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L 4 R 684/11

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Festsetzung eines höheren Wertes ihres Rechts auf Altersrente. Sie wendet sich gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten für die Zeit vom 1.5.1979 bis 31.7.1979 nach der Anlage 2b zum SGB VI, deren Höchstwerte wegen des Vorliegens von sonstigen Beitragszeiten neben den Kindererziehungszeiten überschritten wurden.

Die 1950 geborene Klägerin ist Mutter eines am 30.4.1979 geborenen Sohnes.

Mit Bescheid vom 20.1.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin beginnend ab 1.4.2010 eine Altersrente für Frauen. In dem Versicherungsverlauf sind für den Zeitraum 1.5.1979 bis 31.7.1979 drei Monate Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung und daneben mit „SVA“ (7.750,66 DM) und „FZR“ (155,19 DM) gekennzeichnete Pflichtbeitragszeiten vermerkt.

In der Entgeltpunktberechnung entfielen für den Zeitraum 1.5.1979 bis 30.6.1979 auf die Pflichtbeitragszeit „SVA“ 0,1976 und auf die Pflichtbeitragszeit „FZR“ 0,0040 Entgeltpunkte. Die Entgeltpunkte für die Kindererziehungszeit, die nach § 70 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für jeden Kalendermonat 0,0833 betragen, wurden für die zwei Monate auf 0,0874 (statt 0,1666) Entgeltpunkte begrenzt. Damit ergaben sich Gesamtentgeltpunkte in Höhe von 0,2890, die der auf zwei Monate berechneten Höchstgrenze der Anlage 2b zum SGB VI entsprechen.

Diesem Vorgehen entsprechend wurden für den Monat Juli 1979 für die Pflichtbeitragszeit „SVA“ 0,0823 Entgeltpunkte, für die Pflichtbeitragszeit „FZR“ 0,0016 Entgeltpunkte und für die Kindererziehungszeiten begrenzt 0,0606 (statt 0,0833) Entgeltpunkte errechnet. Alle anderen Monate der Kindererziehung wurden mit 0,0833 Entgeltpunkten bewertet.

Am 10.2.2010 ging der Widerspruch der Klägerin ein. Die Begrenzung der Entgeltpunkte auf die Höchstwerte der Anlage 2b des SGB VI verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Sozialgericht Neubrandenburg habe mit Beschluss vom 11.9.2008 (S 4 RA 152/03) ein diese Frage betreffendes Verfahren aus gesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weshalb das Ruhen des Verfahrens beantragt werde.

Obwohl das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25.11.2009 (1 BvL 9/08) die Vorlage als unzulässig zurückgewiesen hatte, hielt die Klägerin jedoch an ihrem Widerspruch fest. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 zurück. Der jeweilige Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI entspräche dem Höchstwert an Entgeltpunkten, der sich aus einer Versicherung eines Bruttojahresarbeitsentgelts in Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze ergäbe. Die Begrenzung der Entgeltpunkte sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R) und des Bundesverfassungsgerichts (Nichtannahmebeschlüsse vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 und 1 BvR 2477/06) verfassungsgemäß.

Am 27.5.2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben, in der sie an ihrer Auffassung zur Verfassungswidrigkeit des § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI festgehalten hat. Dies gelte insbesondere unter Beachtung der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94) entwickelten Grundsätze für die Berücksichtigung von Leistungen der Kindererziehung in der Sozialversicherung. Nach dieser Entscheidung dürften Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuten und damit neben dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisteten, nicht mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden, wie Mitglieder ohne Kinder. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seine Erwägungen nicht nur für die gesetzliche Pflegeversicherung, sondern auch für andere Zweige der Sozialversicherung Geltung beanspruchten. Mit beachtlichen Argumenten sei für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung darauf hingewiesen worden, dass eine Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung auf der Beitragsseite nicht erforderlich sei, da die Würdigung der Kindererziehung auf der Leistungsseite zielgenauer und gerechter erfolge. Die Kindererziehungsleistung wirke sich aber auf der Leistungsseite der Klägerin gerade nicht voll aus.

Die Beklagte erwiderte, dass das Bundesverfassungsgericht bereits am 29.8.2007 entschieden habe, dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht vorliege. Es überschreite nicht den Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers, wenn dieser das seit jeher geltende Strukturelement der Beitragsbemessungsgrenze auch beim Zusammentreffen von Kindererziehungszeiten mit Beschäftigung übernehme. Das von der Klägerin zitierte Urteil befasse sich mit der hier vorliegenden Problematik nicht.

Mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1.9.2011 wurde die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

„Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihre Altersrente ohne Anwendung der Anlage 2b zum SGB VI beim Zusammentreffen Beitrags- und Kindererziehungszeiten neu berechnet wird.

Nach § 70 Abs. 2 SGB VI erhalten Kindererziehungszeiten für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte (Satz 1). Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten sind auch Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten mit sonstigen Beitragszeiten ermittelt werden, indem die Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten um 0,0833 erhöht werden, höchstens um die Entgeltpunkte bis zum Erreichen der jeweiligen Höchstwerte nach Anlage 2b (Satz 2).

Nach diesen gesetzlichen Grundlagen ist die Beklagte im Ergebnis in den angegriffenen Bescheiden verfahren. Sie ist bei der Ermittlung der Entgeltpunkte zunächst von den auf Entgelten beruhenden Pflichtbeiträgen ausgegangen und hat dann die Beitragszeiten wegen Kindererziehung nur bis zur den Höchstwerten der Anlage 2b zum SGB VI hinzugerechnet.

Die angegriffen Regelung ist nicht verfassungswidrig. Die Begrenzung der Entgeltpunkte auf die Beitragsbemessungsgrenze (§§ 157, 159, 260 SGB VI) verlangt auch in Fällen wie dem vorliegenden nicht von Verfassung wegen nach einer Ausnahmeregelung.

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin verletzt § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nicht Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 GG. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates. Aus der in Art. 6 Abs. 1 GG getroffenen Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich lediglich eine allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich, nicht aber eine konkrete Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist; vielmehr besteht insoweit grundsätzlich eine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfGE 87, 1, 35 f, 40 = SozR 3-5761 Allg. Nr. 1). Auch der 12. Senat des BSG hat unter eingehender Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG daraufhingewiesen (Urteil vom 5. Juli 2006 - B 12 KR 20/04 R, RdNr. 49). dass Art. 6 Abs. 1 GG den Gesetzgeber weder verpflichtet, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten, noch ihn dazu zwingt, Familien - ohne Ausgleich mit anderen Gemeinwohlbelangen sowie ohne Beachtung der Funktionsfähigkeit und des Gleichgewichts des Ganzen - zu fördern.

Art. 6 Abs. 4 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus. Aus dieser Norm können für Sachverhalte, die - wie hier - nicht allein Mütter betreffen, keine besonderen Rechte hergeleitet werden (BVerfGE 87, 1, 41; 94, 241, 259).

Die angegriffenen Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, auch unter Berücksichtigung des Art. 6 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Personengruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne sachlichen Grund anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 110, 412, 431 m.w.N.). Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln, ist der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familie schuldet (vgl. BVerfGE 103, 242, 258).

Gleichwohl sind die genannten Grundrechte nicht verletzt durch die unterschiedliche Wirkung der Beitragsbemessungsgrenze einerseits bei der Fallgruppe der Klägerin, andererseits bei solchen Personen, die die Beitragsbemessungsgrenze durch Arbeitsentgelt oder aber zu hohe freiwillige Beiträge überschreiten.

Der Gesetzgeber ist von Verfassung wegen nicht verpflichtet, Kindererziehungszeiten rentenversicherungsrechtlich so zu behandeln, dass sich für den begünstigten Personenkreis auch jeweils eine effektive Rentenerhöhung entsprechend 0,0833 Entgeltpunkte pro Beitragsmonat ergibt. Vielmehr konnte er sich damit begnügen, die Betroffenen in dem Maße zu begünstigen, wie sie nicht bereits zuvor aus eigenen Kräften (sei es mit freiwilligen Beiträgen oder mit Pflichtbeiträgen aufgrund Beschäftigung) die Beitragsbemessungsgrenze ausgeschöpft hatten (zum Ganzen vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R). Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.2001 (Az. 1 BvR 1629/94) zur Bemessung der Beitragslast von Eltern in der gesetzlichen Pflegeversicherung ist daher nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar.“

Gegen den am 7.9.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4.10.2011 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

  • den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1.9.2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 20.1.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.4.2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Rentenberechnung Entgeltpunkte wegen Kindererziehung ohne Begrenzung auf die Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest und beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 19.6.2012 und 21.6.2012 mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, § 124 Abs. 2 SGG

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines höheren Wertes ihrer Altersrente unter Berücksichtigung einer höheren Zahl an Entgeltpunkten für die Zeit vom 1.5.1979 bis 31.7.1979. Die Beklagte hat zu Recht die Zahl der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben sonstigen Beitragszeiten auf die Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI begrenzt, so dass sich der Bescheid vom 20.1.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 28.4.2010 als rechtmäßig erweisen.

Nach § 70 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erhalten Kindererziehungszeiten für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte (Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten). Dabei sind nach Satz 2 dieser Vorschrift Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten auch Entgeltpunkte, die für Kindererziehungszeiten mit sonstigen Beitragszeiten ermittelt werden, indem die Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten um 0,0833 erhöht werden, höchstens um die Entgeltpunkte bis zum Erreichen der jeweiligen Höchstwerte nach Anlage 2b.

Die sich aus § 70 Abs. 2 SGB VI ergebende Bewertung von Kindererziehungszeiten hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise dem Gesetz entsprechend und ohne Rechenfehler umgesetzt. Dabei hat die Beklagte, wie § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI vorgibt, in den hier streitgegenständlichen drei Monaten der Kindererziehung der Klägerin vom 1.5.1979 bis 31.7.1979 eine Begrenzung der Entgeltpunkte auf den auf monatliche Beträge heruntergerechneten Höchstwert (zur monatlichen Betrachtung: BSG, Urteil vom 17.12.2002, SozR 3-2600 § 70 Nr. 6; BSG, Urteil vom 12.12.2006, SozR 4-2600 § 70 Nr. 2) der Entgeltpunkte nach der Anlage 2b zum SGB VI vorgenommen, weil sich durch die Zusammenrechnung der Entgeltpunkte aus sonstigen Beitragszeiten mit denen aus Kindererziehungszeiten eine Überschreitung der Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI ergab. In allen anderen Monaten der Kindererziehung wurden mangels sonstiger Beitragszeiten die vollen Entgeltpunkte in Höhe von 0,0833 berücksichtigt. Die gesetzeskonforme Ermittlung der Entgeltpunkte steht zwischen den Parteien auch nicht in Streit.

In Streit steht vielmehr, ob die Begrenzung der Entgeltpunkte auf die Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungskonform ist und damit der Ermittlung der Entgeltpunkte - wie von der Beklagten geschehen - zugrunde gelegt werden kann. Der Senat bejaht diese Frage. § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI i.V.m. der Anlage 2b zum SGB VI ist nicht verfassungswidrig.

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) vom 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2998) ein neues System zur Bewertung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung geschaffen. Dies war der Tatsache geschuldet, dass die vorherigen Regelungen zur Bewertung von Kindererziehungszeiten vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 12.3.1996, SozR 3-2200 § 1255a Nr. 5) für mit Art. 3 GG unvereinbar gehalten worden waren. Diese Regelungen wiesen Kindererziehungszeiten einen Wert von 75% des Durchschnittseinkommens zu und sahen bei gleichzeitigen sonstigen Beitragszeiten eine Aufstockung nur bis zu diesem Wert vor, was in der Konsequenz dazu führte, dass bei jeglichen sonstigen Beitragszeiten (aus Beschäftigung oder freiwilliger Versicherung) keine volle Anrechnung des Wertes der Kindererziehungszeit und bei sonstigen Beitragszeiten, die bereits dem Wert der Kindererziehungszeit entsprachen, überhaupt keine Berücksichtigung erfolgen konnte. Hierin sah das Bundesverfassungsgericht eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu Versicherten, die keine sonstigen Beitragszeiten aufwiesen und daher in den Genuss des vollen Wertes der Kindererziehungszeiten gelangten. Dabei stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass es zwar nicht geboten sei, Kindererziehungszeiten und Zeiten einer Beitragszahlung gleich zu behandeln, jedoch habe der Gesetzgeber nicht hinreichend berücksichtigt, dass der in der Kindererziehung liegende Wert für die Allgemeinheit und für die Rentenversicherung nicht dadurch geschmälert oder gar aufgehoben wird, dass der Erziehungsberechtigte während der Zeit der ersten Lebensphase des Kindes einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist bzw. freiwillige Beiträge entrichtet hat. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stünden, innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung die Nachteile auszugleichen, die sich daraus ergeben, dass Kindererziehung beim erziehenden Elternteil typischerweise Sicherungslücken in der Rentenbiografie hinterlässt.

Mit dem Rentenreformgesetz 1999 hat der Gesetzgeber dem Gesetzgebungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts Folge geleistet und mit den hier strittigen Vorschriften die Kindererziehungszeiten dergestalt neu bewertet, dass deren Wert an Entgeltpunkten (0,0833 x 12 = 0,9996, gerundet 1 EP) der Beitragsleistung eines Durchschnittsverdieners in der gesetzlichen Rentenversicherung (= 1EP) entspricht. Daneben hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten und Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten zunächst ungekürzt zusammengerechnet werden. Lediglich den so ermittelten Gesamtbetrag an Entgeltpunkten hat er auf die Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI begrenzt, wobei diese Höchstwerte sicherstellen sollen, dass auch nach der Hinzurechnung von Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten die Summe der Entgeltpunkte insgesamt auf die Zahl begrenzt wird, die bei einer Beitragszahlung bis zur Beitragsbemessungsgrenze höchstens erreichbar ist (BT-Drs. 13/8011, S. 67).

Mit der Verfassungsmäßigkeit dieses neuen Systems zur Bewertung von Kindererziehungszeiten hat sich der 4. Senat des Bundessozialgerichts in seinen Urteilen vom 17.12.2002 (a.a.O.), vom 30.1.2003 (B 4 RA 47/02, juris) und 18.5.2006 (SozR 4-2600 §70 Nr. 1) dezidiert auseinandergesetzt und die hier strittigen Normen als verfassungsgemäß beurteilt. Dieser Bewertung hat sich der 13. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 12.12.2006 (a.a.O.) mit nahezu identischer Begründung angeschlossen. Sämtliche gegen diese Urteile eingelegten Verfassungsbeschwerden wurden mit Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 29.8.2007 (1 BvR 858/03, juris; 1 BvR 2477/06 und 1 BvR 781/07) nicht zur Entscheidung angenommen, weil eine Verletzung des/r jeweiligen Beschwerdeführers/in in seinem/ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung nicht ersichtlich sei. Zwar werde die Kindererziehungszeit geringer bewertet, sobald die Summe aus Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten und aus sonstigen Beitragszeiten den Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI überschreite. Jedoch sei diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt, weil die Begrenzung der Beitragspflicht von Beginn an zu den Grundprinzipien der gesetzlichen Rentenversicherung gehöre. Dadurch werde nicht nur die Beitragsbelastung für Versicherte mit hohem Einkommen begrenzt und das Gewicht des Eingriffs in die Allgemeine Handlungsfreiheit durch die Zwangsversicherung gemindert. Mit der Beschränkung des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherbaren Entgelts komme der Beitragsbemessungsgrenze noch eine weitere Funktion als „Leistungsbemessungsgrenze“ zu. Sie erhielte den Renten grundsätzlich ihre existenzsichernde Funktion und gewährleiste zugleich die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung.

Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an und verweist auf die Begründungen in den zitierten Entscheidungen. Er steht damit zugleich in Übereinstimmung mit der Bewertung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, der in seinem Urteil vom 1.11.2011 (L 5 R 792/10) bereits der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt ist. Der gegen diese Entscheidung gestellte Antrag auf Zulassung der Revision ist mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 31.8.2012 (B 12 R 57/11 B) zurückgewiesen worden. Die Klägerin hat keine Einwände vorgebracht, die Anlass zu einer anderen verfassungsrechtlichen Bewertung böten.

Soweit die Klägerin auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3.4.2001 (SozR 3-3300 § 54 Nr. 2) verweist, vermag der Senat nicht zu erkennen, inwiefern die dort aufgestellten Grundsätze die hier strittige Frage der Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten und sonstige Beitragszeiten auf die Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI beeinflussen könnten. In der zitierten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass kindererziehende Versicherte die Funktionsfähigkeit der Pflegeversicherung und - insoweit von der Klägerin zutreffend benannt - auch anderer Zweige der Sozialversicherung nicht nur durch Beitragszahlung, sondern auch durch die Betreuung und Erziehung von Kindern sichern, weshalb nicht nur der Versicherungsbeitrag, sondern auch die Kindererziehungsleistung im sozialen Leistungssystem konstitutiv sei. Ein gleicher Versicherungs(geld)beitrag bei gleicher Versicherungsleistung führe damit zu einem erkennbaren Ungleichgewicht zwischen den Gesamtbeitrag der Eltern (Kindererziehung und Geldbeitrag) und dem Geldbeitrag Kinderloser. Die hieraus folgende ungerechtfertigte Benachteiligung von Eltern müsse im Beitragsrecht ausgeglichen werden. Dagegen sei es mit dem Gleichheitssatz vereinbar, die Erziehungsleistung von Eltern auf der Leistungsseite nicht zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall steht bereits keine Beitragsleistung in Streit. Vielmehr wird durch die in § 70 Abs. 2 SGB VI normierte Bewertung der Kindererziehungszeiten die Grundlage für eine (höhere) Rentenleistung geschaffen, der eigene Geldbeiträge des Versicherten gerade nicht gegenüberstehen. Die Zuordnung von Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten soll die Erziehungsleistung der Eltern honorieren. Mit § 70 Abs. 2 SGB VI wird mithin gerade das umgesetzt, was das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 3.4.2001 fordert, nämlich auch den Erziehungsbeitrag der Eltern zu berücksichtigen, hier in Form der Gleichstellung einer Kindererziehungszeit mit einer im Durchschnittsverdienst liegenden Beitragszeit, obwohl Beiträge nicht gezahlt wurden. Für die hier strittige Frage, ob die Entgeltpunkte für die Kindererziehung und für sonstige Beitragszeiten auf die Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI begrenzt werden dürfen, gibt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3.4.2001 nichts her. Denn diese Frage bewegt sich auf der Leistungsseite, hinsichtlich derer das Bundesverfassungsgericht klar geäußert hatte, dass hier eine besondere Berücksichtigung nicht erforderlich sei. Im Übrigen geht es bei der hier strittigen Frage auch nicht um eine etwaige Ungleichbehandlung kinderloser und erziehender Versicherter. Vielmehr wird eine Ungleichbehandlung zwischen Erziehenden geltend gemacht, die sich danach unterscheiden, ob sie während der Kindererziehungszeit sonstige Beitragszeiten verwirklicht haben oder nicht. Kinderlose kommen zweifelsfrei nicht in den Genuss von Kindererziehungszeiten und unterliegen - allerdings über die Regelungen zur Beitragsbemessungsgrenze und nicht über die diese Bemessungsgrenze widerspiegelnden Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI - ebenso dem begrenzten Höchstmaß an möglicher Vorsorge als einem Grundprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung. Schließlich hat sich bereits der 13. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 12.12.2006, a.a.O., mit der in Bezug genommen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt und anhand weiterer, jüngerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Alterssicherung der Landwirte (Beschluss vom 9.12.2003 (SozR 4-5868 § 1 Nr. 2) dargestellt, dass eine eigenständige Berücksichtigung des generativen Beitrags in der Rentenversicherung verfassungsrechtlich nicht geboten sei, solange die Erziehungsleistung in der Rentenversicherung nicht völlig unberücksichtigt bleibe (z.B. im Rahmen der Erfüllung der Wartezeit).

Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 11.9.2008 (S 4 RA 152/03), der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.11.2009 (1 BvL 9/08) als unzulässig zurückgewiesen wurde, was zu einer erneuten, bislang nicht verbeschiedenen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geführt hat (Vorlagebeschluss vom 12.1.2012, S 4 RA 152/03, juris), keinen Anlass für eine von der bisherigen höchstrichterlichen Wertung abweichenden Einschätzung der Verfassungsmäßigkeit.

Das Sozialgericht Neubrandenburg ist der Auffassung, dass sowohl das Bundessozialgericht als auch das Bundesverfassungsgericht übersähen, dass den Höchstwerten der Anlage 2b zum SGB VI zwar im rechnerischen Ergebnis die gleiche Funktion wie der Beitragsbemessungsgrenze bei der Begrenzung der in einem bestimmten Zeitrahmen maximal erzielbaren Entgeltpunkte zukomme, dass jedoch bei der durch die Beitragsbemessungsgrenze bedingten Leistungsgrenze auch eine Einschränkung der Beitragslast vorliege, was bei der Höchstgrenze nach der Anlage 2b zum SGB VI nicht der Fall sei, da das neben Kindererziehungszeiten erzielte Entgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze auch weiterhin ungeschmälert der Beitragspflicht unterliege. Mangels Absenkung der Beitragslast sei auch die Leistungsbegrenzung durch die Höchstwerte der Anlage 2b nicht gerechtfertigt.

Diesem Ansatz vermag der Senat nicht beizutreten. Mit der in § 70 Abs. 2 SGB VI erfolgten Bewertung von Kindererziehungszeiten werden kindererziehende Versicherte durchschnittsverdienenden Beitragszahlern in der leistungsrechtlichen Bewertung gleichgestellt, wenngleich sie keinen Geldbeitrag, sondern eine Erziehungsleistung erbringen, die naturgemäß - und anders als ein Geldbeitrag - in ihrer „Last“ nicht beschränkt werden kann. Die Kindererziehungszeiten wurden damit in das System der gesetzlichen Rentenversicherung integriert, so dass sie auch deren Grundprinzipien teilen. Mit der Anlage 2b zum SGB VI wurde das Grundprinzip der Beitragsbemessungsgrenze auf gleichgestellte Kindererziehungszeiten übertragen. Der Senat sieht keine Rechtfertigung Kindererziehende, die wegen sonstiger Beitragszeiten die Höchstgrenze der Anlage 2b zum SGB VI überschreiten, höher versichern zu lassen, als dies im Grundsystem der Rentenversicherung über Beiträge überhaupt möglich ist. Der Senat sieht andererseits aber auch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, in Fällen, in denen die Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI überschritten werden, eine Beitragsentlastung auf die sonstigen Beitragszeiten zu gewähren. Eine solche wäre allenfalls dann erforderlich, wenn das Verfassungsrecht eine Gleichstellung von Kindererziehungszeiten mit Beitragszeiten erforderte. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in den zitierten Entscheidungen aber nicht für verfassungsrechtlich geboten erachtet.

Aus den dargestellten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

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