§ 14 SGB IV Urlaubsabgeltungen, Urlaubsvergütungen: Arbeitsentgelt
veröffentlicht am |
09.10.2023 |
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Änderung | GRA in Abschnitt 2 überarbeitet (EuGH- bzw. BAG-Rechtsprechung) |
Stand | 26.09.2023 |
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Rechtsgrundlage | |
Version | 002.00 |
- Allgemeines
- Urlaubsabgeltungen
- Urlaubsentgelt
- Urlaubsvergütungen, Urlaubsgeld
- Urlaubsfreiplätze
- Besonderheiten in der Bauwirtschaft
Allgemeines
Grundsätzlich ist Urlaub in Form von Freizeit zu gewähren. Eine finanzielle Urlaubsabgeltung durch Zahlung von Geldbeträgen anstelle der Freistellung von der Arbeitspflicht widerspricht diesem Grundsatz.
Einzige Voraussetzung für das Entstehen eines Abgeltungsanspruchs ist, dass der Urlaub in Gestalt von Freizeit wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Dabei ist es unerheblich, ob es vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich oder unmöglich war, dem Arbeitnehmer Urlaub in Gestalt von Freizeit zu gewähren. Ebenso wenig ist die erfolglose Geltendmachung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer Voraussetzung des Abgeltungsanspruchs. Auf einen Urlaubsabgeltungsanspruch kann der Arbeitnehmer durch gerichtlichen Vergleich verzichten.
Auch bei Arbeitsunfähigkeit entstehen grundsätzlich Urlaubsansprüche. Diese verfallen jedoch - nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) seit 2009 - spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs. Bei dem übergesetzlichen Urlaub kann - beispielsweise im Arbeitsvertrag - eine kürzere Verfallfrist vereinbart werden. Nach dieser geänderten Rechtsprechung des BAG (Urteil des BAG vom 24.3.2009 AZ: 9 AZR 983/07) hat der Arbeitnehmer - anders als bisher - auch dann einen Abgeltungsanspruch, wenn das Arbeitsverhältnis endet, bevor er wieder arbeitsfähig ist.
Urlaubsabgeltungen
Urlaubsabgeltungen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn und zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung. Beitragsrechtlich sind Urlaubsabgeltungen als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu behandeln. Insoweit wird auf die GRA zu § 23a SGB IV verwiesen.
Urlaubsabgeltungen bei Tod des Arbeitnehmers
Es ist zwischen Urlaubsabgeltungen, die bis zum 22.01.2019 gezahlt wurden und Urlaubsabgeltungen, die nach dem 22.01.2019 gezahlt werden, zu unterscheiden.
Urlaubsabgeltung bis 22.01.2019
Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) handelt es sich bei einem Urlaubsanspruch um einen höchstpersönlichen Anspruch des Arbeitnehmers, der weder übertragbar noch vererblich ist (vgl. u. a. BAG vom 20.09.2011, AZ: 9 AZR 416/10 und BAG vom 12.03.2013, AZ: 9 AZR 532/11). Daraus folgte, dass Urlaubsansprüche bzw. Abgeltungsansprüche für nicht genommenen Urlaub verfallen, wenn der Arbeitnehmer verstirbt. Sofern Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen bei Tod des Arbeitnehmers dennoch die Zahlung eines Betrages in Höhe der Urlaubsabgeltung an Ehegatten oder unterhaltsberechtigte Angehörige vorsahen, wurden entsprechende Zahlungen demnach nicht als sozialversicherungsrechtlich relevantes Arbeitsentgelt behandelt, da dieser Anspruch als originärer Anspruch der Ehegatten oder unterhaltsberechtigten Angehörigen gegen den Arbeitgeber angesehen wurde, der nicht mehr dem Beschäftigungsverhältnis zugeordnet werden konnte (vgl. Punkt 6 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 05./06.03.1986).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte hingegen im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Rechtsauffassung vertreten, dass der arbeitsrechtliche Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Todes des Arbeitnehmers verfällt (EuGH-Urteil vom 12.06.2014, Rechtssache C -118/13). Für eine etwaige beitragsrechtliche Neubewertung der betreffenden Urlaubsabgeltungen war jedoch zunächst die unionsrechtskonforme Anpassung der bisherigen Rechtsprechung des BAG abzuwarten. Bis dahin verblieb es bei der bisherigen Rechtsauffassung; vgl. Punkt 4 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 12.11.2014 - (SVBEIEC 2/2014, TOP 4).
Urlaubsabgeltung nach 22.01.2019
Die unionsrechtskonforme Anpassung der nationalen Rechtsprechung ist erfolgt (unter anderem mit dem Urteil des BAG vom 22.01.2019, AZ: 9 AZ: 45/16). Hiernach lassen sich die Bestimmungen der §§ 1, 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unionsrechtskonform auslegen. Danach erfüllen Urlaubsabgeltungen nach Beendigung der Beschäftigung durch Tod des Arbeitnehmers einen während der Beschäftigung erworbenen Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers und sind somit als Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zu werten. Diese Urlaubsabgeltungen stellen einmalig gezahltes Arbeitsentgelt dar, das nach den dafür in § 23a SGB IV vorgesehenen Regelungen der Beitragspflicht unterliegt, sofern die Abgeltung im Einzelfall tatsächlich gezahlt wird (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB I).
Die geänderte Rechtsauffassung ist für Urlaubsabgeltungen, die nach dem 22.01.2019 (Datum des o. g. BAG-Urteils) gezahlt werden, anzuwenden; vgl. Punkt 1 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 20.11.2019 - (SVBEIEC 2/2019, TOP 1).
Urlaubsentgelt
Urlaubsentgelt bezeichnet das nach § 11 BUrlG während des Urlaubs weiter zu bezahlende Entgelt. Es handelt sich, anders als Urlaubsvergütung und Urlaubsgeld, um laufendes Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung.
Urlaubsvergütungen, Urlaubsgeld
Urlaubsvergütungen beziehungsweise Urlaubsgeld sind Beträge, die ‑ meist tarifvertraglich der Höhe nach festgelegt ‑ bei Urlaubsantritt zusätzlich zum Gehalt gezahlt werden; sie sind lohnsteuerpflichtig und Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung. Die Urlaubsvergütung beziehungsweise das Urlaubsgeld sind als einmalige Einnahme im Rahmen von § 23a SGB IV beitragspflichtig, siehe GRA zu § 23a SGB IV.
Urlaubsfreiplätze
Erholungsfreiplätze, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern in firmeneigenen Erholungsheimen zur Verfügung stellt, stehen in Höhe der vom Arbeitgeber hierfür gemachten Aufwendungen einer Urlaubsvergütung gleich. Diese Aufwendungen sind als geldwerter Vorteil lohnsteuerpflichtig (Urteil des BFH vom 05.07.1957, AZ: VI 103/56 U) und damit beitragspflichtig (DAngVers. 57, 269).
Besonderheiten in der Bauwirtschaft
In der Bauwirtschaft zahlt der Arbeitgeber einem im Tarifvertrag festgelegten Prozentsatz der Bruttolohnsumme (oder einen festen Betrag) an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) bei den Sozialkassen der Bauwirtschaft (SOKO-BAU). Wechselt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber, wird der Urlaubsanspruch nicht abgegolten. Er wird, bei einer weiteren Beschäftigung im Baugewerbe, auf das nächste Arbeitsverhältnis übertragen und kann dort in Anspruch genommen werden.
SOKA-BAU führt deshalb für jeden baugewerblichen Arbeitnehmer ein Arbeitnehmerkonto, auf dem Urlaubsansprüche für einen zusammenhängenden Urlaub angespart werden. Der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitnehmer seinen Urlaub beantragt, gewährt den Urlaub. Er zahlt die Urlaubsvergütung aus, auch wenn der Urlaub bei früheren Bauarbeitgebern erworben wurde. Die Urlaubsvergütung setzt sich zusammen aus dem Urlaubsentgelt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Die ausgezahlte Urlaubsvergütung bekommt der Arbeitgeber von SOKA-BAU erstattet.
Urlaubsabgeltungen
Wird das Beschäftigungsverhältnis beendet, ist eine Urlaubsabgeltung nur möglich, wenn keine Aussicht auf ein neues Arbeitsverhältnis in der Bauwirtschaft besteht und das belegt werden kann. Die Abgeltungsgründe sind im Bundesrahmentarifvertrag festgelegt (§ 8 Nr. 6 BRTV). Arbeitslosigkeit ist kein Abgeltungsgrund. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung richtet sich grundsätzlich gegen die SOKO-BAU.
Urlaubsabgeltungen sind einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 23a SGB IV. Der letzte Arbeitgeber bleibt im Abgeltungsfall für die Entgeltmeldung und die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages zur Einzugsstelle zuständig. Die SOKO-BAU behält den Arbeitnehmerbeitragsanteil ein und überweist diesen an den Arbeitgeber.
Entschädigungszahlungen für verfallene Urlaubsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche
Kann der Arbeitnehmer den Urlaub nicht mehr in Anspruch nehmen oder keine Abgeltung (zum Beispiel wegen Arbeitslosigkeit) beantragen, besteht nach § 8 Nr. 8 BRTV Anspruch auf Entschädigung. Voraussetzung ist, dass das der Urlaubsanspruch oder der Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen sind (§ 8 Nr. 7 BRTV).
Die Entschädigungszahlungen für verfallene Urlaubsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche stellen kein Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 SGB IV dar, weil der Anspruch auf Entschädigung erst entsteht, wenn die eigentlichen Urlaubsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche verfallen sind. Damit handelt es sich nicht mehr um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.