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L 5 KR 3775/19

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.09.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin in der Künstlersozialversicherung (KSV) seit dem 06.02.2018.

Die 1960 geborene Klägerin ist gelernte Fotografin und seit dem 01.09.1994 selbstständig tätig. Sie beschäftigt keine Arbeitnehmer. Laut ihres Internetauftritts bietet sie „Airbrushkunst vom Entwurf bis zum fertigen Design“, „Custom Painting“ (Bemalen von Fahrzeugen) sowie Wand- und Portraitmalerei an. Sie unterhält in M. ein eigenes Atelier. Nach ihrem eigenen Vortrag gestaltet sie nach eigenem Designentwurf individuell mittels durch Airbrush-Malerei in fotorealistischer und detailgenauer Art und Weise vor allem Motorräder und Autokarosserien sowie Haus- und Zimmerwände mit Tiefenwirkung in 3D-Optik. Das Lackieren wird von der Fa. S. in M. durchgeführt, die der Klägerin ihre Arbeiten in Rechnung stellt. Die Klägerin ist nach ihrem eigenen Vortrag mit ihren Arbeiten in einem amerikanischen Bildband (E. A. M.) vertreten und findet auf Internetseiten Erwähnung. Von ihr gestaltete Motorräder waren bereits in einem archäologischen Museum und auf unterschiedlichen Messen (Cebit oder der Air Cargo Europe) ausgestellt.

Seit 02.03.1995 war die Klägerin bei der Beklagten gemeldet und in ihrer Tätigkeit nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) versichert. Mit Bescheid vom 21.02.2011 stellte die Beklagte die Versicherungsfreiheit ab dem 01.03.2011 fest, da die Klägerin der Aufforderung zur Angabe ihres erzielten Arbeitseinkommens für die Jahre 2005 bis 2008 sowie zur Vorlage der entsprechenden Einkommenssteuerbescheide nicht nachgekommen sei, und hob den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Im Anschluss hieran war die Klägerin bei der DAK freiwillig kranken- und pflegeversichert.

Mit Antrag vom 05.02.2018 meldete sich die Klägerin erneut bei der Beklagten im Bereich der bildenden Kunst/Design als Malerin/Illustratorin/Zeichnerin (B03) an.

Mit Schreiben vom 07.02.2018 und 15.03.2018 forderte die Beklagte die Klägerin auf, einen Fragebogen auszufüllen und innerhalb der nächsten drei Wochen zurückzusenden. Mit Bescheid vom 16.04.2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Versicherungspflicht nach dem KSVG zurzeit nicht festgestellt werden könne. Die Klägerin habe die angeforderten Angaben nicht gemacht bzw. die erbetenen Unterlagen nicht vorgelegt. Daraus könne nur geschlossen werden, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Versicherung nach dem KSVG nicht erfülle.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Klägerin umgezogen war, wurden ihr mit Schreiben vom 23.05.2018 und 06.06.2018 die wegen Adressänderung nicht zustellbaren Schreiben der Beklagten erneut übersandt. Am 18.06.2018 ging der Fragebogen zur Prüfung der Versicherungspflicht nach dem KSVG vom 12.06.2018 nebst diverser Rechnungen und Bildmaterial bei der Beklagten ein. Unter dem 18.07.2018 führte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten aus, dass eine verbindliche Aussage über den zu erwartenden Gewinn für 2018 nicht gemacht werden könne; sie schätze ihn auf 10.000,00 € bis 12.000,00 €. Sie sei mit ihren Arbeiten in einem amerikanischen Bildband (E. A. M.) vertreten. Sie sei seit vielen Jahren in der einschlägigen Szene bekannt und reiner Autodidakt. Ihr Einkommen entfiele zu etwa 60 % auf die individuelle Anfertigung von Entwürfen bis zum fertigen Design. Dem Schreiben beigefügt waren neben Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2013 und 2016 diverse Zeitungsartikel über die Arbeit der Klägerin.

Mit Bescheid vom 23.08.2018 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege. Die Klägerin sei schwerpunktmäßig im Bereich des Verzierens von Motorradtanks/Motorhauben und anderen Gebrauchsgegenständen des Alltags mittels Airbrush-Technik tätig. Eine künstlerische Tätigkeit liege nicht vor, wenn es an objektiven Hinweisen auf eine Anerkennung und gleichwertige Behandlung in den maßgebenden Kreisen der bildenden Künstler fehle (z.B. Erwähnung in Kunstfachmagazinen, Präsentationen auf Kunstausstellungen, Erwähnung in Künstlerlexika). Es werde nicht verkannt, dass einzelne Tätigkeiten (z.B. Wand- und Porträtmalerei) künstlerisch im Sinne des KSVG wären. Sie würden der Tätigkeit der Klägerin hingegen nicht das Gesamtgepräge geben. Die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach dem KSVG würden somit nicht vorliegen.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 22.09.2018. Zur Begründung trug sie vor, sie sei bereits über viele Jahre in der Künstlersozialkasse versichert gewesen. Inhaltlich habe sich ihre Tätigkeit seitdem nicht geändert. Zudem habe die Beklagte ihre Arbeit unzutreffend bewertet. Die Arbeiten wären sehr vielgestaltig und erforderten im Vorfeld Planung und den Entwurf des jeweiligen Designs. Sie bediene sich nicht vorgegebener Muster oder Vorlagen. Von ihr gestaltete Motorräder wären bereits in einem archäologischen Museum und auf unterschiedlichen Messen (Cebit oder der Air Cargo Europe) ausgestellt worden. Sie sei in sozialen Medien vertreten und in verschiedenen Künstlerverzeichnissen geführt. Über ihre Arbeit sei zudem in etlichen Zeitungsberichten (Tagblatt, R. Generalanzeiger) berichtet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Eine Zuordnung zum Bereich der Kunst sei möglich, wenn sich die Tätigkeit nicht auf die Herstellung des Endprodukts erstrecke. Eine reine Designtätigkeit liege nicht vor, wenn der Betroffene seine Wertschätzung und sein Einkommen aus dem mit handwerklicher Qualität hergestellten Endprodukt beziehe. Die Tätigkeit der Klägerin als Malerin/Lackiererin sei in Anlage A Nr. 10 der Handwerksordnung (HwO) verzeichnet, weshalb grundsätzlich eine handwerkliche Tätigkeit anzunehmen sei. Nur in Ausnahmefällen könne auf handwerklicher Grundlage Kunst geschaffen werden. Hierfür sei nicht ausreichend, dass nach eigener Planung individuelle Stücke (Unikate) gefertigt würden. Für eine künstlerische Leistung komme es vielmehr darauf an, ob eine über eine rein technisch-manuelle Gestaltung hinausgehende schöpferische Leistung entfaltet werde. Wann (noch) Handwerk oder (schon) Kunst vorliege, richte sich nach dem Abgrenzungsmaßstab der Anerkennung als Künstler in den einschlägigen fachkundigen Kreisen als Künstler. Eine solche Anerkennung in fachkundigen Kreisen der bildenden Kunst habe die Klägerin nicht belegt. Nicht ausreichend sei die hohe Wertschätzung bei Kollegen oder Kunden, Mitgliedschaft in einem örtlichen Kunstverein bzw. die entsprechende Bezeichnung in Zeitungsberichten. Nicht ausreichend für die Künstlereigenschaft nach dem KSVG sei auch der Umstand, dass die Motive ggf. selbst gestaltet würden.

Am 22.11.2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie sei bereits in der Vergangenheit als versicherungspflichtiges Mitglied bei der Beklagten geführt worden. Obwohl sich ihre Tätigkeit seitdem nicht verändert habe, sei die Beklagte nunmehr der Ansicht, dass sie in keiner Weise künstlerisch tätig sei, sondern einen handwerklichen Beruf als Malerin und Lackiererin ausübe. Der Handwerksberuf des Malers oder Lackierers habe mit ihrer künstlerischen Tätigkeit nichts gemein. Allein die Zeitungsberichte und das vorgelegte Bildmaterial ihrer Arbeiten bestätigten, dass von einer Designertätigkeit auf höchstem Niveau auszugehen sei. Sie sei in den einschlägigen und fachkundigen Kreisen als Künstlerin bekannt. Sie arbeite mit einem Lackierbetrieb zusammen, der die Lackierarbeiten an den Autos und Motorradteilen übernehme.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 30.09.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2018 habe die Beklagte zutreffend den Antrag der Klägerin auf Feststellung von Versicherungspflicht nach dem KSVG abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf gegenteilige Feststellung. Sie sei keine Künstlerin im Sinne dieses Gesetzes. Handwerkliche Tätigkeiten gehörten - auch wenn ihnen ein gestalterischer Freiraum immanent sei - entsprechend der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung grundsätzlich nicht zum Bereich der Kunst im Sinne des KSVG. Nicht entscheidend sei, ob die handwerkliche Tätigkeit in den Anlagen A und B der HwO verzeichnet sei. Als Künstler anzusehen sei ein Designer ausschließlich um seiner gestaltenden Tätigkeit wegen. Grundsätzlich keine künstlerische Tätigkeit sei das Herstellen, die Produktion oder die manuell-technische Gestaltung von Gebrauchsgütern, auch wenn dies im Einzelfall auf eigens angefertigten Entwürfen beruhe. Dieser Umstand sei für das Kunsthandwerk geradezu typisch. Bei Designern, die sich auf das Entwerfen der Vorlagen beschränkten und ihre Einkünfte ausschließlich oder zumindest weit überwiegend aus Lizenzen für die Überlassung der Entwürfe bezögen, sei das verwertete Arbeitsergebnis - der Produktentwurf - ohne Weiteres der bildgebenden Kunst zuzurechnen. Im Gegensatz dazu stünden Berufsbilder bzw. Tätigkeitsbereiche, in denen jemand einen Gebrauchsgegenstand nach eigenen Entwürfen herstellt oder - wie im Fall der Klägerin - (um-)gestaltet und die anschließende Verwertung übernehme. Möge der von der Klägerin erzielte Verwertungserlös auch maßgeblich von der Qualität des eigenen Entwurfs abhängen, stelle das vorbereitende Design nur einen Teilbereich des komplexen Tätigkeitsbildes dar. In der Gesamtschau prägend sei eine Einheit aus Designentwurf, Auftragen der Farbe auf das Objekt mittels bestimmter Lackier- und Sprühtechniken sowie die anschließende Verwertung durch Geltendmachung des vereinbarten Werklohns. Das Motivdesign als kreativ erster Arbeitsschritt diene der Vorarbeit zum zweiten handwerklichen Arbeitsschritt, dessen Schwerpunkt auf dem Einsatz manuell-technischer Fertigkeiten liege und aus dem die Klägerin in erster Linie ihr Einkommen erziele. Das Motiv werde in reiner Handarbeit „gebrusht“, gepinselt oder in Mischtechniken aufgebracht und mit mehreren Schichten Klarlack versiegelt. Der Kunde zahle den Preis (Werklohn) für das fertig gestaltete Objekt und nicht für den Designentwurf. Wegen einer etwaigen Versicherungspflicht könne daher nicht mehr allein an die eigenschöpferische Leistung beim Entwurf angeknüpft werden. Unerheblich hierbei sei, dass die Klägerin die Überlackierung (Versiegelung) des von ihr gebrushten Motivs mit Klarlack nicht selbst ausführe, sondern durch einen Lackierbetrieb erledigen lasse. Die Arbeiten erfolgten im Auftrag und auf Rechnung der Klägerin und stünden daher der selbst durchgeführten (End-)Lackierung gleich. Unter Beachtung vorstehender Ausführungen sei auch die illusionistische Wand- und Deckengestaltung durch perspektivische Darstellung von Dreidimensionalität (3-D-Optik) nicht als künstlerische Tätigkeit anzusehen. Auch insoweit liege trotz kreativer Komponente im Entwurf der Schwerpunkt in der handwerklichen Umsetzung durch den Einsatz manuell-technischer Fähigkeiten. Wenngleich sich die Klägerin in ihrem beruflichen Selbstverständnis nachvollziehbar als Künstlerin begreife, seien die von ihr handwerklich ausgeführten Tätigkeiten dem Berufsfeld des Lackierers und Malers (Anlage A Nr. 10 HWO) zuzuordnen. In diesem Zusammenhang gelte weiterhin zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich selbst herkömmliche Lackier- und Malerbetriebe - das sog. Custompainting sowie die illusionistische Wandmalerei - angefangen vom Designentwurf bis zur Umsetzung aus einer Hand anböten. Eine Einstufung als Künstler komme auch bei grundsätzlich handwerklicher Tätigkeit ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Betroffene mit seinen Werken in einschlägigen fachkundigen Kreisen als „Künstler“ anerkannt und behandelt werde und deshalb den Bereich der rein handwerksmäßigen Berufsausübung verlassen habe. Diese Kriterien seien nicht erfüllt. Für die Kammer seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Arbeiten der Klägerin durch Fachkreise der bildenden Kunst (z.B. Kunstkritiker, Museumsleute, Galeristen, Kunstvereine) dieser Kunstgattung zugerechnet würden. Eine hohe Wertschätzung bei Kunden und Kollegen in der „Biker-Szene“ reiche hierfür nicht aus. Auch die Abbildung von Arbeiten der Klägerin in einem amerikanischen Bildband über „C.“ sowie eine Berichterstattung in der Lokalpresse lasse nicht auf eine entsprechende Anerkennung schließen. Ein Eintrag auf Online-Plattformen wie kuenstlerstadt.de habe für die Künstlereigenschaft nach dem KSVG keinerlei Relevanz. Die Ausstellung von Exponaten auf Fachmessen oder sonstigen Marketing-Veranstaltungen als Blickfang sei für die erforderliche Anerkennung in fachkundigen Kreisen der bildenden Kunst gleichermaßen unbedeutend. Der Umstand, dass die Klägerin bereits in der Vergangenheit als versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten geführt worden sei, begründe keinen Vertrauensschutz. Die Versicherungspflicht sei mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.02.2011 zum 01.03.2011 beendet worden. Aufgrund des im Jahr 2018 gestellten Neuantrags seien die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht - unter sämtlichen Gesichtspunkten - neu zu überprüfen gewesen.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigen am 08.10.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.11.2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend, ihre künstlerische Tätigkeit habe sich seit ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten bis zum 28.02.2011 und bis heute nicht verändert. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und des SG sei sie als Künstlerin einzustufen und nicht als Handwerkerin. Ihre Arbeit im Einzelnen sei sehr vielgestaltig und erfordere im Vorfeld Planung und den Entwurf des jeweiligen Designs nach Kundenwunsch. Es würden stets Unikate gefertigt, so dass eine über eine rein technisch-manuelle Gestaltung hinausgehende schöpferische Leistung entfaltet werde. Die eigentliche handwerkliche Tätigkeit des Lackierens werde nicht von ihr, sondern von der Fa. S. in M. durchgeführt. Der Schwerpunkt ihrer künstlerischen Tätigkeit liege eindeutig im kreativen Schaffen, da sie Entwürfe selbst gestalte und damit eine schöpferische Leistung erbringe. Sie verfüge über besondere Branchenkenntnisse und über ein spezielles Know-how. Der Begriff des Künstlers sei nach dem KSVG sehr weit auszulegen. Die vom SG zitierte Rechtsprechung zum Tätowierer sei für den vorliegend zu beurteilenden Fall nicht einschlägig, da ein Tätowierer seinen Entwurf mehrfach verwenden könne und das Tätowieren des Entwurfes auch von Dritten ausführbar sei. Hier liege die Abgrenzung zur künstlerischen Tätigkeit der Klägerin, die mangels speziellem Know-how und besonderer Branchenkenntnisse keinen Dritten mit der Anbringung ihrer Designentwürfe auf den jeweiligen Objekten beauftragen könne.

Die Klägerin beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.09.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 23.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2018 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin seit dem 06.02.2018 der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG und ihre Bescheide für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, die Klägerin erziele ihre Einkünfte nicht überwiegend durch den Verkauf von Entwürfen, sondern durch den Einsatz ihrer manuell-technischen Fähigkeiten. Die Tatsache, dass für die Ausführung ihrer Tätigkeit spezielles Know-how und besondere Branchenkenntnisse erforderlich seien, reiche zur Feststellung der Künstlereigenschaft als bildende Künstlerin im Sinne des KSVG nicht aus.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und bedurfte nicht der Zulassung, da die Klage keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG).

2. Die Berufung führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

a) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Da die Beklagte selbst keine Mitglieder führt, beschränkt sich ihre Aufgabe insoweit auf die Feststellung der Versicherungspflicht (BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 3 KS 2/18 R -, in juris).

b) Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist seit 06.02.2018 nicht nach dem KSVG versicherungspflichtig.

(1) Gemäß § 1 Nr. 1 KSVG (i.d.F. durch Art. 48 Nr. 1 Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung v. 09.12.2004, BGBl I, S. 3242, mit Wirkung zum 01.01.2005) werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben (Nr. 1) und im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig i.S.d. Vierten Buches Sozialgesetzbuch (Nr. 2). Nach § 2 Satz 1 KSVG ist Künstler im Sinne dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt.

(2) Nach den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rechnungen besteht die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen aus der detailgetreuen und fotorealistischen Lackierung von Kotflügeln, Tanks, Motorhauben, sonstigen Pkw- und Motorradteilen mit von ihr entworfenen Designs nach Kundenwunsch. Außerdem nimmt sie farbliche und optische Anpassungen von Sichtbeton und die Lackierung von Kohlefasermodellen vor. Sie verwendet dabei überwiegend die Maltechnik „Airbrush“ (Auftragen der Farbe mittels Spritzpistole). Die Klarlackversiegelung lässt sie durch eine Fremdfirma ausführen.

(3) Diese im streitgegenständlichen Zeitraum ab 06.02.2018 von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit ist keine künstlerische Tätigkeit im Sinne des KSVG.

Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass handwerkliche Tätigkeiten, auch wenn ihnen ein gestalterischer Freiraum immanent ist (z.B. Steinmetze, Goldschmiede und andere Kunsthandwerker sowie Fotografen), entsprechend der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung grundsätzlich nicht zum Bereich der Kunst im Sinne des KSVG gehören (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris m.w.N.). Dies gilt generell für alle handwerklichen Berufe, die verzeichnet sind in der Anlage A der HwO, d.h. im Verzeichnis der Gewerbe, die als zulassungspflichtige Handwerke betrieben werden können (§ 1 Abs. 2 HwO), oder in der Anlage B der HwO, d.h. im Verzeichnis der Gewerbe, die als zulassungsfreie Handwerke (= Abschnitt 1) oder handwerksähnliche Gewerbe (= Abschnitt 2) betrieben werden können (§ 18 Abs. 2 HwO), darüber hinaus aber auch für alle nicht in der HwO verzeichneten handwerklichen Tätigkeiten im weiteren Sinne (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris).

Die von der Klägerin verwendete Technik des Airbrush findet im Bereich des handwerklichen Gewerbes des Malers und Lackierers (Anlage A der HwO) Anwendung, dem breit gefächerte Gestaltungsmöglichkeiten und Verarbeitungstechniken u.a. mit Spritz- und Sprühgeräten zur Verfügung stehen (vgl. z.B. www.berufenet.arbeitsagentur.de). Das allein rechtfertigt indes nicht die Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zu einer handwerklichen Tätigkeit. Denn die Airbrush-Technik wird auch im Bereich des Produkt- und Industriedesigns und von Kunstmalern verwendet.

Entscheidend ist vielmehr, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit im kreativen Schaffen oder im Einsatz manuell-technischer Fähigkeiten besteht (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris). Der Kunstmaler betätigt sich künstlerisch und nicht handwerklich, weil der Schwerpunkt seiner Tätigkeit im kreativen Schaffen und nicht im Einsatz manuell-technischer Fähigkeiten liegt, wie es z.B. bei den Handwerken der Maler und Lackierer der Fall ist. Dabei wird die Tätigkeit nicht schon dadurch künstlerisch, dass im Einzelfall nicht nach vorhandenen Mustern oder Schablonen gearbeitet, sondern das Motiv selbst gestaltet wird; denn dies ist auch für das Kunsthandwerk typisch. Die freie Gestaltung des Motivs als kreativer erster Arbeitsschritt dient dabei nur als Vorarbeit zum handwerklichen zweiten Arbeitsschritt, der der Schwerpunkt der Tätigkeit bleibt (zum Tätowierer BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris). Aus diesem zweiten handwerklichen Arbeitsschritt erzielt der Kunsthandwerker sein Einkommen. Sein Kunde zahlt für das fertige Kunsthandwerk den Preis, nicht für den Entwurf. Demgegenüber kann der Kunsthandwerker dann zum Künstler werden, wenn er mit seiner Tätigkeit sein angestammtes handwerkliches Berufsfeld verlässt und einen künstlerischen Berufsbereich wählt, wie es z.B. bei Industrie- und Produktdesignern, Schmuckdesignern, Modedesignern und künstlerischen Fotografen/Werbefotografen der Fall ist (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris, mit Nachweisen zum Musikinstrumentenbauer, Werbefotografen, zur Gemäldefotografie für ein Diaarchiv, zum Industriedesigner, zum Modellbauer ausgestorbener Tiere und zur Visagistin). In diese Gruppe gehören auch Tattoo-Designer, die sich auf das Entwerfen und Zeichnen von Tattoo-Motiven und Vorlagen als Arbeitsmittel für Tattoo-Studios beschränken, ohne selbst die Entwürfe auf die menschliche Haut zu übertragen. Tattoo-Designer sind eigenschöpferisch-gestalterisch tätig. Sie beziehen ihr Einkommen aus ihrem kreativen Schaffen und nicht aus dem Einsatz manuell-technischer Fähigkeiten (zum Ganzen BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris).

Unter Anlegung dieses Maßstabs ist die Klägerin kunsthandwerklich und nicht künstlerisch tätig. Die Tätigkeit der Klägerin erschöpft sich zwar nicht in Lackierarbeiten unter Einsatz von Sprühfarbenpistolen nach vorgegebenen Mustern oder Schablonen. Die Klägerin wird vielmehr selbst kreativ tätig, indem sie das Motiv nach Kundenwunsch selbst designt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt aber in der Auftragung der nach den Wünschen ihrer Auftraggeber frei gestalteten Motive auf Kfz-/Motorrad-/Gebäudeteile. Im Vordergrund steht damit der Einsatz ihrer manuell-technischen Fähigkeiten und nicht ihr kreatives Schaffen. Ihre Kunden zahlen sie für das fertige Kunsthandwerk und nicht für ihren kreativen Design-Entwurf.

Die vom BSG entwickelten Maßstäbe sind auch entgegen der Auffassung der Klägerin auf den vorliegenden Fall anwendbar. Es kommt nicht darauf an, ob ein Dritter die Entwürfe der Klägerin in gleicher Qualität umsetzen könnte. Entscheidend ist, dass die Klägerin nicht für ihre Entwürfe, sondern für den Einsatz ihrer manuell-technischen Fähigkeiten bezahlt wird.

Eine Zuordnung der handwerklichen Tätigkeit ist vorliegend auch nicht aufgrund einer Anerkennung der Werke in Kunstkreisen möglich. Die Klägerin ist nicht als Künstlerin anerkannt. Trotz der handwerklichen Arbeit nach eigenen Entwürfen ist eine Zuordnung zum Bereich der Kunst möglich, wenn ein Kunsthandwerker mit seinen Werken in Kunstkreisen als Künstler anerkannt und behandelt wird (zum Tätowierer BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris m.w.N.). Hierbei ist vor allem maßgebend, ob der Betroffene an Kunstausstellungen teilnimmt, Mitglied von Künstlervereinen ist, in Künstlerlexika aufgeführt wird, Auszeichnungen als Künstler erhalten hat oder andere Indizien auf eine Anerkennung als Künstler schließen lassen, wie es z.B. bei der Abbildung oder Besprechung einer Arbeit in einer Kunstzeitschrift der Fall sein kann (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KS 2/07 R -, in juris). Die Klägerin nimmt nicht an Kunstausstellungen teil. Soweit von ihr gestaltete Fahrzeuge auf Ausstellungen und Messen zu sehen waren, handelte es sich nicht um Veranstaltungen, die der Präsentation von Kunst dienten. Dass die Klägerin Auszeichnungen als Künstlerin erhalten hat, ist nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht behauptet. Die von ihr vorgelegten Zeitschriftenausschnitte beinhalten auch keine Besprechungen in Kunstzeitschriften. Dass die Klägerin in Künstlerlexika aufgeführt wird, ist nicht ersichtlich. Entsprechendes hat die Klägerin auch nicht dargelegt. Eine beispielhafte Recherche im „Allgemeinen Künstlerlexikon Online“ (herausgegeben von De Gruyter, Andreas Beyer, Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff) ergab keinen Eintrag für die Klägerin (abgerufen am 15.02.2021). Dass sie nach ihrem eigenen Vortrag mit ihren Arbeiten in einem amerikanischen Bildband („E. A. M.“) vertreten ist und auf der Internetseite von künstlerstadt.de, eine Plattform zur Suche von Künstlern für private Feiern etc., und der Internetseite von airbrush-galerie.de, eine Onlinegalerie der Studienteilnehmer des „ibkk Instituts für Ausbildung in bildender Kunst und Kunsttherapie Monika Wrobel-Schwarz“, Erwähnung findet, genügt alleine nicht.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Vergangenheit von der Beklagten ausgesprochenen Feststellung einer Versicherungspflicht nach dem KSVG. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.02.2011 hat die Beklagte die Versicherungsfreiheit ab dem 01.03.2011 festgestellt und den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht aufgehoben. Damit endete die Versicherung nach dem KSVG und ein etwaiges Vertrauen der Klägerin in deren Bestand.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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