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L 5 R 1137/14

Tatbestand

Im Streit steht, ob die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Projektleiterin in der Zeit vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 als Selbständige mit einem Auftraggeber (arbeitnehmerähnliche Selbständige) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

Die 1963 geborene Klägerin, habilitierte Theologin, ist hauptberuflich als Lehrerin (Pfarrerin im Entsendungsdienst) sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Daneben ist sie unentgeltlich als Privatdozentin an der Pädagogischen Hochschule tätig.

In der Zeit vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 führte sie für das Evangelische Schulwerk in Württemberg das Projekt „Diakonisch-soziales Lernen im Seminarkurs der gymnasialen Oberstufe“ mit dem Thema „Heil und Heilung im Kontext drakonischer Arbeitsfelder“ durch. Hierzu schloss sie unter dem 25.02.2009 einen Werkvertrag mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, wonach sie sich u.a. zur Erarbeitung, Durchführung und Auswertung des Projekts verpflichtete. Hierfür erhielt sie eine Gesamtvergütung von 80.000 €, ausgezahlt in vierteljährlichen Raten von 5000 €. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 01.09.2009 stellte die Beklagte fest, dass diese Tätigkeit im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt werde. Weitere Auftraggeber hatte die Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit in der Zeit vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 nicht. Sie beschäftigte keine Arbeitnehmer.

Mit Bescheid vom 24.08.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin als arbeitnehmerähnlich selbständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.12.2008 versicherungspflichtig sei. Die Voraussetzungen des § 2 S. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien erfüllt.

Auf ihren Antrag befreite die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 02.09.2010 als Existenzgründerin für die Zeit vom 01.12.2008 bis 01.12.2011 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. la S. 1 Nr. 1 SGB VI).

Gegen den Bescheid vom 24.08.2010 legte die Klägerin am 15.09.2010 anwaltlich vertreten Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2011 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei für nur einen Auftraggeber selbständig tätig und beziehe mindestens 5/6 ihrer gesamten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit allein aus dieser Tätigkeit.

Am 28.01.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und zur Begründung vortragen lassen, bei einer vorausschauenden Betrachtung liege keine auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit vor, da ein zeitlich eng begrenztes Objekt gegeben sei. Die Beklagte selbst gehe in ihrer Broschüre „Selbständige in der Rentenversicherung“ (8. Aufl., Juli 2006) davon aus, dass auch bei Projektzeiten von über einem Jahr im Einzelfall keine dauerhafte Tätigkeit für nur einen Auftraggeber vorliege. Dies sei aber Voraussetzung für die Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI.

Während des Klageverfahrens erließ die Beklagte den Bescheid vom 21.10.2011. Da ab dem 02.12.2011 Rentenversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI bestünde, seien Beiträge zu entrichten. Auf den Antrag der Klägerin setzte die Beklagte die Vollziehung des Bescheides für die Dauer des Klageverfahrens aus.

Mit Urteil vom 21.01.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin unterliege in ihrer selbständigen Tätigkeit im Zeitraum vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI. Allein streitig sei, ob die Klägerin mit ihrer Tätigkeit für das Evangelische Schulwerk das Tatbestandsmerkmal „auf Dauer“ erfülle. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/1855) und dem gleichlautenden Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 20.12.1999 (NZS 2000, 190) sei von einer Dauerhaftigkeit auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolge. Hierbei seien neben den zeitlichen auch wirtschaftliche Kriterien zu beachten und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Bei einer im Voraus begrenzten, lediglich vorübergehenden Tätigkeit für einen Auftraggeber (insbesondere bei projektbezogenen Tätigkeiten) werde grundsätzlich keine Dauerhaftigkeit dieser Tätigkeit für nur einen Auftraggeber vorliegen, wenn die Begrenzung innerhalb eines Jahres liege; im Einzelfall könne auch bei längeren Projektzeiten keine dauerhafte Tätigkeit nur für einen Auftraggeber vorliegen. Hierfür sei im Zeitpunkt der Aufnahme des Auftrages eine vorausschauende Betrachtung vorzunehmen (unter Verweis auf LSG Bayern Urt. v. 13.07.2005 - L 1 R 4208/04). Im vorliegenden Fall sei die Klägerin vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 und somit für insgesamt vier Jahre für nur einen Auftraggeber tätig gewesen. Damit übersteige die „dauerhafte“ Tätigkeit für nur einen Auftraggeber die von der Literatur und in der Gesetzesbegründung aufgezeichnete, projektbezogene, kurze zeitliche Grenze für einen Auftraggeber von ausnahmsweise über einem Jahr bei weitem. Die Zugrundelegung eines Zeitraums von vier Jahren würde den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderlaufen und könne daher auch im Wege der Auslegung nicht angenommen werden (so auch LSG Bayern, a.a.O.). Dies ergebe sich auch aus dem Umstand einer anderen, eigenen Gestaltungsmöglichkeit, mit der der Gesetzgeber für eine längere als die angeführte einjährige Anlaufphase selbstständiger Existenzgründungen eine Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht für die ersten drei Jahre geschaffen habe (§ 6 Abs. la SGB VI i. d. F. des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit). Damit solle u.a. ein „Herauswachsen aus der Versicherungspflicht“ unterstützt werden, weil ein Existenzgründer alsbald nicht mehr auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen einzigen Auftraggeber tätig sein werde (unter Verweis auf BT-Drs. 14/1185). Zutreffend weise der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwar daraufhin, dass im Rahmen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI eine Gesamtbetrachtung und nicht eine schematische Betrachtung erforderlich sei, was auch für das Tatbestandsmerkmal „Dauer“ gelte. Dem Argument, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um ein von Anfang an auf vier Jahre begrenztes und vom Auftraggeber nicht verlängerbares Projekt handele, welches daher nicht auf Dauer im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGBV anzusehen sei, könne jedoch nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, ob das Projekt verlängerbar sei oder nicht, stelle der Zeitraum von vier Jahren einen derart langen Zeitraum dar, dass damit der mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verfolgte Gesetzeszweck, nämlich den Schutz des Auftragnehmers vor wirtschaftlicher Abhängigkeit von nur einem Auftraggeber, erfüllt sei. Auf den Umstand, dass die Klägerin während ihrer selbstständigen Tätigkeit für das Evangelische Schulwerk auch noch als angestellte Lehrerin (Pfarrerin im Entsendungsdienst) tätig gewesen sei und hierdurch regelmäßige Einnahmen generierte, komme es für die Beurteilung nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht maßgeblich an. Denn auch wenn die Klägerin auf die Tätigkeit bei dem Evangelischen Schulwerk nicht angewiesen sein sollte, zeige dies lediglich eine fehlende individuelle soziale Schutzbedürftigkeit an, auf die es jedoch nach dem Gesetz nicht ankomme (unter Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 14.03.2013 - L 22 R 881/10).

Am 28.02.2014 hat die Klägerin gegen das ihrem Bevollmächtigten am 31.1 2014 zugestellte Urteil Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, eine Definition des Tatbestandsmerkmals „Dauer“ finde sich weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung. Auch ließen sich dort keine Anhaltpunkt für einen Einjahres- oder Dreijahreszeitraum finden. Vielmehr zeige die Gesetzesbegründung, dass zum einen Ausnahmefallen Rechnung getragen werden solle, zum anderen sozial schutzbedürftige Selbständige erfasst werden sollen und insbesondere diejenigen Personen einer Rentenversicherungspflicht zuzuführen seien, die tatsächlich (wirtschaftlich) im Wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig seien. Mithin könnten keine starren Zeitgrenzen angelegt werden. Vielmehr seien allein die Kriterien des Einzelfalls entscheidend. Eine Manipulationsgefahr könne vorliegend ausgeschlossen werden. Das Geschäftsmodell der Klägerin sei zudem darauf angelegt, wenige Projekt mit längeren Zeiträumen auszuführen. Dies mache sie nicht zu einer arbeitnehmerähnlichen Selbständigen. Im Gegenteil ermögliche ihr dies, parallel zu den Projekten andere Tätigkeiten auszuüben. Ob dies sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten seien oder selbständige, sei nicht entscheidend. Wäre das Projekt auf ein Jahr vereinbart gewesen, hätte die Klägerin keine weiteren Tätigkeiten ausüben können. Dies hätte eine deutlich stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit bedeutet. Von dem Auftraggeber sei auch geplant gewesen, das Projekt nur ein Jahr laufen zu lassen. Auf Wunsch der Klägerin sei es auf vier Jahre ausgedehnt worden, um letztendlich eine größere wirtschaftliche Abhängigkeit zu vermeiden. Hinzu komme, dass die längere Projektlaufzeit zu einer höheren Qualität der Ergebnisse führe. Es handele sich um eine wissenschaftliche Abhängigkeit. Wissenschaftliche Arbeiten, wie zum Beispiel das Verfassen eines wissenschaftlichen Werks, zögen sich in der Regel über mehrere Jahre hin. Ob ein Werk an eine Vielzahl von Abnehmern verkauft werde, oder von einem Auftraggeber beauftragt werde, könne keinen Unterschied machen. Auch ein Architekt, der nacheinander mehrjährige große Bauprojekte betreue, werde nicht als schutzbedürftige Person im Sinne der Rentenversicherung gesehen.

Die Klägerin beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.01.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 24.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2011 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit als Projektleiterin vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 nicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen und sich den Entscheidungsgründen des Urteils des SG angeschlossen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat mit diesem Bescheid zu Recht festgestellt, dass die Klägerin in ihrer vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 ausgeübten Tätigkeit als Projektleiterin die Voraussetzungen des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI erfüllte. Aufgrund der mit Bescheid vom 02.09.2010 ausgesprochenen Befreiung als Existenzgründerin (§ 6 Abs. la S. 1 Nr. 1 SGB VI) unterlag sie aber in dieser Tätigkeit nur vom 02.12.2011 bis 30.11.2012 der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht.

Nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI (in der Fassung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007, BGBL I 554) sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die (a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und (b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin in ihrer vom 01.12.2008 bis 30.11.2012 ausgeübten Tätigkeit als Projektleiterin.

Die Klägerin war in der Tätigkeit als Projektleiterin selbständig tätig. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 01.09.2009 bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend festgestellt. Außerdem beschäftigte die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum keine Arbeitnehmer.

Die Klägerin war auch im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, nämlich die Evangelische Landeskirche in Württemberg, tätig. Zur Beurteilung, ob die selbständig tätige Person „im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber“ tätig ist, kommt es im Fall von mehreren Auftraggebern darauf an, ob die Einkünfte für eine wesentliche Bindung des Betreffenden an den Auftraggeber sprechen. Dabei sind allein die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit heranzuziehen (BSG Urt. v. 04.11.2009 - B 12 R 7/08 R, juris). Denn der Begriff des „Auftraggebers“ in § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI betrifft nur selbständige Verhältnisse. Arbeitgeber einer abhängigen Beschäftigung sind keine Auftraggeber im genannten Sinne. Werden demnach - wie hier - nebeneinander eine selbständige Tätigkeit und eine abhängige Beschäftigung ausgeübt, so führt dies nicht zur Annahme eines weiteren (zweiten) Auftraggebers. Selbstständige Erwerbstätigkeiten und Erwerbstätigkeiten, die in einer abhängigen Beschäftigung bestehen, sind bei der Beurteilung der Rentenversicherungspflicht vielmehr voneinander zu trennen (BSG Urt. v. 04.11.2009 - B 12 R 7/08 R, juris). Als weiterer Auftraggeber kommt vorliegend somit allein die Pädagogische Hochschule, in deren Auftrag die Klägerin Vorlesungen abhält, in Betracht. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob diese Tätigkeit überhaupt eine auf Gewinnerzielung gerichtete, selbständige Erwerbstätigkeit darstellt. Denn jedenfalls fuhrt die Unentgeltlichkeit dieser Tätigkeit dazu, dass die Klägerin ihr gesamtes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit aus der Tätigkeit für das hier in Rede stehende Projekt der Evangelischen Landeskirche erzielte. Damit war sie „im Wesentlichen“ nur für einen Auftraggeber im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI tätig.

Auch das Merkmal der Dauerhaftigkeit ist vorliegend erfüllt. Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum „auf Dauer“ nur für einen Auftraggeber tätig.

Die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung legt das Merkmal der Dauerhaftigkeit unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der Fassung des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBL I 2) und das Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 20.12.1999 (NZS 2000, 190) wie folgt aus: Von einer Dauerhaftigkeit der Tätigkeit für einen Auftraggeber sei auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolge. Hierbei seien neben den zeitlichen auch wirtschaftliche Kriterien zu beachten und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Bei einer im Voraus begrenzten, lediglich vorübergehenden Tätigkeit für einen Auftraggeber (insbesondere bei projektbezogenen Tätigkeiten) werde grundsätzlich keine Dauerhaftigkeit dieser Tätigkeit für nur einen Auftraggeber vorliegen, wenn die Begrenzung innerhalb eines Jahres liege; im Einzelfall könne auch bei längeren Projektzeiten keine dauerhafte Tätigkeit nur für einen Auftraggeber vorliegen. Hierfür sei im Zeitpunkt der Aufnahme des Auftrages eine vorausschauende Betrachtung vorzunehmen (im Ganzen erstmals Bayerisches LSG Urt. v. 13.07.2005 -L 1 R 4208/04, juris; im Anschluss: LSG Baden-Württemberg Urt. v. 08.08.2006 - L 9 R 4947/04, juris; LSG Berlin-Brandenburg Urt. v 27.06.2007 - L 16 R 1458/06, juris; Bayerisches LSG Urt. v. 15.10.2009 - L 14 R 463/06, juris; LSG Sachsen-Anhalt Urt. v. 16.02.2012 - L 1 R 213/08, juris; LSG Berlin-Brandenburg Urt. v 13.12.2012 - L 21 R 387/12 WA, juris).

In der ursprünglichen Gesetzesfassung des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI (eingefügt durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 mit Wirkung zum 01.01.1999, BGBl. I 3843) war für die Versicherungspflicht allein Voraussetzung, dass der Betreffende keine Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und „regelmäßig und im Wesentlichen“ nur für einen Auftraggeber tätig wird. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/45, S. 20) heißt es, dass der wachsenden Überführung von Beschäftigungen in arbeitnehmerähnliche selbständige Tätigkeiten entgegengewirkt werden soll. Dieser Personenkreis zeichne sich aus durch die typischen Tätigkeitsmerkmale, dass sie keine Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig würden. Die so definierten arbeitnehmerähnlichen Selbständigen seien nicht weniger sozial schutzwürdig als die in § 2 Nr. 1 bis Nr. 7 SGB VI erfassten Selbständigen. Die Voraussetzung, dass der selbständig Tätige im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sein dürfe, umfasse nicht nur den Fall, dass der Betreffende rechtlich (vertraglich) im Wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden sei, sondern auch den Fall, dass er tatsächlich (wirtschaftlich) im Wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig sei. Zeitgleich fügte der Gesetzgeber § 6 Abs. 1a SGB VI ein, der die Befreiung von der Versicherungspflicht in der dreijährigen Existenzgründungsphase ermöglichte.

Das Merkmal der Dauerhaftigkeit wurde erst nachträglich mit dem Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGB1.12) rückwirkend zum 01.0.1.1999 in § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI eingefügt. Zur Begründung verweist der Gesetzgeber auf die zeitgleiche Änderung des § 7 Abs. 4 SGB IV. Nach dieser Regelung wurde im Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten ein Beschäftigungsverhältnis vermutet, wenn einige Merkmale erfüllt waren, u.a. der Betreffende „auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig“ war. Zuvor genügte, dass der Betreffende „regelmäßig und im Wesentlichen“ nur für einen Auftraggeber tätig wurde. Der Gesetzgeber begründete die Änderung damit, dass Existenzgründungen nicht erschwert werden sollten (BT-Drs. 14/1855, S. 6 f.). Dabei seien bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit neben den zeitlichen auch wirtschaftliche Kriterien zu beachten und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Dauerhafte Tätigkeiten für mehrere Auftraggeber lägen auch dann vor, wenn der Auftragnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums nacheinander für verschiedene Auftraggeber tätig sei, jedoch nicht, wenn sich zeitlich begrenzte Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber regelmäßig wiederholten. Im Übrigen komme es darauf an, ob der Auftragnehmer nach seinem Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstrebe und dies nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Erfolg verspreche. Dieses Merkmal sei nicht erfüllt, wenn der Auftragnehmer vertraglich zwar für mehrere Auftraggeber tätig sein dürfe, dies aber nach den tatsächlichen Umständen nicht könne.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mithin das Kriterium der Dauerhaftigkeit verhindern, dass der Betreffende nach § 7 Abs. 4 SGB IV a.F. als abhängig beschäftigt galt, weil er in der Gründungsphase noch nicht mehrere Auftraggeber generieren konnte. Diese „Startschwierigkeiten“ sollten der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegenstehen. Das Merkmal der Dauerhaftigkeit macht im Zusammenhang mit § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI allerdings nur dann Sinn, wenn nicht die gesamte - vom Gesetzgeber in § 6 Abs. la SGB VI auf drei Jahre pauschalierte Existenzgründungsphase von dieser Startphase erfasst ist, da die Befreiung von der Versicherungspflicht nur dann trägt, wenn auch Versicherungspflicht besteht. Ob der Zeitraum auf die eigentliche Startphase von wenigen Monaten oder einem Jahr begrenzt ist, wofür die Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf das Unternehmenskonzept spricht und der Umstand, dass die Gründung lediglich „nicht erschwert“ werde soll, kann vorliegend dahin gestellt bleiben. Denn mit der Bindung an einen Auftraggeber über die Dauer von - wie hier - vier Jahren, ist der dreijährige Zeitraum der Existenzgründungsphase jedenfalls überschritten. Es entspräche nicht Sinn und Zweck der Regelung in einem solchen Fall nicht von einer dauerhaften Abhängigkeit von einem Auftraggeber im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI auszugehen. Bei einer derart langen Dauer kommt es nicht darauf an, ob es sich (aus damaliger Sicht) voraussichtlich um ein regelmäßig wiederkehrendes Auftragsverhältnis handelte oder das (nicht verwirklichte) Unternehmenskonzept darauf gerichtet war, mehrere Auftraggeber zu gewinnen. Ebenso unbedeutend ist, welche Motive die Beteiligten für eine Ausdehnung des Projekts auf vier Jahr leiteten. Bei einer Bindung an einen Auftraggeber über die Dauer von mehr als drei Jahren liegt eine arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit im Sinne von § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI vor.

Auf die individuelle Schutzbedürftigkeit der Klägerin kommt es dabei nicht an. Der Tatbestand des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI setzt nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit des Versicherungspflichtigen voraus. Die Versicherungspflicht beruht vielmehr auf der Erfüllung des formalen gesetzlichen Tatbestands, in dem nach Auffassung des Gesetzgebers die soziale Schutzbedürftigkeit typisierend verkörpert ist (BSG 24.11.2005, B 12 RA 1/04 R, BSGE 95, 275; Urt. v. 04.11.2009 - B 12 R 7/08 R, juris).

Die Berufung der Klägerin konnte deshalb keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) liegen nicht vor. Bei einer vierjährigen Dauer eines Projekts ergibt sich die Auslegung des Begriffs der „Dauer“ bereits aus der Zusammenschau von § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI und § 6 Abs. la SGB VI und damit direkt aus dem Gesetz.

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