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L 7 R 1272/13

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die teilweise Aufhebung und Rückforderung einer großen Witwenrente für April 2007 bis Januar 2009 infolge der Anrechnung einer erst nachträglich mit Rückwirkung bewilligten und auf Versicherungszeiten des verstorbenen Ehemannes der Klägerin beruhenden polnischen Witwenrente (sog. „Familienrente“) bei bereits anfänglich bestehendem polnischen Altersrentenbezug aus eigener Versicherung.

Die Klägerin ist am … in Oberschlesien geboren. Sie ist die Witwe des am … in Oberschlesien geborenen und an … in Mannheim verstorbenen Versicherten … im Folgenden: Versicherter). Die beiden waren vom ... Oktober 1955 bis zum Tod des Versicherten verheiratet. Der Versicherte war Inhaber eines Vertriebenenausweises A, hatte in Polen knappschaftliche Zeiten zurückgelegt und dort seit 1982 eine Invalidenrente bezogen. Am 18. Juni 1990 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über; die Klägerin selbst zog erst im Jahre 1997 oder 1999 in die Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin bezog jedenfalls seit 1. März 2006 eine polnische Altersrente der Kasa Rolniczego Ubezpieczenia Spoiecznego (KRUS), der polnischen Sozialversicherung für Landwirte, in Höhe von ca. 716,96 Zloty (PLN) ab 1. April 2007 und von 736,55 PLN ab dem 1. März 2008, was etwa 175,00 € entsprach.

Nach dem Tod des Versicherten beantragte die Klägerin am 12. April 2007 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg die Gewährung einer Hinterbliebenenrente; der Antrag wurde aufgrund des Vorliegens knappschaftlicher Zeiten des Versicherten zuständigkeitshalber an die Beklagte abgegeben.

Die Beklagte wandte sich nach Eingang des Witwenrentenantrags zunächst mit Schreiben vom 2. Juli 2007 zur Einleitung des Rentenverfahrens nach Art. 41 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 an die Zaklad Ubezpieczen Spolecznych (ZUS), die allgemeine polnische allgemeine Sozialversicherungsanstalt, worüber sie die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag in Kenntnis setzte. Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass im Fall der Zuerkennung einer polnischen Rente diese gemäß § 31 Fremdrentengesetz (FRG) ggf. ganz oder teilweise mit ihrem Bruttobetrag (vor Steuern) auf die deutsche Witwenrente angerechnet werde und zu viel gezahlte deutsche Rentenbeträge dann von ihr nach § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten seien.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 5. Juli 2007 („Mitteilung über die vorläufige Leistung“) rückwirkend ab dem 1. April 2007 eine große Witwenrente. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass diese Rente eine vorläufige Leistung im Sinne des Art. 45 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 sei. Die Höhe dieser Leistung sei von der Bindungswirkung des Bescheides ausgenommen und könne daher nicht angefochten werden. Der Bescheid enthielt zudem den Hinweis, dass das Hinzutreten von Renten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere auf FRG-Zeiten beruhender Renten, zu einer Minderung der Rente führen könne. Die bereits laufende eigene polnische Altersrente der Klägerin wurde nicht auf die deutsche Witwenrente angerechnet.

Mit Schreiben vom 19. August 2008 bat die Beklagte die ZUS, die anfallende Nachzahlung nicht an die Klägerin auszuzahlen, sondern zur Verrechnung von Überzahlungen gemäß Art. 111 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 für sie - die Beklagte - einzubehalten.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 bewilligte die ZUS der Klägerin rückwirkend ab dem 21. März 2007 (Todestag des Ehemanns) unbefristet „Familienrente“ in Höhe von zunächst 940,70 PLN monatlich und ab dem 1. März 2008 von 1.001,85 PLN. Der sich für Zeit vom 21. März bis zum 30. November 2008 ergebende Betrag in Höhe von insgesamt 19.111,56 PLN wurde nicht ausgezahlt. In Höhe der in diesem Zeitraum bereits ausgezahlten KRUS-Altersrente von 15.012,92 PLN erfolgte eine „Verrechnung“. Der Restbetrag von 4.098,64 PLN wurde für die Beklagte reserviert und im Mai 2009, vermindert um die polnische Steuer auf 3.360,64 PLN, an diese ausgezahlt.

Die KRUS-Altersrente wurde der Klägerin im Dezember 2008 und Januar 2009 weiterhin ausgezahlt. Aus diesem Grund erhielt die Klägerin für Dezember 2008 und Januar 2009 die Familienrente der ZUS noch um den Betrag der KRUS-Altersrente gekürzt (insgesamt 476,60 PLN brutto).

Den Bescheid vom 1. Dezember 2008 übermittelte die ZUS mit Schreiben vom 4. Dezember an die Beklagte und erläuterte, dass diese Familienrente auf vom verstorbenen Versicherten zurückgelegten 376 Beitragsmonaten beruhe und fügte eine entsprechende Monatsaufstellung bei. Der für die Zeit vom 21. März 2007 bis zum 31. Dezember 2008 angelaufene Rentenbetrag sei nun für die von der Beklagten angemeldete Forderung reserviert.

Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Anhörungsschreiben vom 18. Dezember 2008 an, den Bescheid vom 5. Juli 2007 gemäß § 45 SGB X für die Zeit ab dem 1. April 2007 teilweise zurückzunehmen und die polnische Rente auf die deutsche Rente ganz anzurechnen. Der April 2007 sei der erste Monat, zu dessen Beginn sowohl die deutsche als auch die polnische Rente erbracht worden seien. Für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. Januar 2009 sei eine Überzahlung von insgesamt 5.270,03 € entstanden. Die Rückforderung dieses Betrages sei beabsichtigt. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheides seien erfüllt, da die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides kannte beziehungsweise infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Sowohl im Rentenbescheid vom 5. Juli 2007 als auch im Schreiben vom 3. Juli 2007 sei sie über die Anrechnung der polnischen Rente informiert worden.

Mit Bescheid, der wie das Anhörungsschreiben auf den 18. Dezember 2008 datiert ist, jedoch der Klägerin erst am 20. Januar 2009 zuging, änderte die Beklagte ihre Bewilligung der Hinterbliebenenrente. Sie bewilligte nunmehr für die Zeit ab dem 1. Februar 2009 einen monatlichen Betrag von 146,85 €. Für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. Januar 2009 stellte sie eine Überzahlung von 5.270,83 € fest und verfügte die Erstattung dieses Betrages. Der bisherige Bescheid über die Feststellung der Rentenhöhe wurde insoweit nach § 45 SGB X zurückgenommen. Die ihr - der Beklagten - bekannten Umstände, die der Rücknahme entgegenstehen könnten, habe sie bei der Prüfung, ob sich die Klägerin auf Vertrauen berufen könne, sowie bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt. Für die Zeit ab Beginn der großen Witwenrente (1. April 2007) bis einschließlich Januar 2009 wurde die Brutto-Familienrente - und zwar in der von der ZUS bewilligten Höhe ohne Berücksichtigung der Kürzung um die KRUS-Rente - angerechnet, wodurch sich eine Überzahlung in Höhe von 5.270,03 € errechnete. Dieser Überzahlungsbetrag sei - so der Bescheid - von der Klägerin nach § 50 SGB X zu erstatten, soweit nicht bereits die ZUS aufgrund des dort angemeldeten Erstattungsanspruchs Zahlung an die Beklagte leistet. Den auf Dezember 2008 und Januar 2009 entfallenden Teilbetrag von 452,56 €, also ab Beginn der laufenden Leistungen der ZUS am 1. Dezember 2008, die an die Klägerin direkt zur Auszahlung kamen und nicht mehr für die Beklagte einbehalten worden waren, solle die Klägerin bereits innerhalb von zwei Monaten an die Beklagte zahlen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Februar 2009 Widerspruch. Durch die Familienrente sei die Altersrente weggefallen. Nach Auskunft der polnischen Behörden erfolge keine Anrechnung auf die deutsche Rente. Sie genieße außerdem Vertrauensschutz, weil sie die Familienrente nicht mit einer Witwenrente gleichgesetzt habe, zumal sie sich pflichtgemäß im Voraus erkundigt habe.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2009 zurück. Die Klägerin sei über die Anrechnung der Rente informiert worden, so dass ihr mindestens grobe Fahrlässigkeit zur Last falle. Anhaltspunkte für schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin oder das Vorliegen einer besonderen Härte durch die Rücknahme seien im Rahmen des Ermessens geprüft worden, jedoch nicht ersichtlich gewesen und sie - die Beklagte - treffe ihrerseits kein Verschulden.

Hiergegen hat die Klägerin am 15. September 2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, mit der sie zuletzt begehrt hat, den Bescheid vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 aufzuheben, soweit durch ihn für die Zeit vor dem 1. Dezember 2008 polnische Familienrentenzahlungen nach § 31 FRG in Höhe von mehr als 4.098,64 PLN brutto angerechnet werden und von ihr mehr zurückgefordert wird als die 452,56 € (Überzahlung ab dem 1. Dezember 2008) zzgl. der sich aus der Anrechnung der 4.098,64 PLN (brutto) ergebenden Summe. Sie hat eingeräumt, dass die polnische Familienrente allein auf den Versicherungszeiten des Verstorbenen beruht und nicht zugleich (teilweise) ihre polnische Altersrente beinhaltet. Sie hat sich gegen die rückwirkende Anrechnung der polnischen Familienrente für die Zeit bis einschließlich Januar 2009 gewandt in dem Umfang, der über den Differenzbetrag zwischen KRUS-Altersrente und ZUS-Familienrente hinausgeht. Zwar sei die Familienrente grundsätzlich anzurechnen, nicht aber insoweit, als ihr diese noch als eigene Altersrente zugeflossen sei und erst nachträglich durch den ZUS-Bescheid zu einer Familienrente umgewidmet worden sei. Die bis Januar 2009 geflossene KRUS-Altersrente könne daher nicht nach § 31 FRG angerechnet werden, sondern lediglich der Mehrbetrag, der ihr dann tatsächlich später von der ZUS als Familienrente nachgezahlt worden sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat mit Urteil vom 18. Oktober 2012 den Bescheid vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 aufgehoben, soweit durch ihn für die Zeit vor dem 1. Dezember 2008 polnische Familienrentenzahlungen nach § 31 FRG in Höhe von mehr als 4.098,64 PLN (brutto) angerechnet werden und soweit von der Klägerin durch ihn mehr zurückgefordert wird als die 452,56 € für die Zeit ab 1. Dezember 2008 und die 4.098,64 PLN (brutto) für die Zeit vor 01.12.2008. Die Klage sei begründet, soweit auf die deutsche Witwenrente bis einschließlich Januar 2009 mehr von der polnischen Familienrente nach § 31 FRG angerechnet worden sei als von der ZUS als Familienrente für diesen Zeitraum tatsächlich nachgeleistet worden sei. Soweit für den Zeitraum vor dem 1. Februar 2009 an die Klägerin Altersrente aus eigener Versicherung durch die KRUS geleistet worden sei, die erst nachträglich und rückwirkend nach polnischem Recht als Familienrentenzahlung gelte beziehungsweise behandelt werde, sei die Anrechnung auf die deutsche Witwenrente nach § 31 FRG rechtswidrig. Werde dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruhe gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werde. Die Familienrente, die die Klägerin von der ZUS beziehe, sei das polnische Äquivalent zur deutschen Witwenrente. Die polnische Familienrente basiere auf den vom Verstorbenen in der Zeit vom 17. März 1950 bis 31. März 1982 zurückgelegten Versicherungszeiten in Polen. Diese Zeiten seien nach FRG auch in der großen Witwenrente der Klägerin berücksichtigt. Die Familienrente sei daher grundsätzlich auf die Witwenrente nach § 31 FRG anzurechnen. Dies sei zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig. Maßgeblich für die Anrechnung sei der Bruttorentenbetrag vor Abzug der ausländischen Steuer. Die Pflegezulage sei nicht Teil der Familienrente und daher nicht anzurechnen. Beides habe die Beklagte - was inzwischen auch unstreitig sei - zutreffend berücksichtigt. Streitig sei zwischen den Beteiligten jedoch geblieben, wie die Zeit ab Gewährung der deutschen Witwenrente bis einschließlich Januar 2009 zu behandeln sei. In dieser Zeit sei neben der deutschen Witwenrente die nach § 97 SGB VI nicht zur Anrechnung gekommene polnische Altersrente der KRUS geleistet worden. Hierdurch sei die Besonderheit entstanden, dass die polnische Familienrente nicht einfach rückwirkend gewährt und eine dem gewährten Betrag entsprechende (Nach-)Zahlung zur Auskehr gekommen sei. Vielmehr sei zwar von der ZUS eine Familienrente ab 21. März 2007 ungekürzt bewilligt, aber die Nachzahlung dieser Familienrente um die bereits geflossene KRUS-Rente reduziert worden. Der Grund hierfür sei gewesen, dass nach polnischem Recht Altersrente aus eigener Versicherung und Witwenrente (Familienrente) nicht nebeneinander zur Auszahlung kämen. Die Gewährung der Familienrente habe für die Zeit bis Januar 2009 somit nur zur Auszahlung des die KRUS-Rente übersteigenden Teils der Familienrente geführt, nämlich für die Zeit bis 31. November 2008 4.098,64 PLN (brutto), von denen die ZUS nach Abzug der polnischen Steuern 3.360,64 PLN (netto) an die Beklagte direkt gezahlt habe, und für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 ein Betrag von 476,60 PLN (brutto), die die ZUS nach Abzug der polnischen Steuern an die Klägerin direkt überwiesen habe. Darüber, dass diese die KRUS-Rente übersteigenden Beträge, die tatsächlich von der ZUS nachgezahlt worden seien, „gewährt“ und „ausgezahlt“ im Sinne des § 31 FRG und daher anrechenbar seien, bestehe zwischen den Beteiligten inzwischen Einigkeit. Für die ursprünglich als KRUS-Altersrente aus eigener Versicherung ausgezahlten Beträge sei jedoch eine Anrechnung nach § 31 FRG zunächst nicht in Frage gekommen. Erst infolge der Familienrentengewährung sei diese ausgezahlte KRUS-Rente rückwirkend nach polnischem Recht ebenfalls zur Familienrente geworden, was unter Umständen Ähnlichkeit mit der Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X oder der Auf- /Verrechnung nach §§ 51, 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) aufweise. Durch diese Fiktion sei zwar die voll bewilligte polnische Familienrente voll geleistet und der Anspruch auf sie erfüllt. Fraglich bleibe jedoch, ob der deutsche Gesetzgeber sich derartiges unter dem Tatbestandsmerkmal „auszahlen“ vorgestellt habe, also eine Rentenleistung auch dann nach § 31 FRG anrechenbar sei, wenn sie noch nicht im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Auszahlung, sondern erst später durch rückwirkende Fiktion die restlichen Tatbestandsmerkmale des § 31 FRG erfülle. Bejahendenfalls wären zum Beispiel Fälle denkbar, in denen eine bislang nicht nach § 31 FRG anrechenbare Altersrente aus eigener Versicherung nachträglich durch eine nur knapp höhere Familienrente ersetzt werde, dadurch aber die gesamten ausländischen Rentenzahlungen nach § 31 FRG anrechenbar würde und so im Ergebnis trotz höherer ausländischer Rente in der Summe sogar deutlich weniger Rente fließe. § 31 FRG verlange jedoch nicht lediglich das Gewähren der ausländischen Rentenleistung, sondern setze weiter voraus, dass diese Rente auch ausgezahlt und nicht auf sonstige Weise - hier indem etwas bereits erhaltenes und nicht anrechenbares durch ausländisches Recht nachträglich anrechenbar gemacht werde - geleistet werde. An die Klägerin sei die KRUS-Rente als eine Altersrente tatsächlich ausgezahlt worden, während die nachträgliche Umwidmung zur polnischen Witwenrente keine Auszahlung als Familienrente, sondern nur eine sonstige nach polnischem Recht vorgesehene Erfüllung des Anspruchs auf volle Familienrente sei. Es könne daher offen bleiben, ob ein Fall des § 45 SGB X oder des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 SGB X Vorgelegen habe und wie sich Art. 45 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auswirke. Im Ergebnis könnten somit für die Zeit bis einschließlich November 2008 nur 4.098,64 PLN (brutto) angerechnet werden. Mit der hierauf entfallenden Erstattungsforderung nach § 50 SGB X werde die Beklagte die von der ZUS weitergeleiteten 3.360,64 PLN zu verrechnen haben, so dass nur die noch zu errechnende Differenz von der Klägerin zurückzuzahlen sei. Hinsichtlich Dezember 2008 und Januar 2009 sei in der mündlichen Verhandlung von Gericht und Klägerseite übersehen worden, dass die KRUS auch in diesen beiden Monaten noch Altersrente geleistet habe und die ZUS jeweils entsprechend gekürzte Leistung erbracht habe. Aufgrund dieses Versehens sei die von der Beklagten vorgenommene volle Anrechnung der Familienrente und damit auch die von ihr angesetzte Rückforderung von insgesamt 452,56 € irrtümlich in der Verhandlung für richtig befunden, was sich dann auch im Klageantrag und im Urteil niedergeschlagen habe. Richtigerweise hätte die Aufhebung/Rückforderung in diesen beiden Monaten jedoch nur insgesamt 476,60 PLN (brutto) betragen dürfen.

Gegen das ihr am 28. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. März 2013 Berufung eingelegt. Sie bestreite nicht, dass nur die Familienrente, die die Klägerin von der ZUS beziehe beziehungsweise bezogen habe, das polnische Äquivalent zur deutschen Witwenrente sei. Streitig sei, wie die Zeit ab Gewährung der deutschen Witwenrente bis einschließlich Januar 2009 zu behandeln sei. Das SG gehe zu Unrecht davon aus, dass zwei nebeneinander bestehende Grundansprüche auf Familienrente und polnische Altersrente bestanden hätten und als Folge der wechselseitigen Anrechnung ein Anspruch bei der Bewilligung des anderen nachträglich ganz oder teilweise wegfalle. Diese Annahme des SG übertrage in unzulässiger Weise das hiesige Rentenrecht auf die polnischen Leistungsansprüche. Vorliegend sei nicht davon auszugehen, dass bei einem fortbestehenden Grundanspruch lediglich die monatlich fälligen Zahlungsansprüche berührt würden beziehungsweise berührt worden seien. Grundprinzip im polnischen Rentensystem sei, dass beim Zusammentreffen von mehreren Leistungen nur eine, das heißt die höhere oder die vom Leistungsempfänger gewählte Leistung ausgezahlt werde. Diese Regelung sei in Art. 95 des Altersrentengesetzes vom 17. Dezember 1998 festgehalten, sie finde aber auch entsprechend Anwendung nicht nur in Bezug auf Leistungen aus dem allgemeinen Altersrentensystem, sondern zum Beispiel auch aus dem Versorgungssystem der Uniformierten oder Leistungen aus der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Die Klägerin habe vor dem Tod des Versicherten eine eigene polnische Altersrente der KRUS bezogen. Diese Altersversorgung stehe einem Landwirt zu, wenn er seine Betriebstätigkeit einstelle und er auch nicht berechtigt sei, auf der Grundlage anderer Vorschriften rentenähnliche Leistungen zu beziehen. In Konsequenz dieser Regelung sei im Rentenbewilligungsbescheid vom 1. Dezember 2008 geregelt worden, dass aufgrund des Antrages vom 21. März 2007 der Klägerin eine Familienrente gewährt werde. Mit der Zuerkennung sei rückwirkend der Leistungsanspruch der KRUS-Rente entfallen. Der Anspruch der Klägerin (auf die KRUS-Rente) habe an dem Tag geendet, an dem sie unwiderruflich dauerhaft die Auszahlung der Familienrente begehrt habe. Der Wegfall des Anspruchs habe dazu geführt, dass eine Leistungsgewährung zu Unrecht Vorgelegen habe. Der polnische Sozialversicherungsträger habe daher mit der zustehenden Nachzahlung aus der Familienrente seinen bestehenden Anspruch auf Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen befriedigt.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Oktober 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
  • hilfweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

  • die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Es sei keine Auszahlung erfolgt. Es handele sich um zwei verschiedene polnische Sozialversicherungsträger. Die zustehende Nachzahlung habe somit nicht ohne Weiteres zu der Verminderung einer bestehenden Forderung geführt. Es liege weder ein Aufhebungs- noch ein Rückforderungsbescheid der KRUS vor, der die Auffassung der Beklagten stütze. Es existierten lediglich zwei Bescheide der ZUS, nämlich einen vom 1. Dezember 2008, der die Familienrente beziffere und den Beginn der Berechnung darlege, und einen vom 10. Februar 2009, der dann den Nachzahlungsbetrag beziffere und dessen Zurückhaltung für die Beklagte angebe. Sie - die Klägerin - habe somit zu keinem Zeitpunkt einen Auszahlungsanspruch auf die polnische Witwenrente für den Zeitraum vom 21. März 2007 bis 30. November 2008 gehabt. Ihr gegenüber sei die empfangene Rente nur nachträglich „umgewidmet“ worden. Da es somit tatsächlich nicht zu einer Auszahlung gekommen sei, sei § 31 FRG nicht anzuwenden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da sich die Beklagte gegen die erstinstanzliche Aufhebung ihrer Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung von mehr als 750,00 € wendet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegenstand des Verfahrens ist, da nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, nur die Entscheidung des SG, den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 aufzuheben, soweit hierdurch für die Zeit vor dem Dezember 2008 polnische Rentenzahlungen von mehr als 4.098,64 PLN angerechnet werden und von der Klägerin mehr als diese 4.098,64 PLN sowie ab 1. Dezember 2008 mehr als 452,56 € zurückgefordert werden.

3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 aufgehoben, soweit hierdurch für die Zeit vor dem 1. Dezember 2008 polnische Rentenzahlungen von mehr als 4.098,64 PLN angerechnet werden und von der Klägerin mehr als diese 4.098,64 PLN sowie ab 1. Dezember 2008 mehr als 452,56 € zurückgefordert werden. Die genannten Bescheide sind in diesem Umfang rechtmäßig. Die Klägerin hatte insofern wegen § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente gegen die Beklagte.

a) Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG ruht, wenn dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt wird, die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird.

Diese Voraussetzungen sind für die ZUS-Familienrente in der Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. Januar 2009 erfüllt. Dass die ZUS-Familienrente auf den vom verstorbenen Versicherten zwischen dem 17. März 1950 und dem 31. März 1982 in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten beruht, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Diese Zeiten sind nach dem FRG auch in der von der Beklagten der Klägerin gewährten Hinterbliebenenrente berücksichtigt.

Die von der ZUS mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 rückwirkend bewilligte Familienrente wurde der Klägerin auch „ausgezahlt“ im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG.

§ 31 Abs. 1 Satz 1 FRG verwendet sowohl den Begriff „gewährt“ als auch den Begriff „ausgezahlt“. Der Normtext selbst macht damit deutlich, dass nicht nur der bloße Anspruch auf eine ausländische Rente und damit eine fiktive Rentengewährung nicht ausreicht (vgl. insofern BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 - B 5 R8/10 R - juris Rdnr. 21 ff., sowie die Vorinstanz LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. November 2009 - L 6 R 174/09 - juris Rdnr. 41 ff), sondern dass auch die Gewährung einer Rente, also die bescheidmäßige Anerkennung eines entsprechenden Anspruchs, allein nicht genügt. Vielmehr muss die Rente auch „ausgezahlt“ werden (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 - B 5 R 8/10 R - juris Rdnr. 21). Dies setzt aber nicht zwingend voraus, dass ein entsprechender Geldbetrag unmittelbar an den Berechtigen gelangt. Entscheidend ist, ob die Vermögenssituation des Berechtigten verbessert wird. Es kann daher zur Anwendbarkeit des § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG auch ausreichen, wenn durch die Leistung des ausländischen Trägers eine Schuld des Versicherten gegenüber Dritten getilgt wird (LSG Bayern, Urteil vom 27. November 2009 - L 14 R 65/07 - juris Rdnr. 26; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. November 2013 - L 18 KN 206/10 - juris Rdnr. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Juli 2014 - L 14 R 551/12 - juris Rdnr. 31). So ist in der Rechtsprechung etwa angenommen worden, dass auch in der Erfüllung der im Herkunftsland entstandenen persönlichen Steuerschuld des Versicherten durch den ausländischen Versicherungsträger eine Auszahlung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG liegt (LSG Bayern, Urteil vom 27. November 2009 - L 14 R 65/07 - juris Rdnr. 26; LSG Bayern, Urteil vom 9. April 2013 - L 13 R 821/11 - juris Rdnr. 61; LSG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 12. November 2013 - L 18 KN 206/10 - juris Rdnr. 29; LSG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 11. Juli 2014 - L 14 R 551/12 - juris Rdnr. 31) und insofern die Parallele zu einer Verrechnung nach § 52 SGB I, bei der dem Versicherten der wirtschaftliche Wert des vollen Rentenanspruchs zufließt, ein Teil des Zahlbetrages infolge der Verrechnungserklärung aber nicht an ihn ausgekehrt wird, sondern den Untergang einer gegen ihn bestehenden Verrechnungsforderung bewirkt, gezogen (LSG Bayern, Urteil vom 27. November 2009 - L 14 R 65/07 -juris Rdnr. 26; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. November 2013 - L 18 KN 206/10 - juris Rdnr. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Juli 2014 - L 14 R 551/12 - juris Rdnr. 31).

Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt gilt nichts anderes. Zwar ist die ZUS-Familienrente in Höhe des hier streitigen Betrages nicht unmittelbar an die Klägerin ausgezahlt worden. Durch ihren Einbehalt ist aber die Verpflichtung der Klägerin, die ursprünglich gewährte KRUS- Altersrente zurückzuzahlen, getilgt worden. Dass diese Tilgung oder Verrechnung nach polnischem Recht rechtmäßig war, hat auch die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Im Übrigen wäre dies aber auch vom Senat nicht zu prüfen. Insofern hätte sich die Klägerin unmittelbar gegen die Maßnahmen der ZUS wenden müssen.

Eine andere Auslegung würde im Übrigen dazu führen, dass die Klägerin besser stünde als jemand, der von vorneherein nur eine ZUS-Familienrente und keine KRUS-Altersrente bezogen hätte. Ein sachlicher Grund für eine Besserstellung der Klägerin nur deswegen, weil sie die ZUS- Familienrente erst rückwirkend beantragt hat, ist nicht ersichtlich.

b) Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsforderung des Beklagten ist § 42 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) (zur entsprechenden Anwendung des § 42 SGB I vergleiche allgemein BSG SozR 3-1200 § 42 Nr. 2; BSG SozR 3-1300 § 31 Nr. 10). Nach § 42 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I sind die Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen und nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I zu erstatten, wenn die Vorschüsse die zustehende Leistung übersteigen. Eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides ist nicht notwendig, wenn dem Betroffenen ein Vorschuss von Leistungen nach § 42 SGB I gewährt worden ist und die Voraussetzungen für endgültige Leistungen nicht erfüllt sind (Padé in jurisPK-SGB X, 2013, Stand 2. Dezember 2016, § 45 Rdnr. 14 m.w.N.).

Ein unmittelbarer Anwendungsfall der Norm liegt hier - formal betrachtet - zwar nicht vor, weil die Zahlung an die Klägerin nicht gemäß § 42 Abs. 1 SGB I als Vorschuss, sondern aufgrund einer vorläufigen Bewilligung nach Art. 45 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 erfolgt ist. Der Sache nach handelt es sich bei der vorläufigen Zahlung jedoch praktisch um einen Vorschuss im Sinne des § 42 SGB I. Denn beide Zahlungen setzen voraus, dass ein Geldleistungsanspruch dem Grunde nach besteht und eine endgültige Festsetzung der Höhe noch nicht erfolgen kann. Auch die Interessenlage ist in beiden Fällen vergleichbar. Hier wie dort geht es um die Beschleunigung der Leistungsgewährung im Interesse des Berechtigten, was von vornherein mit dem Risiko einer Überzahlung verbunden ist. Ist dem Empfänger einer solchen Leistung klar, dass er zu viel gezahlte Beträge zurückzuerstatten hat, bedarf er - nach der dem § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I zugrunde liegenden Wertung des Gesetzgebers - keines besonderen Schutzes (vgl. BSG, Urteil vom 15. August 2002 - B 7 AL 24/01 R - SozR 3-4100 § 147 Nr. 1 - juris Rdnr. 18). Dementsprechend kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Rückforderung dann auf § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I gestützt werden, wenn bei der vorläufigen Bewilligung des Geldbetrages deutlich genug auf die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Erstattungspflicht hingewiesen worden ist (BSG Urteil vom 5. April 2012 - B 10 EG 10/11 R - juris Rdnrn. 41 ff.).

So ist es hier. Die Klägerin ist durch das unmittelbar vor Erlass der vorläufigen Bewilligung ergangene Schreiben der Beklagten vom 3. Juli 2007 unmissverständlich daraufhin gewiesen worden, dass dann, wenn der polnische Versicherungsträger eine Rente zuerkennt, diese gegebenenfalls teilweise oder in voller Höhe auf die deutsche Rentenleistung anzurechnen ist, und zwar in Höhe des Bruttobetrages der polnischen Rente vor dem Abzug von Steuern. Ein entsprechender Hinweis ist zudem in dem die vorläufige Leistung bewilligenden Bescheid vom 5. Juli 2007 erfolgt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

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