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17 UF 238/14

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürtingen vom 16.10.2014 in Ziff. 1 und 2 der Entscheidungsformel abgeändert.

Der Antrag der Antragstellerin wird abgewiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils selbst.

3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die am 13.05.1993 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit Herrn B. S. wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürtingen vom 30.10.2003 rechtskräftig geschieden, nachdem die Folgesache Versorgungsausgleich vom Verbund abgetrennt worden war. Durch Beschluss vom 27.11.2003 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich sodann in der Weise geregelt, dass zu Lasten der Versorgung des Ehemanns bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg zu Gunsten der Ehefrau Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 0,82 Euro bezogen auf des Ehezeitende 31.03.2002 begründet wurden. B. S. schloss in der Folgezeit die Ehe mit der Antragsgegnerin. Am 09.08.2011 ist er verstorben. Er wurde von der Antragsgegnerin allein beerbt. Die Antragsgegnerin bezieht eine Witwenrente.

Durch am 28.09.2011 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin eine Neuberechnung des Versorgungsausgleichs. Sie weist darauf hin, dass in der ursprünglichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich das Anrecht des verstorbenen geschiedenen Ehemanns zu ihren Ungunsten falsch berechnet worden sei. Die Antragsgegnerin tritt dem Abänderungsantrag entgegen. Das Amtsgericht hat neue Auskünfte über die in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte eingeholt und die Angelegenheit mit den Beteiligten in einem Termin erörtert.

Durch Beschluss vom 16.10.2014 hat das Amtsgericht den Beschluss vom 27.11.2003 aufgehoben und im Wege der internen Teilung zu Lasten der Versorgung des verstorbenen geschiedenen Ehegatten bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von monatlich 495,69 Euro, bezogen auf den 31.03.2002, übertragen. Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag der Antragstellerin in analoger Anwendung des § 226 Abs. 2 FamFG für zulässig gehalten. Es hat die Ausgleichswerte der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte beider geschiedener Ehegatten „saldiert“ und gelangt so zu dem zu Gunsten der Antragstellerin übertragenen Betrag.

Gegen diesen Beschluss, der der Antragsgegnervertreterin am 22.10.2014 zugestellt wurde, wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 06.11.2014 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie beantragt, den Abänderungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 226 Abs. 2 FamFG seien nicht erfüllt und eine analoge Anwendung der Vorschrift sei nicht möglich.

Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den Beschluss des Amtsgerichts als zutreffend.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 16.10.2014 sowie auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Akten des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürtingen (Az. 28 F 324/02) verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.

Auf das vorliegende Abänderungsverfahren, das durch Antrag vom 28.09.2011 eingeleitet wurde, kommt nach Art. 111 FGG-RG, § 48 VersAusglG das seit 01.09.2009 geltende formelle und materielle Recht zur Anwendung.

Der von der Antragstellerin gestellte Abänderungsantrag ist abzuweisen, da die Voraussetzungen des nach § 51, § 52 Abs. 1 VersAusglG anzuwendenden § 226 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen. Danach ist der Antrag „frühestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt zulässig, ab dem ein Ehegatte voraussichtlich eine laufende Versorgung aus dem abzuändernden Anrecht bezieht oder dies auf Grund der Abänderung zu erwarten ist“.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 06.03.1961 geborene und damit 54 jährige Antragstellerin aus einem der in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte eine laufende Versorgung erhält oder in den nächsten sechs Monaten voraussichtlich beziehen würde. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Anrechts des verstorbenen geschiedenen Ehemanns B. S. nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Auch hieraus bezieht die Antragstellerin keine Versorgung und ein Versorgungsbezug ist in den nächsten sechs Monaten nicht zu erwarten.

Eine „analoge Anwendung“ des § 226 Abs. 2 FamFG auf den Fall, dass nicht der antragstellende Ehegatte, sondern ein Hinterbliebener Versorgungsleistungen erhält, ist nicht möglich. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Dass der Gesetzgeber den Fall des Bezugs von Versorgungsleistungen, etwa einer Witwenrente, durch Hinterbliebene übersehen hätte, kann angesichts der Vorschriften des § 226 Abs. 1, 5 FamFG nicht angenommen werden. Eine analoge Anwendung des § 226 Abs. 2 FamFG im vorliegenden Fall würde zudem der Absicht des Gesetzgebers, die Voraussetzungen eines Abänderungsantrags gegenüber der früher geltenden Vorschrift des § 10a Abs. 5 VAHRG in persönlicher und zeitlicher Hinsicht einzuschränken, eindeutig zuwiderlaufen. Der Gesetzgeber, der mit dieser Veränderung einen Vorschlag der Kommission „Strukturreform des Versorgungsausgleichs“ teilweise aufgegriffen hat, wollte erreichen, dass möglichst sämtliche bis zum Zeitpunkt des Leistungsfalls eintretende Änderungen „in einem Verfahren“ geprüft und umgesetzt werden (BT-Drs. 16/10144 S. 98). Die Antragstellerin kann sich für ihre Ansicht auch nicht auf Äußerungen in der Literatur oder Rechtsprechung stützen.

III.

Der Senat entscheidet ohne erneute mündliche Erörterung der Angelegenheit mit den Beteiligten, da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG).

IV.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt hinsichtlich der Gerichtskosten aus § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG, im Übrigen aus § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, im vorliegenden Fall von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen und im Übrigen anzuordnen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst zu tragen hat.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts des Beschwerdeverfahrens erfolgt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 FamGKG. Ausgehend von einem Wert des Scheidungsverfahrens von 15.000,00 Euro und vier in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechten ergibt sich ein Wert von 6.000,00 Euro. Gründe, die eine Festsetzung dieses Werts als unbillig erscheinen lassen würden, liegen nicht vor.

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