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L 5 R 19/06

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwerrente. Umstritten ist dabei insbesondere, ob zwischen dem Kläger und der Versicherten eine sog. Versorgungsehe im Sinne des § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestanden hat.

Der am 29. März 1921 geborene Kläger ist Witwer der am 11. September 1923 geborenen und am 28. August 2003 verstorbenen Versicherten … geborene … Die Ehe mit der Versicherten wurde am 10. Juli 2003 vor der Standesbeamtin in Münster, Landkreis Darmstadt-Dieburg, geschlossen. Es handelte sich für beide Eheleute um die zweite Eheschließung.

Die Versicherte war römisch-katholischen Glaubens. Ihre erste Ehe mit dem am 11. Juli 1914 geborenen und Anfang der 70er Jahre verstorbenen Elektroinstallateur ... wurde nach lediglich neunmonatiger Ehezeit im Januar 1952 geschieden. Die Versicherte war bis zu ihrem Tode polizeilich gemeldet in Frankfurt am Main ... Sie arbeitete bis zum 30. September 1983 als Chemotechnikerin bei der ... in Frankfurt am Main und bezog vom 1. Oktober 1983 bis zu ihrem Tode unter der Frankfurter Anschrift eine Altersrente aus der gesetzlichen Angestelltenversicherung.

Der Kläger ist ebenfalls römisch-katholischen Glaubens. Er war in erster Ehe mit der am 18. Dezember 1942 geborenen … verheiratet. Die Ehe wurde standesamtlich am 18. Dezember 1973 und katholisch-kirchlich am 29. März 1978 geschlossen. Aus der Ehe ging der im Jahre 1974 geborene Sohn … hervor. Die Eheleute lebten seit 1985 in Trennung. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Dieburg vom 4. Januar 1989 rechtskräftig geschieden. Der Kläger arbeitete bis zur Pensionierung als Lehrer im kirchlichen Dienst und lebte zunächst in Eppertshausen. Er bezieht seit dem 1. April 1987 eine Altersrente aus der gesetzlichen Angestelltenversicherung nebst Zusatzversorgung aus der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Köln.

Ende 1987 lernten sich die Versicherte und der Kläger über eine vom Kläger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufgegebene Heiratsanzeige kennen. Nach Angaben des Klägers führten die Versicherte und der Kläger seit dem 29. März 1988 (dem Geburtstag des Klägers) einen gemeinsamen Haushalt und nutzten die Frankfurter Wohnung der Versicherten fortan als Zweitwohnung. Ab 29. November 1993 waren die Versicherte und der Kläger mit einer gemeinsamen Wohnung in Münster … gemeldet.

Nach Angaben des Klägers kam es zwischen ihm und der Versicherten zunächst nicht zu einer Eheschließung, weil er sich als Katholik wegen des aus kirchenrechtlicher Sicht auch nach erfolgter Scheidung unveränderten Fortbestehens der ersten Ehe an der Eingehung einer neuen Ehe gehindert sah. Ein nach der Ehescheidung beim kirchlichen Ehegericht gestellter Antrag auf kirchenrechtliche Annullierung der ersten Ehe wurde vom Kläger nach einiger Zeit nicht mehr weiterverfolgt.

Die Versicherte und der Kläger lebten in der Folgezeit „wie Mann und Frau“ zusammen mit dem Sohn des Klägers aus erster Ehe in einem gemeinsamen Haushalt.

Im März 2003 begab sich die Versicherte wegen Oberbauchbeschwerden in ärztliche Behandlung. Der Internist Dr. med. ... diagnostizierte im Untersuchungsbericht vom 4. März 2003 (Bl. 85 RA) nach Durchführung einer Abdomensonographie eine Cholecystolithiasis und äußerte den Verdacht auf eine Gallenabflussstörung im Bereich des linken Leberlappens. Nach Durchführung einer Computertomographie des Ober- und Mittelbauchs am 27. März 2003 gelangte der Radiologe Dr. med. ... im Untersuchungsbericht vom 28. März 2003 (Bl. 83 RA) zu dem Ergebnis, dass bei der Versicherten im Bereich des linken Leberlappens eine abklärungsbedürftige Raumforderung gegeben sei. Nach Ausschluss eines Darmtumors (Untersuchungsbericht des Internisten Dr. med. ... vom 14. Mai 2003, Bl. 82 RA) befand sich die Versicherte vom 20. Mai 2003 bis zum 23. Mai 2003 in stationärer Behandlung der Onkologischen Station des Krankenhauses Bethanien, Frankfurt am Main. Im Untersuchungsbericht vom 27. Mai 2003 (Bl. 80 RA) äußerte der Arzt für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Priv.-Doz. Dr. med. ... nach Durchführung einer Leberbiopsie den dringenden Verdacht auf das Vorliegen eines Gallengangkarzinoms. Nachfolgend befand sich die Versicherte vom 26. Mai 2003 bis zum 5. Juni 2003 zur stationären Diagnostik im Bürgerhospital Frankfurt am Main. Im Untersuchungsbericht vom 4. Juni 2003 (Bl. 76 RA) äußerte Prof. Dr. med. ... nach Durchführung einer endoskopisch retrograden Cholangio-Pankreatiko-Graphie (ERCP- Darstellung der Gallengänge, der Gallenblase und des Bauchspeichel-Drüsengang-Systems) mit Papillotomie und Stentimplantation in das rechtsseitige Gallengangssystem den Verdacht auf das Vorliegen eines sog. Klatskin-Tumors mit 3 cm langer höchstgradiger Stenose im Bereich der Hepaticusgabel. Die Versicherte wurde zur Schmerztherapie mit Morphinsulfat versorgt und zunächst in die hausärztliche Betreuung entlassen. In der Zeit vom 12. Juni 2003 bis zum 16. Juni 2003 befand die Versicherte sich sodann zur Einleitung einer Chemotherapie erneut in stationärer Behandlung der Onkologischen Station des Krankenhauses Bethanien. Im Behandlungsbericht vom 19. Juni 2003 (Bl. 73 RA) vermerkte der Arzt für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Prof. Dr. med. ..., dass die Versicherte sich in reduziertem Allgemeinzustand befunden und über Übelkeit und Appetitlosigkeit geklagt habe. Wenige Tage nach der Entlassung wurde die Versicherte am 20. Juni 2003 „notfallmäßig wegen seit 2 Tagen bestehender Übelkeit mit Erbrechen und seit einem Tag wässrigen Diarrhöen“ erneut im Krankenhaus Bethanien aufgenommen und dort bis zum 1. Juli 2003 stationär behandelt. Im Behandlungsbericht vom 11. Juli 2003 (Bl. 70 RA) attestierte der Arzt für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Priv.-Doz Dr. med. ... eine „allgemeine Hinfälligkeit“ und vermerkte, dass eine symptomatische Therapie zur Stabilisierung durchgeführt worden sei. Abschließend vermerkte er im Bericht an den Hausarzt: „Die Prognose ist leider mit sehr großer Zurückhaltung zu stellen.“

Nachdem der Kläger am 30. Juni 2003 das Aufgebot bestellt hatte, schlossen die Versicherte und der Kläger am 10. Juli 2003 sodann vor der Standesbeamtin in Münster, Landkreis Darmstadt-Dieburg, die Ehe. Anlässlich der Eheschließung waren außer dem Brautpaar weder Trauzeugen noch Gäste anwesend. Eine Hochzeitsfeier fand nicht statt.

In der Zeit vom 14. Juli 2003 bis zum 30. Juli 2003 befand sich die Versicherte zur Weiterführung der Chemotherapie erneut in stationärer Behandlung der Onkologischen Station des Krankenhauses Bethanien. Der Arzt für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Dr. med ... vermerkte im Behandlungsbericht vom 4. August 2003 (Bl. 66 RA), dass „unter den Zeichen einer klinischen (Tumor-) Progredienz“ der Versuch einer „palliativen Polychemotherapie in reduzierter Dosis“ eingeleitet worden sei. Es handele sich um eine „insgesamt prognostisch infauste Situation.“

Die Versicherte wurde am 12. August 2003 „wegen allgemeiner Hinfälligkeit mit Erbrechen, Opstipation und starken Schmerzen im rechten Oberbauch“ erneut in die Onkologische Station des Krankenhauses Bethanien aufgenommen und erlag laut Behandlungsbericht des Arztes für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Priv.-Doz. Dr. med. ... vom 8. September 2003 (Bl. 66 RA) nach zunehmender Eintrübung schließlich am 27. August 2003 ihrem inkurablen Tumorleiden. Eine Sektion wurde nicht durchgeführt.

Am 4. September 2003 beantragte der Kläger sodann bei der Beklagten die Gewährung von Witwerrente. Er legte eine Bescheinigung des Gemeindepfarrers … (Katholische Pfarrgemeinde St. Michael, Münster) vom 29. September 2003 (Bl. 55 RA) sowie ein Attest seines Hausarztes Dr. med. ... vom 21 Oktober 2003 (Bl. 58 RA) nebst weiteren Krankenunterlagen vor und gab an, dass die Versicherte „plötzlich und unvermutet gestorben“ sei und dass „die tödlichen Folgen einer Krankheit ... bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten“ gewesen seien.

Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes … vom 3. März 2004 (Bl. 87 RA) ein und lehnte den Rentenantrag sodann durch Bescheid vom 10. März 2004 und Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2004 mit der Begründung ab, dass bei einer Ehedauer von unter einem Jahr nach der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI grundsätzlich vom Bestehen einer sog. Versorgungsehe auszugehen sei. Diese gesetzliche Vermutung sei vorliegend nicht widerlegt worden. Nach den vorgelegten Krankenunterlagen habe bei der Versicherten bereits im Mai 2003 ein fortgeschrittenes Tumorleiden mit bekannt schlechter Prognose bestanden. Die eingeleitete Chemotherapie habe lediglich der Beschwerdelinderung gedient und keinen heilenden Ansatz gehabt.

Der Kläger erhob daraufhin am 28. Oktober 2004 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt. Er behauptete, dass zwischen ihm und der Versicherten bereits von Anfang ernsthafte Heiratsabsichten bestanden hätten. Wegen des kirchenrechtlichen Ehehindernisses habe man den Gang zum Standesamt dann aber zunächst immer wieder hinausgeschoben. Am 11. September 1988, dem Geburtstag der Versicherten, hätten sie jedoch zum Zeichen, dass sie zueinander stehen, in ihrer Wohnung die zuvor vom katholischen Pfarrer … gesegneten Eheringe ausgetauscht. Dieser Ringtausch sei unter den Voraussetzungen des sog. Privilegium Paulinum erfolgt, welches zum Entstehen eines sog. Matrimonium naturale, einer in kirchenrechtlichem Sinne voll gültigen Ehe geführt habe. In glaubensrechtlicher Hinsicht seien die Angelegenheiten damit dann sozusagen bereits seit 1988 vollzogen gewesen, und man habe hinsichtlich des Eingehens der Zivilehe keine Eile verspürt, zumal man sich ohnehin einig gewesen sei. Man habe dann schließlich vorgehabt, am 11. September 2003, dem 80. Geburtstag der Versicherten, die Ziviltrauung vornehmen zu lassen und den Tag groß zu feiern. Wegen der Erkrankung der Versicherten habe man den Termin beim Standesamt schließlich aber vorgezogen, um dem Kläger als Ehemann bessere Auskunftsrechte gegenüber den behandelnden Ärzten zu verschaffen. Man sei bei der Eheschließung davon ausgegangen, dass die Versicherte noch länger am Leben sein werde.

Die Beklagte berief sich demgegenüber weiter darauf, dass die gesetzliche Vermutung für das Bestehen einer sog. Versorgungsehe nicht widerlegt sei.

Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Pfarrers, … des Pfarrers, … des Rentners, … der Rentnerin, … des Industriekaufmanns … sowie des Architekten … als Zeugen. Wegen des Gegenstands sowie wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 29. November 2005.

Durch Urteil vom 29. November 2005 hat das Sozialgericht die Beklagte sodann unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 4. September 2003 eine Witwerrente aus der Versicherung der I. Z. in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die für die Annahme einer sog. Versorgungsehe bestehende gesetzliche Vermutung im vorliegenden Fall zur vollen Überzeugung der Kammer widerlegt sei. Aus der Gesamtabwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten folge, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat des Klägers mit der Versicherten gewesen sei, dem hinterbliebenen Kläger eine Versorgung zu verschaffen.

Gegen eine Versorgungsehe sprächen zunächst die sich hier ergebenden finanziellen Aspekte. Aus Sicht der Kammer seien diese generell geeignet, die Rechtsvermutung der sog. Versorgungsehe zu widerlegen. Der Kläger habe im Zeitpunkt des Todes der Versicherten über eigene Rentenleistungen in Höhe von insgesamt 1.664,49 Euro, mithin über eine ausreichende und auch nicht unerhebliche eigene Versorgungsleistung verfügt. Zwar werde sich der Kläger bei Hinzutritt der Witwerrente nach Einkommensanrechnung wirtschaftlich um ca. 418,00 Euro monatlich besser stehen. Die alleinige finanzielle Verbesserung sei jedoch jedenfalls dann kein Indiz für eine sog. Versorgungsehe, wenn - wie hier - bereits aufgrund der tatsächlichen Höhe der Renten des Hinterbliebenen aus eigener Versicherung von einer ausreichenden Versorgung auszugehen sei. Diese Auslegung folge aus dem Begriff der „Versorgungsehe“ selbst. Versorgt zu werden brauche nämlich gerade derjenige nicht, der sich bereits mit eigenen Einkünften selbst versorgen könne. Dass dem Kläger und der Versicherten Geldangelegenheiten nicht wichtig waren, habe der Kläger auch im Kammertermin glaubhaft dargetan. Danach hätten beide ihre finanziellen Angelegenheiten eigenständig und unabhängig voneinander verwaltet. Der Kläger habe offenbar bis zum Tod der Versicherten noch nicht einmal Kenntnis von deren Rentenhöhe gehabt. Wechselseitig sei auch kein Testament mit jeweils Erbeinsetzung des anderen verfügt worden.

Neben diesen finanziellen Aspekten sprächen vorliegend aber auch noch weitere Ge-sichtspunkte gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe: Der Kläger habe von Anfang an eingehend und widerspruchsfrei vorgetragen, dass zu der Versicherten seit 1988 eine Beziehung bestanden habe. Am Geburtstag der Versicherten, dem 11. September 1988, hätten sie Ringe getauscht, um das gegenseitige Zueinanderstehen zum Ausdruck zu bringen. Das Paar habe seit März 1988 ehegleich zusammengelebt. Zu dieser Zeit habe der damals 13jährige Sohn des Klägers aus erster Ehe noch mit ihnen zusammen gelebt. Die Versicherte habe sich sonach auch der Erziehung dieses Kindes gewidmet. Für die Kammer sei dies ein wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Beziehung zwischen dem Kläger und der Versicherten.

Ebenso objektiv nachvollziehbar sei die Religiosität des Klägers und der Versicherten, die einer früheren Eheschließung entgegengestanden habe. Der Kläger selbst sei unter anderem studierter Theologe. Für ihn und die Versicherte sei der katholische Glaube von äußerster Wichtigkeit. Aus dem tiefen Glauben des Paares, der auch durch die Bekundungen der Zeugen Pfarrer … und Pfarrer … bestätigt worden sei, lasse sich ein objektivierbares Indiz gewinnen, das gegen die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe spreche. Offenbar hätten beide darunter gelitten, das vor Gott mit der ersten Heirat gegebene Versprechen durch die Scheidung gebrochen zu haben. Während der frühere Ehemann der Versicherten bereits verstorben war, habe das kirchenrechtliche Band des Klägers zu seiner ersten Frau noch bestanden. Dieses kirchenrechtliche Band habe jedenfalls ihn noch gehindert, die emotionale und ehegleiche Beziehung zu der Versicherten durch Heirat zu legalisieren. Aus den Angaben des Klägers werde deutlich, dass er sich letztlich dem Wunsch der Versicherten nach Eheschließung gebeugt habe. Offenbar sei eine Heirat von ihr bereits seit langem gewollt gewesen. Das Paar habe sich als Datum für die Hochzeit auf den Tag des 80. Geburtstages der Versicherten geeinigt. Dass die Eheschließung tatsächlich eher erfolgt sei, liege in der Krankheit der Versicherten begründet. Der Kläger habe glaubhaft und auch nachvollziehbar dargetan, dass er die Beziehung (eher) legalisieren wollte, um von Ärzten - auch im Krankenhaus - Auskunft über die Erkrankung der Versicherten zu erhalten. In Ansehung des bevorstehenden Todes hätten beide über diesen Grund hinaus das Bedürfnis gehabt, ihre Beziehung noch zu legalisieren. Die Eheschließung am 10. Juli 2003 - wenn auch in der Endphase des Lebens der Versicherten - stelle sich zur Überzeugung der Kammer nach alledem als konsequente Verwirklichung eines seit langem bestehenden Heiratsentschlusses dar. Dafür, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sein könne, dem Kläger nach der bereits im September 1988 im Zweierverhältnis durch Ringtausch besiegelten Verbindung nun noch durch formelle Legalisierung eine Versorgung zu verschaffen, ließen sich keine Anhaltspunkte finden.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Dezember 2005 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 19. Januar 2006 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, dass die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe nicht widerlegt sei. Dass der Kläger in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt auch ohne den Erhalt einer Witwenrente aus eigenen Einkünften zu bestreiten, stehe der Annahme einer sog. Versorgungsehe nicht entgegen. Ein Indiz gegen eine Versorgungsabsicht sei anzunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Situation des überlebenden Ehepartners durch die Eheschließung verschlechtere. Bei Gewährung einer Witwerrente würde sich im Falle des Klägers trotz Anrechnung dieser Leistung auf dessen eigene Altersversorgung jedoch eine wirtschaftliche Besserstellung ergeben. Zwar könne die Ernsthaftigkeit der etwa 15jährigen Beziehung zwischen dem Kläger und der Versicherten nicht in Zweifel gezogen werden. Dieser Umstand spreche jedoch nicht gegen die Absicht einer sog. Versorgungsehe, sondern unterstreiche vielmehr die Rechtsvermutung, dass es zumindest überwiegender Zweck der Eheschließung gewesen sei, dem Witwer eine verbesserte Versorgung zu verschaffen. Obwohl einer früheren Eheschließung objektiv nichts entgegen gestanden habe, hätten der Kläger und die Versicherte sich erst nach Bekanntwerden von deren Tumorerkrankung zur standesamtlichen Trauung entschlossen. Für die Behauptung des Klägers, dass zuvor bereits seit langem eine Eheschließung am 80. Geburtstag der Versicherten geplant gewesen sei, lasse sich dem Akteninhalt und auch den Angaben der vor dem Sozialgericht befragten Zeugen konkret nichts entnehmen. Der Kläger könne auch nicht damit gehört werden, dass seine Religiosität beziehungsweise das wegen der Vorverheiratung bestehende kirchenrechtliche Ehehindernis einer früheren Eheschließung mit der Versicherten entgegengestanden habe. Dies sei nämlich zum Zeitpunkt der Eheschließung am 10. Juli 2003 unverändert so gewesen. Auch die vom Kläger gegebene Begründung, dass die Eheschließung erfolgt sei um sicherzustellen, dass die behandelnden Ärzte ihm gegenüber Auskünfte über den Gesundheitszustand der Versicherten erteilen, vermöge nicht zu überzeugen, weil den sich aus der ärztlichen Schweigepflicht ergebenden Problemen auch ohne zivilrechtliche Eheschließung durch die Formulierung einer entsprechenden Patientenverfügung zu begegnen gewesen sein würde. Dass erst im Zuge der Erkrankung der Versicherten eine kurzfristige Eheschließung ohne Gäste und ohne Feierlichkeiten erfolgt sei, spreche nicht gegen, sondern vielmehr für die Annahme einer sog. Versorgungsehe.

die Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht sich in seiner Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Kläger nochmals persönlich angehört und außerdem Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Sohnes als Zeugen. Wegen des Gegenstands sowie wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 2006.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der die Versicherte betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. November 2005 kann nicht aufrecht erhalten werden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2004 ist zu Recht ergangen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau, weil die gesetzliche Vermutung für das Bestehen einer sog. Versorgungsehe nicht widerlegt ist.

Für Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, besteht nach dem Tode des versicherten Ehegatten bei Erfüllung der in § 46 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) im Einzelnen genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen oder Witwer, deren Ehe nicht vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) allerdings keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 46 Abs. 1 oder 2 SGB VI, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Diese durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz <AVmEG>) vom 21. März 2001 (BGBI. I 2001, 403) eingefügte Regelung geht von der Annahme aus, dass der überlebende Ehegatte bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr in den meisten Fällen von seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Eheschließung noch keinen so großen Abstand genommen hat, dass er diese nicht nach dem Tod des anderen Ehegatten fortsetzen oder wieder aufnehmen oder sich eine selbstständige Lebensführung neu erarbeiten könnte. Es wird deshalb die (widerlegbare) gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass die Heirat bei kurzer (weniger als einjähriger) Ehedauer in erster Linie der Versorgung des überlebenden Ehegatten diente und dass somit eine sog. Versorgungsehe vorliegt.

Nachdem ähnliche Regelungen in anderen Bereichen (in der Unfallversicherung: § 595 Reichsversicherungsordnung <RVO> beziehungsweise § 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch <SGB Vll>; in der Kriegsopferversorgung: § 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz <BVG>; in der Beamtenversorgung: § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz <BeamtVG>) schon seit vielen Jahren bestanden, war es die Absicht des Gesetzgebers, insoweit für alle Bereiche des Sozialrechts eine einheitliche Regelung zu schaffen (vgl. Bundestags-Drucksache 14/4595, S. 44). Dass der Ausschluss einer Hinterbliebenenrente bei Vorliegen einer sog. Versorgungsehe auch in Ansehung des durch Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierten besonderen Schutzes der Ehe verfassungsgemäß ist, ist bereits höchstrichterlich entschieden und hinreichend geklärt (vgl. BSG vom 23. September 1997 - 2 BU 176/97 = HVBG-INFO 1998, 621-622; mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe folgt einer typisierenden Betrachtungsweise und hat in erster Linie den Zweck, den Leistungsträger in jedem Einzelfall einer unter Umständen schwierigen Motivforschung mit aufwändigen Ermittlungen im Bereich der privaten Lebensführung und der allerpersönlichsten Intimsphäre des verstorbenen Ehegatten und des Hinterbliebenen zu entheben (vgl. BVerwGE 34, 149, 153). Da es sich um eine widerlegbare Vermutung handelt, besteht andererseits jedoch für die Anspruchsteller die Möglichkeit, unter Hinweis auf die „besonderen Umstände“ den Nachweis zu führen, dass die Annahme einer sog. Versorgungsehe in ihrem Falle gerade nicht gerechtfertigt erscheint. Die Vermutung ist nur dann widerlegt, wenn die Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergibt, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe beziehungsweise dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen (vgl. BSG vom 28. März 1973 - 5 RKnU 11/71 = BSGE 35, 272 = SozR Nr. 2 zu § 594 RVO). Um die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, ist gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis des Gegenteils zu erbringen. Dies ändert zwar nichts an der sich aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ergebenden Amtsermittlungspflicht der Beklagten, führt im Ergebnis jedoch dazu, dass die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nach dem Grundsatz der sog. objektiven Beweislast von den Anspruchstellern zu tragen sind.

Wird geltend gemacht, dass entgegen der gesetzlichen Vermutung keine Versorgungsehe vorgelegen habe, so ist anhand aller Einzelumstände des gegebenen Falles zu prüfen, welche Gesichtspunkte für oder gegen den vom Gesetz zunächst allein im Hinblick auf die kurze Ehedauer vermuteten Versorgungszweck der Ehe sprechen. Hinsichtlich des in § 46 Abs. 2a SGB VI verwendeten sog. unbestimmten Rechtsbegriffs der „besonderen Umstände“ besteht dabei für den Rentenversicherungsträger ein Beurteilungsspielraum, welcher in vollem Umfang der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSGE 60, 204, 206).

Anknüpfungspunkte für die Einzelfallbetrachtung sind zunächst das Lebensalter des verstorbenen Ehegatten sowie die Ursachen, die zu dessen Tod führten. Erfolgte die Eheschließung „in jungen Jahren“, so spricht im Hinblick auf die statistische Lebenserwartung des Ehegatten auf den ersten Blick eher weniger für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe, als wenn die Ehe erst in relativ hohem Lebensalter eingegangen worden ist. Handelte es sich bei der Todesursache um ein unvorhergesehenes Ereignis (z.B. Tod durch Verbrechen, Unfall beziehungsweise nicht vorhersehbare Krankheit wie plötzlichen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Infekt), so deutet dies weniger auf den Versorgungscharakter einer Ehe hin, als wenn im Hinblick auf eine bereits länger bestehende Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem alsbaldigen Tod des Ehegatten gerechnet werden musste.

Allgemeine Gesichtspunkte, wie sie in mehr oder weniger starker Ausprägung nahezu bei jeder Eheschließung als Motiv eine Rolle spielen können, rechtfertigen für sich genommen noch nicht die Annahme von „besonderen Umständen“ im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI. Um die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen, reicht es deshalb nicht aus, wenn allein der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen, das Bedürfnis, sich zum Ehepartner zu bekennen oder vergleichbare Beweggründe ausschlaggebend für die Eheschließung gewesen sind (vgl. Bayerisches Landessozialgericht vom 25. Januar 1972- L 8 V 202/71). Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob bei einer Gesamtschau der zur Eheschließung führenden Motive zumindest für einen der beiden Ehegatten die vom Gesetz hinsichtlich der Eheschließung widerlegbar vermutete Versorgungsabsicht erkennbar keine beziehungsweise jedenfalls nicht die überwiegende Rolle gespielt hat (vgl. BSGE 35, 272, 274).

Im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung kann dabei hinsichtlich der Auslegung, wann „besondere Umstände“ gegeben sind, die eine Versorgungsehe widerlegen, weitgehend auf die zur gleichen Fragestellung in der Unfallversicherung, in der Kriegsopferversorgung und in der Beamtenversorgung entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (so auch Kamrad in Hauck/Noftz, § 46 SGB VI Rdnr. 38; Gürtner in Kasseler Kommentar, § 46 SGB VI Rdnr. 46 c).

Danach liegt eine Versorgungsehe zum Beispiel dann nicht vor, wenn ausländische Ehegatten, deren Ehe in Deutschland nicht anerkannt wird und die bereits mehrere Jahre als Eheleute miteinander gelebt haben, die Trauung in Deutschland nachholen. Das möglicherweise mitverfolgte Ziel einer Versorgung tritt in einem solchen Fall hinter den Wunsch nach Legitimation der bereits bestehenden Lebensgemeinschaft zurück (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 20. Oktober 1975 in Breithaupt, 1975, 316 ff.). Einen ähnlichen Gesichtspunkt hat der Kläger im vorliegenden Fall mit dem Hinweis darauf angesprochen, dass zwischen ihm und der Versicherten bereits lange vor der standesamtlichen Trauung durch den im Jahre 1988 vollzogenen Tausch der Ringe ein sog. Matrimonium naturale nach den kirchenrechtlichen Regeln des Privilegium Paulinum begründet worden sei, welches dann durch die standesamtliche Trauung im Jahre 2003 gewissermaßen nur noch seine zivilrechtliche Bestätigung erfahren habe. Das Vorbringen des Klägers, dass der katholische Pfarrer im Jahre 1988 die in seinem Beisein ausgetauschten Ringe gesegnet habe, ist von diesem anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Sozialgericht indes nicht bestätigt worden. Abgesehen von diesem im Tatsächlichen angesiedelten Beweismangel kann aber auch nicht übersehen werden, dass das katholische Kirchenrecht (vgl. hinsichtlich des Gesetzestextes: Codex luris Canonici online = http://www.codex-iuris-canonici.de) eine Eheschließung in der vom Kläger angedeuteten Weise nicht kennt.

Anknüpfend an das Wort Jesu „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“ (Markus 10, 9 und Matthäus 19, 6) gehört die Unauflöslichkeit der Ehe nach Überzeugung der katholischen Kirche zu den Wesenseigenschaften einer jeden Ehe (vgl. c. 1056). Eine Ehescheidung, die heute in den meisten weltlichen Ehegesetzen vorgesehen ist, widerspricht diesem katholischen Grundverständnis von Ehe als einer lebenslangen Gemeinschaft von Mann und Frau. In kirchenrechtlicher Hinsicht besteht deshalb im Falle der Vorverheiratung trotz zivilrechtlicher Ehescheidung die ursprüngliche Ehe fort (c. 1141: „Die gültige und vollzogene Ehe kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden.“) und stellt ein sog. Ehehindernis für die Eingehung einer neuen Ehe dar. Ausnahmsweise ermöglicht der Codex luris Canonici (CIC) im Rahmen des sog. Nichtvollzugsverfahrens (vgl. cc. 1697-1706) die Auflösung eines solchen bestehenden Ehebandes für den Fall, dass eine christliche beziehungsweise halbchristliche Ehe noch nicht auf menschenwürdige Weise geschlechtlich vollzogen worden ist (vgl. c. 1061 § 1).

Eine weitere Möglichkeit zur Auflösung einer nach kanonischem Recht gültigen Ehe bietet das vom Kläger angesprochene sog. Privilegium Paulinum, nach dessen Grundsätzen (cc. 1143-1150) auch eine Ehe zwischen Ungetauften (sog. Naturehe - Matrimonium naturale) aufgelöst werden kann, wenn einer der beiden Partner die Taufe empfängt und das Festhalten an der Ehe zu einer Gefahr für den Glauben des Neugetauften wird. Dieses sog. Paulinische Privileg beruht auf den Ausführungen des Apostels Paulus, der im Ersten Brief an die Korinther (1. Kor 7, 12-15) den Fall erörtert, dass in einer halbchristlichen Ehe der Ungetaufte die Ehe nicht länger aufrecht erhalten möchte. Werde der getaufte Partner verlassen, so müsse sich der Verlassene selbst nicht länger als gebunden betrachten. Aus dieser Forderung des Apostels hat die katholische Kirche das Rechtsinstitut des Privilegium Paulinum entwickelt, wonach eine unter Nichtchristen geschlossene Ehe aufgelöst werden kann, wenn nur einer der Partner die Taufe empfängt und der andere zu einem weiteren Zusammenleben nicht bereit ist oder zumindest das Glaubensleben des Neugetauften nicht respektiert. Entschließt sich sodann der Getaufte zur Heirat mit einem Katholiken, so hat er einen Rechtsanspruch auf die neue Eheschließung (vgl. c. 1146). Wird dagegen ein nichtkatholischer Partner gewählt, muss der Ortsordinarius die Erlaubnis erteilen (vgl. c. 1147). Die Auflösung der früheren Ehe erfolgt in beiden Fällen zum Zeitpunkt der neuen Eheschließung.

Die hinsichtlich der Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Versicherten gegebene Fallkonstellation hat mit dieser nach kanonischem Recht gegebenen Möglichkeit zur Überwindung des Ehehindernisses der Vorverheiratung jedoch nicht im Entferntesten etwas zu tun. Die Begriffe „Matrimonium naturale“ und „Privilegium Paulinum“ beziehen sich auf die Auflösung einer bestehenden, nicht jedoch auf das Zustandekommen einer neuen Ehe. Unter Berufung auf diese Rechtsinstitute kann zwar ein aus katholischer Sicht bestehendes Ehehindernis beseitigt, nicht aber eine nach kanonischem Recht gültige neue Ehe begründet werden. Nachdem der Kläger selbst eingeräumt hat, dass er seinen beim kirchlichen Ehegericht gestellten Antrag auf Annullierung der ersten Ehe letztlich nicht weiterverfolgt habe, ergeben sich zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der im Jahre 2003 erfolgten standesamtlichen Trauung lediglich um die zivilrechtliche Bekräftigung einer nach kanonischem Recht bereits viele Jahre gültigen Ehe gehandelt haben könnte.

Allein der Umstand, dass der Kläger und die Versicherte nach außen erkennbar über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen gelebt haben, kann sowohl ein Indiz für als auch gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sein. Dass die Partner über einen so langen Zeitraum zusammengelebt haben, ohne nachweisbare Vorbereitungen für eine Eheschließung zu treffen, ist ganz offenkundig nicht geeignet, das Bestehen einer vorherigen Heiratsabsicht zu beweisen. Ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger und die Versicherte sich bereits im Jahre 1988, also noch bevor die erste Ehe des Klägers rechtsgültig geschieden war, durch einen Ringtausch „zu einander bekannt“ haben mögen, stand einer erneuten Eheschließung des Klägers nach kanonischem Recht dessen Vorverheiratung als Ehehindernis entgegen. An dieses kirchenrechtliche Eheverbot fühlte der Kläger sich seinem glaubhaften Vorbringen zufolge gebunden. Es ist mithin nicht nur denkbar, dass das Zusammenleben ohne Eheschließung seitens des Klägers und der Versicherten als gewählte Lebensform für ausreichend erachtet wurde, sondern zugleich auch einleuchtend, dass dies überhaupt die einzige Form der Lebensgemeinschaft war, die der Kläger zu Lebzeiten seiner geschiedenen ersten Ehefrau in Ansehung des für ihn bindenden kirchenrechtlichen Ehehindernisses eingehen konnte. Zwar ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die Frage einer standesamtlichen Eheschließung zwischen dem Kläger und der Versicherten über die gesamte Zeit ihres Zusammenlebens „immer wieder ein Thema“ gewesen sein dürfte. So hat der Kläger glaubhaft bekundet, dass man sich auf dem Standesamt über die bei einer Eheschließung einzuhaltenden Formalien erkundigt und die Auskunft erhalten habe, dass eine Eheschließung auch dann noch gültig sei, wenn das Ja-Wort gewissermaßen das letzte Wort auf dem Sterbebett sei. Man habe dann in der Folgezeit immer die Papiere für eine Eheschließung bereit gehalten. Fest steht andererseits aber eben auch, dass der Kläger und die Versicherte den Gang zum Standesamt dann eben letztlich doch immer wieder aufgeschoben haben, dass die Versicherte bis zu ihrem Tode (zumindest auch) unter ihrer früheren Wohnung in Frankfurt am Main polizeilich gemeldet gewesen ist und dass sie ihre Altersrente aus der gesetzlichen Angestellenversicherung bis zum Tode unter der Frankfurter Anschrift bezogen hat. Die Behauptung des Klägers, dass man sich schließlich irgendwann vorgenommen habe, die standesamtliche Ehe am 80. Geburtstag der Versicherten (am 11. September 2003) einzugehen, ist trotz der durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme im Ergebnis unbewiesen geblieben. In gleicher Weise bleibt es nach wie vor ungeklärt, weshalb die über Jahre hinweg für ausreichend gehaltene Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Versicherten - trotz des nach wie vor bestehenden kirchenrechtlichen Ehehindernisses - gerade dann als standesamtliche Ehe rechtlich abgesichert worden ist, als mit ihrem baldigen Ende gerechnet werden musste.

„Besondere Umstände“, die eine sog. Versorgungsehe widerlegen, können nach den in der Rechtsprechung bisher entwickelten Kriterien auch dann bejaht werden, wenn die Eheschließung im Zusammenhang mit der Erziehung gemeinsamer Kinder oder Stiefkinder beziehungsweise einer Schwangerschaft erfolgt (vgl. OVG Hamburg in DÖV 1960, 842). Der Wunsch nach Legitimierung der Verhältnisse im Rahmen eines familienhaften Zusammenlebens kann dabei ebenso wie auch die Sicherung der Betreuung von minderjährigen (Stief-) Kindern durch den Hinterbliebenen im Falle des Todes eines der Lebenspartner ein nachvollziehbares und anerkennenswertes Motiv für eine Eheschließung sein, welches den Versorgungscharakter der Ehe in den Hintergrund treten lässt. Eine derartige Fallkonstellation kann vorliegend indes nicht bejaht werden. Zwar lebte zum Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft zwischen dem Kläger und der Versicherten in deren gemeinsamen Haushalt auch noch dessen damals etwa 13jähriger Sohn aus erster Ehe. Der als Zeuge gehörte Sohn hat anlässlich seiner im Berufungsverfahren durchgeführten Vernehmung jedoch ausdrücklich bekundet, dass er bereits im Jahre 1996 (im Alter von 22 Jahren) zu Hause ausgezogen sei und fortan eine eigene Wohnung unterhalten habe. Ein Zusammenhang zwischen der im Jahre 2003 erfolgten standesamtlichen Eheschließung und der Erziehung des Sohnes Ch.-G. Sch. lässt sich bei dieser Sachlage im vorliegenden Fall erkennbar nicht herstellen.

Entgegen der Beurteilung des Sozialgerichts wird die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe nicht durch den Umstand widerlegt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass die Vermutung nur bei Witwen beziehungsweise Witwern gelten soll, die ihrerseits keine eigene Versorgung haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe (im umgekehrten Sinne) nur dann als widerlegt angesehen werden kann, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Hinterbliebenen durch die Eheschließung (sogar noch) verschlechtert (vgl. LSG Schleswig-Holstein vom 11. November 1999- L 5 U 112/98). Wollte man auf die Bedarfssituation des Hinterbliebenen abstellen, so könnte die anspruchsvernichtende Vermutung für das Bestehen einer Versorgungsehe jedenfalls vom finanziell anderweitig abgesicherten Hinterbliebenen regelmäßig widerlegt werden, wohingegen der finanziell bedürftige Hinterbliebene sich in aller Regel entgegenhalten lassen müsste, dass wegen seiner Bedarfssituation kein Rentenanspruch bestehe. Dies würde das widersinnige Ergebnis nach sich ziehen, dass die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI letztlich nur in den Fällen des offenkundigen Versorgungsbedarfs einem Anspruch auf Hinterbliebenenrente entgegenstünde. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es hingegen allein darauf an, dass mit der Eheschließung die Begründung eines Anspruchs auf Witwen-/Witwerrente verfolgt wird. Auch das Motiv, bei bereits ausreichender Versorgung des Hinterbliebenen durch die zusätzlich entstehende Witwen-/Witwerrente einen höheren Lebensunterhalt zu erhalten, stützt die Rechtsvermutung einer sog. Versorgungsehe. Ausgehend von welchem Versorgungsniveau des Hinterbliebenen als Ausgangspunkt dabei durch die Eheschließung der zusätzliche Versorgungsanspruch begründet wird, ist für das Versorgungsmotiv allenfalls in gradueller Hinsicht von Bedeutung. Dass ein solches Motiv bezogen auf die zwischen dem Kläger und der Versicherten geschlossene Ehe nicht vorliegt, ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen worden. Letztlich spricht die Tatsache der - bereits wenige Tage nach dem Ableben der Versicherten vollzogenen - Antragstellung selbst ebenso dagegen, wie die aktenkundige Nachfrage des Klägers vom 24. Februar 2004 (vgl. Bl. 64 RA), ob es „denn kein Sterbegeld“ gebe.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt eine sog. Versorgungsehe allerdings dann nicht vor, wenn im Zeitpunkt der Eheschließung die tödlichen Folgen einer Krankheit nicht vorhersehbar waren (BSG vom 3. September 1986- 9a RV 8/84 = BSGE 60, 204 = Breithaupt 1987, 498). Wenn die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung beziehungsweise Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Versicherten erfolgt, dann handelt es sich um eine sog. Pflegeehe, die jedenfalls dann nicht ohne weiteres mit einer sog. Versorgungsehe gleichgesetzt werden kann, wenn mit dem Ableben des Pflegebedürftigen auf absehbare Zeit nicht zu rechnen war (BSG vom 3. September 1986- 9a RV 8/84, a.a.O.). Das Bundessozialgericht begründet dies mit dem vorrangigen Wunsch eines Pflegebedürftigen, mit der Heirat seine persönliche Situation zu verbessern. Der zu Pflegende erlange mit der Eheschließung und der Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) unschätzbare Vorteile, da Ehegatten einander zu Beistand in allen Lebenslagen - so auch zu gegenseitiger Pflege - verpflichtet sind (vgl. Palandt / Diederichsen, BGB, 45. Aufl., § 1353 Anm. 2b dd; Wacke in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 1978 § 1353 Rdnrn. 3 und 26). Im Vergleich zu einer zur Verfügung stehenden fremden Pflegekraft unterliege die Pflege durch den Ehepartner keiner bestimmten zeitlichen Beschränkung mehr, sei auch in Notfällen rund um die Uhr sichergestellt und unterliege auch hinsichtlich der Aufgabenzuweisung keinen Begrenzungen. Bereits diese legitime Intention des Pflegebedürftigen genüge um zu widerlegen, dass alleiniger beziehungsweise überwiegender Zweck der Eheschließung die Hinterbliebenenversorgung war. Der Beweggrund des anderen (gesunden) Ehepartners ist in diesem Fall unbeachtlich.

Im vorliegenden Fall besteht zwar zwischen der spätestens Anfang Juni 2003 gesicherten Diagnose der Krebskrankheit (vgl. Untersuchungsbericht des Onkologen Prof. Dr. med. … vom 4. Juni 2003, Bl. 76 RA) bei der Versicherten und der nachfolgend am 10. Juli 2003 vollzogenen Eheschließung ein offenkundiger zeitlicher Zusammenhang. Der Kläger hat jedoch anlässlich seiner Anhörung im Erörterungstermin vom 8. Juni 2006 auch auf gezieltes Befragen hin dezidiert ausgeschlossen, dass die Ehe mit dem Ziel geschlossen worden sei, die Betreuung und Pflege der erkrankten Versicherten sicherzustellen. Da mithin noch nicht einmal behauptet worden ist, dass es sich bei der Ehe mit der Versicherten im Hinblick auf deren Krebserkrankung als „besonderem Umstand“ um eine sog. Pflegeehe im Sinne der soeben dargestellten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehandelt habe, bedarf es hierzu keiner weitergehenden Erwägungen. Das Vorbringen des Klägers, dass man sich anlässlich der Erkrankung der Versicherten zur standesamtlichen Ehe vor allem deshalb entschlossen habe, um ihm den rechtlichen Status eines Ehemannes und damit bessere Auskunftsrechte gegenüber den behandelnden Ärzten zu verschaffen, ist schon bereits deshalb nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe zu widerlegen, weil seinem durchaus verständlichen Auskunftsanliegen auch durch eine schlichte Patientenverfügung der Versicherten zu begegnen gewesen wäre. Auf diese Möglichkeit der Abgabe einer Patientenverfügung ist die Versicherte nach dem eigenen Vorbringen des Klägers auch ausdrücklich seitens der behandelnden Ärzte hingewiesen worden. Es bestand deshalb weder für den Kläger noch für die Versicherte eine Notwendigkeit, trotz des nach wie vor fortbestehenden kirchenrechtlichen Ehehindernisses allein zur Begründung weitergehender Auskunftsrechte gegenüber den behandelnden Ärzten durch eine standesamtliche Trauung ein eherechtliches Band zu knüpfen.

Bei verständiger Würdigung des vom Kläger vorgelegten medizinischen Berichtswesens kann zur Überzeugung des Senats im Übrigen auch nicht davon ausgegangen werden, dass die tödlichen Folgen der bei der Versicherten vorliegenden Krebserkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht vorhersehbar waren. Die Versicherte hat sich nach den vorliegenden Unterlagen erstmals im März 2003 (vgl. Untersuchungsbericht des Internisten Dr. med. … vom 4. März 2003, Bl. 85 RA) wegen zunächst unklarer Oberbauchbeschwerden in ärztliche Behandlung begeben und ist der sich manifestierenden Krebserkrankung schließlich am 27. August 2003 erlegen. Bereits dieser kurze Krankheitsverlauf belegt eindrucksvoll die Schwere ihrer Erkrankung. Nachdem der Radiologe Dr. med. ... im Untersuchungsbericht vom 28. März 2003 (Bl. 83 RA) bei der Versicherten eine abklärungsbedürftige Raumforderung im Bereich des linken Leberlappens diagnostiziert hatte, äußerte der Arzt für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Priv.-Doz. Dr. med. ... im Untersuchungsbericht vom 27. Mai 2003 (Bl. 80 RA) nach Durchführung einer Leberbiopsie den dringenden Verdacht auf das Vorliegen eines Gallengangkarzinoms, und bereits im Juni 2003 wurde die Versicherte zur Schmerztherapie mit Morphinsulfat versorgt (vgl. Untersuchungsbericht des Onkologen Prof. Dr. med. ... vom 4. Juni 2003, Bl. 76 RA) und zur Einleitung einer Chemotherapie stationär in die Onkologische Station des Krankenhauses Bethanien aufgenommen. Bereits im Behandlungsbericht vom 19. Juni 2003 (Bl. 73 RA) vermerkte der Arzt für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Prof. Dr. med. ... , dass die Versicherte sich in reduziertem Allgemeinzustand befunden und über Übelkeit und Appetitlosigkeit geklagt habe. Wenige Tage nach der Entlassung musste die Versicherte schließlich am 20. Juni 2003 „notfallmäßig wegen seit 2 Tagen bestehender Übelkeit mit Erbrechen und seit einem Tag wässrigen Diarrhöen“ erneut im Krankenhaus Bethanien aufgenommen und dort bis zum 1. Juli 2003 stationär behandelt werden. Die seitens des Klägers am 30. Juni 2003 veranlasste Anmeldung des Aufgebots bei der Standesbeamtin in Münster steht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der notfallmäßigen Behandlung der Klägerin, über deren Verlauf der Arzt für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie - Priv.-Doz. Dr. med. ... nachfolgend im Behandlungsbericht vom 11. Juli 2003 (Bl. 70 RA) vermerkt, dass eine symptomatische Therapie zur Stabilisierung durchgeführt worden und dass „die Prognose ... leider mit sehr großer Zurückhaltung zu stellen“ sei. Dem unvoreingenommenen Beobachter drängt es sich bei dieser Sachlage geradezu auf, dass die Ehe zwischen dem Kläger und der Versicherten bereits „im Angesicht des Todes“ geschlossen worden ist. Aufgrund welcher medizinischer Erwägungen der Hausarzt Dr. med. ... obwohl ihm bereits im Behandlungsbericht des Arztes für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie-  Dr. med. ... vom 4. August 2003 (Bl. 66 RA), mitgeteilt worden war, dass es sich um eine „insgesamt prognostisch infauste Situation“ handele- in dem vom Kläger vorgelegten Attest vom 21. Oktober 2003 bescheinigt hat, es sei zu erwarten gewesen, dass die Versicherte „noch einige Jahre leben würde“, ist bei verständiger Würdigung der vorliegenden Facharztberichte für den Senat nicht nachvollziehbar. Nach den Gesamtumständen spricht vielmehr alles dafür, dass sowohl dem Kläger als auch der Versicherten die Lebensbedrohlichkeit von deren Erkrankung durchaus bewusst gewesen und dass die Ehe - in Umsetzung der in früherer Zeit bei der Standesbeamtin in Münster eingeholten Auskünfte - in Kenntnis des unmittelbar bevorstehenden Todes der Versicherten dann schließlich „in aller Eile“ (ohne Trauzeugen, ohne Trauungsgäste, ohne besondere Feier und ohne Verlautbarung nach außen) geschlossen worden ist. Hierbei handelt es sich um ein moralisch zu billigendes und durchaus ehrenhaftes Motiv, aber eben gerade nicht um „besondere Umstände“, die geeignet sind, die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe zu widerlegen.

Die Berufung der Beklagten konnte damit im Ergebnis nicht ohne Erfolg bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

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