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1 B 152/83

Tatbestand

I. Das mit ordnungsmäßiger Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 18. April 1983 wurde Rechtsanwalt Sp in H am 10. August 1983 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Dieser hatte den Kläger aufgrund einer schriftlichen Prozeßvollmacht vom 25. August 1981, die auch zur Übertragung der Vollmacht ganz oder teilweise auf andere ermächtigt (Untervollmacht), im ersten Rechtszug vertreten und gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung für den Kläger eingelegt. Während des Berufungsverfahrens zeigte Rechtsanwalt St an, daß er neben Rechtsanwalt Sp für den Kläger im Berufungsverfahren tätig sei, und versprach, Untervollmacht nachzureichen. Er begründete die Berufung und nahm für den Kläger den Termin zur mündlichen Verhandlung wahr. Im Urteil des Berufungsgerichts ist er als weiterer Prozeßbevollmächtigter des Klägers neben den in der Prozeßvollmacht vom 25. August 1981 genannten Rechtsanwälten B, M und Sp aufgeführt. Am 21. September 1983 (abgesandt am 19. September 1983) stellte das Oberverwaltungsgericht eine Ausfertigung des Urteils gegen Empfangsbekenntnis an Rechtsanwalt St zu. Am 21. Oktober 1983 hat dieser für den Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig. Sie ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 132 Abs. 3 Satz 1 VwGO bei dem Oberverwaltungsgericht eingelegt worden. Das Urteil des Berufungsgerichts wurde dem Kläger am 10. August 1983 wirksam zugestellt. Ist im Verwaltungsstreitverfahren ein Prozeßbevollmächtigter bestellt, sind Zustellungen an diesen zu richten (§ 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 8 Abs. 4 VwZG). Rechtsanwalt Sp war auch im Berufungsverfahren Prozeßbevollmächtigter des Klägers, wie die Beschwerde nicht in Abrede stellt. Die Zustellung an ihn setzte daher die Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils in Lauf, so daß diese, da der 10. September 1983 ein Sonnabend war, mit dem 12. September 1983 endete (§ 132 Abs. 3 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 57 VwGO, § 222 ZPO und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

Sollte auch Rechtsanwalt St, wie das Berufungsgericht angenommen hat, zum Prozeßbevollmächtigten bestellt gewesen sein, so stellte das die Wirksamkeit der Zustellung des Berufungsurteils an Rechtsanwalt Sp und damit den Ablauf der Beschwerdefrist nicht in Frage. Sind mehrere Prozeßbevollmächtigte bestellt, so sind diese gemäß § 84 ZPO berechtigt, die Partei einzeln zu vertreten. Das gilt auch für Handlungen des Gerichts und der anderen Beteiligten gegenüber dem Vertretenen. Hieraus folgt, daß bei mehreren Prozeßbevollmächtigten die Zustellung an einen von ihnen genügt (vgl. § 189 Abs. 1 ZPO) und daß, wenn an jeden zugestellt wird, für den Beginn der Rechtsmittelfrist die zeitlich erste Zustellung maßgebend ist (vgl. Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 84 Anm. C III a; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 84 Rdnr. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 42. Aufl., § 84 Anm. 1 B; Thomas/Putzo, ZPO, 12. Aufl., § 84 Anm. 2 d; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., S. 284). Das hat gemäß § 173 VwGO auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu gelten, weil insoweit zwischen dem Zivil- und dem Verwaltungsprozeß keine grundsätzlichen Unterschiede bestehen, die eine Anwendung dieser Regelung ausschließen würden (Beschlüsse vom 23. Januar 1975 - 1 WB 47.73, 1 WB 75.73 - NJW 1975, 1795; vom 29. Januar 1980 - BVerwG 2 B 76.79 - NJW 1980, 2269; ebenso: OVG Münster, DÖV 1976, 608; Eyermann/Fröhler, VwGO, 8. Aufl., § 56 Rdnr. 4; Kopp, VwGO, 5. Aufl., § 56 Rdnr. 9; Redeker/von Oertzen, VwGO, 7. Aufl., § 57 Rdnr. 6; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 8. Aufl., S. 104).

Das Vorbringen des Klägers, der Regelung des § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO sei eine Befugnis, nur an einen von mehreren Prozeßbevollmächtigten eines Beteiligten zuzustellen, nicht zu entnehmen, läßt unberücksichtigt, daß gemäß § 173 VwGO die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung u.a. durch entsprechende Anwendung der Zivilprozeßordnung ergänzt werden, soweit die grundsätzlichen Unterschiede beider Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Das Vorbringen des Klägers bietet daher keinen Anlaß, von der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abzuweichen. Auch in anderen Zusammenhängen des Prozeßvertretungsrechts ist die entsprechende Anwendung der Zivilprozeßordnung anerkannt (vgl. z.B. Urteil vom 13. Dezember 1979 - BVerwG 7 C 24.79 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 112; Beschluß vom 16. August 1983 - BVerwG 1 CB 162.80 -; ferner Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 67 Rdnr. 5).

Durch die demgemäß nach Ablauf der Beschwerdefrist bewirkte Zustellung an Rechtsanwalt St ist nicht, wie der Kläger außerdem geltend macht, eine neue Beschwerdefrist in Lauf gesetzt worden. Das folgt ohne weiteres aus den vorstehenden Erwägungen. Das Gesetz sieht nirgends eine Befugnis des Gerichts vor, durch erneute Zustellung einer Entscheidung die durch eine vorhergehende Zustellung bereits wirksam in Lauf gesetzte Rechtsmittelfrist zu verlängern oder gar, was hier in Betracht käme, eine abgelaufene Rechtsmittelfrist abermals in Lauf zu setzen und auf diesem Wege die Rechtskraft seiner Entscheidung zu beseitigen (vgl. für die Klagefrist Urteil vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - DVBl. 1979, 821). Bei mehrfacher Zustellung ist, wie erwähnt, für die Fristberechnung die erste wirksame Zustellung maßgebend. Die an Rechtsanwalt St vorgenommene Zustellung stellte daher lediglich eine zusätzliche, rechtlich bedeutungslose Maßnahme dar, durch die Rechtsanwalt St über die Entscheidung informiert wurde und die auch durch formlose Übersendung eines Abdrucks hätte erfolgen können.

Daß die Rechtsmittelfrist mit der ersten wirksamen Zustellung an einen von mehreren Prozeßbevollmächtigten eines Beteiligten beginnt, verletzt entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht Grundrechte der anderen Prozeßbevollmächtigten. Das gilt für die vom Kläger angeführte Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG schon deswegen, weil diese durch die verfassungsmäßige Ordnung und damit auch durch das Prozeßvertretungsrecht begrenzt ist.

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist (§ 60 VwGO) ist nicht gestellt worden. Wiedereinsetzungsgründe sind auch nicht ersichtlich, so daß die Gewährung von Wiedereinsetzung ohne Antrag (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO) ausscheidet.

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