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16 UF 526/16

Tenor

1. Auf die Beschwerde der A. M. O. & S. SE wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Erding vom 08.03.2016, Az. 3 F 552/15 in Ziffer 2 Absatz 6 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der A. M. O. & S. SE, Vers.-Nr. 385793, ..., zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 40.891,-- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 4,5 % aus 28.101,-- € und in Höhe von 2,75 % aus 12.788,50 € für die Zeit ab 01.10.2015 bis zur Rechtskraft der Entscheidung, bezogen auf den 30.09.2015, bei der Versorgungsausgleichkasse, Pensionskasse VVaG, … B., begründet.

Die A. M. O. & S. SE wird verpflichtet, diesen Betrag einschließlich der Zinsen bei Rechtskraft der Entscheidung an die Versorgungsausgleichskasse zu bezahlen.

2. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.740,-- € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die beteiligten Ehegatten haben am 18.07.1996 vor dem Standesbeamten des Standesamtes K. (Heiratsregisternummer 40/1996) die Ehe geschlossen. Der Antragsgegnerin wurde der Antrag auf Scheidung der Ehe vom 23.09.2015 am 24.10.2015 zugestellt.

Durch Beschluss vom 08.03.2016 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Erding unter dem Az. 3 F 552/15 die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Hinsichtlich der Scheidung ist der Beschluss rechtskräftig seit 31.05.2016.

Während der Ehezeit vom 01.07.1996 bis 30.09.2015 erwarb der Antragsteller Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Versorgungskasse des Bankgewerbes sowie der Beschwerdeführerin.

Auch die Antragsgegnerin erwarb Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie bei der B. Versicherung Lebensversicherung AG. Hinsichtlich dieser Anrechte hat das Amtsgericht - Familiengericht - Erding den Versorgungsausgleich durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Ziffer 2 des Endbeschlusses vom 08.03.2016, Az. 3 F 552/15, verwiesen.

Das bei der Beschwerdeführerin bestehende Anrecht glich das Amtsgericht - Familiengericht - Erding aus wie folgt:

„Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der A. Versicherungs-AG (Vers.-Nr. 385793) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 40.891,-- €, bezogen auf den 30.09.2015 übertragen.“

Dieser Beschluss wurde der A. Versicherungs-AG am 17.03.2016 zugestellt. Dagegen legte diese für den Versorgungsträger (A. M. O. & S. SE, …) per Telefax Beschwerde ein, eingegangen beim Amtsgericht - Familiengericht - Erding am 14.04.2016.

Die Beschwerdeführerin rügt, dass der Versorgungsträger in dem Beschluss falsch bezeichnet sowie der Antrag auf Durchführung der externen Teilung nicht berücksichtigt worden sei. Durch den Senat wurde die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 21.07.2016 aufgefordert, zur Durchführung der externen Teilung einen Versorgungsträger als Zielversorgung zu benennen.

Diese Aufforderung wurde der Antragsgegnerin am 28.07.2016 zugestellt.

Sie hat daraufhin die R. Deutschland GmbH als Zielversorgungsträger benannt (Schriftsatz vom 10.08.2016, Blatt 77 d.A.).

Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Versorgung hat sie ergänzende Angaben mit E-Mail vom 06.09.2016 an das Oberlandesgericht München geschickt.

Durch den Senat wurde die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 25.10.2016 darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um ein Zeitwertkonto handelt, das keine angemessene Versorgung im Sinn des § 15 Abs. 2 VersAusglG gewährleisten könne. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Hinweisbeschluss vom 25.10.2016, der Antragsgegnerin zugestellt am 04.11.2016, verwiesen. Diese hat daraufhin beantragt, die Frist zur Benennung einer Zielversorgung bis 20.12.2016 zu verlängern. Sie hat jedoch auch bis zum 31.01.2017 keine geeignete Zielversorgung benannt.

Der Senat hat daraufhin die Versorgungsausgleichskasse als Beteiligte hinzugezogen und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, zu der von ihm beabsichtigten Entscheidung innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Die Beteiligten haben sich zu dem Hinweisbeschluss vom 28.02.2017 nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Zwar hat das Amtsgericht - Familiengericht - Erding das Anrecht des Antragstellers bei der A. M. O. & S. SE mit einem Ausgleichswert in Höhe von insgesamt 40.891,-- € zu Recht im Versorgungsausgleich berücksichtigt und den Ausgleichswert zutreffend bestimmt (§§ 1, 2, 39, 45 VersAusglG). Es ist hierbei zu Recht dem Vorschlag der Beschwerdeführerin vom 04.12.2015 gefolgt. Lediglich hinsichtlich der Person des Versorgungsträgers ist insoweit eine Präzisierung erforderlich. Versorgungsträger ist, wie sich aus der Auskunft der A. SE Group HR Pension and Benefits vom 04.12.2015 ergibt, nicht die A. Versicherungs AG sondern die A. M.O. & S. SE, .... Jedoch hat das Amtsgericht - Familiengericht - Erding nicht berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin gem. §§ 9 Abs. 3, 14 Abs. 2 Nr. 2, 17 VersAusglG die externe Teilung wirksam verlangt hat. Es hat deswegen entsprechend dem Grundsatz der §§ 9, 10 VersAusglG das bei dieser bestehende Anrecht intern geteilt.

Die Beschwerdeführerin hat das Verlangen hinsichtlich der externen Teilung wirksam ausgeübt. Mit Schreiben vom 04.12.2015 hat sie beantragt, die externe Teilung durchzuführen und darauf hingewiesen, dass die Wertgrenzen des § 17 VersAusglG nicht überschritten seien. Dieser Antrag ist beim Amtsgericht - Familiengericht - Erding am 10.12.2015 eingegangen. Er entspricht den Anforderungen gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG, 222 Abs. 1 FamFG).

Weiterhin ist der Grenzwert gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 17 VersAusglG nicht überschritten. Im Jahr 2015 betrug die jährliche Beitragsbemessungsgrenze für die allgemeine Rentenversicherung 72.600,-- €. Demgegenüber liegt der Ausgleichswert des Anrechts des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin bei 40.891,-- €, bezogen auf den 30.09.2015. Er übersteigt den Grenzwert gemäß § 17 VersAusglG nicht. Bei dem auszugleichenden Anrecht handelt es sich auch um ein Anrecht aus der betrieblichen Altersversorgung im Durchführungsweg einer Direktzusage. Aus der Auskunft der Beschwerdeführerin vom 04.12.2015 ergibt sich, dass es sich bei dem Anrecht um die Direktzusage „beitragsorientierter Pensionsvertrag (BPV)“ auf Rentenleistungen handelt.

Der Ausgleich hat gemäß § 15 Abs. 5 VersAusglG in die Versorgungsausgleichskasse als Zielversorgungsträger zu erfolgen.

Es handelt sich bei dem auszugleichenden Anrecht um ein Anrecht im Sinn des Betriebsrentengesetzes (§ 1 Abs. 1 BetrAVG). Hierzu gehören insbesondere Direktzusagen auf Zahlung einer Betriebsrente. Eine solche Zusage hat das auszugleichende Anrecht zum Gegenstand.

Weiterhin hat die Antragsgegnerin das ihr gemäß § 15 Abs. 1 VersAusglG zustehende Wahlrecht hinsichtlich einer Zielversorgung nicht wirksam ausgeübt.

Mit Schreiben vom 10.08.2016, ergänzt mit Schreiben vom 06.09.2106, hat sie zwar ihr Wahlrecht dahingehend ausgeübt, dass ein bei ihrem Arbeitgeber, der R. Deutschland GmbH, einzurichtendes Zeitwertkonto als Zielversorgung bestimmt werden möge.

Dies ist jedoch nicht möglich. Ein Zeitwertkonto ist keine angemessene Versorgung im Sinn von § 15 Abs. 2 VersAusglG. Eine angemessene Zielversorgung muss dem ausgleichsberechtigten Ehegatten eine eigene soziale Sicherung im Sinn von § 2 VersAusglG verschaffen. Auch darf der Wert des zu schaffenden Anrechts nicht außer Verhältnis zu dem durch den Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu zahlenden Betrag stehen (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl., 2015, § 15 VersAusglG, Rn. 8; MüKo-BGB/ Siede, 7. Aufl., 2017, § 15 VersAusglG, Rn. 8, Palandt/Brudermüller, 76. Aufl., 2017, § 15 VersAusglG, Rn. 4). Weitergehend wird teilweise gefordert, dass hinsichtlich Eigenständigkeit, Risikoschutz, Dynamik und Sicherheit ein mit dem ausgeglichenen Anrecht vergleichbares Anrecht entsteht (Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Aufl., 2013, Rn. 501). Aber auch ohne die zuletzt genannten Anforderungen, wird ein Zeitwertkonto den Anforderungen an eine angemessene Zielversorgung nicht gerecht.

Zwar ist auch die Anwartschaft aus einem Zeitwertkonto durch die vorgesehene Verpfändung hinreichend gegen Insolvenz gesichert.

Außerdem muss die - dem Senat nicht vorgelegte - schriftliche Vereinbarung über die Einrichtung eines Zeitwertkontos gemäß §§ 7b, 7 d SGB IV eine Anlageform hinsichtlich des thesaurierten Arbeitsentgeltes vorsehen, die zu einer angemessenen Verzinsung führt.

Ein Zeitwertkonto dient aber nicht der Absicherung gegen die Risiken des Alters und der Invalidität durch Auszahlung einer Rente (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3 VersAusglG). Das Zeitwertkonto dient in erster Linie dazu, zunächst steuer- und sozialabgabenfreie Teile des Arbeitsentgeltes anzusparen, um hierdurch später Zeiten einer teilweisen oder vollständigen Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung, zum Beispiel in Form eines Sabbaticals oder als Vorruhestand, zu finanzieren. In der Zeit der teilweisen oder vollständigen Freistellung ist das Arbeitsentgelt sodann nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Zeitwertkonten dienen damit der Thesaurierung von Teilen des Arbeitsentgeltes, nicht aber der Absicherung gegen die Risiken von Alter oder Invalidität. Das auf einem Zeitwertkonto angesparte Kapital steht deswegen dem Arbeitsentgelt nahe (vgl. hierzu OLG Celle, FamRZ 2014, Seite 1699; Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Aufl., 2013, Rn. 114).

Das zeigt sich auch an §§ 70 Abs. 3 SGB VI, 23b Abs. 2 SGB IV. Kann das in einem Zeitwertkonto angesammelte Kapital nicht mehr zur Auszahlung gelangen, weil der Arbeitnehmer vorher verrentet wurde, erwirbt der Arbeitnehmer nachträglich die Rentenanwartschaften, die ihm gutzuschreiben gewesen wären, wenn er von Anfang an in dem fraglichen Zeitraum das Arbeitsentgelt in vollem Umfang vereinnahmt hätte. Im Übrigen kann der Arbeitnehmer beantragen, dass das auf dem Zeitwertkonto angesammelte Kapital treuhänderisch durch die Deutsche Rentenversicherung verwaltet wird, wenn das Beschäftigungsverhältnis bei dem Arbeitgeber, mit dem die Wertguthabenvereinbarung abgeschlossen wurde, endet (§ 7f SGB IV). Das Wertguthaben ist dann durch die Deutsche Rentenversicherung spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze nach den für Arbeitnehmer geltenden Vorschriften zur Auszahlung zu bringen. Der Arbeitnehmer erhält mithin das Arbeitsentgelt nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Eine versicherungsmathematische Bewertung findet demgegenüber nicht statt. Das Arbeitsentgelt wird dementsprechend auch nicht in Form einer Altersrente ausgezahlt.

Schließlich ist es auch möglich, eine Option zu vereinbaren, dass das Wertguthaben bei Erreichen der Altersgrenze für die betriebliche Altersversorgung zu verwenden ist, soweit es nicht im Rahmen einer vorangegangenen (teilweisen) Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung aufgebraucht wurde (§ 23b Abs. 3 a SGB IV). Eine solche Option ist in den von der Antragsgegnerin übersandten Unterlagen aber nicht vorgesehen. Darüber hinaus reicht eine solche Option auch nicht aus, um die externe Teilung zu ermöglichen; denn in diesem Fall würde das Restkapital der betrieblichen Altersversorgung nur zugeführt, soweit es nicht vorher durch Altersteilzeit oder eine vergleichbare Freistellung von der Arbeit aufgebraucht wurde. Schließlich ist auch nicht feststellbar, dass durch die Zuführung des Kapitals in Höhe des Ausgleichswertes auf das Zeitwertkonto letztlich nicht doch eine Einkommensteuerpflicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen ausgelöst wird; denn unter Umständen kann die Zuführung eines Kapitals zu einem Zeitwertkonto, das letztlich für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung verwendet werden soll, dazu führen, dass die Versorgungsleistungen nur mit dem Ertragswert besteuert werden (vgl. hierzu Wellisch/ Näth/ Machill, Betriebsberater 2006, Seite 1100).

Auf den entsprechenden Hinweis des Senates vom 25.10.2016 hat die Antragsgegnerin keinen anderen Zielversorgungsträger benannt.

Der Ausgleichswert ist um die Zinsen zwischen Ende der Ehezeit und Rechtskraft der Entscheidung zu erhöhen, die dem Rechnungszins für die jeweilige Versorgung entsprechen (vgl. BGH FamRZ 2016, Seite 1444; BGH, Beschluss vom 15.02.2017 - XII ZB 405/16 -, juris).

Die Beschwerdeführerin hat angegeben, dass die Komponenten der Versorgung „beitragsorientierter Pensionsvertrag (BPV)“ hinsichtlich der Zuwachsrente und der Bestandsrente unterschiedlich zu verzinsen sind. Hinsichtlich der Bestandsrente gibt sie den Rechnungszins mit 4,5 % an, hinsichtlich der Zuwachsrente mit 2,75 %. Bedenken an der Richtigkeit dieser Auskunft haben sich nicht ergeben. Dementsprechend ist der auf die Bestandsrente entfallende Teil des Ausgleichswertes als Kapitalwert in Höhe von 28.102,-- € mit einem Rechnungszins von 4,5 % zu verzinsen, der auf die Zuwachsrente entfallende Teil in Höhe von 12.788,50 € mit einem Rechnungszins in Höhe von 2,75 %.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 150, 81, 84 FamFG, 20 FamGKG. Der Senat hat hierbei zu berücksichtigt, dass die Durchführung des Beschwerdeverfahrens erforderlich war, weil durch das Erstgericht der Antrag auf Durchführung der externen Teilung nicht beachtet worden ist.

Der Verfahrenswert ergibt sich aus §§ 50 Abs. 1, 40 FamGKG. Er entspricht 10 % des dreifachen gemeinsamen Nettoeinkommens der beteiligten Ehegatten bei Antragstellung.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Es ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob ein Zeitwertkonto als angemessene Versorgung im Sinn von § 15 Abs. 2 VersAusglG angesehen werden kann.

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