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L 6 R 211/07

Tatbestand

Streitig sind die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und ihre Verpflichtung zur Nachzahlung von Beiträgen.

Die am XX.XXXXXXX 1945 in Großbritannien geborene Klägerin britischer Staatsangehörigkeit hat seit 1982 ihren Wohnsitz in Deutschland. Sie meldete am 19. Februar 1999 mit Wirkung zum 1. Januar 1999 den Einzelhandel mit Wasser- und Luftaufbereitungsgeräten, Nahrungsergänzungsmitteln und anderen Produkten der N. AG -B. als Gewerbe an. Mit diesem Unternehmen hatte sie zuvor eine Vereinbarung über eine Tätigkeit als Vertragshändlerin getroffen. Die Vereinbarung sieht vor den Verkauf der Erzeugnisse der N. -Produktlinien (diese sind ..., ..., ... und andere Erzeugnisse) in der Bundesrepublik Deutschland durch die Klägerin an persönlich aufgesuchte private und gewerbliche Endabnehmer im Direktvertrieb unter Ausschluss aller anderen Formen des Einzelhandels sowie ihre Mitwirkung beim Aufbau und der Betreuung eines Verkaufsteams, das dem Verkauf der N. -Erzeugnisse im Direktvertrieb dient (so genannte Teamarbeit). In den Vertragsregeln ist unter Abschnitt A - Vertragszweck und Vertragsvoraussetzungen - Ziffer 2 formuliert, der Vertragshändler sei selbstständiger Vertriebspartner der Firma und der mit ihr verbundenen Unternehmen der N. Gruppe. Er sei weder Vertreter noch Angestellter der Firma und könne daher nicht im Namen der Firma handeln oder Verpflichtungen eingehen. Unter Abschnitt C - Tätigkeitsbereich Warenverkauf - ist vorgesehen, dass der Vertragshändler die Vertragsware gegen Vorauskasse über die Firma bezieht und sie anschließend im Direktvertrieb an private oder gewerbliche Endabnehmer verkauft. Im Abschnitt E - Vertragsentgelte - ist unter Ziffer 1 geregelt, dass der Vertragshändler bei seiner Verkaufstätigkeit Einkünfte ausschließlich aus der von ihm erzielten Handelsspanne erwirtschaftet. Für die erfolgreiche Erfüllung seiner Aufgaben als Förderer (im Rahmen der - freigestellten - Teamarbeit) erhält der Vertragshändler gemäß Ziffer 2 Leistungsentgelte in der Form von Provisionen und Boni.

Im Rahmen eines von der G. Fachschule für Wirtschaft und Datenverarbeitung eingeleiteten Verfahrens zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Dozententätigkeit der Klägerin in den von dieser Bildungseinrichtung durchgeführten Sprachkursen gab die Klägerin in dem ihr von der Beklagten übersandten Fragebogen an, sie sei seit dem 1. Januar 1999 selbstständige N. -Vertragshändlerin. Ihre Tätigkeit habe zum Inhalt den Verkauf der Erzeugnisse der N. -Produktlinien im Direktvertrieb sowie ihre Mitwirkung beim Aufbau und der Betreuung eines Verkaufsteams. Sie gab an, im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit keinen Arbeitnehmer zu beschäftigen und die Tätigkeit mindestens 15 Stunden wöchentlich auszuüben. Sie verneinte die Fragen, ob sie nur für einen Auftraggeber tätig sei, ob sie regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten habe, ob ihr Weisungen hinsichtlich der Art und Weise ihrer Tätigkeit erteilt würden und ob ihr Auftraggeber ihr Einsatzgebiet auch ohne ihre Zustimmung verändern könne. Ihr Einkommenssteuerbescheid für 1999 wies für sie negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.882 EUR aus, der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2000 demgegenüber positive Einkünfte in Höhe von 10.060 EUR, von denen den ergänzenden Angaben der Klägerin zufolge 4.000 DM auf ihre Tätigkeit als Dozentin und 6.000 DM auf ihre Tätigkeit als Vertragshändlerin entfielen. Schließlich wies der Bescheid für 2001 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 13.187 EUR aus.

Mit Bescheid vom 25. November 2003 stellte die Beklagte fest, die Klägerin sei ab dem 1. Januar 1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und demgemäß zur Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit seit dem 1. Januar 1999 bis zum 30. November 2003 in Höhe von 3875,72 EUR und zur laufenden Entrichtung von Beiträgen in Höhe von 113,44 EUR auf der Grundlage eines monatlichen Arbeitseinkommens in Höhe von 581,76 EUR verpflichtet. Maßgebend für die Höhe der Beiträge war jeweils die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage in Höhe von 7.560 DM beziehungsweise 3.900 EUR.

Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch. Zwar sei sie unstreitig selbständig erwerbstätig. Richtig sei auch, dass sie keine anderen Personen beschäftige. Es fehle jedoch an der weiteren Voraussetzung für eine Versicherungspflicht des selbständig Tätigen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI insofern, als sie nicht, wie dort vorausgesetzt, auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sei. Dem angefochtenen Bescheid liege die unzutreffende Annahme zu Grunde, dass ihr einziger Auftraggeber im Sinne jener Bestimmung die Firma N. AG in B. sei. Dieses Unternehmen vertreibe Obst- und Gemüsekonzentrate in Kapselform. Sie sei selbstständige Vertragshändlerin für diese Produkte. Der Vertrag bestimme, dass der Vertragshändler selbstständiger Vertriebspartner der Firma N. sei. Er sei mithin weder Vertreter noch Angestellter der Firma und könne daher nicht im Rahmen der Firma handeln oder Verpflichtungen eingehen. Nach Abschnitt C Ziffer 1 beziehe der Vertragshändler die Vertragsware gegen Vorauskasse über die Firma N. und verkaufe sie ausschließlich im Direktvertrieb an private oder gewerbliche Endabnehmer. Unter Abschnitt E Ziffer 1 sei bestimmt, dass der Vertragshändler bei seiner Verkaufstätigkeit ausschließlich Einkünfte aus der von ihm jeweils erzielten Handelsspanne erwirtschafte. Aus alledem ergebe sich, dass die Firma N. AG nicht ihr Auftraggeber im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 Buchstabe b SGB VI sei. Vielmehr habe diese Firma gegenüber ihr - der Klägerin - die Stellung eines Lieferanten beziehungsweise eines Großhändlers, bei dem sie ihre Waren einkaufe. Auftraggeber seien vielmehr ihre Kunden, die sie im Rahmen ihrer selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit durch Werbemaßnahmen oder aufgrund von Empfehlungen anderer Kunden selbstständig akquiriere. Sie suche in der Regel die Kunden zuhause auf, präsentierte die Produkte, nehme Bestellungen entgegen und leite diese dann an die Firma N. AG weiter. Diese liefere die Waren dann direkt an den Kunden aus und zahle ihr die sich ergebende Provision. Daneben kaufe sie auch Waren direkt bei der Firma N. AG ein und verkaufe sie dann mit einer entsprechenden Gewinnspanne an die Endabnehmer weiter. Mithin erteile ihr die Firma N. AG keinerlei Aufträge, sondern erfülle diese vielmehr aufgrund ihrer - der Klägerin - Anforderungen beziehungsweise Bestellungen.

Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2004 zurück. Sie hielt daran fest, dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Vertriebspartnerin der N. AG der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI unterliege. Zu Unrecht bestreite die Klägerin, dass sie auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, die N. AG in B., tätig sei. Das Auftragsverhältnis im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI sei nicht identisch mit einem Auftrag nach § 662 BGB. Auftragnehmer sei nicht nur derjenige, der einseitig, also unentgeltlich eine Leistung in Form einer Geschäftsbesorgung erbringe. Diese Definition würde im Zusammenhang mit § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI auch keinen Sinn ergeben, da ein Selbstständiger grundsätzlich immer mit Gewinnerzielungsabsicht und nicht unentgeltlich tätig werde. Der Begriff Auftraggeber sei insofern umgangssprachlich zu verstehen und umfasse eine Vielzahl von geschäftlichen Verbindungen, unabhängig davon, unter welchen Vertragstypus sie rechtlich einzuordnen sei. Aus dem zur Verfügung gestellten Muster eines Vertragshändlervertrages sei zweifelsfrei ersichtlich, dass Vertragszweck der Verkauf der Erzeugnisse der N. -Produktlinien in der Bundesrepublik Deutschland an persönlich aufgesuchte private und gewerbliche Endabnehmer im Direktvertrieb sei. Bei der N. AG handele es sich somit um ihren Auftraggeber im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin ihr Anliegen unter Wiederholung ihrer Ausführungen im Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Ergänzend hat sie geltend gemacht, dass die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Bestimmung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gegen die in Artikel 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der sog. konsolidierten Fassung - Amtsblatt Nr. C 325 vom 24. Dezember 2002 (EGV)) garantierte Niederlassungsfreiheit verstoße. Sie stelle eine unterschiedslos auf In- und Ausländer anwendbare staatliche Maßnahme dar, die dazu geeignet sei, die Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland als Selbstständiger ohne eigene Angestellte weniger attraktiv zu machen, denn sie zwinge den Selbstständigen, Beiträge in ein soziales Sicherungssystem einzuzahlen, welches unbestritten ineffektiv und unwirtschaftlich sei und mit privaten Vorsorgeprodukten in wirtschaftlicher Hinsicht nicht konkurrieren könne. Zwar sei der vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgte Schutz kleiner Selbstständiger durch die Solidargemeinschaft durchaus anerkennenswert. Jedoch sei die Bestimmung nicht erforderlich, weil weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stünden. So würde es ausgereicht haben, wenn dem zu schützenden Selbstständigen gesetzlich aufgegeben worden wäre, eine Pflichtvorsorge eigener Wahl aufzunehmen und beizubehalten, die mindestens das Schutzniveau der gesetzlichen Rentenversicherung erreiche. Die Sache sei gemäß Artikel 234 GG Vertrag dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 43 EWG-Vertrag vorzulegen, und dieser sei zu fragen, ob § 2 Nr. 9 SGB VI die durch Artikel 43 EWG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit verletze.

Das Sozialgericht hat die Klage durch den Gerichtsbescheid vom 31. Oktober 2007 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid verwiesen. Es hat der Auffassung der Klägerin widersprochen, die Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verletze die durch Art. 43 EGV geschützte Niederlassungsfreiheit. Die Versicherungspflicht für Selbständige bedeute vor allem eine Einschränkung der Handlungsfreiheit in Bezug auf die Art und Weise der Alterssicherung. Die Freiheit, sich niederzulassen, werde dadurch allenfalls mittelbar berührt, vergleichbar den Belastungen, denen ein Selbständiger durch die Erhebung von Steuern ausgesetzt sei. Aber selbst wenn ein solcher Eingriff vorläge, wäre er durch den Zweck der Vorschrift gerechtfertigt, Personen abzusichern, die sich in einer den abhängig Beschäftigten vergleichbaren sozialen Lage befinden.

Gegen diesen ihr am 9. November 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. November 2007 Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte im Hinblick auf von der Klägerin vorgelegte Anstellungsverträge mit Bescheid vom 8. September 2008 festgestellt, dass ab dem 1. September 2005 die selbständige Erwerbstätigkeit der Klägerin ihre Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr begründe, weil sie im Zusammenhang mit ihr mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige. Daraufhin hat die Klägerin klargestellt, dass sie sich lediglich noch gegen die Feststellung der Versicherungspflicht sowie der Beitragspflicht dem Grunde nach für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. August 2005 wende. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass sie im Rahmen ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit keine Aufträge im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI für die Firma N. AG ausführe, sondern allein und eigenverantwortlich tätig sei. Sie habe sich zu diesem Zweck einen weitgefächerten Kundenstamm aufgebaut. Diese Kunden seien ihre Auftraggeber. Sie würden entweder von ihr - der Klägerin selbst - direkt mit Waren beliefert oder meist durch ihre entsprechende Vermittlung von der Firma N. AG. Sie unterliege keinerlei Weisungen dieser Firma hinsichtlich der Art und des Umfangs ihrer Tätigkeit. Es stehe ihr völlig frei, zu arbeiten oder auch nicht. Sie selbst könne entscheiden, ob, wann, wo und wie oft sie zu den Kunden Kontakt aufnehme, um ihnen die von der Firma N. stammenden Produkte anzubieten und deren Bestellungen entgegenzunehmen.

Die Klägerin bekräftigt ihre Auffassung, dass § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI die durch Art. 43 EGV garantierte Niederlassungsfreiheit verletze. Die Beklagte verkenne, dass nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig von der Frage der Koordinierung oder Harmonisierung sozialrechtlicher Vorschriften der einzelnen nationalen gesetzlichen Bestimmungen auch solche des Sozialrechts an den unmittelbar geltenden Bestimmungen des europäischen Primärrechts gemessen werden müssten. Dabei habe der europäische Gerichtshof immer wieder herausgestellt, dass eben nicht nur offene und verdeckte Diskriminierungen, sondern darüber hinaus auch alle Beschränkungen der vier Grundfreiheiten des EG-Vertrages zunächst einmal verboten seien. Die hier in Rede stehende Versicherungspflicht für kleine Selbstständigen behindere fraglos die die Niederlassungsfreiheit.

Die Klägerin beantragt,

  • den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Oktober 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2004 aufzuheben, soweit Versicherungs- und Beitragspflicht für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. August 2005 festgestellt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Oktober 2007 zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und wiederholt ihre bisherigen Ausführungen. Die Niederlassungsfreiheit der Klägerin gemäß Artikel 43, 48 EGV werde schon deshalb nicht beschränkt, weil die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Versicherungspflicht von Selbstständigen anhand derselben Kriterien festgestellt worden sei, die auch für die versicherungspflichtige Beurteilung deutscher Personen gelten, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Eine Diskriminierung liege nur dann vor, wenn Angehörige eines Mitgliedstaates, die in Deutschland eine selbstständige Tätigkeit ausübten, sozialversicherungsrechtlich anders behandelt würden als deutsche Staatsangehörige unter denselben Umständen. Soweit die Klägerin meine, die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI verstoße deshalb gegen EG-Recht, weil sie ungünstiger sei als Regelungen anderer Mitgliedstaaten, so sei dem entgegenzuhalten, dass Artikel 51 EGV eine Koordinierung, nicht aber eine Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorsehe. Die materiellen und verfahrensmäßigen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten und damit den Ansprüchen der dort Beschäftigten würden durch diese Bestimmung nicht berührt (Urteil des EuGH vom 12.6.1997 Rechtssache C-266/95).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist statthaft (§ 144 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, denn der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Oktober 2007 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten beziehungsweise die dort von ihr getroffene Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin sind, soweit sie den allein noch strittigen Zeitraum Januar 1999 bis 31. Juli 2005 betreffen, rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Feststellung der Versicherungspflicht hat ihre gesetzliche Grundlage in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, der abgesehen von der dort geregelten Entgeltgrenze während der strittigen Zeit unverändert gültig war. Demnach sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400 Euro (bis zum 31. Dezember 2001: 630 DM, anschließend bis 31. Dezember 2002: 325 EUR, ab dem 1. Januar 2003: 400 EUR) im Monat übersteigt, und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

Der Anwendbarkeit dieser Bestimmung stehen Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht entgegen. Die diesbezüglichen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Dabei mag auf sich beruhen, ob angesichts der unterschiedslosen Geltung der Bestimmung für Deutsche und EU-Ausländer und des Fehlens jeglicher Diskriminierung des letztgenannten Personenkreises das Europarecht berührt ist, wie die Klägerin meint, oder ob nicht allenfalls ein Verstoß gegen das Grundgesetz beziehungsweise die dort geregelten Grundrechte zu prüfen ist, denn entgegen der Auffassung der Klägerin ist die von ihr angegriffene Bestimmung zweckmäßig und sachgerecht. Die Klägerin selbst stellt die Sinnhaftigkeit des Schutzes der von ihr so bezeichneten "kleinen" Selbständigen nicht grundsätzlich in Frage, sondern lediglich die vom Gesetzgeber gewählte Form durch Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung. Sie verkennt dabei jedoch den tieferen Grund für diese Schutzbedürftigkeit. Durch § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI soll der tendenziellen Erosion versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse durch den Aufbau von sogenannten "Scheinarbeitsverhältnissen" begegnet werden. Unter Scheinselbstständigen werden Personen verstanden, die tatsächlich nach der Vermutung von § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV) als Beschäftigte anzusehen und deshalb nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig sind. Die in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI genannte Gruppe Selbstständiger ist dadurch gekennzeichnet, dass zwar keine persönliche Abhängigkeit in der Form einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit besteht und deshalb tatsächlich Selbstständigkeit anzunehmen ist, diese Selbstständigen jedoch - wie gemäß § 7 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 SGB IV die Scheinselbständigen - auf nur einen Auftraggeber ausgerichtet sind und für diesen in Person - ohne eigene versicherungspflichtige Angestellte - tätig werden. Diese eher "äußerliche" Ähnlichkeit eines solchen Selbständigen mit einem Arbeitnehmer bedingt eine Ähnlichkeit in der wirtschaftlichen Abhängigkeit infolge des Umstandes, dass ein solcher Selbständiger sein Einkommen und damit seinen Lebensunterhalt zumindest ganz überwiegend in der Beziehung zu dem einzigen Auftraggeber erwirtschaftet. Die so begründete Ähnlichkeit dieses Personenkreises mit dem Kreis der Arbeitnehmer macht ihn ebenso schutzbedürftig wie jene. Es ist deshalb nur konsequent, dass der Gesetzgeber seinen Schutz in Bezug auf die Alterssicherung genauso regelt wie den der Arbeitnehmer.

Die unter § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI formulierten tatbestandlichen Voraussetzungen lagen während der strittigen Zeit in der Person der Klägerin vor. Dies gilt auch für Voraussetzungen unter Buchst. b. Indem sie dies verneint, verkennt sie den dort verwendeten Begriff des Auftraggebers. Dessen Bedeutung in dieser Regelung wird aus dem oben behandelten Sinn der Bestimmung deutlich, sozialversicherungsrechtlich relevante wirtschaftliche Abhängigkeit zu definieren beziehungsweise zu beschreiben. Diese Abhängigkeit der Klägerin und ihre insoweit gegebene Vergleichbarkeit mit einer Arbeitnehmerin bestand hier allein gegenüber der N. AG - nicht gegenüber ihren einzelnen Kunden - und ergab sich daraus, dass sie als Einzelperson in das Vertriebssystem der N. AG integriert war und ihr Einkommen - insofern vergleichbar mit einer Arbeitnehmerin - ganz überwiegend aus ihrer Tätigkeit in diesem Vertriebssystem erzielte. Insofern war die N. AG ihr Auftraggeber im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Der Auftraggeber nimmt im Rahmen dieser Bestimmung die Stellung ein, die bei persönlicher Abhängigkeit der Arbeitgeber einnehmen würde. Die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte persönliche Selbständigkeit beziehungsweise Unabhängigkeit ist demgegenüber irrelevant. Sie ist schon deswegen kein Kriterium zum Ausschluss eines "Auftragsverhältnisses", weil nach der Norm beides nebeneinander besteht.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.

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