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L 1 R 361/05

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der selbstständig tätigen Klägerin gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bzw. um die Befreiung von dieser Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a SGB VI.

Die im Jahre 1954 geborene Klägerin ist - nach früherer versicherungspflichtiger Beschäftigung, u.a. als Verkäuferin - ausweislich der Gewerbe-Anmeldung seit dem 4. Dezember 2000 selbstständig mit dem Unternehmensgegenstand „abhalten von Ernährungskursen und Gewichtsreduzierungen“.

Im Rahmen des durch die Beklagte durchgeführten Prüfungsverfahrens zur Feststellung der Versicherungspflicht von Selbstständigen teilte die Klägerin in dem von ihr ausgefüllten Fragebogen vom 4.  ebruar 2003 u.a. mit, dass sie als Gruppenleiterin der Firma ...s mit mindestens einem Arbeitnehmer - dieser in geringfügiger Beschäftigung - selbstständig tätig sei und nur für einen Auftraggeber arbeite, nämlich die Firma ...

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 4. März 2003 die Versicherungspflicht der Klägerin seit dem 4. Dezember 2000 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest und errechnete einen Beitragsrückstand seit Dezember 2000 in Höhe von ca. 6.000,- €. Mit weiterem Bescheid vom 28. April 2003 stellte die Beklagte Säumniszuschläge fest, wodurch sich der geltend gemachte Nachforderungsbetrag auf ca. 7.000,- € erhöhte.

Die Klägerin erhob gegen beide Bescheide Widerspruch und machte zur Begründung geltend, dass weder ein Tatbestand der Versicherungspflicht von Selbstständigen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehe noch bisher über den von ihr bereits im Februar 2001 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a SGB VI entschieden worden sei. Ein Versicherungspflichttatbestand nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehe nicht, weil die Klägerin nicht nur für einen Auftraggeber (die Firma ...) tätig werde, sondern bei Abhalten der Gruppensitzungen sowie beim Verkauf von Produkten Verträge mit den jeweiligen Kunden schließe, also in deren Auftrag tätig werde. Zudem sei sie gegenüber der Firma ... berechtigt, auch andere selbstständige bzw. Erwerbstätigkeiten auszuüben. Daneben habe sie bereits mit Schreiben vom 3. Februar 2001 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in den ersten 3 Jahren ihrer selbstständigen Tätigkeit gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI beantragt, der von der Beklagten jedoch bislang nicht beschieden worden sei, was nunmehr nachgeholt werden müsse. Zwar habe sie für die seinerzeitige Übersendung des Antrags keine Eingangsbestätigung von der Beklagten und auch keine sonstige Nachricht erhalten, sie sei jedoch davon ausgegangen, dass eine solche Nachricht durch die Beklagte entbehrlich sei, weil der Ehemann der Klägerin, der die schriftlichen Arbeiten abwickle, den Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt, nach Unterschrift der Klägerin richtig adressiert und frankiert und sodann in den Briefkasten der Post eingeworfen habe. Sollte der Antrag wider Erwarten nicht bei der Beklagten eingegangen sein, beantrage sie vorbeugend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Beklagte, die einen Antrag vom 3. Februar 2001 nicht in ihren Akten auffand, sah den von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen vom 4. Februar 2003 als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI an und erteilte einen entsprechenden Befreiungsbescheid vom 26. November 2003, mit dem die Klägerin für die Zeit vom 7. Februar 2003 (Eingang des Fragebogens) bis zum 4. Dezember 2003 (Ende des Zeitraums von 3 Jahren seit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit) von der Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI befreit wurde. Mit weiterem Bescheid vom 26. November 2003 berechnete sie die rückständigen Beiträge neu auf eine Höhe von (nur noch) ca. 5.700,- €.

Die Klägerin erhob auch gegen diese Bescheide Widerspruch und rügte, dass die Befreiung erst ab Februar 2003, nicht aber bereits ab ihrer Antragstellung im Februar 2001 und damit rückwirkend ab Dezember 2000 erteilt worden sei.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2004 zurück und führte zur Begründung im Einzelnen aus, dass Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehe, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, für mehr als nur einen Auftraggeber, nämlich die Firma ..., tätig zu sein. Die beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht könne nach § 6 Abs. 4 SGB VI erst ab Antragstellung im Februar 2003 erteilt werden, weil der Antrag mehr als drei Monate nach Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen im Dezember 2000 gestellt worden sei. Ein früherer Befreiungsantrag sei nicht eingegangen, der Eingang von der Klägerin nicht nachgewiesen und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs. 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgeschlossen.

Mit ihrer hiergegen am 13. September 2004 vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend geltend gemacht, dass die Mitglieder der Gruppensitzungen, die nach dem Konzept der Firma ... durchgeführt würden, den jeweiligen Teilnehmerbeitrag (in Höhe von 9,95 € pro Woche) unmittelbar an die Klägerin entrichteten, sie also für mehrere Auftraggeber tätig werde und ihr nach dem mit der Firma ... geschlossenen „Partnervertrag“ ein Tätigwerden für andere Auftraggeber auch nicht verboten sei. Zur Glaubhaftmachung legte die Klägerin u.a. die Karteikarten mit Vermerken über gezahlte Teilnehmer-Beiträge, ein Mitgliedsbuch (der Firma ...) sowie den mit der Firma ... geschlossenen Partnervertrag vor. Sie sei damit nicht ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, so dass kein Versicherungspflichttatbestand nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehe. Daneben sei ihr Befreiungsantrag vom 3. Februar 2001 zwar unstreitig auf dem Postweg verloren gegangen, dies könne ihr jedoch nicht zum Nachteil gereichen, weil die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht nach § 27 Abs. 5 SGB X ausgeschlossen sei, sie den Wiedereinsetzungsantrag zwar erst im Jahre 2003 gestellt habe, ein früheres Stellen dieses Antrags jedoch nach § 27 Abs. 3 SGB X ausschließlich wegen höherer Gewalt unmöglich gewesen sei, die darin liege, dass die Klägerin bzw. ihr Ehemann jedwede zumutbare Sorgfalt hätten obwalten lassen, nämlich den Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt, unterschrieben, adressiert und frankiert in den Postbriefkasten eingeworfen zu haben, weshalb der Verlust auf dem Postweg den Tatbestand der höheren Gewalt erfülle.

Das SG hat die gegen die angefochtenen Bescheide und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2005 abgewiesen und zur Begründung im Einzelnen ausgeführt, dass ein Versicherungspflichttatbestand nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehe, weil die Klägerin ausweislich des vorgelegten Partnervertrages ihre Tätigkeit allein im Namen und auf Rechnung der Firma ... ausführe und die in dem Vertrag vorgesehene bloße Möglichkeit des Tätigwerdens auch für andere Auftraggeber ohne rechtliche Bedeutung sei, weil eine solche Tätigkeit für andere Auftraggeber tatsächlich nicht stattfinde. Auch könne die Klägerin keine Befreiung von der Versicherungspflicht bereits ab Dezember 2000 beanspruchen, weil sie den Nachweis einer Antragstellung bereits im Februar 2001 nicht geführt habe und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei, weil die Klägerin nicht ohne Verschulden an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen sei, da sie nach dem Grundsatz der formellen Publizität rechtmäßig verkündeter Gesetze von den Fristen des § 6 SGB VI wie jeder Bürger zu wissen gehabt habe.

Gegen den ihr am 7. Juni 2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 6. Juli 2005 eingelegte Berufung, mit der die Klägerin ergänzend geltend macht, dass das SG den Vortrag der Klägerin zur Antragstellung am 3. Februar 2001 sowie zur beantragten Wiedereinsetzung fehlerhaft gewürdigt habe. Der Grundsatz der formellen Publizität von rechtmäßig verkündeten Gesetzen sei nicht streiterheblich, weil die Klägerin den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht rechtzeitig am 3. Februar 2001 gestellt habe. Dies könne durch Zeugenvernehmung des Ehemannes nachgewiesen werden. Auch habe das SG fehlerhaft nicht den Tatbestand des § 27 Abs. 3 SGB X geprüft und bejaht, der jedoch erfüllt sei. Weil die Klägerin bzw. ihr Ehemann den Antrag vom 3. Februar 2001 ordnungsgemäß ausgefüllt, unterschrieben, adressiert, frankiert und in den Postbriefkasten eingeworfen hätten, stelle der Verlust auf dem Postweg einen Fall höherer Gewalt im Sinne des § 27 Abs. 3 SGB X dar. Auch hierfür werde Beweis durch Zeugenvernehmung des Ehemanns der Klägerin angeboten und entsprechende Beweiserhebung beantragt. Zur Glaubhaftmachung der Postversendung des Antrags vom 3. Februar 2001 legt die Klägerin eine eidesstattliche Erklärung ihres Ehemannes vom 6. Juli 2005 vor.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

1.den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. Mai 2005 und die Bescheide der Beklagten vom 4. März 2003 und 28. April 2004 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 26. November 2003 sowie des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2004 aufzuheben,
2.festzustellen,
a.dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Firma ... nicht versicherungspflichtig ist,
b.hilfsweise die Klägerin ab 4. Dezember 2000 von der Versicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf den Gerichtsbescheid des SG.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil des Berichterstatters als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte gemäß §§ 155 Abse. 4, 3, 1, 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil seines Berichterstatters als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten zuvor hiermit einverstanden erklärt haben.

Die gemäß §§ 143 ff. SGG statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin ist seit dem 4. Dezember 2000 mit der in ihrer Gewerbeanmeldung beschriebenen selbstständigen Tätigkeit versicherungspflichtig nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI und hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI mit Wirkung ab 7. Februar 2003, nicht jedoch bereits ab 4. Dezember 2000. Die entsprechenden Bescheide der Beklagten sind ebenso wenig zu beanstanden wie der Gerichtsbescheid des SG.

Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen herangezogen und ist zu dem richtigen Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI mit Wirkung ab 4. Dezember 2000 besteht und der Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI wegen § 6 Abs. 4 SGB VI und einer Antragstellung im März 2003 erst mit Wirkung ab 7. Februar 2003 besteht. Diesbezüglich hat es ebenso zutreffend festgestellt, dass der Zugang eines früheren Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 3. Februar 2001 nicht nachgewiesen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X nicht zu gewähren ist.

Ergänzend ist durch den Senat folgendes auszuführen:

Bei der Klägerin besteht seit dem 4. Februar 2000 (Gewerbe-Anmeldung) Versicherungspflicht in selbstständiger Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, da die Klägerin keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer (mit mehr als geringfügigen Einkommen) beschäftigt und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist. Dies hat die Klägerin ausdrücklich selbst in dem von ihr ausgefüllten und unterschriebenen Fragebogen vom 4. Februar 2003 angegeben. Ihr späterer Vortrag, sie habe für mehrere Auftraggeber gearbeitet und etwa die Teilnehmer-Beiträge für die Gruppensitzungen auf eigene Rechnung kassiert, wurde vom SG zutreffend dadurch widerlegt, dass sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Partnervertrag ausdrücklich ergibt, dass „der Partner (vorliegend: die Klägerin) für die Laufzeit dieses Vertrages berechtigt und verpflichtet (ist), im Namen und für Rechnung von ...“ tätig zu werden (Unterstreichung durch den Senat). Auch das vor dem SG vorgelegte Mitgliedsbuch lautet deshalb folgerichtig allein auf ... Zutreffend hat die Klägerin daher ihr Bestreiten des Bestehens einer Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI im Berufungsverfahren nicht wiederholt. Dass für den Senat aus der gesamten Aktenlage ein tatsächliches Tätigwerden der Klägerin für andere Auftraggeber auch sonst nicht ersichtlich ist - wofür jedoch die Klägerin nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Feststellungslast tragen würde - ist nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen.

Trotz mehrerer Zugunsten-Unterstellungen zum Vorteil der Klägerin kann diese aber auch nicht die Befreiung von der Versicherungspflicht bereits mit Wirkung ab 4. Dezember 2000 beanspruchen. Vielmehr haben Beklagte und SG zutreffend entschieden, dass der Klägerin die Befreiung erst mit Wirkung ab 7. Februar 2003 (Eingang des Fragebogens vom 4. Februar 2003, den die Beklagte zugunsten der Klägerin als Antrag auf Befreiung der Versicherungspflicht ansah) zusteht, und zwar wegen der gesetzlichen Befristung in § 6 Abs. 1a SGB VI für die Dauer von 3 Jahren vorliegend befristet bis zum 4. Dezember 2003 (3 Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit am 4. Dezember 2000).

Eine frühere Antragstellung als im Februar 2003, nämlich die von der Klägerin behauptete Antragstellung im Februar 2001, ist weder nachgewiesen noch über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu fingieren.

Das von der Klägerin in Durchschrift vorgelegte Schreiben vom 3. Februar 2001 ist nach dem Vortrag der Beklagten zu keiner Zeit dort eingegangen, nach der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte darin nicht enthalten, ein sonstiger Vermerk in der Verwaltungsakte über den Eingang nicht erkennbar und der Zugang des Schreibens, für den die Klägerin die Beweislast trägt, damit nicht nachgewiesen. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründungsschrift Zeugenbeweis durch Vernehmung ihres Ehemannes dafür anbietet, „dass die Klägerin bereits im Februar 2001 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt hat“, ist das Beweisthema rechtlich unerheblich, weil der Ehemann als Zeuge nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nur zum Beweisthema der ordnungsgemäßen Aufgabe des Schriftstücks bei der Post vernommen werden kann, nicht aber zum Zugang des Schriftstücks bei der Beklagten gemäß § 130 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Die Klägerin kann auch nicht - trotz mehrerer Zugunsten-Unterstellungen zu ihrem Vorteil - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach der hierfür maßgeblichen Verwaltungsverfahrensvorschrift des § 27 SGB X beanspruchen.

Dabei unterstellt der Senat zunächst zugunsten der Klägerin, dass die Wiedereinsetzungsvorschrift im Fall des hier in Rede stehenden § 6 SGB VI überhaupt anwendbar ist und lässt den hierzu bestehenden unterschiedlichen Meinungsstand ungeprüft (zum Meinungsstand vgl. nur: Kasseler-Kommentar-Gürtner, § 6 SGB VI, Rdnote 28 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Bei unterstellter Anwendbarkeit des § 27 SGB X unterstellt der Senat des Weiteren zugunsten der Klägerin, dass ein Fall des fehlenden Verschuldens der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gemäß § 27 Abs. 1 SGB X vorliegt. Dabei unterstellt der Senat zugunsten der Klägerin, dass ihr Ehemann im Wege der zeugenschaftlichen Vernehmung glaubhaft und glaubwürdig bekunden würde, dass er das von der Klägerin behauptete Schreiben vom 3. Februar 2001 gefertigt, von der Klägerin unterschreiben lassen, ordnungsgemäß adressiert und frankiert und sodann in den Briefkasten noch am 3. Februar 2001 eingeworfen hat. Die von der Klägerin diesbezüglich beantragte Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung ihres Ehemannes ist damit entbehrlich. Der Senat geht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB X aus.

Demgegenüber sind die Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 SGB X nicht nachgewiesen, und zwar nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht.

Nach dem Vortrag der Klägerin hat ihr Ehemann das Schreiben vom 3. Februar 2001 gefertigt, die Klägerin es unterschrieben, das Schreiben wurde ordnungsgemäß adressiert, frankiert und am selben Tag in den Postbriefkasten eingeworfen. Dies wird - erneut - vom Senat zugunsten der Klägerin unterstellt. Auch in diesem Zusammenhang ist daher eine Zeugenvernehmung des Ehemanns der Klägerin prozessual entbehrlich. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin liegen damit jedoch nicht die Voraussetzungen eines Falles „höherer Gewalt“ im Sinne von § 27 Abs. 3 SGB X vor:

Zum Begriff „höhere Gewalt“ trägt die Klägerin in der Berufungsbegründungsschrift einschlägige Definitionen aus der Fachliteratur vor, die zutreffend (auch) einen subjektiven Maßstab des Begriffs zugrunde legen. Dieser Vortrag der Klägerin ist zutreffend. Der Vortrag ist allerdings nicht vollständig. Die von der Klägerin vorgetragenen Definitionen sind um die gleichfalls in der Fachliteratur vertretene Einschränkung zu ergänzen, dass ein Fall höherer Gewalt nicht vorliegt, wenn sich bereits „geringstes Verschulden“ beim Versicherten findet (Kasseler-Kommentar-Krasney, § 27 SGB X, Rdnote 12 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG).

Im Fall der Klägerin ist ein „geringstes Verschulden“ nicht im Zusammenhang mit der Absendung des Schreibens vom 3. Februar 2001 zu sehen, da die ordnungsgemäße Absendung (schriftliche Abfassung, Unterschrift, Adressierung, Frankierung, Einwurf) vom Senat als ordnungsgemäß durchgeführt und unterstellt wird (siehe oben). Ein „geringstes Verschulden“ ergibt sich jedoch aus dem Inhalt des von der Klägerin (in Kopie) vorgelegten Schreibens vom 3. Februar 2001 sowie der danach ca. 2 Jahre andauernden Untätigkeit der Klägerin. Denn in dem Schreiben stellt die Klägerin zum einen bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht („ich möchte hiermit diesen Antrag stellen“), zum anderen macht sie zur Begründung des Antrags aber lediglich vage und unbestimmte Angaben, die der Beklagten eine Prüfung des Sachverhalts nicht ermöglichen („seit Dezember letzten Jahres“ - eine tagegenaue Angabe fehlt; „ich habe erst einmal wahrscheinlich keine Angestellten …“ - konkrete Angabe fehlt; „man kann aber auch einen Antrag stellen, dass dies in den ersten Jahren nicht gilt“ - begehrte zeitliche Grenze wird nicht angegeben; „wenn ich von ihnen nichts anderes höre, gehe ich davon aus, dass das so in Ordnung geht“ - Klägerin erwartet keine konkrete Entscheidung zur Zeitdauer der Befreiung).

Da die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin wie jede Verwaltungsbehörde nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung handelt, bestimmte Sachverhalte zu prüfen und auf die vorgetragenen bestimmten Sachverhalte eine konkrete Entscheidung zu treffen hat, was jeder Bürgerin und jedem Bürger nach der sog. Parallelwertung in der Laiensphäre bekannt ist, durfte sich vorliegend die Klägerin nicht darauf verlassen, bei lediglich vage formulierten Angaben von der Behörde keinerlei Rückfragen zu ihrem Antrag zu erhalten. Hier hätte jedes Rechtssubjekt mit einer Rückfrage der mit dem Antrag angegangenen Behörde rechnen müssen. Da die Klägerin nach eigenem Vortrag eine solche Rückfrage jedoch nicht, sondern sogleich eine positive Entscheidung erwartet hat, liegt ein „geringstes Verschulden“ im Sinne des § 27 Abs. 3 SGB X darin, nicht nachgefragt zu haben, ob eine Präzisierung ihrer Angaben vonnöten ist. Stattdessen blieb die Klägerin ca. 2 Jahre untätig.

Ein „geringstes Verschulden“ im Sinne des § 27 Abs. 3 SGB X ergibt sich aber darüber hinaus und vor allem daraus, dass die Klägerin ausweislich ihres Schreibens vom 3. Februar 2001 einen „Antrag“ gestellt hat, ausweislich ihres Vortrags jedoch nicht mit einer Bescheidung dieses Antrags gerechnet haben will. Nach geltendem Verwaltungsrecht wird ein durch eine Antragstellung eingeleitetes Verwaltungsverfahren jedoch stets durch einen Verwaltungsakt (oder einen hier nicht beantragten öffentlich-rechtlichen Vertrag) abgeschlossen und muss der Verwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller bekannt gegeben werden. Zwar kann die Bekanntgabe in schriftlicher, elektronischer oder mündlicher Form geschehen. Eine Bekanntgabe der Entscheidung ist jedoch stets zwingend von Nöten. Diese rechtlichen Vorgaben der §§ 8 ff. SGB X sind jedem Bürger in der Form der so genannten Parallelwertung in der Laiensphäre bekannt. Soweit die Klägerin jedoch vorliegend behauptet, trotz ihrer Antragstellung mit keinerlei Reaktion der Behörde gerechnet zu haben („gehe ich davon aus, dass das so in Ordnung geht“), liegt ohne weiteres ein „geringstes Verschulden“ im Sinne des § 27 Abs. 3 SGB X vor. Das bloße „Nicht“reagieren einer Verwaltungsbehörde stellt keinesfalls einen Verwaltungsakt dar (Engelmann in: Von Wulffen, Kommentar zum SGBX, § 33, Rdnote 14b; BSG, Urteil vom 24. November 1992, 12 RK 8/92).

Ob das Verhalten der Klägerin - Antragstellung einerseits, behauptetes Nicht-Erwarten einer Antwort andererseits - darüber hinaus auch als widersprüchlich im Rechtsverkehr angesehen werden muss, kann hier offen bleiben.

Mangels höherer Gewalt im Sinne von § 27 Abs. 3 SGB X konnte die Klägerin die versäumte Handlung daher nicht mehr nach mehr als einem Jahr (vorliegend durch die Antragstellung im Februar 2003) nachholen. Wiedereinsetzung ist ihr nicht zu gewähren.

Dann aber war die Klägerin ab 4. Dezember 2000 versicherungspflichtig und nicht vor 7. Februar 2003 davon zu befreien.

Nach alledem blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Es hat kein gesetzlicher Grund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorgelegen, die Revision zuzulassen.

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