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L 6 RA 154/03

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger für die Zeit vom 01.02.1999 bis 31.10.2002.

Der ... geborene Kläger war als Beamter auf Lebenszeit seit Mai 1998 wegen eines Disziplinarvergehens vom Dienst suspendiert und seit April 2001 ohne Dienstbezüge beurlaubt gewesen. Aufgrund eines Vertrages vom 12.2.1999 ist der Kläger seit dem 01.02.1999 als selbständiger Versicherungsvertreter für die … AG tätig. Eine entsprechende Genehmigung des Dienstherrn lag vor. Seit dem 01.01.2002 beschäftigt der Kläger einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Nach Abschluss des Disziplinarverfahrens ist der Kläger bei der Beklagten nachversichert worden.

Mit bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 03.04.2001 beantragte der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht als Versicherungsvertreter. Mit Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2002 befreite die Beklagte den Kläger für die Zeit vom 03.04.2001 bis 01.02.2002 von der Rentenversicherungspflicht und stellte gleichzeitig für die Zeit vom 01.02.1999 bis 02.04.2001 Versicherungspflicht als Selbständiger fest. Die beantragte Befreiung sei auf längstens drei Jahre seit Aufnahme der Tätigkeit zu befristen. Die Befreiung beginne erst mit dem Tag der Antragstellung.

Hiergegen hat der Kläger am 18.11.2002 Klage vor dem SG erhoben. Mit Urteil vom 01.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei mit Aufnahme der Tätigkeit als Versicherungsvertreter der … AG versicherungspflichtig nach § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI geworden. Die gesetzliche Regelung sei verfassungsgemäß. Ein Verstoß gegen Art 12 Grundgesetz (GG) liege nicht vor, weil dem Gesetzgeber bei der Berufsausübungsfreiheit im Sozialrecht ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Zu Recht habe die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht auch erst ab Antragstellung und nicht rückwirkend zum Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung ausgesprochen, weil der Antrag später als drei Monate nach Beginn der Tätigkeit gestellt worden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt vor Antragstellung Kenntnis von der Tätigkeit des Klägers erlangt.

Gegen das ihm am 13.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.11.2003 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, er sei für mehr als einen Auftraggeber tätig gewesen, denn er habe auch im Auftrag der Firma … gehandelt. Zudem sei er bereits deshalb kein arbeitnehmerähnlicher Selbständiger, weil er im streitigen Zeitraum noch Beamter mit Ansprüchen auf Versorgung gewesen sei. Insoweit stelle das Land R. einen weiteren Auftraggeber im Sinne der genannten Vorschrift dar. Im Übrigen sei § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI verfassungswidrig, weil die Einbeziehung arbeitnehmerähnlicher Selbständiger gegen Art. 12 Abs. 1 GG und. Art 2 GG verstoße. Auch sei die Befreiung von der Versicherungspflicht rechtswidrig nicht bereits zum 1.2.1999 erfolgt. Es liege ein Beratungsfehler des Landes ... vor, den sich die Beklagte zurechnen lassen müsse.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts vom 1.10.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 24.7.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.10.2002 aufzuheben und festzustellen, dass Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI in der Zeit vom 1.2.1999 bis 31.10.2002 nicht vorliegt,

hilfsweise,

  • das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 Grundgesetz die Frage zur Klärung vorzulegen, ob § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI verfassungsgemäß ist,

weiter hilfsweise,

  • den Bescheid der Beklagten vom 24.7.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.10.2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für die Zeit vom 1.2.1999 bis 1.2.2002 von der Versicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch seien nicht gegeben, weil ein Fehlverhalten der Beklagten nicht vorliege.

Der Senat hat die Provisionsabrechnungen des Klägers für die Zeit vom 1.10.1999 bis 30.11.2002 beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Entscheidungserheblich ist vorliegend die Frage, ob der Kläger für die Zeit vom 01.02.1999 bis 31.10.2002 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger unterliegt. Für die Zeit nach dem 31.10.2002 geht die Beklagte aufgrund der Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers von keiner Versicherungspflicht mehr aus. Sollte Versicherungspflicht bestehen, ist darüber hinaus aufgrund des Hilfsantrags des Klägers darüber zu entscheiden, für welchen Zeitraum der Kläger von einer gegebenenfalls bestehenden Versicherungspflicht aufgrund seines Antrages vom 03.04.2001 zu befreien ist.

Zunächst nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des SG und macht sich diese vollinhaltlich zu Eigen.

Darüber hinaus ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren noch Folgendes zu ergänzen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI liegen im Falle des Klägers vor. Seit dem 01.02.1999 ist der Kläger als Versicherungsvertreter gemäß § 84 HGB als Selbständiger für die … AG als ein Unternehmen der …-Versicherungsgruppe tätig. Damit ist er auf Dauer und im Wesentlichen für nur einen Auftraggeber tätig. Die Behauptung des Klägers, er habe seit Juni 2001 auch noch im Auftrag eines weiteren Unternehmens gearbeitet, ist durch die Vorlage der Provisionsabrechnungen für die Zeit vom 01.10.1999 bis 30.11.2002 widerlegt. Auch entsprechende Vermittlungsverträge konnte der Kläger nicht vorlegen. Da der Kläger bis zum 01.11.2002 auch keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt hatte, dessen Arbeitsentgelt 400,00 Euro monatlich übersteigt, besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI für die Zeit vom 01.02.1999 bis 31.10.2002.

Soweit der Kläger vorträgt, bis zu seinem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis sei er wegen seines Status als Beamter auf Lebenszeit nicht versicherungspflichtig, ist dies unzutreffend. Zwar besteht Versicherungsfreiheit für Beamte nach § 5 Abs. 1 Nr.. 1 SGB VI. Diese bezieht sich jedoch nur auf ihre Tätigkeit als Beamte. Wird daneben eine andere Beschäftigung ausgeübt, ist dessen Versicherungspflicht unabhängig von dem Beamtenstatus zu beurteilen. Soweit das Dienstverhältnis auch für die Zeit nach dem 1.2.1999 noch fortbestand, kann der Dienstherr nicht als weiterer Auftraggeber i.S.d. § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI angesehen werden. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift ist nur derjenige Auftraggeber, der einem Selbständigen Aufträge erteilt.

Die Vorschrift des § 2 S. 1 Nr.. 9 SGB VI ist auch verfassungsgemäß. Art. 12 GG, der die Berufsfreiheit schützt, wird durch die Einbeziehung selbständiger arbeitnehmerähnlicher Personen in die Rentenversicherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht verletzt. Es erscheint schon fraglich, ob durch die Auferlegung von Sozialversicherungsbeiträgen die Berufsfreiheit überhaupt tangiert wird (vgl. dazu BVerfGE 34, 62). Jedenfalls ist die Berufsausübungsregelung deshalb zulässig, weil durch die Einbeziehung der als besonders schutzwürdig erkannten arbeitnehmerähnlichen Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung vernünftige Zwecke des Gemeinwohls verfolgt werden.

Auch Art. 2 GG steht der Einbeziehung in die Versicherungspflicht nicht entgegen. Das allgemeine Freiheitsgrundrecht erfasst zwar auch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit. Allerdings wird das Grundrecht nur in den Schranken des Art. 2 Abs. 1 2. Halbsatz GG gewährt. Die Eingriffsnorm ist verfassungsgemäß, weil der Gesetzgeber zu Recht von einem besonderen Schutzbedürfnis der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen, das die Einbeziehung rechtfertigt, ausgehen durfte (vgl. dazu auch BSG SozR 3-2600 § 2 Nr.. 5).

Dem Hilfsantrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahren und Vorlage an das BVerfG war daher nicht stattzugeben.

Bestand demnach für die Zeit ab dem 01.02.1999. Rentenversicherungspflicht des Klägers nach § 2 Abs. 1 Nr.. 9 SGB VI hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid auch zu Recht aufgrund des Antrages des Klägers vom 03.04.2001 eine Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die Zeit vom 03.04.2001 bis 01.02.2002 gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI ausgesprochen. Auch insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des SG.

Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf das Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches mit der Folge, dass sein Befreiungsantrag bereits zu einem früheren Zeitpunkt als gestellt gilt, berufen.

Ein Fehlverhalten der Beklagten liegt nicht vor. Vor Eingang des Befreiungsantrages am 03.04.2001 hatte die Beklagte keinerlei Kenntnis von der Tätigkeit des Klägers und konnte diese auch nicht haben. Ihrer allgemeinen Informationspflicht ist die Beklagte durch entsprechende Mitteilungen in Zusammenhang mit den Neuregelungen zu § 2 SGB VI nachgekommen.

Soweit der Kläger nunmehr geltend macht, sein Dienstherr, das Land Rheinland-Pfalz, hätte ihn beraten müssen und dieses Fehlverhalten sei der Beklagten zurechenbar, kann er damit gleichfalls nicht durchdringen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt die Verletzung der einem Leistungsträger obliegenden Fürsorgepflicht entsprechenden Regelungen in § 14 f. SGB I voraus. Die Verletzung einer einem Leistungsträger im Sinne des SGB I obliegenden Fürsorgepflicht liegt jedoch nicht vor, wenn der Dienstherr im Beamtenverhältnis möglicherweise eine Fehlberatung vorgenommen hat. Jedenfalls wäre eine solche Pflichtverletzung des Arbeitgebers nicht der Beklagten zurechenbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen.

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