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§ 67 SGB I: Nachholung der Mitwirkung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Die GRA wurde mir dem Regionalträger abgestimmt. Die Abschnitte wurden insgesamt überarbeitet.

Dokumentdaten
Stand12.01.2016
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB I vom 11.12.1975 in Kraft getreten am 01.01.1976
Rechtsgrundlage

§ 67 SGB I

Version001.00

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift regelt, dass der Leistungsträger (Rentenversicherungsträger) im Falle der Nachholung der Mitwirkung die nach § 66 SGB I versagte oder entzogene Sozialleistung bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen nachträglich ganz oder teilweise nach pflichtgemäßem Ermessen erbringen kann.

Ergänzende Regelungen

§ 39 SGB I bestimmt die Ermessensleistung.

§ 59 SGB I betrifft den Ausschluss der Rechtsnachfolge.

§ 67 SGB I knüpft an § 66 SGB I an und setzt voraus, dass nach dessen Absätzen 1 oder 2 eine Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ganz oder teilweise versagt oder entzogen wurde. Die Vorschrift bezieht sich nur auf den Fall der Bewilligung der Leistung für die Vergangenheit und stellt insoweit eine Ermessensleistung dar. Die Erbringung der Leistung für die Zukunft ergibt sich bei nachgeholter Mitwirkung bereits aus § 66 SGB I.

Allgemeines

Kommt der Leistungsberechtigte, dem die Leistung mangels Mitwirkung versagt oder entzogen wurde, später seiner Mitwirkungspflicht nach, kann die versagte oder entzogene Leistung für die Zeiten, in denen (in der Vergangenheit) die Leistungsvoraussetzungen vorgelegen haben, grundsätzlich ganz erbracht werden. Der Rentenversicherungsträger übt das ihm im Rahmen dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen im Regelfall nicht einschränkend aus, sondern erbringt die bisher vorenthaltene Leistung (Rente) unter Zugrundelegung des ursprünglichen Leistungsantrags ab Rentenbeginn beziehungsweise vom Zeitpunkt des Entziehens an vollständig (siehe Abschnitt 4). Denn Ziel insbesondere der §§ 66, 67 SGB I ist es, den Berechtigten zur Mitwirkung zu bewegen, nicht jedoch, ihn mit dem endgültigen Verlust von Leistungsansprüchen für die Vergangenheit zu bestrafen. Im Einzelfall sind jedoch abweichende Ermessensentscheidungen möglich (siehe Abschnitt 5).

Nachholung der Mitwirkung und Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen

„Nachgeholt“ ist die Mitwirkung dann, wenn die Mitwirkungspflichten in dem Umfang, in dem sie im Einzelfall bestehen, voll erfüllt werden. Das bloße Angebot beziehungsweise der Beginn der Mitwirkungshandlung reicht hierfür grundsätzlich nicht aus.

Etwas anderes gilt, wenn für die Erfüllung der vollständigen Mitwirkungshandlung weitere Voraussetzungen durch den Leistungsträger geschaffen werden müssen, die dieser nur nach entsprechender Bereiterklärung des Antragstellers beziehungsweise Leistungsempfängers vornehmen kann beziehungsweise wird (zum Beispiel bei Entziehung einer Rente wegen Verweigerung einer Nachuntersuchung oder bei vorzeitigem Abbruch einer Heilbehandlung zur Behebung eines medizinischen Leistungsfalles).

Als „Nachholung der Mitwirkung“ im vorstehenden Sinne gilt aber auch, wenn die Mitwirkung entbehrlich geworden ist, weil

  • der Leistungsträger auf andere Weise von den nicht geklärten Umständen Kenntnis bekommen hat oder
  • die Nachholung der Mitwirkung gar nicht mehr möglich ist.

Die Vorschrift des § 67 SGB I erfordert für eine nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen schließlich, dass die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Das heißt sämtliche Tatbestandsmerkmale der versagten oder entzogenen Leistung müssen erfüllt sein.

Mitwirkung innerhalb von vier Jahren nach Bekanntgabe des Versagungs- oder Entziehungsbescheides

Holt der Leistungsberechtigte die erforderliche Mitwirkung innerhalb von vier Jahren nach Bekanntgabe des Versagungs- oder Entziehungsbescheides nach, ist das Ermessen (§ 39 SGB I) über die nachträglich zu erbringende Leistung dahingehend auszuüben, dass die versagte Leistung ab Rentenbeginn beziehungsweise die entzogene Leistung vom Entziehungszeitpunkt an ganz zu erbringen ist.

Siehe Beispie 1

Mitwirkung nach Ablauf von vier Jahren nach Bekanntgabe des Versagungs- oder Entziehungsbescheides

Holt der Leistungsberechtigte die erforderliche Mitwirkung erst nach Ablauf von vier Jahren nach Bekanntgabe des Versagungs- oder Entziehungsbescheides nach, ist diese als nachgeholte Mitwirkung zu dem ursprünglichen Rentenantrag anzusehen und auf der Grundlage des ursprünglichen Rentenantrags über den Anspruch zu entscheiden. Zugleich muss in fehlerfreier Ermessensausübung (BSG vom 14.12.1994, AZ: 4 RA 42/94, SozR 3 - 1200 § 39 Nr. 1) darüber entschieden werden, ob die Rente von ihrem Renten- beziehungsweise Entziehungsbeginn an oder - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 44 Abs. 4 SGB X - nur für vier Kalenderjahre rückwirkend nachgezahlt werden kann. Liegen nach Aktenlage oder aufgrund des Vorbringens des Leistungsberechtigten keine besonderen Umstände in der Person des Leistungsberechtigten oder in seinem Lebensbereich vor, die ihn an der Nachholung der Mitwirkung in angemessener Zeit (das heißt innerhalb von vier Jahren nach Bekanntgabe des Versagungs-/Entziehungsbescheides) hinderten, ist das Ermessen so auszuüben, dass die (bisher) vorenthaltene Rente nur für vier Kalenderjahre zurück gezahlt wird. Anderenfalls ist die Rente (vollständig) ab Rentenbeginn beziehungsweise Entziehungsbeginn zu erbringen.

Zu den besonderen Umständen können zum Beispiel schwierige häusliche oder familiäre Verhältnisse, Unabkömmlichkeit im Beruf oder Krankheit des Berechtigten gehören.

Das (etwaige) Vorenthalten der Zahlbeträge durch entsprechende Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X soll sich jedoch nicht auf das anzuwendende Recht auswirken. So ist die Berechnung in jedem Fall nach dem Recht vorzunehmen, das bei rechtzeitiger Mitwirkung und dem sich daraus ergebenden Rentenbeginn anzuwenden gewesen wäre.

Siehe Beispiel 2

In Fällen mit Einkommensanrechnung bei Renten wegen Todes ist - sofern die rückwirkende Zahlung eingeschränkt wird - zu beachten, dass beim Bezug von Erwerbseinkommen oder kurzfristigem Erwerbsersatzeinkommen grundsätzlich das Einkommen des vorvergangenen Jahres vor dem Zahlungsbeginn maßgebend ist. Der Berechtigte wird dadurch so gestellt, als hätte er durchgehend seit dem ursprünglichen Rentenbeginn die Rente wegen Todes bezogen.

Siehe Beispiel 3

Nachholung der Mitwirkung durch Rechtsnachfolger

Einem Rechtsnachfolger stehen diejenigen Leistungen zu, die dem Versicherten noch zu Lebzeiten zugestanden hätten, wenn im Zeitpunkt dessen Todes diese Leistungen entweder festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war. Ein Rechtsnachfolger ist nicht zur eigenständigen erstmaligen Antragstellung einer Geldleistung berechtigt.

Hat der Versicherte (Berechtigte) zu seinen Lebzeiten die Mitwirkung nicht nachgeholt, war im Zeitpunkt seines Todes kein Verwaltungsverfahren mehr anhängig und damit zu diesem Zeitpunkt der Anspruch aufgrund von § 59 SGB I erloschen. Die Mitwirkung kann nur durch den Versicherten (Berechtigten) selbst nachgeholt werden.

Nicht förmliche abgeschlossene Rentenverfahren

Ist das Rentenverfahren nicht mit einem rechtswirksamen Rentenbescheid (Ablehnungsbescheid, Bescheid wegen mangelnder Mitwirkung) abgeschlossen worden (zum Beispiel durch einfache Verfügung der Akte zum Archiv), finden die die Nachholung der Mitwirkung regelnden Vorschriften des § 67 SGB I sowie die hieraus entwickelten Grundsätze der rückwirkenden Leistungserbringung keine Anwendung.

Verzinsung

Ist die Leistung durch einen rechtmäßigen Bescheid versagt oder entzogen worden, so beginnt die Sechsmonatsfrist des § 44 Abs. 2 erster Halbsatz SGB I erst vom Ablauf des Monats an zu laufen, in dem der Leistungsberechtigte die Mitwirkung nachgeholt hat. Erst durch die Erfüllung der Mitwirkungspflicht ist der Leistungsantrag vollständig im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB I.

Kostenerstattung im Rechtsbehelfsverfahren

Wird gegen den Versagungs- oder Entziehungsbescheid ein Rechtsbehelf eingelegt und kommt es in diesem Verfahren zu einer Nachholung der Mitwirkung, die eine Rentengewährung oder Weitergewährung einer Rente zur Folge hat, ergibt sich für den Leistungsberechtigten kein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 63 SGB X (BSG vom 21.07.1992, AZ: 4 RA 20/91, SozR 3-1300 § 63 Nr. 3).

Beispiel 1: Mitwirkung innerhalb von vier Jahren nach Versagung der Rente

(Beispiel zu Abschnitt 4)

Antrag auf Regelaltersrente (Vollendung 65. Lebensjahr am 25.07.2010) am 11.02.2010

Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung (Bekanntgabe) vom 16.06.2010

Nachholung der Mitwirkung am 05.01.2012

Die Leistungsvoraussetzungen sind erfüllt; Rentenbeginn ist der 01.08.2010

Lösung:

Die Regelaltersrente ist „uneingeschränkt“ ab 01.08.2010 nachzuzahlen, weil die Mitwirkung innerhalb von vier Jahren nach Bekanntgabe des Versagungsbescheides nachgeholt wurde.

Beispiel 2: Mitwirkung nach Ablauf von vier Jahren nach Versagung der Rente

(Beispiel zu Abschnitt 5)

Antrag auf Regelaltersrente (Vollendung 65. Lebensjahr am 25.06.1988) wird gestellt am 05.02.1988.

Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung (Bekanntgabe) vom 04.08.1988

Nachholung der Mitwirkung am 05.01.2004

Die Leistungsvoraussetzungen sind erfüllt; Rentenbeginn am 01.07.1988

Lösung:

Die Mitwirkung wurde erst nach Ablauf von vier Jahren nach Bekanntgabe des Versagungsbescheides nachgeholt. Da Umstände, die den Leistungsberechtigten an der „rechtzeitigen“ Mitwirkung hinderten, nach Aktenlage beziehungsweise Vorbringen des Berechtigten nicht vorliegen, sind Rentenbeträge in entsprechender Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X erst ab 01.01.2000 zu zahlen.

Die entsprechende Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X soll sich jedoch nicht auf das anzuwendende Recht auswirken, deshalb ist die Regelaltersrente nach dem Recht des AVG/RVO/RKG zu berechnen.

Beispiel 3: Einkommensanrechnung bei Mitwirkung nach Ablauf von vier Jahren nach Versagung der Rente

(Beispiel zu Abschnitt 5)

Antrag auf Witwenrente (Tod des Versicherten am 04.09.2003) wird gestellt am 05.11.2003

Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung (Bekanntgabe) vom 09.02.2004

Nachholung der Mitwirkung am 05.01.2014

Die Leistungsvoraussetzungen sind erfüllt; Rentenbeginn ist der 01.10.2003

Lösung:

Da die Mitwirkung erst nach Ablauf von vier Jahren nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides nachgeholt wurde und Umstände, die die Leistungsberechtigte an der „rechtzeitigen“ Mitwirkung hinderten, nach Aktenlage beziehungsweise Vortrag nicht vorliegen, sind Rentenbeträge in entsprechender Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X erst ab 01.01.2010 zu zahlen.

Für die Einkommensanrechnung ab 01.01.2010 ist - beim Bezug von Erwerbseinkommen - das Einkommen des Jahres 2008 zu berücksichtigen, nämlich das Einkommen, das bei der letzten Rentenanpassung vor Zahlungsbeginn (07/2009) maßgebend ist.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Allgemeiner Teil - (Erstes Buch) vom 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015)

Inkrafttreten: 01.01.1976

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 7/868

Die Vorschrift ist in den alten Bundesländern am 01.01.1976 in Kraft getreten (Art. 2 § 23 Abs. 1). Im Beitrittsgebiet gilt die Vorschrift seit dem 01.01.1991 (Anlage I zum Einigungsvertrag Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Ziffer 1).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 67 SGB I