.
Im Kontext mit dem jeweiligen Leistungsgesetz der Rehabilitationsträger verfolgen sie hierbei im Wesentlichen das Ziel entweder eines unmittelbaren oder eines mittelbaren Behinderungsausgleichs. Diese Unterscheidung ist maßgeblich für die Zuständigkeit der einzelnen Trägerbereiche, insbesondere der Rentenversicherung gegenüber der Krankenversicherung und der Eingliederungshilfe.
Mehrkosten, die entstehen, weil der Betroffene sich für eine über das nach dem jeweiligen Leistungsgesetz notwendige Maß hinausgehende Versorgung entscheidet, sind nach § 47 Abs. 3 SGB IX von dem Betroffenen selbst zu tragen.
Eine nur leihweise Überlassung eines Hilfsmittels nach § 47 Abs. 4 SGB IX kann beispielsweise in Erwägung zu ziehen sein, wenn das Hilfsmittel absehbar zeitlich begrenzt erforderlich ist und dessen käufliche Anschaffung unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kostenintensiver wäre als das Leihen. Leihweise Überlassungen kommen bisweilen im Bereich der Versorgung mit bestimmten orthopädischen Hilfsmitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung (zum Beispiel Gehhilfen, Tens-Geräte zur Behandlung von Schmerzpunkten und so weiter) vor.
Unmittelbarer Behinderungsausgleich
Es ist zunächst Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, Menschen im Wege der Krankenbehandlung zweckmäßig und ausreichend zu versorgen sowie Funktionsdefizite unmittelbar zu kompensieren. Maßstab ist der gesunde, gleichaltrige Mensch.
Der unmittelbare Behinderungsausgleich bezweckt den in erster Linie medizinischen Ausgleich ausgefallener oder beeinträchtigter Körperfunktionen - möglichst direkt bei der entsprechenden Beeinträchtigung ansetzend, zum Beispiel Beinprothese bei Beinverlust; Hörgerät bei eingeschränktem Hörvermögen.
Er dient der Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (laufen, hören und so weiter) im Sinne eines "Gleichziehens" mit Menschen ohne Behinderung.
Hierzu gehört regelmäßig auch die Versorgung mit sogenannten Zweitausstattungen in identischer Ausführung, auch wenn diese mit der Ausübung einer Berufstätigkeit und dem damit verbundenen zusätzlichen Bedarf am Arbeitsplatz begründet werden.
Mittelbarer Behinderungsausgleich
Der mittelbare Behinderungsausgleich bezweckt den Ausgleich von direkten und indirekten Folgen einer Behinderung.
Er setzt an, wo ein unmittelbarer Ausgleich (siehe Abschnitt 3.1) nicht möglich ist oder nicht ausreicht und besteht in dem Ersatz einer Fähigkeit beziehungsweise eines Sinnesorgans durch Förderung der Nutzung einer anderen Fähigkeit beziehungsweise eines anderen Sinnesorgans, zum Beispiel Rollstuhl, wenn Gehen nicht möglich ist; Braille-Zeile (Tastsinn) oder Vorlesegerät (Hörsinn), wenn Sehen nicht möglich ist.
Hier umfasst die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur den sogenannten Basisausgleich für die Belange des täglichen Lebens. Ist ein Hilfsmittel beispielsweise ausschließlich aus sozialen Gründen (für Freizeitaktivitäten) oder beruflichen Gründen (für berufstypische Aktivitäten) erforderlich, so ergibt sich möglicherweise die Zuständigkeit anderer Rehabilitationsträger, zum Beispiel der Eingliederungshilfe oder der gesetzlichen Rentenversicherung. Zur Hilfsmittelversorgung aus beruflichen Gründen durch die RV siehe GRA zu § 49 SGB IX.
Zudem kann die Leistungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung auch in Betracht kommen, wenn das Hilfsmittel aus sozialmedizinischer Sicht im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation (während und zur Durchführung) und zur Erreichung des Ziels der Rehabilitationsleistung erforderlich ist. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn die Versorgung beziehungsweise Ausstattung mit dem Hilfsmittel auf Intervention der Rehabilitationseinrichtung vorgenommen wird (§ 42 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX in Verbindung mit § 15 Abs. 1 S. 1 SGB VI).
Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) |
Inkrafttreten: 01.01.2018 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9522 |
Das Bundesteilhabegesetz stellt im Wesentlichen eine weitreichende Überarbeitung des SGB IX dar. Die bisherigen Regelungen wurden neu geordnet und ergänzt. Neue Regelungen zur umfassenden Bedarfsfeststellung und Teilhabeplanung wurden aufgenommen.
§ 47 SGB IX neuer Fassung entspricht dabei § 31 SGB IX alter Fassung.