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L 1 R 65/09

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 05. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Versicherungspflicht der Klägerin als Hebamme im Rahmen ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin einer Limited.

Die 1979 geborene Klägerin ist gelernte Hebamme. Sie übte seit dem 01. Dezember 2001 eine selbständige Tätigkeit als Hebamme aus. Mit Bescheid vom 26. November 2002 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 01. Dezember 2001 fest.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2004, eingegangen am 30. Dezember 2004, beantragte die Klägerin die Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit. Sie führte hierzu aus, dass sie seit dem 01. November 2004 eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin beschäftige. Am 26. Januar 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten ebenfalls die Anpassung der Beitragshöhe an ihr tatsächliches Einkommen. Hierzu reichte sie den Einkommensteuerbescheid des Jahres 2002 ein.

Mit Bescheid vom 18. April 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nach § 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig sei. Sie sei auch dann versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige. Die Versicherungspflicht sei unwiderruflich. Ein Verzicht, d. h. ein freiwilliges Ausscheiden aus der Versicherungspflicht, sei nicht möglich. Die Höhe des Monatsbeitrages und der bisher fälligen Beiträge seien der Beitragsrechnung zu entnehmen, die Bestandteil dieses Bescheides sei. In der Anlage setzte die Beklagte den monatlichen Beitrag ab dem 01. Januar 2005 auf den Regelbeitrag in Höhe von 395,85 EUR fest.

Hiergegen legte die Klägerin am 13. Mai 2005 Widerspruch ein. Sie führte aus, die Rentenversicherungspflicht als Hebamme mit einer Angestellten widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Mit Bescheid vom 04. August 2005, der der Klägerin nach ihrer Angabe nicht zugegangen ist, lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vom 28. Dezember 2004 ab. Sie führte nochmals aus, dass die Klägerin seit dem 01. Dezember 2001 nach § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI rentenversicherungspflichtig sei. Die Versicherungspflicht sei unwiderruflich.

Am 14. Oktober 2005 gründete die Klägerin die "H. J. S. Limited" (im Folgenden: Limited). Gesellschafter der Limited sind die Klägerin zu 90 Prozent und V. A. zu 10 Prozent. Zur alleinigen Geschäftsführerin wurde die Klägerin bestellt.

Am 17. November 2005 beantragte die Limited die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin als geschäftsführende Gesellschafterin. Mit Bescheiden vom 22. Dezember 2005 stellte die Beklagte gegenüber der Limited und der Klägerin fest, dass Letztere die Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Limited seit dem 01. November 2005 selbständig ausübe. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit. Nach dem Vortrag der Klägerin ist nur der Bescheid an die Limited zugegangen.

Nachdem die Beklagte Beiträge von der Klägerin anmahnte, teilte diese mit Schreiben vom 10. Februar 2006 mit, dass sie aufgrund des Bescheides vom 22. Dezember 2005 nicht mehr der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliege. Der Status der Selbständigkeit sei festgestellt worden. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 teilte die Beklagte daraufhin mit, dass die Prüfung im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens ergeben habe, dass die Klägerin zwar eine selbständige Tätigkeit ausübe, aber es sei zu prüfen, ob Versicherungspflicht als selbständig Tätige gemäß § 2 SGB VI bestehe. Mit Bescheid vom 18. April 2005 sei festgestellt worden, dass die Klägerin der Versicherungspflicht als Hebamme gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI unterliege. Die Versicherungspflicht bestehe fort und es seien Beiträge zu zahlen. Die Klägerin bat daraufhin um Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides.

Mit Bescheid vom 07. April 2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 18. April 2005 ab. Die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) lägen nicht vor. Es sei zutreffend, dass mitarbeitende Gesellschafter einer englischen Limited grundsätzlich analog dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu beurteilen seien. Die Prüfung der Clearingstelle habe ergeben, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Limited seit dem 01. November 2005 selbständig ausübe. Die Bezeichnung "Gesellschafter-Geschäftsführer" gebe lediglich eine gesellschaftliche Stellung in einem Unternehmen an. Sofern es sich um eine selbständige Tätigkeit handele, könnten die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 2 SGB VI erfüllt werden. Maßgebend für die Prüfung, ob Versicherungspflicht bestehe, seien die Merkmale der Tätigkeit. Als selbständig tätige Hebamme unterliege die Klägerin kraft Gesetzes der Versicherungspflicht. Selbständig tätige Hebammen seien auch dann versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigten. Solange die Klägerin ihre Tätigkeit als Hebamme ausübe, sei vorrangig diese Tätigkeit zu beurteilen. Es bestehe somit weiterhin Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 11. Mai 2006 Widerspruch ein. Sie führte aus, mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 sei festgestellt worden, dass sie seit dem 01. November 2005 als Gesellschafter-Geschäftsführerin einer Limited selbständig tätig sei. Sie unterliege daher nicht der Versicherungspflicht. Für den Fall, dass ein Beschäftigter als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Kapitalbeteiligung von mehr als 50 Prozent am Stammkapital beteiligt sei, finde § 2 Satz 1 Nr. 1 - 8 SGB VI keine Anwendung. Es könne ausschließlich eine Prüfung nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI stattfinden. Bei der hier in Rede stehenden Limited handele es sich um eine Kapitalgesellschaft. In § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI gebe es keine Differenzierung zwischen einzelnen Gesellschaftsformen. Der Normzweck gelte nur für Einzelunternehmer und werde von einem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht erfüllt. Sie unterliege auch nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Die Gesellschaft habe nicht nur einen Auftraggeber und einen mehr als geringfügig beschäftigten Angestellten. Der Bescheid vom 18. April 2005 sei aufgrund der eingetretenen Änderung der Verhältnisse rechtswidrig. Ab dem 01. November 2005 habe sich die Gesellschaftsform geändert. Sie sei nicht mehr Einzelunternehmerin, sondern übe die Tätigkeit einer Gesellschafter-Geschäftsführerin für eine Kapitalgesellschaft aus. Insofern könne nicht auf die in einem Bescheid festgestellte Versicherungspflicht verwiesen werden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse mittlerweile geändert hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. April 2006 zurück.

Am 08. November 2006 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben. Neben der Begründung aus dem Widerspruch hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, dass ihr Vater in einem Telefongespräch mit einem Mitarbeiter der Clearingstelle der Beklagten die Auskunft erhalten habe, dass sie als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Limited nicht der Sozialversicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI unterliege. Der Name des Mitarbeiters sei leider nicht bekannt.

Mit Urteil vom 05. Dezember 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin auch als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Limited gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI als Selbständige versicherungspflichtig tätig sei. Die Klägerin sei Hebamme. Sie übe unbestritten eine Tätigkeit als Hebamme aus, auch wenn sie rein faktisch einen großen Teil ihrer Einnahmen aus Tätigkeiten beziehe, die keine klassische Hebammentätigkeit mehr darstelle, wie etwa die Betreuung von sozial benachteiligten Familien und Kindern, Krabbelgruppen, Schwangerengymnastik etc. Dies zeige jedoch lediglich auf, dass sich das Berufsbild der Hebamme im Vergleich zur Vergangenheit gewandelt habe und Hebammen jetzt ein breiteres Spektrum an Tätigkeiten abdecken könnten, die auch den Bereich der sozialen Betreuung etc. umfasse. Dies stehe jedoch der hier entscheidenden Feststellung nicht entgegen, dass die Klägerin als Hebamme selbständig tätig sei. Hierbei sei es nebensächlich, in welcher Rechtsform diese selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Anknüpfungspunkt in § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sei die selbständige Tätigkeit als Hebamme. Dies führe zur Versicherungspflicht, ohne dass die Position der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung spiele.

Gegen das am 16. Februar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05. März 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie habe im Vertrauen auf den Bescheid vom 22. Dezember 2005 Vermögensdispositionen getroffen, die nur unter erheblichen finanziellen Verlusten rückgängig zu machen wären. Das SG verkenne, dass sie nicht nur als Hebamme tätig sei. Die Ausübung der klassischen Hebammentätigkeit stelle nur noch einen verschwindend geringen Anteil an ihrer Gesamttätigkeit dar. Im Rahmen der Analogie seien die für Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft geltenden Grundsätze auf sie als Gesellschafter-Geschäftsführerin einer Limited anzuwenden. Die bereits in der Reichsversicherungsordnung verankerte Sozialversicherungspflicht für Hebammen sei überholt. Als die Sozialversicherungspflicht für Hebammen gesetzlich verankert worden sei, habe es den Beruf der Familienhebamme noch gar nicht gegeben. Es liege mittlerweile ein völlig neues Berufsbild vor. Sie sei aufgrund ihrer Geschäftsführertätigkeit und der damit verbundenen fehlenden Weisungsgebundenheit, der freien Zeiteinteilung und der fehlenden festen Vorgaben zum Ort der Ausführung der Tätigkeiten sozialversicherungsfrei. Das Berufsbild der Familienhebamme sei mit dem eines Handwerkers vergleichbar. Grundsätzlich seien Handwerker gemäß § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI als Selbständige pflichtversichert. Führten die Handwerker ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aus, seien sie bei entsprechender Kapitalbeteiligung sozialversicherungsfrei. Sie führe ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin einer Limited aus. Sie müsste auch sozialversicherungsfrei sein.

Die Klägerin beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 05. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 18. April 2005 hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht für die Zeit ab 01. November 2005 aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihrer selbständigen Tätigkeit in der Firma J. S. Limited nicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 05. Dezember 2008 zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI stelle eine Ausnahmevorschrift dar. Daher seien ein Lehrer oder eine Hebamme weiterhin versicherungspflichtig nach den Tatbeständen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ff. SGB VI, wenn diese ihre Seminare bzw. ihre Geburtshilfe als GmbH-Gesellschafter vollzögen. Ansonsten könnten sämtliche Versicherungstatbestände für Selbständige umgangen werden, ein offenkundig sachwidriges Ergebnis, zumal die Versicherungspflicht für Lehrer auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für grundgesetzkonform erklärt worden sei.

In der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2012 verpflichtete sich die Beklagte nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens je nach Prozessausgang die Frage der Beitragshöhe aufgrund des Antrages vom 26. Januar 2005 im Hinblick auf eine einkommensgerechte Beitragszahlung zu prüfen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. Oktober 2006 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin unterliegt über den 31. Oktober 2005 hinaus nach § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

I. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Aufhebung der Versicherungspflicht der Klägerin als Hebamme im Rahmen ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin einer Limited ab dem 01. November 2005. Die im Bescheid vom 18. April 2005 festgestellte Beitragshöhe ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beklagte hat über den Widerspruch vom 13. Mai 2005 bisher nicht entschieden. Im Übrigen hat sie sich in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, nach Abschluss dieses Verfahrens aufgrund des Antrages der Klägerin vom 26. Januar 2005 eine einkommensgerechte Beitragszahlung zu prüfen.

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 48 Abs. 1 SGB X auf Aufhebung des Bescheides vom 18. April 2005 hinsichtlich der Versicherungspflicht für die Zeit ab dem 01. November 2005. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn der ursprüngliche Bescheid nach den neu vorliegenden Verhältnissen nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (Engelmann, in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 48 Rdnr. 6 ff.). Zu vergleichen sind damit die bei der ursprünglichen Entscheidung bestehenden Verhältnisse mit denjenigen zum Zeitpunkt der Neufeststellung.

Der maßgebliche Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist hier der Bescheid vom 18. April 2005, der die Versicherungspflicht der Klägerin als Hebamme feststellt. Demgegenüber hat der Bescheid vom 04. August 2005 keinen eigenen Regelungscharakter und stellt nur eine Wiederholung des Verfügungssatzes dar (siehe dazu Engelmann, a.a.O., § 31 Rdnr. 32). Bei dem Bescheid vom 18. April 2005 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, da mit ihm auch die Versicherungspflicht für die Zukunft fortgeschrieben wird. In den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Bescheides vorgelegen haben, ist jedoch mit Wirkung vom 01. November 2005 keine wesentliche Änderung eingetreten, da die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht aufgrund der Gründung der Limited nicht entfallen sind. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit als Hebamme auch nicht aufgegeben.

Die Versicherungspflicht der Klägerin folgt aus § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Danach sind die als Hebammen beziehungsweise Entbindungspfleger im Sinne des Hebammengesetzes vom 04. Juni 1985 (HebG; BGBl I S. 902) selbstständig Tätigen, also mit einer entsprechenden staatlichen Erlaubnis zur Führung dieser Berufsbezeichnung in der Entbindungshilfe, versicherungspflichtig (Gürtner, in Kasseler-Kommentar, § 2 SGB VI, Rdnr. 16, zitiert nach beckonline).

1. Die Klägerin ist selbständig tätig. Die Beklagte hat zutreffend mit den Bescheiden vom 22. Dezember 2005 festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin als geschäftsführende Gesellschafterin eine selbstständige Tätigkeit darstellt. Eine selbstständige Tätigkeit ist vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale nach dem Gesamtbild überwiegen (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 -, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

2. Die Klägerin ist ebenfalls als Hebamme tätig. Der Personenkreis des § 2 SGB VI ist durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe gekennzeichnet. Die von Gesetzes wegen eintretende Versicherungspflicht knüpft dabei an die tatsächliche Ausübung an (Gürtner, a.a.O., Rdnr. 7). Gegenstand der Tätigkeit einer Hebamme ist die Geburtshilfe (Überwachung des Geburtsvorgangs, Hilfe bei der Geburt und Überwachung des Wochenbettverlaufs), Fürsorge und Beratung von Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbetts, die Leitung normaler Geburten sowie die Versorgung von Neugeborenen (§§ 5, 4 Abs. 2 HebG). Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin umfasst ihr Betätigungsfeld laut Organigramm die Tätigkeit als Beleghebamme im A.-Krankenhaus W., die freie Mitarbeit in der Hebammenpraxis "E." in W., die freie Mitarbeit im Landeshebammenverband Sachsen-Anhalt als Familienhebamme sowie Akupunkturbehandlungen. Die Arbeiten als Beleghebamme im A.-Krankenhaus W. und als freie Mitarbeiterin in der Hebammenpraxis "E." entsprechen der klassischen Hebammentätigkeit. Die freie Mitarbeit im Landeshebammenverband als Familienhebamme, die nach eigener Angabe der Klägerin 70 Prozent ihrer Vergütung ausmacht, stellt ebenfalls eine Hebammentätigkeit dar, wie sie dem heutigen Verständnis des Hebammenberufes entspricht. Bei der Familienhebamme handelt es sich um eine Spezialisierung für Hebammen, die Schwangere sowie Mütter mit Kindern bis zum vollendeten ersten Lebensjahr, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, betreuen (siehe dazu Beschreibung des Hebammenberufes bei der Bundesagentur für Arbeit unter http://berufenet.arbeitsagentur.de). Voraussetzung für diese Qualifizierung / Weiterbildung, die seit dem Jahr 2006 durch das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Landeshebammenverband durchgeführt wird, ist die staatliche Anerkennung als Hebamme. Mitglied des Landeshebammenverbandes kann ebenfalls nur sein, wer Hebamme ist, im Bereich des Landes Sachsen-Anhalt seinen Wohnsitz hat und den Beruf der Hebamme ausübt (http://hvsa.seyfert-medien.de/verein). Dass es sich hierbei um eine Weiterbildung im Rahmen der Hebammentätigkeit handelt, ergibt sich ebenfalls aus § 4 des Gesetzes zum Schutz des Kindeswohles und zur Förderung der Kindergesundheit des Landes Sachsen-Anhalt vom 09. Dezember 2009 (GVBl. LSA 2009, 644). Danach unterstützt das Land Sachsen-Anhalt Fortbildungen für Hebammen, die im Bereich der Familienhilfe tätig werden. Die von der Klägerin angeführten Akupunkturbehandlungen sind ebenfalls Aufgaben, die Hebammen gemäß § 2 Abs. 1 der Hebammen-Berufsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. März 2003 (GVBl. LSA 2003, 82) verrichten dürfen. Die Klägerin ist somit als Hebamme tätig.

3. Auf die Gesellschaftsform, in welcher die Tätigkeit als Hebamme ausgeübt wird, kommt es bei keiner der Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI an. Ebenfalls können aus § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI keine Rückschlüsse gezogen werden, wonach die Versicherungspflicht auf geschäftsführende Gesellschafter von Kapitalgesellschaften nicht anzuwenden ist. Lediglich in § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI sind die Selbständigen, die ihr Gewerbe in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betreiben, aufgrund des Verweises auf die Handwerksordnung von der Versicherungspflicht ausgenommen. Der Ausschluss dieser Gewerbebetreibenden beruht auf der handwerksversicherungsrechtlichen Besonderheit der Verbindung von Eintragung in die Handwerksrolle und Versicherungspflicht. Handwerker sind nach § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI rentenversicherungspflichtig, wenn sie in der Handwerksrolle eingetragen sind und eine selbständige Tätigkeit ausüben. Die Eintragung in die Handwerksrolle hat für das Entstehen und Erlöschen der Versicherungspflicht nach Nr. 8 konstitutive Wirkung. Bei einer eingetragenen Personengesellschaft ist versicherungspflichtig, wer als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt. Dies ist grundsätzlich der Gesellschafter, der die Meisterprüfung oder eine vergleichbare Prüfung in dem zu betreibenden oder einem diesem verwandten Handwerk bestanden hat. Bei der Eintragung der Personengesellschaft hat die Handwerkskammer die jeweiligen Eintragungsvoraussetzungen für jeden Gesellschafter geprüft. Bei der Kapitalgesellschaft ist in der Handwerksrolle nur der Betriebsleiter erfasst. Das Vorliegen der handwerksrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen für die Gesellschafter hätte demnach der Versicherungsträger zu prüfen. Ein solches Ergebnis widerspricht nicht nur der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Handwerkskammer und Versicherungsträger. Den Versicherungsträgern fehlen auch die Rechtsgrundlagen, die erforderlichen Daten zu erheben, und die für die handwerksrechtliche Beurteilung notwendigen Kenntnisse. Eine solche Eintragung in die Handwerksrolle ist bei der Tätigkeit als Hebamme gerade nicht erforderlich. Die Hebamme kann als solche tätig werden, wenn ihr die staatliche Anerkennung verliehen wurde.

4. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern steht der Versicherungspflicht als Hebamme ebenfalls nicht entgegen. Anders als bei Lehrern und Erziehern (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), Pflegepersonen (§ 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), Küstenfischern (§ 2 Satz 1 Nr. 7 SGB VI) und arbeitnehmerähnlichen Selbständigen (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI) ist eine derartige Einschränkung bei Hebammen und Entbindungspflegern nicht gegeben (siehe dazu auch: Gürtner in Kasseler Kommentar, § 2 SGB VI Rdnr. 16; Klattenhoff in Hauck/Haines, SGB VI, K § 2, Rdnr. 13).

5. Eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X, dass Versicherungspflicht nicht besteht, liegt nicht vor. Das von der Klägerin behauptete Telefonat mit der Clearingstelle erfüllt nicht das Formerfordernis für eine Zusicherung. Selbst darauf, ob der Einzelne bereits anderweitige Vorsorge getroffen hat, z. B. durch eine private Lebensversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 01. März 1978 - 12 RK 52/76 -, SozR 2400 § 2 Nr. 8 S. 12), durch freiwillige Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1997 - 12 RK 34/96 -, BSGE 80, 215, 222), oder ob er sonst wegen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse des sozialen Schutzes nicht bedarf, kommt es bei der gebotenen generalisierenden und typisierenden Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 12 RK 31/96 -, SozR 3-2600 § 2 Nr. 2 S. 10 zur Versicherungspflicht von Physiotherapeuten).

6. Die Einbeziehung der Hebammen in die Versicherungspflicht ist auch nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat traditionell bestimmte Berufsgruppen selbständig Tätiger in die Rentenversicherungspflicht einbezogen, die er im Rahmen des ihm zukommenden weiten Ermessensspielraumes bei der Gesetzgebung im Sozialrecht und der dabei zulässigen Typisierung generell als schutzbedürftig ansieht; auf die konkrete soziale Schutzbedürftigkeit kommt es nicht an (BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 12 RK 31/96 -, a.a.O.). Hierin liegt insbesondere kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

Die Anordnung der Versicherungspflicht für bestimmte Berufsgruppen selbständig Tätiger erfolgte generell, weil diese ein mit Arbeitnehmern vergleichbares soziales Schutzbedürfnis haben. Bei einer typisierenden Betrachtung sind sie ebenso wie Arbeitnehmer zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes maßgeblich auf die Verwertung ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen und deshalb besonders betroffen, wenn ihnen beispielsweise altersbedingt die eigene Arbeitskraft nicht mehr wirtschaftlich nutzbar zur Verfügung steht (zur Versicherungspflicht selbständiger Lehrer - mit Bezugnahme auf die Versicherungspflicht selbständiger Hebammen: BSG, Urteil vom 12. Oktober 2000 - B 12 RA 2/99 R -, SozR 3-2600 § 2 Nr. 5). Das Gesetz geht bei der Anordnung der Versicherungspflicht für selbständige Hebammen und Entbindungspfleger in diesem Sinne davon aus, dass bei diesen ebenso wie bei anderen rentenversicherungspflichtigen Selbständigen ein den Arbeitnehmern vergleichbares Schutzbedürfnis besteht, weil ihr Lebensunterhalt primär auf der Verwertung der eigenen Arbeitskraft basiert. Letzteres folgt aus § 4 Abs. 1 Satz 1 des HebG, wonach die Hebamme ihre Leistungen persönlich erbringen muss, was ihrem Einkommensrahmen überschaubare Grenzen setzt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Oktober 2000 - L 4 RA 33/00; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08. Februar 2007 - L 17 RA 111/04 - juris). Die Annahme besonderer Schutzbedürftigkeit von Hebammen ist bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung überdies deswegen gerechtfertigt, weil Hebammen in aller Regel allein arbeiten, während - im Gegensatz zu den Handwerksunternehmen - die Hebamme mit Hebammenunternehmen, in Form eines Geburtshauses, ausgesprochen selten ist. Dieses Schutzbedürfnis entfällt bei der Tätigkeit als Familienhebamme ebenfalls nicht. Auch diese kann ihre Leistungen nur persönlich erbringen.

Der Senat schließt sich der Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 13. November 2008 (L 21 R 529/06, juris) an, dass auch im Übrigen kein Verfassungsverstoß zu erkennen ist. Die Klägerin wird durch die Versicherungspflicht insbesondere nicht in ihrem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Zwar ist der Schutzbereich dieser Norm berührt, wenn der Gesetzgeber durch Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft und in deren Folge von Beitragspflichten zur Sozialversicherung die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unerheblich einengt. Eine Verletzung des Grundrechts tritt aber schon aufgrund der in Art. 2 Abs. 1, zweiter Halbsatz GG genannten Schranken der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht ein, wenn die Eingriffsnorm formell und materiell verfassungsgemäß ist, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und die rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes beachtet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2000 - B 12 RA 2/99 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG - juris). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang zudem, dass der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung eine weite Gestaltungsfreiheit besitzt. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind hinzunehmen, soweit seine Erwägungen weder offensichtlich falsch noch mit der Werteordnung des GG unvereinbar sind. Gemessen an diesen Vorgaben ist die Versicherungspflicht für Hebammen nicht zu beanstanden. Die Versicherungspflicht, die den Erwerb von Rechten, Anwartschaften und Ansprüchen gegen die Solidargemeinschaft zur Folge hat, ist ein geeignetes und auch verhältnismäßiges Mittel, die selbstverständliche Vorsorge für Alter, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit in einer bestimmten Art und Weise sicherzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2007 - 1 BvR 2204/00; 1 BvR 1355/03 - juris, m.w.N.; BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 12 RK 31/96 -, SozR 3-2600 § 2 Nr. 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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