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§ 10 SGB VI: Persönliche Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe

Änderungsdienst
veröffentlicht am

27.11.2023

Änderung

Ergänzung in Abschn. 3.4 (Berücksichtigung des BSG-Urteils B 5 R 1/19 R vom 26.02.2020)

Dokumentdaten
Stand15.11.2023
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben vom 08.12.2016 in Kraft getreten am 01.01.2017
Rechtsgrundlage

§ 10 SGB VI

Version003.00

Inhalt der Regelung

Absatz 1 bestimmt die persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe. Ziel ist es, die Einbindung in das Erwerbsleben möglichst weitgehend zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen.

Absatz 2 nennt in Erweiterung alternative Voraussetzungen für im Bergbau Beschäftigte.

Allgemeines

Nach der Begründung zum Gesetzentwurf des SGB VI sollen Rehabilitationsleistungen den Versicherten zugutekommen, bei denen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rehabilitationsantrag eine Aussicht besteht, dass ihre Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen soweit gebessert werden kann, wie es zur Erfüllung der Aufgaben der Rehabilitation durch die gesetzliche Rentenversicherung erforderlich ist.

Die Rehabilitation steht damit - auch vor dem Hintergrund der rentenrechtlichen Leistungsoptionen - im Zeichen der Besserung beziehungsweise Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und einer (Re-)Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die persönlichen (sozialmedizinischen) Voraussetzungen liegen dabei den folgenden Leistungen zur Teilhabe zugrunde:

  • Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

sowie - wegen des konkreten Verweises in § 31 Abs. 2 S. 1 SGB VI -

Persönliche Voraussetzungen

Leistungen zur Teilhabe können erbracht werden, wenn eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung vorliegt und durch die Leistungen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit voraussichtlich abgewendet beziehungsweise eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bewirkt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann. "Voraussichtlich" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der angestrebte Erfolg mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Zudem muss der Betroffene körperlich und psychisch in der Lage und bereit sein, an der Rehabilitation aktiv mitzuwirken.

Maßgebende Kriterien sind demnach das Vorliegen von Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und günstiger Prognose für einen Rehabilitationserfolg.

Leistungen können auch zum Erhalt des Arbeitsplatzes erbracht werden, wenn eine teilweise Erwerbsminderung bereits eingetreten ist und keine Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit besteht.

Die Beurteilung der persönlichen Voraussetzungen erfolgt - ausgehend vom Zeitpunkt der Antragstellung - prospektiv (in die Zukunft gerichtet). Dies gilt auch, wenn es um eine nachträgliche Kostenübernahme geht (beispielsweise für eine im Sinne von § 18 Abs. 6 SGB IX selbstbeschaffte Leistung).

Krankheit oder Behinderung

Als Krankheit wird ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand bezeichnet. Dem Begriff liegt die jeweils aktuelle "Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme" (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde.

Eine Behinderung liegt vor, wenn infolge gesundheitlicher Schäden oder Normabweichungen die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher, auch in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, eine normale Lebensführung beziehungsweise die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, siehe auch § 2 SGB IX. Dem Begriff liegt die "Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit" (ICF) der WHO zugrunde.

Erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit

Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit, unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich nach den individuellen Kenntnissen und Erfahrungen sowie den körperlichen und geistigen Fähigkeiten im gesamten Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, Erwerbseinkünfte zu erzielen.

Sie ist erheblich gefährdet, wenn durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen innerhalb von drei Jahren mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist.

Bei Beschäftigten im Bergbau tritt an die Stelle erheblich gefährdeter Erwerbsfähigkeit die drohende verminderte Berufsfähigkeit im Bergbau.

Minderung der Erwerbsfähigkeit

Minderung der Erwerbsfähigkeit ist eine infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen erhebliche und länger andauernde Einschränkung der Leistungsfähigkeit, wodurch die bisherige oder zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit nicht mehr oder nicht mehr ohne wesentliche Einschränkungen ausgeübt werden kann. Hierbei sind ausschließlich versicherungspflichtige Tätigkeiten zugrunde zu legen (Urteil des BSG vom 12.03.2019, AZ: B 13 R 27/17 R; AGTH 1/2020, TOP 13). Eine entsprechende, im Ausland ausgeübte Tätigkeit ist ebenfalls zu berücksichtigen (RBRHB 1/2010, TOP 2).

Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung liegt der vollständigen Erwerbsminderung ein Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich und der teilweisen Erwerbsminderung ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich zugrunde.

Bei Beschäftigten im Bergbau tritt an die Stelle geminderter Erwerbsfähigkeit die verminderte Berufsfähigkeit im Bergbau.

Wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit

Voraussetzung für die Erbringung von Reha-Leistungen ist unter anderem eine positive Erfolgsprognose für die Wiedereingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Von einer wesentlichen Besserung kann ausgegangen werden, wenn die Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zumindest teilweise, jedoch nicht nur geringfügig oder kurzzeitig behoben beziehungsweise eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit beseitigt werden kann. Von einer wesentlichen Besserung ist nicht auszugehen, wenn nur eine Linderung des Leidens oder eine sonstige Erleichterung in den Lebensumständen erreicht werden kann beziehungsweise volle Erwerbsminderung bestehen bleibt.

Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bedeutet, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben dauerhaft behoben wird.

Davon ausgenommen sind die Sonderregelungen im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Rehabilitanden in den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Hier soll durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zumindest die Befähigung für den geschützten "Arbeitsmarkt" des dortigen Arbeitsbereichs erlangt und Beschäftigung auch dieser Betroffenen ermöglicht werden; maßgeblich ist jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 11 bis 13 SGB VI (vergleiche § 63 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX). Zielsetzung, Anspruchsgrundlagen und Leistungsrahmen werden konkret durch das SGB IX definiert (§§ 56 ff. SGB IX).

Beachte:

Kommt dabei für die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI nur die Variante des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI in Betracht, können Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer WfbM oder eines anderen Leistungsanbieters durch die Rentenversicherung nur erbracht werden, wenn durch diese Leistungen voraussichtlich die Wiedereingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist (Urteil des BSG vom 26.02.2020, AZ: B 5 R 1/19 R). Denn wenn eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erwarten ist (Verbleib im Arbeitsbereich der WfbM), liegt die erforderliche Prognose für eine erfolgreiche Rehabilitation, wie sie § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI verlangt, nicht vor.

Von den Möglichkeiten einer Leistungserbringung durch die gesetzliche RV sollen daneben nach den Urteilen des BSG vom 16.06.2015, AZ: B 13 R 12/14 R und BSG vom 23.02.2000, AZ: B 5 RJ 8/99 R auch Behandlungsbedarfe von Beschäftigten in WfbM nicht erfasst sein, die der medizinischen Rehabilitation zur vorrangigen Abwendung von Pflegebedürftigkeit bei Vorliegen von Behinderungen beziehungsweise bei Erlangung und zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit im Arbeitsbereich einer WfbM zuzuordnen sind (FAR 4/2017, TOP 7). Derartige Leistungsansprüche gehen den dort Beschäftigten, für die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absehbar nicht zu erreichen ist, indes nicht verloren; sie sind jedoch Bestandteil des Rehabilitationsauftrags der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 11 Abs. 2, 40 Abs. 4 SGB V) sowie der Sozialhilfe/Eingliederungshilfe.

Abwendung einer wesentlichen Verschlechterung

Die Leistungen zur Teilhabe verfolgen auch das Ziel, eine weitere, nicht nur geringfügige beziehungsweise nicht nur kurzzeitige Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit zu verhindern.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Leistungsfähigkeit bereits auf ein rentenrechtlich relevantes Niveau abgesunken ist.

Erhalt/Erlangung eines Arbeitsplatzes

Für teilweise erwerbsgeminderte Versicherte, bei denen keine Aussicht auf eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit besteht, können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um entweder den bisherigen Arbeitsplatz zu erhalten oder, wenn dies nicht möglich ist, einen anderen in Aussicht stehenden Arbeitsplatz zu erlangen. Das kann sowohl ein neuer Arbeitsplatz beim bisherigen Arbeitgeber als auch ein Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber sein. Voraussetzung ist, dass dieser Arbeitsplatz konkret in Aussicht steht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der bisherige oder neue Arbeitgeber nach Möglichkeit schriftlich gegenüber dem Rentenversicherungsträger erklärt, dass der Versicherte nach Durchführung der LTA auf diesem Arbeitsplatz mit einem mehr als geringfügigen Entgelt eingesetzt wird.

Für Beschäftigte hingegen, die auf dem geschützten Arbeitsmarkt der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM-Arbeitsbereich) oder eines anderen Leistungsanbieters nach § 60 SGB IX tätig sind und für die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erreichen ist, sollen nach den Urteilen des BSG vom 16.06.2015, AZ: B 13 R 12/14 R und BSG vom 23.02.2000, AZ: B 5 RJ 8/99 R Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zum Erhalt des Arbeitsplatzes durch die Rentenversicherung nicht in Betracht kommen. Wesentliche Besserung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2b SGB VI verlange, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest teilweise und nicht nur vorübergehend behoben werde. Bedarfslagen der medizinischen Rehabilitation bei Erlangung und zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit auf dem geschützten Arbeitsmarkt der WfbM oder eines anderen Leistungsanbieters sind jedoch Bestandteil des Rehabilitationsauftrags der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 11 Abs. 2, 40 Abs. 4 SGB V) sowie der Sozialhilfe/Eingliederungshilfe. Siehe auch FAR 4/2017, TOP 7.

Entsprechendes gilt für Hilfsmittel gemäß § 49 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX. Die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI sind nur erfüllt, wenn nach Feststellung des RV-Trägers ein Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt nach erfolgreicher Absolvierung des Eingangsverfahrens/Berufsbildungsbereichs der WfbM zu erwarten ist (AGDR 2/2016, TOP 14).

Keine positive Erfolgsprognose

Besteht keine positive Erfolgsprognose für Leistungen zur Teilhabe durch die Rentenversicherung, so hat dies nicht zwangsläufig zur Folge, dass eine (gegebenenfalls befristete) Erwerbsminderungsrente zu zahlen ist.

So kommt die Umdeutung eines Rehabilitationsantrages in einen Rentenantrag (siehe § 116 Abs. 2 SGB VI) unter anderem nur in Betracht, wenn Versicherte über die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit hinaus bereits vermindert erwerbsfähig sind und ein Rehabilitationserfolg nicht zu erwarten ist. Die diesbezügliche sozialmedizinische Einschätzung zu Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und Erfolgsprognose umfasst auch die Beurteilung, ob die medizinische Rehabilitation vor dem Hintergrund der individuellen Einschränkungen das zu diesem Zeitpunkt geeignete Instrument für eine Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ist. Da in den meisten Fällen Erwerbsminderungsrenten zeitlich befristet sind (bis zu drei Jahre), muss die prognostische Einschätzung auf diesen Zeitraum bezogen werden.

Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 08. Dezember 2016

Inkrafttreten: 14.12.2016

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9787

Der in § 10 Abs. 1 Nr. 2c genannte Personenkreis wurde erweitert.

SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. S. 1046)

Inkrafttreten: 01.07.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5800

Die Worte "medizinische Leistungen" und "berufsfördernde Leistungen" wurden durch die Worte "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" und "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" ersetzt.

EM-ReformG vom 20.12.2000

Inkrafttreten: 01.01.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4230

Der anspruchsberechtigte Personenkreis wurde um im Bergbau vermindert Berufsfähige erweitert sowie um teilweise erwerbsgeminderte (Teilzeit-)Beschäftigte ohne Aussicht auf wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit, deren Arbeitsplatz aber durch Reha-Leistungen noch erhalten werden kann.

RRG 1992 vom 18.12.1989

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksachen 11/4124 und 11/4452

Die Vorschrift ist im Beitrittsgebiet bereits am 01.01.1991 in Kraft getreten.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 10 SGB VI