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S 6 RA 2701/02

Tatbestand

Der Kläger begehrt Befreiung von der Versicherungspflicht für Selbständige.

Der ... geborene Kläger ist Beamter bei der Finanzverwaltung … . Nach seinen Angaben übt der Kläger ab 1993 bis heute Nebentätigkeiten im Rahmen der Ausbildung von angehenden Steuerbeamten aus. 1995 erzielte er erstmals Einkünfte, die über der damaligen Sozialversicherungsgrenze lagen. In den Jahren 1996 bis 1999 lagen seine Einkünfte unter der Geringfügigkeitsgrenze im Sinne des Sozialversicherungsrechtes. Hiervon auszunehmen ist das Jahr 1998. In 1998 absolvierte der Kläger eine selbständige Prüfungstätigkeit in der Oberfinanzdirektion … . Dafür war ihm eine Vergütung von DM 1.465,00 zugeflossen. Ab 2000 intensivierte er seine nebenberufliche Tätigkeit. Neben einer unterrichtenden Tätigkeit ist der Kläger auch schriftstellerisch für einen Verlag tätig und erteilt wissenschaftliche Vorträge auf dem Gebiet des Steuerrechtes.

Wie der Kläger angibt erfuhr er im September 2001 erstmalig, dass auch Lehrtätigkeit, die neben einer beamteten Tätigkeit verrichtet würde, der Rentenversicherungspflicht unterläge.

Am 27.09.2001 stellte der Kläger den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige. Zur Begründung gab er an, dass sein regelmäßiges monatliches Arbeitseinkommen im Zeitraum von 1996 bis 1999, innerhalb der Einkommensgrenze für die Geringfügigkeit gelegen habe. Er erhalte bei Erreichen der Altersgrenze Pensionsleistungen durch das Land … . Er verfüge über ein Haus und Grundvermögen in Höhe von 575.000,00 DM.

Der Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Selbständige wurde mit Bescheid vom 16.10.2001 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger am 31.12.1998 zwar eine selbständige Unterrichtstätigkeit ausgeübt habe, diese Tätigkeit habe er aber nicht versicherungspflichtig, sondern nur in geringfügigem Umfang ausgeübt, so dass insoweit eine Versicherungsfreiheit bestanden habe. Die Befreiung von der Versicherungspflicht setze aber voraus, dass am 31.12.1998 eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt worden war.

Der hiergegen erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2002 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 09.08.2002 Klage erhoben und geltend gemacht, dass es nicht richtig sei, für die Frage, ob vor dem 01.01.1999 eine versicherungspflichtige Nebentätigkeit ausgeübt wurde, allein auf das Jahr 1998 abzustellen. Eine solche Gesetzesauslegung führe zu falschen Ergebnissen, die keinesfalls sachgerecht seien. Denn es bestehe generell kein Unterschied, ob jemand zufälligerweise im Dezember 1998 die Geringfügigkeitsgrenze überschritten hatte und deshalb in den Genuss der Befreiung komme, oder ob es im Jahre 1998 unter, jedoch in den Vorjahren über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hatte. Für eine solche Ungleichbehandlung seien sachliche Unterschiedsgründe nicht ersichtlich. Er selbst habe im Jahr 1995 (und 1998) Einnahmen aus selbständiger Unterrichtstätigkeit gehabt, die über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hätten.

Die gesetzliche Regelung sei im übrigen verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hätte eine sozialverträgliche Übergangsregelung schaffen müssen. Jedenfalls bei Nachweis einer andersartigen Altersabsicherung hätte er auch für den Personenkreis, der 1998 keine Versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt habe, eine Befreiung zulassen müssen. Ungeachtet des bestehenden Pensionsanspruches aus seinem Beamtenverhältnis habe er eine private Altersversorgung aufgebaut, weil er nicht alleine auf seine Beamtenpension habe angewiesen sein wollen. In diesem Zusammenhang sei es auch sachlich nicht begründet, warum Personen, die vor dem 02.01.1949 geboren wurden, auch ohne Nachweis einer hinreichenden Altersversorgung von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen seien. Ferner sei er bei Versagung der Befreiung in seiner freien Berufsausübung erheblich eingeschränkt. Insoweit könne eine zu enge Anwendung der Befreiungsregelung auch unter dem Blickwinkel von Artikel 12 GG keinen Bestand haben. Er müsse bei bestehender Sozialversicherungspflicht sorgfältig darauf achten, die Geringfügigkeitsgrenze nicht zu überschreiten, um nicht sozialversicherungspflichtig zu werden. Dadurch wäre er gezwungen, ab einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr die Nebentätigkeit einzustellen und eventuelle Engagement abzulehnen. Auch habe er aus dem Erwerb des Anspruchs auf Rente keinen Nutzen, da Leistungen des Rentenversicherungsträgers auf seine spätere Pension angerechnet werden würden. Schließlich entspreche die Rentenversicherungspflicht eines nebenberuflich tätigen Beamten nicht dem Sinn und Zweck von § 2 Nr. 2 SGB VI. Richtig sei, dass Lehrer regelmäßig nicht in der Lage seien, so erhebliche Verdienste zu erzielen, dass sie sich außerhalb der gesetzlichen Sozialversicherung angemessen absichern könnten. Dieser Gedanke sei für Lehrer zutreffend, passe aber nicht auf einen vollzeitbeschäftigten Beamten, der in der Freizeit einer Lehrtätigkeit nachgehe.

Der Kläger beantragt,

  • unter Aufhebung des Bescheides vom 16.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2002 die Beklagte zu verurteilen, Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides. Die Rentenakte hat vorgelegen.

Für die weiteren Einzelheiten wird gemäß § 136 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und auf die zur Sitzungsniederschrift erfolgten Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsvorschlag

Die Klage ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind nach geltendem Recht rechtmäßig. Das Gericht hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angewandten Vorschriften.

Gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI werden auf Antrag Personen, die am 31.12.1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie

1.glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten und
2.vor dem 02. Januar 1949 geboren sind oder
3.vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge … getroffen haben.

Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.

Die Vorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI, in Kraft getreten ab dem 07.04.2001, ist von der Beklagten rechtsfehlerfrei angewandt worden.

Insoweit steht nicht im Streit, dass § 231 Abs. 6 SGB VI Anwendung findet auch auf Beamte mit Nebentätigkeit, obgleich diese bereits einen vollumfänglichen Pensionsanspruch erworben haben. Daß der Kläger eine Versicherungspflicht insoweit für überflüssig hält, kann nicht zur Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Vorschrift führen. Im übrigen hat der Kläger durch Schaffung einer privaten Altersvorsorge seiner eigenen Argumentation widersprochen.

Auch ist davon auszugehen und insoweit unstreitig, dass der Kläger am 31.12.1998 keine Kenntnis hatte von der Versicherungspflicht selbständiger Lehrtätigkeit, wenn diese mehr als geringfügig ausgeübt wurde.

Im Streit steht, ob der Kläger am 31.12.1998 eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Dies ist - gemessen am Wortlaut des Gesetzes - nicht der Fall. Dies gilt aber auch bei sachgerechter Auslegung des Gesetzes über den Wortlaut hinaus. Denn der Kläger hatte 1998 allenfalls für einen Monat selbständig versicherungspflichtig gearbeitet.

Dass der Kläger 1995 und im Lauf des Jahres 1998 (nicht im Dezember 1998) eine versicherungspflichtige Nebentätigkeit ausgeübt hatte, ist insoweit irrelevant. Eine rechtliche Relevanz könnte allenfalls dann bestehen, wenn der Gesetzgeber die Befreiung von der Versicherungspflicht von einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit vor dem 31.12.1998 abhängig gemacht hätte. Dies ist nicht der Fall. Der Gesetzgeber verlangt eine versicherungspflichtige Beschäftigung am 31.12.1998. Eine Ausnahme dürfte allenfalls dann gelten, wenn zwar am 31.12.1998 die Tätigkeit nicht versicherungspflichtig war, die Tätigkeit aber insgesamt in 1998 überwiegend versicherungspflichtig gewesen war und über den 31.12.1998 hinaus andauerte (vgl. SG Berlin - S 18 RA 961/02 - Urteil v. 02.09.2002).

Soweit der Kläger vorträgt, eine solche Gesetzesauslegung führe zu Zufallsergebnissen, denn es bestehe generell kein Unterschied, ob jemand zufälligerweise im Dezember 1998 die Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe und deshalb in den Genuss der Befreiung komme, ein anderer, der im Jahr 1998 unter, jedoch in den Vorjahren über die Geringfügigkeitsgrenze lag, indessen nicht befreit würde, kann dies das Gericht nicht nachvollziehen. Dem Gesetzgeber war es offensichtlich angelegen für einen bestimmten Personenkreis, die Rechtslage - hier die vermeintliche, von den Beteiligten in gutem Glauben unterstellte Rechtslage - fortzuführen, die im Jahr 1998 bestanden hatte. Insoweit handelt es sich um eine Stichtagsregelung. Richtig ist, dass Personen, die nicht in 1998, aber in früheren Jahren eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausübten, benachteiligt sind.

Die vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt das Gericht nicht. Die Regelung des § 231 Abs. 6 SGB VI, wonach ein gewisser Vertrauensschutz lediglich denjenigen zukommt, die in 1998 eine überwiegend versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, verstößt nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die Auswahl des Personenkreises ist das Ergebnis der Stichtagsregelung. Härten, die mit einer Stichtagsregelung verbunden sind, müssen hingenommen werden, wenn die Einführung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt, sachlich vertretbar ist (BVerfGE 28, 61 = SozR 2200 § 1255a Nr. 7). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Stichtagsregelung eine Ausnahmeregelung geschaffen hat, die einen an sich bestehenden rechtswidrigen Zustand perpetuiert. Wenn der Gesetzgeber den Personenkreis, der hiervon profitiert, klein hält und lediglich auf einen Personenkreis reduziert, der in 1998 überwiegend Versicherungspflichtige Tätigkeit ausübte, so ist dies sachlich vertretbar.

Auch fehlt es im Hinblick auf die Personen, die vor dem 02.01.1949 geboren sind und keine anderweitige Vorsorge getroffen haben, an der geeigneten Vergleichsgruppe, da es einen Unterschied ausmacht, ob 50 Jahre und ältere Versicherte geschützt werden oder jüngere Versicherte. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG enthält an den Gesetzgeber lediglich die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart nach entsprechend verschieden zu behandeln. Der Gesetzgeber ist befugt, aus einer Vielzahl von Lebenssachverhalten die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (vgl. BVerfGE 71, 39, 53). Danach ist Artikel 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88). Mit der insoweit angegriffenen Regelung des § 231 Abs. 6 SGB VI hat der Gesetzgeber für einen bestimmten (älteren) Personenkreis eine Vertrauensschutzregelung geschaffen. Danach verbleibt es bei der Versicherungsfreiheit. Hierbei geht der Gesetzgeber offensichtlich davon aus, dass es diesem (älteren) Personenkreis innerhalb von 10 Jahren bis zur frühestmöglichen Altersversorgung nicht mehr möglich ist, anderweitige (ausreichende) Vorsorge für den Fall der Invalidität oder des Erlebens des 60. Lebensjahres zu erzielen. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber den rentennächsten Jahrgängen den Vorzug vor den rentenferneren Versicherten gegeben hat. Letzteren verbleibt noch ausreichend Zeit, eine ausreichende Vorsorge zu schaffen.

Der Kläger moniert das Fehlen einer Übergangsregelung. § 231 Abs. 6 SGB VI stellt eine solche Übergangsvorschrift dar. Insoweit wurde dem Vertrauensschutz rentennaher Jahrgänge bzw. einem Personenkreis, der ausreichend Altersvorsorge getroffen hatte, Rechnung getragen. Soweit der Kläger eine Übergangsvorschrift für einen Personenkreis reklamiert, der irgendwann vor 1998 versicherungspflichtig tätig war, kann dies nicht gefordert werden. Die „Legalisierung eines rechtswidrigen Zustandes“ steht im Ermessen des Gesetzgebers. Er hat insoweit einen weiten Ermessensspielraum.

Soweit der Kläger geltend macht, mit der Versagung der Befreiung sei er in seiner Berufsausübung erheblich eingeschränkt, ist dies unbeachtlich. Richtig ist, dass Versicherungspflicht, weil es sich insoweit um Kosten handelt, die Berufsausübung einzuschränken vermag. Dies ist aber - wie auch die Versteuerung der Einnahmen - hinzunehmen. Dass es dem Kläger angelegen sein muß, die Geringfügigkeitsgrenze zu beachten, kann nicht zu einer gegenteiligen Beurteilung führen. Die Berücksichtigung der Geringfügigkeitsgrenze ist eine Obliegenheit. Hierin eine Einschränkung der Berufsausübung zu sehen, ist abwegig.

Ob der Rentenanspruch auf die Pensionsansprüche des Klägers angerechnet wird, ist offen. Welche Anrechnungsvorschriften mit Erreichen des Pensionsalters gelten, ist nicht vorhersehbar. Im übrigen betrifft - nach dem derzeitigen Recht - die Anrechnung nicht den Rentenanspruch. Dieser wird erfüllt. Die Anrechnung führt zu einer Reduzierung der Pension. Damit wäre allenfalls zu fragen, ob die hier einschlägige Anrechnungsvorschrift (noch) verfassungsgemäß ist. Auf die Leistungen der Rente hat dies keine Auswirkung.

Die Klage hatte nach alledem keinen Erfolg. Die Klage musste - wie tenoriert - abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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