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L 14 R 140/05

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ab 01.08.2004 nach § 2 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) versicherungspflichtig ist.

Die im Januar 1970 geborene Klägerin bezieht auf der Grundlage eines Bescheides der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Düsseldorf - vom 21.04.2004 ab dem 09.04.2004 einen sogenannten Existenzgründerzuschuss gemäß § 421l Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) in Höhe von monatlich 600,00 Euro (sogenannte Ich-AG).

Bereits im März 2004 hatte sich die Klägerin an die Beklagte gewandt und insoweit eine Befreiung von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung beantragt, da ihr voraussichtlicher Gewinn nur bei 4.500,00 Euro pro Jahr liegen werde. Mit Schreiben vom 15.06.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Empfänger eines Existenzgründerzuschusses der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlägen. Nachdem die Klägerin in einem Fragebogen weitere Angaben zu ihrer Tätigkeit gemacht und insbesondere die Zahlung sogenannter einkommensgerechter Beiträge beantragt hatte (Fragebogen vom 18.06.2004), stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22.06.2004 die Versicherungspflicht der Klägerin ab dem 09.04.2004 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI fest. Auf der Grundlage des für das Veranlagungsjahr 2004 angegebenen Arbeitseinkommens in Höhe von 4.500,00 Euro forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge von 57,20 Euro für April 2004 bzw. ab 01.05.2004 von monatlich 78,00 Euro.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe bereits Anfang des Jahres die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt. Mit Bescheid vom 02.08.2004 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass in der Zeit vom 09.04.2004 bis 31.07.2004 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI vorgelegen habe, weil nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Ab dem 01.08.2004 bestehe wieder Versicherungspflicht.

Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte zur Begründung aus, die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, sei für sie maßgebliches Kriterium für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen einer sogenannten Ich-AG gewesen. Ihre Anschaffungen und finanziellen Verpflichtungen seien so kalkuliert gewesen, dass Beiträge zur Rentenversicherung nicht eingeplant gewesen seien. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass die zum Zeitpunkt des Beginns ihrer selbständigen Tätigkeit geltenden Bestimmungen mindestens für den Förderzeitraum von 3 Jahren Bestand haben würden. Eine nachträgliche Einführung einer Versicherungspflicht verstoße daher gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Außerdem sehe sie eine unangemessene Benachteiligung ihrer Person gegenüber anderen Versicherten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Durch die Änderung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB VI entfalle ab dem 01.08.2004 die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit für selbständig Tätige, die einen Existenzgründerzuschuss nach § 421 l SGB III (sogenannte Ich-AG) beziehen. Entsprechend dem Gesetzeszweck werde hierdurch erreicht, dass die nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI versicherungspflichtigen Bezieher solcher Leistungen auch dann Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen haben, wenn der aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn die Grenze der Geringfügigkeit nach § 8 SGB IV nicht übersteige. Hintergrund sei, dass der Existenzgründerzuschuss gewährt werde, damit dieser Personenkreis beim Aufbau einer selbständigen Existenz eine soziale Absicherung habe. Ergänzt werde die Vorschrift durch die Übergangsregelung des § 229 Abs. 6 Satz 5 SGB VI. Hierüber werde im Zuge der Gleichbehandlung aller Bezieher eines Existenzgründerzuschusses sicher gestellt, dass auch Bezieher eines Existenzgründerzuschusses ab In-Kraft-Treten der Regelung uneingeschränkt der Versicherungspflicht unterlägen.

Hiergegen hat die Klägerin am 08.11.2004 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und vorgetragen, die nachträglich auferlegte Versicherungspflicht stelle ihre Geschäftskalkulation in Frage und verstoße gegen das Grundgesetz. Sie habe nach Treu und Glauben davon ausgehen können, dass die Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Gründung der sogenannten Ich-AG zumindest für den Förderzeitraum von maximal 3 Jahren gelten würden. Vorsorglich erhebe sie auch Klage gegen einen zwischenzeitlich ergangenen Beitragsbescheid vom 27.11.2004 (Beitragshöhe ab 01.01.2005: 78,37 Euro).

Mit Urteil vom 10.05.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide entsprächen der Sach- und Rechtslage. Die Versicherungspflicht der Klägerin resultiere aus § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI. Eine grundsätzliche Versicherungspflicht der Bezieher von Existenzgründerzuschüssen bestehe bereits seit dem 01.01.2003, also seit dem In-Kraft-Treten der Vorschrift des § 421 l SGB III. Eine besondere Befreiungsmöglichkeit habe für die Bezieher eines Existenzgründerzuschusses zu keiner Zeit bestanden. Vielmehr habe lediglich auch für die selbständig Tätigen nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mit der Folge bestanden, dass sie bei Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, durch die die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wurde, versicherungsfrei gewesen seien. Durch die Änderung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB VI sei hier zum 01.08.2004 eine Änderung eingetreten. Danach gelte die Versicherungsfreiheit von Personen, die eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausübten, nicht für Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI versicherungspflichtig seien. Diese Änderung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Fall der sogenannten echten Rückwirkung sei nicht gegeben. Die von der Klägerin vor August 2004 ausgeübte geringfügige selbständige Tätigkeit sei nicht nachträglich der Versicherungspflicht unterworfen worden. Vielmehr wirke die gesetzliche Regelung lediglich auf die im Zeitpunkt ihrer Verkündung noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft und entfalte damit eine sogenannte unechte Rückwirkung. Regelungen mit unechter Rückwirkung seien verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügten dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiege. Das Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Rechtslage vor der Änderung des § 5 SGB VI zum 01.08.2004 sei nicht schutzwürdig. Es sei nach Auffassung der Kammer bereits wenig nachvollziehbar, dass die Klägerin überhaupt auf den Bestand der Regelung vertraut haben wolle. Da Versicherungsfreiheit nur bei einer geringfügigen Beschäftigung bestanden habe, hätte sie davon ausgehen müssen, während der gesamten Dauer des Bezuges des Existenzgründerzuschusses nur geringfügig zu verdienen. Vom Aufbau einer selbständigen Existenz, wie sie durch die Gewährung des Existenzgründerzuschusses gefördert werden solle, dürfe bei einer solchen Annahme keine Rede sein. Im Übrigen könne sich der Einzelne dann nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme des Gesetzgebers billiger Weise nicht beanspruchen könne. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung bedürfe es danach der Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit. Mit der Ergänzung in § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB VI werde klar gestellt, dass die Bestimmungen über die Versicherungsfreiheit bei geringfügiger selbständiger Tätigkeit für die Bezieher von Existenzgründerzuschüssen nach § 421 l SGB VI nicht anzuwenden seien. Entsprechend dem Gesetzeszweck werde hiermit erreicht, dass die Bezieher solcher Leistungen auch dann Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen hätten, wenn der aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn die Grenze der Geringfügigkeit nach § 8 SGB IV nicht übersteige, da Existenzgründerzuschüsse gewährt würden, damit dieser Personenkreis beim Aufbau einer selbständigen Existenz eine soziale Absicherung habe. Die verfolgten öffentlichen Belange hätten Vorrang gegenüber dem Interesse der Klägerin, von der Beitragsleistung freigestellt werden. Die angefochtenen Bescheide seien schließlich auch nicht im Hinblick auf die Höhe der angeforderten Beiträge zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die Anhebung der Beiträge für die Zeit ab dem 01.01.2005 wende, werde auf die Regelung des § 165 Abs. 1 Satz 4 und 10 SGB VI verwiesen. Der Klägerin stehe es frei, ihr tatsächliches Einkommen nachzuweisen.

Gegen das am 21.05.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.05.2005 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens trägt die Klägerin vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe sie sehr wohl die Nichteinbeziehung in die Rentenversicherungspflicht bzw. Nichtveranlagung zu Beiträgen im Rahmen ihrer Kalkulationen berücksichtigen dürfen. Ihre soziale Absicherung habe sie im Übrigen auf privatem Wege durchgeführt.

Mit Bescheid vom 21.11.2005 hat die Beklagte die Beitragshöhe rückwirkend ab 01.01.2005 wieder auf den ursprünglich festgesetzten monatlichen Betrag von 78,00 Euro korrigiert.

Die Klägerin beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.05.2005 zu ändern und den Bescheid vom 02.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2004 sowie den Bescheid vom 21.11.2005 aufzuheben, soweit darin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 01.08.2004 fortlaufend festgestellt wird.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten entsprechen auch nach Auffassung des Senats der Sach- und Rechtslage. Die Klägerin unterliegt für die Dauer des Bezugs des Existenzgründerzuschusses (Ich-AG) - eingeführt mit Wirkung vom 01.01.2003 durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (Bundesgesetzblatt I, 4621, Anhang I/45) gemäß § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI (ebenfalls eingeführt durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Klägerin konnte von dieser dem Grunde nach bestehenden Versicherungspflicht auch nicht auf der Grundlage ihres bereits vor Beginn der Förderung gestellten Befreiungsantrages von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung befreit werden. Die Befreiungsvorschriften des § 231 SGB VI greifen zugunsten der Klägerin nicht, da sie nicht zu dem dort genannten Personenkreis gehört. Die Befreiungsvorschrift des § 229 Abs. 6 SGB VI findet bzw. fand nur auf solche Personen Anwendung, die am 31.03.2003 in einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit ohne einen Verzicht auf die Versicherungsfreiheit versicherungspflichtig waren, die die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit in der ab 01.04.2003 geltenden Fassung von § 8 SGB IV erfüllten. Die Klägerin hat ihre selbständige Tätigkeit aber erst im April 2004 aufgenommen. Selbst wenn sie nach dieser Vorschrift zu befreien gewesen wäre, hätte diese Befreiung am 31.07.2004 beendet werden müssen (§ 229 Abs. 6 Satz 5 SGB VI).

Die Klägerin ist für den hier streitigen Zeitraum ab dem 01.08.2004 auch nicht deshalb versicherungsfrei, weil sie ihre selbständige Tätigkeit nur in geringfügigem Umfang ausübt. Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, wurden die Bezieher eines Existenzgründerzuschusses durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.07.2004 (Bundesgesetzblatt I, Seite 1791) mit Wirkung vom 01.08.2004 ausdrücklich von der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit ausgenommen. Die Klägerin ist daher unabhängig von ihrem erzielten Arbeitseinkommen nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI versicherungspflichtig, woraus auch ihre Beitragspflicht nach näherer Maßgabe des § 165 SGB VI resultiert. Die von der Klägerin rechnerisch nicht beanstandete Beitragshöhe ist danach ebenfalls zutreffend ermittelt worden. Fehler sind insoweit weder dargetan noch für den Senat ersichtlich.

Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe von Beginn ihrer selbständigen Tätigkeit im Rahmen einer Ich-AG nur mit geringfügigen Einkünften rechnen können und damit auf den weiteren Bestand der Regelungen zur Versicherungsfreiheit von geringfügig Beschäftigten bzw. Selbständigen vertrauen dürfen, weshalb die Gesetzesänderung gegen grundrechtliche Prinzipien verstoße und nicht zu ihren Lasten Anwendung finden dürfe, überzeugt diese Argumentation nicht. Der Senat verweist insoweit zunächst auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Vorbringen im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere handelt es sich bei der Änderung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB VI, die mit Wirkung ab 01.08.2004 erfolgt ist, nicht um eine sogenannte echte Rückwirkung, da in der Vergangenheit liegende Sachverhalte hiervon gerade nicht erfasst werden, es vielmehr bis zum 31.07.2004 bei der Versicherungsfreiheit verbleibt. Eine echte Rückwirkung liegt jedoch nur vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, wenn also nicht nur ein Anknüpfungspunkt des Gesetzes, sondern sein zeitlicher Anwendungsbereich zumindest teilweise in der Vergangenheit, d.h. vor In-Kraft-Treten der Norm liegt (BVerfGE 63, 343, 353). Eine unechte Rückwirkung bzw. eine tatbestandliche Rückanknüpfung liegt hingegen vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition insoweit nachträglich entwertet (BVerfGE 51, 356, 362; 69, 272, 309). Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt über eine "verfestigte Rechtsposition" dahingehend verfügte, dass sie darauf vertrauen durfte, während der gesamten Bezugszeit des Existenzgründerzuschusses nur ein unter den Geringfügigkeitsgrenzen liegendes Arbeitseinkommen zu erzielen um damit während des gesamten Zeitraumes versicherungsfrei in der Rentenversicherung zu verbleiben. Insoweit hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass nach dem Förderungszweck des § 421l SGB III davon ausgegangen werden kann, dass es das gesetzgeberische Ziel war, nur solche Existenzgründungen zu fördern, die tragfähig sind, d.h. erwartungsgemäß für den Antragsteller und seine Angehörigen in absehbarer Zeit auf Dauer eine ausreichende Lebensgrundlage bilden. Dieser gesetzliche Förderungszweck mag im Einzelfall - wie möglicherweise bei der Klägerin - nicht zu erreichen sein; eine verfestigte Rechtsposition in dem von der Klägerin verstandenen Sinne entsteht hieraus ersichtlich nicht. Aber selbst wenn man die Grundsätze zu der sogenannten unechten Rückwirkung heranzieht, rechtfertigt dies aus den vom Sozialgericht dargestellten Erwägungen keine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage. Die unechte Rückwirkung von Gesetzen ist unter Berücksichtigung der Schranke des Rechts- und Sozialstaatsprinzipes im Sinne des Art. 20 Grundgesetz (GG) innerhalb sachlicher Grenzen zulässig, die sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem daraus folgenden Vertrauensschutz ergeben. Bei der Bestimmung dieser Grenzen sind das schutzwürdige Interesse des betroffenen Personenkreises an einem Fortbestand der bisherigen Rechtslage und die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen (vgl. BSG, SozR 3 - 4100, § 242q Nr. 1). Diese Abwägung muss vorliegend im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Einführung der Versicherungspflicht für Bezieher von Existenzgründerzuschüssen zugunsten der getroffenen Regelung ausfallen. Ausgehend von den Empfehlungen der HARTZ-Kommission wurde mit der sogenannten Ich-AG eine neue Form der Selbständigkeit eingeführt. Es handelte sich um eine neue Sozialleistung, die dem Überbrückungsgeld (§ 57 SGB III) nachgebildet war. Sie wurde in Form von Zuschüssen an Personen gewährt, die bisher arbeitslos oder in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt waren. Zweck der Regelung war die Beendigung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit von Arbeitnehmern durch Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sowie die Eindämmung von Schwarzarbeit. Nach spätestens 3 Jahren sollte eine vollwertige Selbständigkeit ausgeübt werden oder die Übernahme in eine Festanstellung möglich sein. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu näher (BT-Drucksache 15/25, Seite 22 ff.):

"Die Ich-AG ist auch Ausdruck des einem beständigen Wandel unterliegenden Arbeitsmarktes. Der Übergang in die Selbständigkeit wird zeitlich befristet sozial flankiert, indem Gründerinnen und Gründer in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen bleiben".

Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber bestrebt war, den so Geförderten den sozialversicherungsrechtlichen Schutz zu belassen, wie er bei Arbeitslosen besteht, die andere Leistungen wie z.B. Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen. Diese bleiben ebenfalls versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und können so beispielsweise die Anwartschaften auf eine Erwerbsminderungsrente (sogenannte 3/5-Belegung - § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) erhalten. Das unternehmerische Risiko der Selbständigkeit sollte bezogen auf die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen abgemildert werden. Dieses gesetzgeberische Ziel konnte jedoch nicht erreicht werden, wenn die Bezieher von Existenzgründerzuschüssen wegen Unterschreitens der Geringfügigkeitsgrenzen gemäß § 5 SGB VI versicherungsfrei in der Rentenversicherung waren. Der Gesetzgeber hat hierauf durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 reagiert und Abs. 2 des § 5 SGB VI neu gefasst. Zur Begründung der Änderung heißt es (BT-Drucksache 15/2149, Seite 21):

"Mit der Ergänzung in § 5 Abs. 2 Satz 3 wird klargestellt, dass die Bestimmungen über die Versicherungsfreiheit bei geringfügiger selbständiger Tätigkeit für die Bezieher von Existenzgründerzuschüssen nach § 421 l SGB III nicht anzuwenden sind. Entsprechend dem Gesetzeszweck wird hiermit erreicht, dass die Bezieher solcher Leistungen auch dann Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen haben, wenn der aus der selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn die Grenze der Geringfügigkeit nach § 8 SGB IV nicht übersteigt, da die Existenzgründerzuschüsse gewährt werden, damit dieser Personenkreis beim Aufbau seiner selbständigen Existenz eine soziale Absicherung hat".

Damit korrespondiert die Änderung in § 229 Abs. 6 SGB VI, die eine bis dahin bestehende Befreiung der Existenzgründer mit Wirkung ab 01.08.2004 beendete. Aus den dargestellten Gründen ist dies im Hinblick auf die Funktion und die Höhe des Existenzgründerzuschusses, der nicht nur der Befriedigung des laufenden Lebensunterhaltes, sondern auch der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes bei Erwerbsminderung und der Altersvorsorge dient, vernünftig und verfassungsrechtlich unbedenklich.

Aus im Wesentlichen den selben Erwägungen ist auch die Rechtssetzungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Eine verfassungsrechtliche Einrichtungsgarantie in Form der Schaffung individuell "passender" Vorschriften sozialrechtlicher Art existiert im Übrigen nicht. Eine solche Vorgabe würde im Übrigen den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im nicht begründbaren Umfang einschränken (BVerfGE 89, 365, 376). Im Hinblick auf den in der Regel von der Förderung begünstigten Personenkreis war der Gesetzgeber auch nicht gehalten, Befreiungsmöglichkeiten für Existenzgründer vorzusehen, die schon - wie es die Klägerin für sich in Anspruch nimmt - privat in ausreichender Form anderweitig Vorsorge getroffen haben. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 421 l SGB III gemäß Abs. 5 dieser Vorschrift als Erprobungsreglung ausgestaltet war, da man die Wirkungsweise dieses völlig neuen Förderungsinstrumentes zeitnah überprüfen wollte. Im Übrigen war beabsichtigt, das Überbrückungsgeld und den Existenzgründerzuschuss zu einem späteren Zeitpunkt zu einem einheitlichen Instrument der Förderung von Existenzgründung aus Arbeitslosigkeit zusammenzuführen (vgl. BT-Drucksache 16/109, Seite 7 zu Nr. 20). Dies hat der Gesetzgeber mittlerweile aufgegriffen und mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (Bundesgesetzblatt I, 1706 ff.) mit dem Gründungszuschuss eine völlig neue Konzeption der Förderung selbständiger Tätigkeiten geschaffen. Gerade dies verdeutlicht, dass der Gesetzgeber im Interesse der Gemeinschaft der Versicherten flexibel auf arbeitsmarktpolitische Entwicklungen im Rahmen des Finanzierbaren reagiert und das Interesse des Einzelnen am Fortbestand bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten gegebenenfalls zurückstehen muss (vgl. BSG, SozR 4 - 4300, § 27 Nr. 1).

Aus alledem ist die Berufung zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung zugunsten der Klägerin oder eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 GG) sind nach Ansicht des Senats aus den dargelegten Gründen nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

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