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16 UF 130/15

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird Ziffer 2, Abs. 3 des Beschlusses des Amtsgerichts -Familiengericht- Heidelberg vom 03.06.2015 abgeändert:

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Firma J. D. GmbH & Co. KG … zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 12.755,00 € bei der N. L. AG, … zu L…, bezogen auf den 30.06.2014, begründet. Die Firma J.D. wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 4,91 % Zinsen seit dem 01.07.2014 bis zur Rechtskraft der Entscheidung an die N. L…. AG, zu … zu zahlen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.071,00 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich eines Anrechts auf betriebliche Altersversorgung des Antragsgegners bei der Firma J. D.

Die Beteiligten haben am 30.07.2002 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 31.07.2014 zugestellt.

Der Antragsgegner hat in der gesetzlichen Ehezeit u.a. eine Versorgung bei der Firma J. D. erworben. Der Versorgungsträger hat am 19.08.2014 Auskunft erteilt. Danach hat der Antragsgegner in der gesetzlichen Ehezeit vom 01.07.2002 bis 30.06.2014 ein Anrecht auf eine betriebliche Altersversorgung mit einem Kapitalwert von… erworben. Der Versorgungsträger schlägt den Ausgleichswert mit … vor, gibt den Rechnungszins mit 4,91 % an und hat die externe Teilung beantragt, da die Wertgrenzen des § 17 VersAusglG nicht überschritten sind.

Mit Verfügung vom 28.04.2015 hat das Amtsgericht die Antragstellerin nach Vorliegen der Auskünfte aller Versorgungsträger aufgefordert, bis 30.05.2015 einen Zielversorgungsträger zu benennen und innerhalb der Frist mitzuteilen, ob dieser bereit sei, den Kapitalbetrag aufzunehmen. Auf die Möglichkeit in begründeten Fällen Fristverlängerung zu beantragen, wurde hingewiesen, ebenso auf die Folgen einer Nichterfüllung der Auflage innerhalb der gesetzlichen Frist (I, 91f VA).

Die Verfügung wurde dem Antragstellervertreter am 30.04.2015 zugestellt.

Weiter hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 28.04.2015 Termin auf 03.06.2015 bestimmt.

Mit am 01.06.2015 per Fax beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie habe sich mit der N. V. bezüglich der externen Teilung in Verbindung gesetzt. Eine Bestätigung liege noch nicht vor.

Im Termin zur Anhörung der Beteiligten vom 03.06.2015 hat die Antragstellerin erklärt, Zielversorgungsträger solle die N. V. sein. Eine Bestätigung habe sie jedoch noch nicht erhalten (I, 53 ES).

Mit Beschluss vom 03.06.2015 hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Die betriebliche Altersversorgung des Antragsgegners bei der Firma J. D. wurde extern geteilt und ein Anrecht bei der Versorgungsausgleichskasse begründet. Eine besondere Zielversorgung habe die Antragstellerin nicht gewählt.

Der Beschluss wurde dem Antragstellervertreter am 17.06.2015 zugestellt. Mit am 24.06.2015 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und die Zusage der N. V. zur Aufnahme des Kapitalbetrages vorgelegt.

Der Senat hat auf die im schriftlichen Verfahren beabsichtige Entscheidung hingewiesen. Einwände der Beteiligten wurden innerhalb der Stellungnahmefrist nicht erhoben.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und begründet. Der Ablauf der vom Amtsgericht für die Benennung einer Zielversorgung gesetzten Frist nebst Nachweis der Aufnahmebereitschaft des Zielversorgungsträgers steht einer Nachholung der Benennung und des Nachweises der Mitwirkungsbereitschaft des Zielversorgungsträgers im Beschwerdeverfahren nicht entgegen.

1. Gemäß § 15 Abs. 1 VersAusglG kann die ausgleichsberechtigte Person die Zielversorgung wählen, sofern diese eine angemessene Versorgung gewährleistet (§ 15 Abs. 2 VersAusglG). Wird keine Versorgung ausgewählt, so ist bei externer Teilung einer betrieblichen Altersversorgung ein Anrecht bei der Versorgungsausgleichskasse zu begründen (§ 15 Abs. 5 S. 2 VersAusglG).

Die verfahrensrechtlich korrespondierende Regelung enthält § 222 FamFG. Danach ist das Wahlrecht innerhalb etwaig vom Gericht gesetzter Fristen auszuüben (§ 222 Abs. 1 FamFG). Gleichzeitig ist innerhalb der gesetzten Frist nachzuweisen, dass der ausgewählte Versorgungsträger mit der vorgesehenen Teilung einverstanden ist (§ 222 Abs. 2 FamFG).

Vorliegend hat die Antragstellerin fristgerecht keinen Zielversorgungsträger benannt und dessen Bereitschaft zur Aufnahme des Kapitalbetrages nachgewiesen. Das Amtsgericht hat Frist bis zum 30.05.2015 gesetzt. Nachdem der 30.05.2015 ein Samstag war, war Fristablauf mithin am 01.06.2015 (§§ 16 Abs. 2 FamFG, 222 Abs. 2 ZPO). Mit am 01.06.2015 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin nur mitgeteilt, sie habe sich mit der N. V. in Verbindung gesetzt. Eine Wahl der Zielversorgung wurde damit ebenso wenig ausgeübt wie eine Aufnahmebereitschaft des Zielversorgungsträgers mitgeteilt wurde. Die im Termin vom 03.06.2015 erklärte Wahl des Zielversorgungsträgers erfolgte nach Fristablauf und genügte im Übrigen auch nicht den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 VersAusglG. Eine Verlängerung der richterlichen Frist war nicht beantragt worden und wurde dementsprechend auch nicht bewilligt. Zu Recht hat das Amtsgericht daher als Zielversorgungsträger die Versorgungsausgleichskasse in seiner Entscheidung benannt.

2. Das in der Beschwerdeinstanz vorgelegte Einverständnis des von der Antragstellerin gewählten Zielversorgungsträgers führt indessen zur Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Ob nach Fristablauf noch ein aufnahmebereiter Zielversorgungsträger benannt werden kann, ist streitig.

a. In Teilen der Literatur wird vertreten, dass die Ausübung des Wahlrechts und der Nachweis des Einverständnisses des gewählten Zielversorgungsträgers innerhalb der gesetzten Frist erfolgen müssen. Damit könne das Gericht sicherstellen, dass das Verfahren weiter vorangebracht werde. Die Wahrnehmung der Rechte nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VersAusglG zu einem späteren Zeitpunkt sei ausgeschlossen (Bahrenfuss/Schwedhelm, FamFG, 2. Auflage, § 222 FamFG Rn. 2; Zöller/Lorenz, ZPO, 30.Auflage, § 222 FamFG Rn. 5ff; wohl auch Keidel/Weber, FamFG, 17. Auflage, § 222 FamFG Rn. 4; Prütting/Helms, FamFG, 3.Auflage, 2014, § 222 FamFG, Rn. 10). Auch wenn in den vorgenannten Kommentierungen ausdrücklich nur der Ausschluss der Rechte nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VersAusglG benannt ist, ist eindeutig, dass auch eine spätere Wahl der Zielversorgung entsprechend § 15 Abs. 1 und 2 VersAusglG nicht mehr möglich sein soll. Denn vorab ist erläutert, dass nicht nur das Wahlrecht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VersAusglG innerhalb der Frist ausgeübt werden soll, sondern auch die Wahl der Zielversorgung innerhalb dieser Frist auszuüben ist, um das Verfahren zu straffen (zum Beispiel Schwedhelm, a.a.O.). Dann ist die einheitliche Sanktionierung des Fristversäumnisses folgerichtig.

b. Nach anderer Ansicht ist keine materiell-rechtliche Ausschlusswirkung gegeben. Die Fristsetzung solle zwar einer Verfahrensverzögerung entgegenwirken, für eine materiell-rechtliche Ausschlusswirkung bestehe indessen kein Bedürfnis (Herberger/Breuers, jurisPK - BGB, 7. Auflage 2014, § 15 VersAusglG, Rn. 52).

c. Differenziert wird auch danach, ob die Fristversäumung zu vertreten ist. Auch nach Fristablauf könne das Wahlrecht noch ausgeübt werden, wenn eine zu knapp bemessene Frist gesetzt worden sei oder eine Person aus objektiv nachvollziehbaren Gründen ihr Wahlrecht nicht rechtzeitig habe ausüben können (Musielak/Borth, FamFG, 5. Auflage 2015, § 222 FamFG Rn. 5).

d. Nach weiterer Ansicht ist jedenfalls dann kein Ausschluss des Wahlrechts gegeben, wenn keine Verfahrensverzögerung durch die Fristversäumung eintritt. Werde ein Wahlrecht erst nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist ausgeübt, könne das Gericht die Ausübung des Wahlrechts grundsätzlich unberücksichtigt lassen. Ein verspätet ausgeübtes Wahlrecht solle jedoch jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn weder eine Verzögerung des Verfahrens zu Lasten eines Beteiligten eintrete, noch einseitig in Rechte eines Beteiligten eingegriffen werde. Das könne etwa dann der Fall sein, wenn dem Gericht nach Fristablauf eine Vereinbarung zwischen der ausgleichsberechtigten Person und dem Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person gemäß 14 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG vorgelegt und zugleich unter Zustimmung des aufnehmenden Versorgungsträgers das Wahlrecht nach § 15 Abs. 1 VersAusglG ausgeübt werde (MünchKommFamFG/Stein, 2. Auflage, § 222 FamFG Rn. 23; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Auflage, § 222 FamFG Rn. 7; 14 VersAusglG Rn. 47; ähnlich wohl Dörr: zwar sehe § 222 Abs. 1 FamFG um das Verfahren voranzubringen vor, dass das Gericht den Beteiligten zur Ausübung ihrer Wahlrechte nach § 14 Abs. 2 und § 15 Abs. 1 VersAusglG Fristen setze. Dabei sei auf eine gesetzlich festgelegte Frist verzichtet worden, um für das Verfahren eine größtmögliche Flexibilität zu erhalten. Andererseits werde in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht, die Wahrnehmung der Rechte zu einem späteren Zeitpunkt werde ausgeschlossen, wofür durchaus der Wortlaut der Vorschrift sprechen könne ("… sind in den vom Gericht zu setzenden Fristen auszuüben"). In Anbetracht der Komplexität der von den Beteiligten zu treffenden Entschließungen müsse die Setzung von Fristen daher mit Augenmaß vorgenommen und eine gesetzte Frist zumindest auch auf begründeten Antrag verlängert werden. Richtig verstanden könne es bei der Fristsetzung nur darum gehen, einer Verschleppung des Verfahrens wirksam entgegentreten zu können, MünchKommBGB/Dörr, 6. Auflage 2013, § 222 FamFG Rn. 5).

e. Eine ausdrückliche Entscheidung des BGH zum vorliegenden Streitpunkt liegt nicht vor. Allerdings hat der BGH mit Beschluss vom 06.02.2013, XII ZB 204/ 11 - juris - ausgeführt, dass es sich bei der Frist nach § 222 Abs. 1 FamFG um eine "Ausschlussfrist" handle (vgl. LS 2 der Entscheidung). Welche Folgen hieran zu knüpfen sind, ist indessen nicht erläutert, nachdem es hierauf mangels erfolgter Fristsetzung durch das Instanzgericht nicht ankam.

f. Die Gesetzesmaterialien führen zu § 222 FamFG aus, das Gericht könne Fristen - auch - zur Wahl des Zielversorgungsträgers setzen, um das Verfahren voranzubringen. Die Wahrnehmung der Rechte nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VersAusglG zu einem späteren Zeitpunkt werde dadurch ausgeschlossen. Inwieweit eine spätere Wahl der Zielversorgung noch möglich ist, ist nicht ausgeführt (Bt-Drucks. 16/10144, S. 95).

g. Das Kammergericht hat sich für das Recht zur Nachholung des Wahlrechts im Beschwerdeverfahren ausgesprochen. Eine Präklusion sei durch § 222 FamFG nicht bestimmt worden. Wolle dies der Gesetzgeber, so werde dies, wie zum Beispiel § 115 FamFG zeige, ausdrücklich geregelt. Auch die gesetzgeberische Ratio spreche gegen einen Ausschluss des Wahlrechts nach Fristversäumung im Beschwerdeverfahren. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 222 FamFG eine Verfahrensverzögerung verhindern wollen. Dieses Ziel sei erreicht worden, nachdem mangels ordnungsgemäßer Wahl einer Zielversorgung das Verfahren durch die Wahl der in § 15 Abs. 5 VersAusglG gesetzlich benannten Zielversorgungsträger zum Abschluss gebracht werden könne. Wolle sich ein Berechtigter mit dieser Regelung dann nicht abfinden, so stehe es ihm frei, im Rechtsmittelverfahren ordnungsgemäß einen Zielversorgungsträger zu benennen. Eine Verfahrensverzögerung sei nicht zu erwarten, da auch dem Beschwerdegericht die Möglichkeit der Fristsetzung nach § 222 Abs. 1 FamFG offenstehe. Die verspätete Ausübung des Wahlrechts könne nur kostenrechtlich sanktioniert werden (KG, B, v, 14.02.2014, 17 UF 155/13 - juris -).

3. Der Senat schließt sich der Entscheidung des Kammergerichts an. Zwar sind aus den Gesetzesmaterialien und der Bezeichnung der Frist des § 222 Abs. 1 FamFG als Ausschlussfrist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Anhaltspunkte für einen Verlust des Wahlrechts bei Fristversäumung gegeben. Maßgeblich ist indessen auch die gesetzgeberische Ratio. Einer Verfahrensverschleppung soll vorgebeugt werden. Durch die Fristsetzung wird dem Familiengericht eine Möglichkeit gegeben, das Versorgungsausgleichsverfahren auch ohne ausreichende Mitwirkung der Beteiligten in den Fällen einer externen Teilung zum Abschluss zu bringen. Dies führt das Kammergericht zutreffend aus. Auch ist dieselbe Möglichkeit in zweiter Instanz gegeben. Die verspätete Mitwirkung eines Beteiligten ist kostenrechtlich zu berücksichtigen, einen materiellrechtlichen Verlust des Wahlrechts nach § 15 VersAusglG muss sie nicht zur Folge haben. Dafür spricht auch, wie das Kammergericht ebenfalls ausführt, dass für den Fall einer so weit reichenden Folge wie einer Präklusion bei verspäteter Ausübung des Wahlrechts davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber für diesen Fall eine ausdrückliche Präklusionsvorschrift normiert hätte.

4. Die externe Teilung ist damit dahingehend durchzuführen, dass als Zielversorgungsträger statt der Versorgungsausgleichskasse die N. L. … zu benennen ist. Sonstige Einwände gegen die vom Amtsgericht durchgeführte externe Teilung wurden nicht erhoben. Sie sind auch nicht ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 2 Nr. 4 FamFG. Im Hinblick auf die Fristversäumung durch die Antragstellerin und das dadurch erforderlich werdende Beschwerdeverfahren entspricht es billigem Ermessen, der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zugelassen.

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