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L 2 R 239/17

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der am … geborene Kläger begehrt die Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Anrechnungszeiten.

Nachdem der Kläger im Sommersemester 2001 erfolgreich das Studium der Psychologie mit der Diplom-Prüfung abgeschlossen hatte, absolvierte er nachfolgend ein Studium in der Fachrichtung psychologische Psychotherapie im Zeitraum vom Wintersemester 2001/2002 bis zum Sommersemester 2004. Dabei handelte es sich um einen weiterbildenden Studiengang. Die bestandene Abschlussprüfung im Fach Psychologie oder ein vergleichbarer Abschluss war Eingangsvoraussetzung für dessen Aufnahme.

Dieser Studiengang zielte darauf ab, in Anlehnung an die gesetzlichen Vorgaben des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendli­chenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG) die gesetzlichen Vorausset­zungen für eine Zulassung zur Tätigkeit als Psychotherapeut zu erfüllen. Dementsprechend bestand die vorgesehene Ausbildung aus 600 Stunden theoretische Ausbildung, 1200 Stunden praktische Tätigkeit an einer anerkannten psychiatrischen klinischen Einrichtung, 600 Stunden praktische Tätigkeit an einer anerkannten Einrichtung der psychotherapeutischen oder psychosomatischen Versorgung, 600 Stunden Patientenbehandlung unter Supervision, 150 Stunden Supervision sowie aus 120 Stunden Selbsterfahrung. Ferner waren 930 Stunden „individuelle Schwerpunktsetzung“ insbesondere in Form des Literaturstudiums vorgesehen, die von den Studierenden nach Angaben des Klägers schwerpunktmäßig zur Prüfungsvorbereitung genutzt worden sind.

Aus verschiedenen Gründen, die auch von Seiten des Klägers im Erörterungstermin nicht konkret verdeutlicht werden konnten, erfolgte seine Approbation zum Psychotherapeuten allerdings erst deutlich später, sie wurde erst am 22. April 2008 erteilt.

Während des o.g. dreijährigen Aufbaustudiums war der Kläger von den Institutionen, bei denen er für die praktische Ausbildung eingesetzt war, als versicherungspflichtiger Beschäftigter bei der Rentenversicherung angemeldet worden. Aktenkundig sind Beitragszeiten vom 6. August 2001 bis zum 30. September 2004 (vgl. wegen der Einzelheiten den Versicherungsverlauf auf Bl. 60 ff. der Verwaltungsvorgänge).

Im Zeitraum bis einschließlich des Sommersemesters 2002 war der Kläger ferner noch als Student im Studiengang Pädagogik und Soziologie eingeschrieben.

Des Weiteren legte der Kläger am 29. April 2014 nach vorausgegangenen Vorbereitungen seit September 2009 die Prüfung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vor dem Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen ab.

Im Erörterungstermin vermochte der Kläger nicht detailliert den Ablauf der Zeiträume Oktober 2004 bis April 2008 und September 2009 bis April 2014 zu erläutern, wobei er ohnehin in diesen gesamten Zeiträumen versicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen ist. So weist der bereits angesprochene Versicherungsverlauf für das Jahr 2012 ein beitragspflichtiges Entgelt in Höhe von 36.701,-- Euro aus, welches nach Angaben des Klägers aus einer in abhängiger Beschäftigung wahrgenommenen psychotherapeutischen Tätigkeit resultiert.

Aktenkundig sind ferner folgende Umstände: Vom Sommersemester 2005 bis zum Wintersemester 2006/2007 war der Kläger als Promovierender bei der Georg-August-Universität Göttingen eingeschrieben. Für die Zeiträume ab September 2012 wies der Versicherungsverlauf vom 20. August 2015 zunächst Kinderziehungszeiten aus (wobei nachfolgend allerdings eine Rücknahme der Anerkennung von Kinderziehungszeiten ausgesprochen worden ist).

Mit Bescheid vom 11. September 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2016 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers ohne Berücksichtigung von Ausbildungszeiten im Zeitraum Oktober 2002 bis April 2014 fest. Die Beklagte stellte insbesondere darauf ab, dass Ergänzungs- und Zusatzstudiengänge keine als Anrechnungszeit berücksichtigungsfähigen Zeiten der Hochschulausbildung darstellen würden. Soweit sich diese Bescheide daneben insbesondere auch mit der Anerkennung von Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten befassen, werden sie vom Streitgegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahrens nicht erfasst.

Mit der am 27. Juli 2016 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, dass das Studium der Psychologie für sich allein genommen ihn nicht zur Ausübung des angestrebten Berufes eines Psychotherapeuten berechtigt habe.

Mit Urteil vom 22. März 2017, dem Kläger zugestellt am 19. April 2017, hat das Sozialgericht Hildesheim die Klage abgewiesen. Die vom Kläger absolvierten Ausbildungen zum Psycho­therapeuten bzw. zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten seien als rentenrechtlich unbeachtliche Fortbildungsmaßnahmen zu bewerten.

Mit der am 23. April 2017 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger weiterhin das Begehren, die Zeiträume vom 1. Oktober 2001 bis zum 17. Dezember 2007 und vom 25. September 2009 bis zum 13. November 2013 rentenrechtlich als Anrechnungszeiten zu berücksichtigen. Soweit er bei einer Hochschule eingeschrieben gewesen sei, müssten diese Zeiten als Zeiten des Hochschulbesuchs im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) anerkannt werden. Im Übrigen seien sie einem im Gesetz nicht ausdrücklich normierten Anrechnungstatbestand zuzurechnen. Der Gesetzgeber habe bei der Verabschiedung des Katalogs der berücksichtigungsfähigen Anrechnungszeiten in § 58 SGB VI versäumt, dort auch Ausbildungszeiten in Form der von ihm zurückgelegten Zeiten aufzunehmen.

Er beantragt,

1.das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. März 2017 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11. September 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2016 zu ändern und
2.die Beklagte zu verpflichten, die Zeiträume vom 1. Oktober 2001 bis zum 17. Dezember 2007 und vom 25. September 2009 bis zum 13. November 2013 als Anrechnungszeiten

anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und insbesondere auf das Protokoll des Erörterungstermins sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Die vorliegende zulässige Berufung weist der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachtet.

Auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Berufungsverfahrens ist kein Anspruch des Klägers auf Anerkennung weiterer Anrechnungszeiten für die streitbetroffenen Zeiträume er­kennbar.

a) Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2002 hat die Beklagte bereits eine Anrechnungszeit in Form des Hochschulstudiums anerkannt, wie dies im Widerspruchsbescheid ausdrücklich hervorgehoben worden ist, da der Kläger seinerzeit (jedenfalls formal) im Studiengang Pädagogik/Soziologie eingeschrieben war.

b) Für die nachfolgenden streitbetroffenen Zeiträume ab Oktober 2002 erfüllt der Kläger nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anrechnungszeit.

aa) Dies gilt insbesondere auch für die Zeiträume von Oktober 2002 bis September 2004, als der Kläger im Weiterbildungsstudiengang psychologische Psychotherapie, und von April 2005 bis März 2007, als der Kläger als Promotionsstudent an der Universität eingeschrieben war. Es handelt sich dabei nicht um berücksichtigungsfähige Zeiten des Hochschulstudiums im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI.

Das Gesetz berücksichtigt nicht jede Berufsausbildung als Ausfallzeit, sondern nur bestimmte typische Ausbildungszeiten mit geregeltem Ausbildungsgang. Dies legt es nahe, die Hochschulausbildung nur bis zu dem Abschluss zu berücksichtigen, der den Weg in das Berufsleben eröffnet (BSG, Urteil vom 15. Oktober 1985 - 11a RA 44/84 -, BSGE 59, 27 = SozR 2200 § 1259 Nr 92).

Das Gesetz orientiert den Begriff der Ausbildung mithin nicht am Berufswunsch des Versicherten, sondern berücksichtigt nach objektiven Kriterien nur bestimmte Ausbildungsgänge; diese objektiven Kriterien bestimmen ebenfalls das Ende der Ausbildungszeit. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber ... eine Einschränkung auf bestimmte typisierte Ausbildungsgänge für erforderlich gehalten hat (BSG, Urteil vom 15. Oktober 1985, aaO).

Nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es keinen rentenversiche­rungsrechtlichen Grundsatz, akademische Ausbildungszeiten müssten "lückenlos" anerkannt und angerechnet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (stellvertretend SozR 2200 § 1259 Nr. 102 S 276; Nr. 75 S 202; Nr. 63 S 178; Nr. 38 S 101; jeweils mwN) berücksichtigt das SGB VI (wie früher AVG und RVO) nur bestimmte typische Ausbildungszeiten, wobei es "nicht das jeweils für den im Einzelfall vom Versicherten gewünschten Beruf Erforderliche, sondern lediglich ausgleichsweise das Vertretbare begünstigen will". Die nur in den engen Grenzen des sozialen Ausgleichs zwischen den Beitragszahlern mit dem Versicherungsprinzip zu vereinbarende Berücksichtigung von Ausfallzeiten der Hochschulausbildung als Zeiten ohne Beitragsleistung ist (bzw. inzwischen im wirtschaftlichen Ergebnis vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen insbesondere in § 263 SGB VI normierten Neuregelungen: war) eine auf typisierte Fallgruppen zugeschnittene Solidarleistung der Versichertengemeinschaft, die auf staatlicher Anordnung beruht und nur teilweise aus Steuermitteln bezahlt wird bzw. wurde. Die gesetzliche Typisierung der als Ausfallzeiten zu berücksichtigenden Ausbildungsgänge ist verfassungsgemäß (BVerfG, SozR 2200 § 1259 Nr. 46 mwN).

Eine entsprechende oder ausdehnende Anwendung des Gesetzes auf dort nicht genannte Ausbildungsgänge ist nicht möglich; nur eine einzige erfolgreich abgeschlossene Hochschulausbildung kann als Ausbildungsanrechnungszeit berücksichtigt werden (vgl. zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 121/95 SozR 3-2600 § 248 Nr. 1).

Im vorliegenden Fall eröffnete bereits die vom Kläger im Sommersemester 2001 erfolgreich abgelegte Diplomprüfung im Studiengang Psychologie ihm die Möglichkeit zu einem Eintritt in das Berufsleben. Bereits dieser Umstand steht nach der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung einer Berücksichtigung der nachfolgenden universitären Zeiten entgegen (vgl. auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Mai 2002 - L 1 RA 134/01 juris).

Überdies war weder Weiterbildungsstudiengang psychologische Psychotherapie noch die Teilnahme an einem Promotionsverfahren von einer planmäßigen theoretischen wissen­schaftlichen Ausbildung im Sinne eines herkömmlichen Hochschulstudiums geprägt. Ins­besondere diente die Weiterbildung im Bereich der psychologischen Psychotherapie, wie dies auch die im Tatbestand dargelegten anteiligen Stundenzahlen belegen, schwerpunktmäßig der Vermittlung praktischer Fähigkeiten auf der Grundlage der in dem vorausgegangen Studium der Psychologie erworbenen wissenschaftlichen Kenntnisse (vgl. in diesem Sinne auch Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 30. März 2017 - L 1 R 66/15-Juris).

bb) Soweit der Kläger in den streitbetroffenen Zeiträumen nicht einmal an einer Hochschule eingeschrieben war, sind noch weniger die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der vom Gesetzgeber abschließend normierten Tatbestände einer Anrechnungszeit ersichtlich. Der Kläger macht dies letztlich auch selbst gar nicht geltend. Er formuliert insoweit in der Sache lediglich ein rechtspolitisches Anliegen, mit dem sich die Gerichte angesichts ihrer Bindung an das Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG jedoch gar nicht zu befassen haben.

Dementsprechend ist nur ergänzend festzuhalten, dass der unsubstantiierte Vortrag des Klägers nicht einmal zu erkennen gibt, dass die insoweit streitbetroffenen Zeiträume überhaupt von zielgerichteten Ausbildungsmaßnahmen geprägt gewesen waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

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