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2 C 22/92

Tatbestand

Die im Jahre 1929 geborene Klägerin war seit 1963 zunächst als Arbeiterin, seit 1970 als Beamtin bei der Beklagten beschäftigt. Mit Ablauf des 31. März 1977 wurde sie wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Die Ehe der Klägerin wurde im Jahre 1981 rechtskräftig geschieden. Im Versorgungsausgleichsverfahren übertrug das Amtsgericht Versorgungsanwartschaften der Klägerin dem geschiedenen Ehemann. Dieser erhielt in der Zeit vom 19. Dezember 1981 bis 30. Juni 1982 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 11. Juni 1982 kürzte daraufhin die Oberpostdirektion H. die Versorgungsbezüge der Klägerin „rückwirkend vom 1. Dezember 1981 an, dem Zeitpunkt der Rentengewährung auf Zeit bis zum 30. Juni 1982“. Seit dem 1. Juli 1982 erhielt die Klägerin dann wieder das ungekürzte Ruhegehalt.

Mit Bescheid vom 24. September 1986 kürzte die Oberpostdirektion H. das Ruhegehalt der Klägerin mit Wirkung vom 1. Oktober 1986 mit der Begründung, daß zu Unrecht die mit Bescheid vom 11. Juni 1982 angeordnete Kürzung der Versorgungsbezüge auf die Dauer der Gewährung der Rente an den geschiedenen Ehemann beschränkt worden sei.

Seit 1. Februar 1987 bezieht der geschiedene Ehemann der Klägerin (auf Dauer) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Aus Anlaß des Bezugs dieser Rente kürzte die Oberpostdirektion H. mit Bescheid vom 20. August 1987 die Versorgungsbezüge der Klägerin ab 1. Februar 1987. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.

Gegen den Bescheid vom 24. September 1986 hat die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, die in den Vorinstanzen erfolgreich war. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seiner die Berufung zurückweisenden Entscheidung ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Der Regelung des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG liege erkennbar der Gedanke der Wahrung des Besitzstandes zugrunde. Der Rentner, dessen Ehe geschieden sei, besitze bereits den vollen Rentenanspruch und habe sich darauf eingestellt. Er habe anders als der Ausgleichspflichtige, der noch im Berufsleben stehe, keine Möglichkeit, die Minderung seiner Rente ganz oder teilweise durch Nachentrichtung von Beiträgen auszugleichen. Solange der Berechtigte die Voraussetzungen für einen Rentenbezug nicht erfülle, bestehe kein Anlaß für eine Kürzung, da andernfalls nur der Rentenversicherungsträger vom Versorgungsausgleich profitiere. Den sich aus der Nichtzahlung der Rente ergebenden Vorteil habe der Gesetzgeber in § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nicht dem Versicherungsträger des Berechtigten eingeräumt, sondern in Gestalt eines vorläufigen Betragsschutzes dem Verpflichteten zugewendet. Solange daher der Berechtigte die Voraussetzungen für einen Rentenbezug nicht erfülle, bestehe kein Anlaß für eine Kürzung, da andernfalls der Rentenversicherungsträger vom Versorgungsausgleich profitiere. Der mit § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG verfolgte Zweck des Schutzes des Besitzstandes des Ausgleichspflichtigen rechtfertige es, die Begünstigung, die Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge, wieder aufleben zu lassen, sobald der Grund für die Kürzung weggefallen sei. Die Frage der Anwendbarkeit des § 48 BeamtVG sei nicht entscheidungserheblich.

Die Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision fristgerecht eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hält darüber hinaus den Bescheid für rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht gegeben seien.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Unter Aufhebung der entgegenstehenden Urteile der Vorinstanzen ist die Klage abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Kürzung der Versorgungsbezüge der Klägerin ist § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG. Danach wird das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. Das sog. Pensionistenprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG stellt eine Ausnahme von der Regel des § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dar, wonach grundsätzlich die Versorgung des verpflichteten Ehegatten nach Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts zu kürzen ist, wenn Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 BGB durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind.

Im Regelfall erhält danach der verpflichtete Ehegatte bei Eintritt in den Ruhestand nur noch eine gekürzte Versorgung, und zwar unabhängig davon, ob der berechtigte Ehegatte ebenfalls schon eine Rente erhält oder nicht. Infolge des Renten- (§ 1587 b Abs. 1 BGB) bzw. Quasi-Splittings (§ 1587 b Abs. 2 BGB) sind für den ausgleichsberechtigten Ehegatten Rentenanwartschaften in der Rentenversicherung begründet worden. Im Falle des Rentensplittings, das bei Beamten, die vor ihrer Berufung in ein Beamtenverhältnis im Angestellten- oder Arbeiterverhältnis beschäftigt gewesen sind, Anwendung findet, belastet der Rentenversicherungsträger das Konto des Ausgleichspflichtigen mit den nach einer bestimmten Formel errechneten Werteinheiten; dem Ausgleichsberechtigten schreibt er diese gut. Beim Quasi-Splitting, das Anwendung auf den Beamten findet, erfolgt lediglich eine Gutschrift von Werteinheiten auf dem Konto des Ausgleichsberechtigten. Die Belastung des Ausgleichsverpflichteten merkt der Träger der Versorgungslast vor. Die Übertragung der Rentenanwartschaften durch das Familiengericht erfolgt im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung. Der Berechtigte erhält einen eigenen rechtlichen Anspruch. Die Versorgungsrenten beider Ehegatten sind selbständig und unterliegen ab diesem Zeitpunkt einem getrennten rechtlichen Schicksal.

Diesen Grundsatz der sofortigen und endgültigen Vollziehung des Versorgungsausgleichs hat der Gesetzgeber für den Fall durchbrochen, daß bei Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich bereits ein Anspruch des Ausgleichspflichtigen auf eine Versorgung besteht. Dessen Versorgung wird erst dann gemindert, wenn aus der Versicherung des Berechtigten eine Rente zu zahlen ist (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG, § 55 c SVG; § 1304 a Abs. 4 Satz 2 RVO; § 83 a Abs. 4 Satz 2 AVG). Diese „Stornierung“ des Vollzugs des Versorgungsausgleichs und damit der negativen Auswirkungen auf die Versorgung des Ausgleichspflichtigen rechtfertigt sich aus dem Gedanken des Besitzstandsschutzes sowie für Rentner damit, daß hier für den Verpflichteten nicht die Möglichkeit besteht, die Minderung seiner Rentenanwartschaften ganz oder teilweise durch Entrichtung von Beiträgen auszugleichen. Dank der Wahrung seines Besitzstandes ist der verpflichtete Versorgungsempfänger vorerst - auflösend bedingt - in die Lage versetzt, die bei Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts gewährten Versorgungsbezüge weiterhin uneingeschränkt zu beziehen.

Die Dauer des Bestandsschutzes der Versorgungsbezüge, der dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten den ungeschmälerten Genuß derselben gewährleistet, ist infolge der auflösenden, an den ungewissen Eintritt des Rentenbezugs des Berechtigten geknüpften Bedingung unbestimmt. Das Pensionistenprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG kommt demgemäß dem Ruhestandsbeamten nur für einen mehr oder minder langen „Übergangs“-zeitraum zugute.

Anknüpfend an den Sprachgebrauch des Rentenrechts, dessen § 1304 a Abs. 4 RVO die Vorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nachgebildet ist (vgl. 2. Bericht des Rechtsausschusses zum 1. EheRG, BT-Drs. 7/4361 zu Art. 4 Nr. 1 d <§ 1304a RVO>, S. 56), genügt für den Eintritt der auflösenden Bedingung der Bezug jeder Rente; denn Rente im Sinne des Rentenrechts (vgl. z.B. § 1290 RVO) ist jede Art von Rente, Altersruhegeld ebenso wie die zeitlich begrenzte Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente. Stellt der Wortlaut des Gesetzes auf den Rentenbezug schlechthin ab, kommt es entscheidend darauf an, daß überhaupt eine Rente gewährt wird, nicht daß sie auf Dauer gewährt wird.

Die auflösende Bedingung, der Eintritt des Ereignisses Rentengewährung, der die Vollziehung des Versorgungsausgleichs bewirkt und damit den bisher gewährleisteten Besitzstand beendet, knüpft an den Zeitpunkt der erstmaligen Gewährung einer Rente an. Nachdem bei ihm ebenso wie beim aktiven Beamten der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, hat der Versorgungsempfänger grundsätzlich nunmehr und auch in Zukunft nur noch Anspruch auf gekürzte Versorgungsbezüge. Die Rechtslage entspricht nunmehr derjenigen des aktiven Beamten. Ist der Versorgungsausgleich einmal vollzogen, so ist der faktische Versicherungsverlauf im einzelnen in bezug auf die jeweils andere Rente bzw. Versorgung unbeachtlich. Der einmal durchgeführte Versorgungsausgleich ist nicht umkehrbar. In seinen gesetzlich bestimmten Auswirkungen kann er lediglich unter den Voraussetzungen der vom Gesetzgeber im einzelnen umschriebenen Tatbestände korrigiert werden. Eine solche Korrektur kommt unter den Voraussetzungen der §§ 4 f. des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 (BGBl. I S. 105) i.d.F. des Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2317) in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Härtefallregelung liegen für den hier zu entscheidenden Sachverhalt, daß eine dem Berechtigten einmal gezahlte Rente später wieder entfällt und danach eine andere Rente gezahlt wird, nicht vor.

Daß es im Falle des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG bei der einmal durchgeführten Kürzung der Versorgungsbezüge verbleibt, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs ist der Versorgungsempfänger den Beamten gleichgestellt, deren Versorgungsausgleich bereits im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entscheidung des Familiengerichts durchgeführt wird (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Auch in diesem Falle erfolgt eine Kürzung der Versorgungsbezüge des Verpflichteten, ohne daß dem ein Rentenbezug des Berechtigten gegenüber stünde. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner 1980 ergangenen Entscheidung (BVerfGE 80, 297 <306, 308>) verfassungsrechtliche Bedenken nur für den Fall erhoben (und die später erfolgte Härteregelung angemahnt), als der ausgleichspflichtige Versorgungsempfänger ungeachtet der Kürzung seiner Versorgungsbezüge zugunsten des Ausgleichsberechtigten diesem z u s ä t z l i c h noch zum Unterhalt verpflichtet ist (vgl. Urteil vom 10. März 1994 - BVerwG 2 C 4.92 - <zur Veröffentlichung vorgesehen>). Im anderen Falle hat das Bundesverfassungsgericht keine Versorgungslücke von derartigem Gewicht infolge der Auswirkung des Versorgungsausgleichs erkennen können, die diesen im Blick auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG nicht mehr als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 GG gerechtfertigt erscheinen ließe. Für eine Verletzung des Alimentationsprinzips, Art. 33 Abs. 5 GG, ist hier ebenfalls nichts ersichtlich.

Danach hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere als die ihr unter Berücksichtigung der Kürzung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG gewährte Versorgung. Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Anwendbarkeit des § 48 VwVfG kommt es hier nicht an. Der angefochtene Bescheid regelt ersichtlich die künftigen Rechtsverhältnisse der Klägerin und hebt keinen die Rechtslage ehemals regelnden Bescheid auf.

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