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L 4 R 905/11

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger ab 01. Oktober 2009 höhere Regelaltersrente gewähren muss, weil seine rentenrechtlichen Zeiten, die er im Beitrittsgebiet zurückgelegt hat, nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu bewerten seien und weil ihm höhere Entgeltpunkte (EP) für Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung zustünden.

Der …Kläger absolvierte in der DDR nach einer Ausbildung zum Funkmechaniker vom 01. September 1963 bis 14. August 1965 in der Zeit vom 01. September 1965 bis 17. September 1970 erfolgreich ein Studium an der Technischen Hochschule Ilmenau, das er mit dem akademischen Grad des Diplomingenieurs im Bereich Informationstechnik und theoretische Elektrotechnik abschloss. Im Anschluss daran arbeitete er vom 28. September 1970 bis 21. August 1985 in der DDR zunächst als Ingenieur und später als Gruppenleiter. Dabei wurden vom 01. Januar 1977 bis 31. Dezember 1978 von seinem Verdienst Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) abgeführt. Am 29. August 1985 siedelte der Kläger nach Ungarn über und war dort vom 15. Oktober 1985 bis 13. April 1988 als Elektroingenieur tätig. Am 14. April 1988 siedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland über und war hier nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit vom 26. April bis 03. Juli 1988 vom 04. Juli 1988 bis 30. September 2009 rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Seinem Antrag auf Erteilung eines Flüchtlingsausweises wurde nach seinen Angaben nicht stattgegeben.

Auf den Antrag des Klägers vom 05. September 2000 führte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute Deutsche Rentenversicherung Bund, im Folgenden einheitlich: Beklagte) eine (erneute) Kontenklärung durch. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2000 stellte sie rentenrechtliche Zeiten bis 31. Dezember 1993 verbindlich fest. Im Versicherungsverlauf ist u.a. die Zeit vom 01. September 1965 bis 17. September 1970 als Hochschulausbildung, teilweise mit überschrittener Höchstdauer, gespeichert. Den im Beitrittsgebiet zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten vom 28. September 1970 bis 14. August 1985 ordnete die Beklagte fiktive Verdienste in DM zu. Mit weiterem Bescheid vom 12. Dezember 2000 lehnte die Beklagte u.a. die Anerkennung der Zeit vom 01. September 1965 bis 15. September 1970 als Beitragszeit ab, weil es sich um eine Zeit der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung handele. Eine gegebenenfalls mögliche Berücksichtigung als Anrechnungszeit werde dadurch nicht ausgeschlossen. Seine dagegen wegen der Berücksichtigung der abgeleisteten militärischen Ausbildung während des Studiums als Grundwehrdienst und eines absolvierten Praktikumssemesters erhobenen Widersprüche nahm der Kläger zurück.

Mit Bescheid vom 28. Juni 2002 lehnte die Beklagte als Versorgungsträgerin für die Zusatzversorgungssysteme den Antrag des Klägers auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 28. September 1970 bis 21. August 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab, weil weder eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen habe noch am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre.

Mit Vormerkungsbescheid vom 30. September 2005 stellte die Beklagte alle im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis zum 31. Dezember 1998 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden waren. Hierbei ordnete sie wiederum den Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet vom 28. September 1970 bis 14. August 1985 fiktive Verdienste in DM zu. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch. Er begehrte die Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG. Im Flüchtlingslager Gießen habe er u.a. den „Wegweiser für Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR", Herausgeber: Bundesminister des Inneren, erhalten, unter dessen Punkt 17 es unmissverständlich heiße, dass Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR oder Berlin (Ost) in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich so behandelt würden, als ob sie ihr gesamtes Arbeitsleben in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt hätten. Dasselbe folge auch aus der BfA-Information 8a, März 1985: „Leistungen nach dem FRG" und an vielen anderen Stellen. Die Beklagte interpretiere das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) zu ihrem Vorteil. Dies sei rechtsstaatswidrig, da sie, die Beklagte, rückwirkend in bereits bestehende staatliche Zusagen eingreife und diese aushebele. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2006 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei unzulässig. Die vom Kläger erhobenen Einwände richteten sich gegen Zeiten, die bereits mit Bescheid vom 12. Dezember 2000 festgestellt worden seien. Dieser Bescheid sei nach § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Rücknahme des Widerspruchs durch den Kläger für alle Beteiligten bindend geworden. Im Übrigen sei der Widerspruch auch unbegründet. In den Anwendungsbereich des § 259a Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien nach dem RÜG vom 25. Juli 1991 (BGB1.1 S. 1606) alle Versicherten einbezogen, solange sich für sie ein Rentenbeginn in der Zeit vom 01. Januar 1992 bis 31. Dezember 1995 habe bestimmen lassen. Anschließend sei § 259 Abs. 1 SGB VI durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz - RüErgG -) vom 24. Juni 1993 (BGB1.1 S. 1038) abgeändert worden und gelte seitdem unabhängig vom Rentenbeginn nur noch für alle Versicherten der Geburtsjahrgänge vor 1937. Der Kläger sei jedoch im Jahr 1944 geboren, sodass diese Vorschrift für ihn nicht mehr zur Anwendung kommen könne. Soweit sich der Kläger auf einen „Vertrauensschutz" berufe, weil dies aus den früheren Mitteilungen so zu entnehmen gewesen wäre, hätten diese anderslautenden Mitteilungen noch im Zeitpunkt der Herausgabe dieser Informationshefte gegolten. Jedoch habe sich aufgrund der geänderten politischen Situation in Deutschland auch die rechtliche Grundlage für die Bewertung von Versicherungszeiten aus dem Beitrittsgebiet geändert. Sie, die Beklagte, sei an die geltenden Gesetze gebunden. Eine eigene „Prüfung" der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes durch sie finde nicht statt. Seine dagegen zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 7 R 697/06) nahm der Kläger zurück, nachdem ihm der Hinweis erteilt worden war, dass ein Vormerkungs- oder Anerkennungsbescheid gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI keine Entscheidung über die Nichtanwendbarkeit des FRG enthalte und sein, des Klägers, Sachvortrag im Rahmen der Leistungsgewährung zu berücksichtigen sei.

Mit Bescheid vom 10. August 2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 08. Juni 2009 im Sinne des Artikel 45 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 eine vorläufige Regelaltersrente ab dem 01. Oktober 2009 mit einem monatlichen Rentenbetrag von € 1.511,68 (Zahlbetrag € 1.362,78). Bei der Berechnung der Rente bewertete die Beklagte die Pflichtbeitragszeiten des Klägers im Beitrittsgebiet vom 28. September 1970 bis 14. August 1985, indem sie die zu berücksichtigenden Entgelte für die Rentenberechnung durch Vervielfältigung mit einem das Verhältnis zwischen dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundesländern und dem Durchschnittsverdienst aller Versicherten im Beitrittsgebiet wiedergegebenen Faktor bis zur jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze der alten Bundesländer anhob (Anlage 2 und 3). Der Ermittlung des Rentenwerts lagen insgesamt 55,5766 EP zugrunde (Anlage 6). Die Zeit vom 01. September 1965 bis 17. September 1970 wurde als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung ohne EP berücksichtigt.

Gegen die Nichtberücksichtigung der in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten nach dem FRG erhob der Kläger Widerspruch. Er berief erneut sich auf die Zusicherung des Bundesinnenministeriums im „Wegweiser für Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR", die er im Mai 1988 im Aufnahmelager Gießen erhalten habe, die dementsprechenden Informationen der Beklagten u.a. in der BfA-Information Nr. 8a und das - beigefügte - Schreiben der Beklagten vom 30. Januar 1990, wonach er auch Zeiten zurückgelegt habe, die nach dem FRG zu beurteilen seien. Das RÜG sei Jahre später für die „Beitretenden", d.h. für die zu diesem Zeitpunkt den DDR-Sozialversicherungssystemen angehörenden Versicherten geschaffen worden und nicht für diejenigen, die bereits vor dem Fall der Mauer in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert gewesen seien. Er gehöre zu dem Personenkreis, für den das RÜG nicht anwendbar sei. Für ihn gelte das FRG zu den bei seiner Eingliederung vom Bundesinnenminister zugesagten Bedingungen. Im Übrigen vertrat der Kläger wie im Verfahren S 7 R 697/06 weiter die Auffassung, dass es sich offenbar um eine unzulässige Interpretation des Gesetzestextes des RÜG zum Vorteil der Beklagten, die nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche, handele. Dies werde durch Aussagen von Bundestagsabgeordneten, die beim Beschluss des RÜG beteiligt gewesen seien und die ihr Erstaunen und Erschrecken über die heute geübte Praxis geäußert hätten, bekräftigt. Bei der Abstimmung zum RÜG sei man damals von der bereits erfolgten Eingliederung, auch Eingliederung ins Rentensystem der Bundesrepublik Deutschland, ausgegangen und habe in keiner Weise die faktische Abstrafung von DDR-Übersiedlern und -Flüchtlingen, die vor dem Fall der Mauer in die Bundesrepublik Deutschland gekommen seien, zum Ziel gehabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück. Die Berücksichtigung der in der DDR von September 1963 bis August 1985 zurückgelegten Zeiten gemäß § 256a SGB VI sei nicht zu beanstanden. Eine Berücksichtigung dieses Zeitraums über das FRG scheide aus. Bereits im Jahr 2006 sei dem Kläger im Rahmen eines Widerspruchsbescheids mitgeteilt worden, dass die Berücksichtigung seiner in der früheren DDR zurückgelegten Zeiten vor seinem Wegzug nach Ungarn korrekt entsprechend den beitragspflichtigen Verdiensten zur Sozialversicherung im Beitrittsgebiet (SVA) gespeicherten Entgelten erfolgt sei. Eine Anerkennung über das FRG sei bei einem Rentenbeginn im Jahr 2009 selbst dann nicht mehr möglich, wenn er, der Kläger, als Vertriebener gemäß § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt worden wäre, wobei ein Antrag auf Erteilung des Flüchtlingsausweises jedoch abgelehnt worden sei. Der Kläger sei daher zu keinem Zeitpunkt FRG-berechtigt gewesen. Die Berücksichtigung von DDR-Zeiten über das FRG sei - wie dem Kläger im Klageverfahren S 7 R 697/06 ebenfalls mitgeteilt worden sei - nur für Versicherte, die vor dem 01. Januar 1937 geboren seien und ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 in den alten Bundesländern gehabt hätten, gemäß § 259a SGB VI vorzunehmen. Für alle anderen Geburtsjahrgänge würden die allgemeinen Vorschriften gelten. Insoweit seien entsprechend des vorgelegten Sozialversicherungsausweises die Entgelte bzw. Entgelte zur FZR korrekt gemäß § 70 ff. SGBVI anerkannt worden. Rechte aus dem dem Kläger im Jahr 1989 ausgehändigten Informationsmaterial könnten nicht hergeleitet werden.

Dagegen erhob der Kläger am 25. Februar 2010 Klage zum SG. Er begehrte unter Vertiefung und Wiederholung seines bisherigen Vorbringens weiter die Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten nach dem FRG gemäß den staatlichen Zusagen zum Zeitpunkt seiner Wohnsitznahme in der Bundesrepublik im April 1988. Ergänzend berief er sich bezugnehmend auf einen Aufsatz von Prof. Dr. Thomas Cirsovius „Anwendung juristischer Auslegungsmethoden am Beispiel des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung" darauf, dass der Anwender eines Gesetzes nicht berechtigt sei, sich einer ihm genehmen Auslegungsform zu bedienen, sondern er habe sich danach zu richten, was der Gesetzgeber aus dem historischen Kontext heraus verstanden und gemeint haben müsse. Bei der aktuell von der Beklagten praktizierten Gesetzesauslegung mit dem RÜG-Kriterium der Einzahlung in die FZR werde dem Gesetzgeber quasi unterstellt, er habe ein Gesetz erlassen, mit dem er nachträglich erwarte, dass ein Bürger in eine Versicherung eingezahlt habe, bei der zum Zeitpunkt der Einzahlung per Gesetz festgestanden habe, dass sie diesem Bürger im Leistungsfall nichts auszahlen würde. Dies sei absurd. Kurz nach der damals gerade gewonnenen Wiedervereinigung hätte sich im Bundestag nicht annähernd eine Mehrheit für ein Gesetz gefunden, das eine solche absichtliche rentenmäßige Enteignung vieler DDR-Übersiedler und -Flüchtlinge, die ja einen wesentlichen Anteil am historischen Ablauf der Ereignisse gehabt hätten, in dieser drastischen Form zur Folge gehabt hätte. Bei „gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der DDR", was ja das Ziel der DDR-Übersiedler und -Flüchtlinge gewesen sei, hätten sie, die DDR-Übersiedler und -Flüchtlinge keine FZR-Rente von der DDR erhalten. Die Einzahlung in die FZR wäre für die DDR-Übersiedler und -Flüchtlinge nach dem damals geltenden Recht also keine Einzahlung in eine eigene Altersvorsorge gewesen, sondern lediglich ein Geschenk an die DDR. Die von der Beklagten benutzte Interpretation des RÜG zu ihrem, der Beklagten, Vorteil sei rechtsstaatswidrig, da sie das Rückwirkungsverbot missachtend in bereits bestehende staatliche Zusagen eingreife und diese aushebele. Es komme auch zu beinahe diskriminierend unterschiedlichen „Lösungen" bei den verglichenen Personengruppen. Insoweit werde insbesondere auf die Westberliner Reichsbahner hingewiesen. Diese Personen seien nicht der FZR beigetreten, da sie gewusst hätten, dass sie aufgrund der geltenden Rechtslage eine Rente außerhalb der DDR nicht erhalten würden. Diese Personen bekämen heute Rente gemäß FRG. Die Personengruppe der DDR-Übersiedler und -Flüchtlinge habe auch gewusst, dass sie aufgrund der geltenden Rechtslage eine Rente außerhalb der DDR nicht erhalten werde und sei deshalb der FZR nicht beigetreten, sie hätten im Gegensatz zu den Reichsbahnern, die im Westen gewohnt hätten, auch nicht die Möglichkeit gehabt, sich eine eigene angemessene Altersversorgung für den Lebensabend im Westen aufzubauen, da sie ja noch in der DDR gewohnt hätten. Im Gegensatz zu den Reichsbahnern erhielten sie jedoch keine Rente gemäß FRG. Auch habe die Beklagte die Betroffenen zu keinem Zeitpunkt von der sich als Rentenkürzung auswirkenden Reform unterrichtet. Vielmehr sei in der Übersicht zum Sozialrecht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Jahr 2006 noch einmal die Gesetzeslage ausdrücklich dahingehend beschrieben worden, dass die rentenrechtlichen Ansprüche der ehemaligen DDR-Bürger, die vor dem Mauerfall in die Bundesrepublik Deutschland gekommen seien, sich nach dem FRG richte (Anführungszeichen und Unterstreichungen im Original).

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 08. März 2010 die Rente des Klägers ohne Änderung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten wegen Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten in Ungarn vom 15. Oktober 1985 bis 01. Mai 1988 unter Berücksichtigung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 neu fest. Der Ermittlung des Rentenwerts lagen nunmehr 55,6526 EP zugrunde. Im Übrigen trat die Beklagte der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 04. November 2010 wies das SG die Klage ab. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2010, wonach die vom Kläger im Zeitraum September 1963 bis August 1985 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nicht nach dem FRG, sondern nach dem tatsächlich erzielten Entgelt bewertet worden seien, sei rechtmäßig. Die Beklagte habe die gesetzlichen Vorschriften zur Ermittlung der Rentenhöhe im konkreten Fall des Klägers zutreffend angewandt. Für den Kläger, der zwar seinen gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 bereits im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet gehabt habe, sei die Vertrauensschutzregelung des § 259a SGB VI nicht anwendbar, da er nicht vor dem 01. Januar 1937, sondern erst am 16. September 1944 geboren sei und damit nicht mehr unter die von der Stichtagsregelung Begünstigten falle. Die Ermittlung der Rentenhöhe des Klägers gemäß § 256a SGB VI verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz (GG). § 259a SGB VI sei allgemein verfassungsgemäß. Insbesondere sei auch die Stichtagsregelung des 18. Mai 1990 nicht geeignet, verfassungsrechtlichen Bedenken zu begegnen. Den Beratungen zum Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR sei zu entnehmen, dass das Kernziel der Gesetzesänderung im Jahr 1993 die Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts im wiedervereinigten Deutschland gewesen sei. Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass die Anlage V Nr. VI.7 in Art. 20 Abs. 7 des Staatsvertrags vom 18. Mai 1990 lediglich von dem Leistungsausschluss nach dem FRG für künftige (Kursivdruck im Original) Übersiedler spreche. Dies sei nach seiner, des SG, Überzeugung darauf zurückzuführen, dass bei Unterzeichnung dieses Staatsvertrags noch vom weiteren Fortbestehen zweier deutscher Staaten ausgegangen worden sei. Kernziel des Gesetzgebers sei gewesen, bei der Rentenberechnung aller Versicherten das tatsächliche Entgelt und die Beitragszeiten zugrunde zu legen. Daher sehe es, das SG, auch keine Verletzung von Art. 3 GG. Den sogenannten rentennahen Geburtsjahrgängen vor 1937 sei zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht mehr möglich gewesen, durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit noch günstig auf ihren Rentenanspruch einzuwirken, während dies für die späteren Geburtsjahrgänge, wozu auch der Kläger gehöre, noch möglich gewesen sei. Es liege auch keine Ungleichbehandlung mit nach dem FRG anspruchsberechtigten Versicherten der Deutschen Reichsbahn bzw. der Deutschen Post vor. Für die Bestandsübersiedler, wie auch für den Kläger, hätten nicht die sozialversicherungsrechtlichen Einschränkungen wie sie für die in § 256a Abs. 2 SGB VI genannten Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn bzw. Deutschen Post gegolten hätten, gegolten. Die Regelung des § 259a Abs. 1 SGB VI stelle auch eine rechtmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG dar.

Gegen das ihm am 01. Februar 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Februar 2011 Berufung eingelegt. Er ist unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens weiter der Auffassung, dass die Nichtberücksichtigung seiner in der DDR zurückgelegten Zeiten nach dem FRG einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellt. Zu beanstanden sei auch, dass die Betroffenen nicht zeitnah über den praktizierten FRG-Entzug informiert worden seien. Höchstwahrscheinlich handele es sich um den Fall einer „echten Rückwirkung", die grundsätzlich unzulässig sei. Die Anwendung des § 259a SGB VI auf DDR-Übersiedler und -Flüchtlinge, die bereits vor dem 09. November 1989 in die alte Bundesrepublik gekommen seien, sei verfassungswidrig und damit nichtig. Mit der am 06. April 2011 eingegangen Begründung der Berufung hat der Kläger die Klage erweitert und nunmehr des Weiteren auch die Ungleichbehandlung bei der rentenrechtlichen Bewertung der Ausbildungszeiten bei seiner Hochschulausbildung gegenüber einer Fachschulausbildung beanstandet.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04. November 2010 aufzuheben und in Abänderung des Bescheids vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2010 und des Bescheids vom 08. März 2010 die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2009 höhere Altersrente
a)unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten vom 01. September 1963 bis zum 14. August 1985 nach dem FRG und
b)unter Berücksichtigung der Zeit seiner Hochschulausbildung vom 01. September 1965 bis 17. September 1970 wie eine Zeit der Fachschulausbildung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage wegen des Bescheids vom 08. März 2010 abzuweisen.

Sie, die Beklagte, habe gemäß Art. 20 Abs. 3 GG den Vorgaben des Gesetzgebers Folge zu leisten. Soweit der Kläger erstmalig die Ungleichbehandlung bei der Bewertung der Hochschulausbildungszeiten geltend mache, sei darauf hinzuweisen, dass durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz (RANG) vom 21. Juli 2004 (BGB1.1 S. 1791), in Kraft getreten zum 01. Januar 2005, § 74 SGB VI und somit die Bewertung beitragsfreier Zeiten neu geregelt worden sei. Mit der Neufassung entfalle die bisherige rentensteigernde Bewertung von Zeiten des Schul- und Hochschulbesuchs nach dem 17. Lebensjahr. Der Wegfall der Bewertung von Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung sei mit einer vierjährigen Übergangsregelung vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 verknüpft worden (§ 263 SGB VI). Aufgrund des Rentenbeginns zum 01. Oktober 2009 falle der Kläger nicht unter diese Übergangsregelung, sodass eine Bewertung der Hochschulzeiten, wie von ihm begehrt, mangels gesetzlicher Grundlage ausgeschlossen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten einschließlich der Vorprozessakte ... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 SGG), aber unbegründet. Das Urteil des SG vom 04. November 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2010 und der Bescheid vom 08. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem FRG anstelle von Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI und für sie entsprechende EP nach § 256a SGB VI (hierzu unter 1.) und unter Berücksichtigung von EP für seine Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung (hierzu unter 2.).

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Rentenbescheid vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2010. Diese Bescheide hat der Kläger mit der Klage angefochten.

Der Bescheid vom 08. März 2010, der zwischen dem 26. Januar 2010 (Widerspruchsbescheid) und dem 04. November 2010 (Urteil des SG) ergangen ist, ist ebenfalls bereits Gegenstand des Klageverfahrens geworden, so dass über diesen Bescheid an sich bereits das SG hätte entscheiden müssen. Dies ist in Unkenntnis der Existenz des Bescheids unterblieben, weil er dem SG von den Beteiligten entgegen der in § 96 Abs. 2 SGG vorgesehenen Verpflichtung nicht mitgeteilt worden ist. Für einen solchen Fall ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass auch das Berufungsgericht über den gemäß § 96 Abs. 1 SGG erweiterten Streitgegenstand auf Klage zu entscheiden hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. November 2005 - B 11 a/11 AL 57/04 R- = SozR4-1500§96Nr. 4).

Die zuvor hinsichtlich dieser Zeiten schon ergangenen und bestandskräftig gewordenen Vormerkungsbescheide vom 12. Dezember 2000 und 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2006 waren durch den Kläger nicht im Wege des Überprüfungsantrags mit anzugreifen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist das Begehren auf eine höhere Rente nach Eintritt eines Rentenleistungsfalls auch dann, wenn in Bezug auf die streitbefangenen Zeiten bereits ein bindend gewordener (ablehnender) Vormerkungsbescheid erlassen wurde, nicht im Wege eines gesonderten Verfahrens zur Korrektur des Vormerkungsbescheids, sondern vielmehr allein im Rahmen des Rentenverfahrens zu verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 06. Mai 2010 - B 13 R 118/08 R - Juris; vgl. auch schon Urteil vom 14. Mai 2003 - B 4 RA 26/02 R - SozR 4-2600 § 256b Nr. 1).

1.

Dem Kläger steht die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung der in der DDR vom 01. September 1963 bis 14. August 1985 zurückgelegten Beitragszeiten als Beitragszeiten nach dem FRG und nicht nach § 248 Abs. 3 SGB VI und hierfür entsprechend ermittelter EP nach § 256a SGB VI nicht zu.

Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in EP umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI). Gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert miteinander vervielfältigt werden. Nach § 66 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI fließen auch EP für beitragsfreie Zeiten, wozu Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung gehören (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen EP ein. Sie wirken sich unmittelbar auf die Höhe der Rente aus. Nach § 248 Abs. 3 SGB VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Gemäß § 256a Abs. 1 SGB VI werden für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 08. Mai 1945 EP ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Als Verdienst zählen nach § 256a Abs. 2 Satz 1 SGB VI der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur FZR oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten vor dem 01. Januar 1992 oder danach bis zum 31. März 1999 zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 279b SGB VI) gezahlt worden sind. Als Verdienst zählen nach § 256a Abs. 3 Satz 1 SGB VI auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 01. Juli 1990, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen oder wegen in einem Sonderversorgungssystem erworbener Anwartschaften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten.

Dementsprechend hat die Beklagte die vom Kläger in der Zeit vom 01. September 1963 bis zum 14. August 1985 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI berücksichtigt und für sie entsprechende EP nach § 256a SGB VI ermittelt. Der Kläger wird damit - wie grundsätzlich alle anderen, die vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht Beitragszeiten im Beitrittsgebiet zurückgelegt haben - dem Überleitungsprogramm des Einigungsvertrages und der nachfolgenden rentenrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Für die Wertbestimmung seines Rentenrechts ist aufgrund gesetzlich angeordneter Gleichstellung und entsprechend den allgemeinen Grundlagen des bundesdeutschen Rentenrechts das im Beitrittsgebiet individuell beitragsversicherte Erwerbseinkommen maßgeblich. In Anwendung dieser Vorschriften hat die Beklagte die Rente des Klägers auch zutreffend berechnet. Die Berechnung selbst wird auch vom Kläger nicht beanstandet.

Der Auffassung des Klägers, er gehöre zum Kreis derjenigen, deren EP für Pflichtbeitragszeiten vor dem 19. Mai 1990 weiterhin aufgrund der Anlage 1 bis 16 zum FRG ermittelt würden, kann nicht gefolgt werden (vgl. auch zu den nachfolgenden Ausführungen: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - SozR 4-2600 § 248 Nr. 1). Das FRG kommt nur für diejenigen zur Anwendung die am 18. Mai 1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet hatten und vor dem 01. Januar 1937 geboren sind (§ 259a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Zwar hatte der Kläger am 18. Mai 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet - er siedelte am 14. April 1988 über -, doch wurde er erst 1944 geboren.

Das FRG vom 25. Februar 1960 findet auf den Kläger auch nicht unmittelbar Anwendung. Zwar hatte der Kläger als bis zum 18. Mai 1990 Zugezogener bei Zuzug in das Bundesgebiet eine Anwartschaft auf Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG in dieser Fassung. Nach dem seinerzeit vom Gedanken der Eingliederung geprägten FRG sollten die Berechtigten nach Möglichkeit so gestellt werden, als hätten sie ihr Versicherungsleben nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbracht (vgl. § 17 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 FRG a.F.). Demnach wurde bei Anrechnung in der DDR zurückgelegter Beitragszeiten die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage nach Maßgabe der Anlage 1 zum FRG auf der Grundlage von Tabellenwerten ermittelt (§ 22 Abs. 1 FRG in der vom 01. Januar 1984 bis 30. Juni 1990 geltenden a.F.). Entsprechendes ergab sich auch aus den dem Kläger bei der Übersiedlung im Jahr 1988 ausgehändigten Broschüren und Mitteilungen der Beklagten und auch noch aus dem an den Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom 30. Januar 1990. Im Zuge der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wurde das FRG jedoch geändert und die rentenrechtliche Stellung der Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR wesentlich neu gestaltet. So schließt nunmehr der durch Art. 14 Nr. 14a RÜG zum 01. Januar 1992 neu gefasste § 15 Abs. 1 FRG die Anwendbarkeit des FRG auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten aus. Ebenso wurde mit Art. 14 Nr. 16b RÜG zum 01. Januar 1992 § 17 Abs. 1 FRG a.F. gestrichen. Gleichzeitig fügte der Gesetzgeber neue Vorschriften in das SGB VI ein. Bereits die hier zum 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Neuregelungen sahen eine Anwendung des FRG in Abhängigkeit von einem Rentenbeginn vor dem 01. Januar 1996 nur noch übergangsweise vor (§ 259a SGBVI i.d.F. des Art. 1 Nr. 75 RÜG). Schon hiervon war der Kläger nicht mehr erfasst. Im Jahr 1993 erfolgte dann rückwirkend zum 01. Januar 1992 die Begrenzung auf den nunmehr noch erfassten Personenkreis (§ 259a SGBVI i.d.F. des Art. 1 Nr. 16 Buchst, b Rü-ErgG). Auch vor dem 19. Mai 1990 Zugezogene wurden damit nunmehr vom Anwendungsbereich des FRG ausgenommen und im Zuge der Angleichung der Lebensverhältnisse den allgemeinen Bewertungsvorschriften des einheitlichen Rentenrechts in beiden Teilen Deutschlands unterworfen, wenn sie nach dem 01. Januar 1937 geboren waren.

Hiergegen bestehen nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O.), der der Senat folgt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Ersetzung der Regelungen des FRG durch eine fiktive Zuerkennung von in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsversicherten Entgelten nach Maßgabe der allgemeinen Regelungen des Überleitungsgesetzes verstößt nicht gegen das allgemeine rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Rechtsstaatsprinzip und Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht jedoch nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 -B 5 R 36/11 R- a.a.O.).

Es liegt auch hier keine unzulässige Rückwirkung vor. Eine echte Rückwirkung ist dann gegeben, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch die Verkündung rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des 1. Senats vom 21. Juli 2010-1 BvL 11/06 u.a. - = SozR 4-5050 § 22b Nr. 9). Eine solche echte Rückwirkung liegt hier nicht vor. Die Ersetzung der FRG-Regelungen für den Personenkreis, dem der Kläger angehört, beschränkt sich auf künftig entstehende Rentenrechte.

Die Ersetzung der FRG-Regelung bewirkt auch keine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung ist dann anzunehmen, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung „ins Werk gesetzt" worden sind. Eine derartige unechte Rückwirkung ist nur ausnahmsweise unzulässig (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O.). Eine solche Konstellation ist hier indessen nicht zu bejahen. Der Wert künftiger Rentenrechte durch die Rechtsordnung hatte keine Ausgestaltung erfahren, die für alle Zeiten eine verfestigte Anspruchsposition begründet hätte. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ist von einem systemimmanenten Zwang zur Veränderung beherrscht. Dies gilt hier erst recht, da infolge des Untergangs der DDR in erheblichem Umfang rentenrechtliche Folgen des Zweiten Weltkriegs bewältigt werden mussten. Insbesondere ist eine gesicherte Anspruchsposition nicht für Personen wie den Kläger begründet worden, die der Systemwechsel rund zehn Jahre vor der frühest denkbaren Entstehung eines Rechts auf Altersrente traf und die daher auch in der Lage waren, in nicht unbedeutendem Umfang weitere Rentenanwartschaften in der Bundesrepublik aufzubauen.

Der Kläger war auch nicht aus anderen Gründen vor einer Änderung der Rechtslage geschützt. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung des Bürgers, er werde bei unverändertem Fortbestand der Rechtslage in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein solches geschütztes Recht. Die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05. Februar 2002 -2 BvR 305/93 u.a. - = BVerfGE 105, 17, 40).

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Die vom Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung, wonach es nur für die vor dem 01. Januar 1937 Geborenen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten, bei der Anwendung des alten Rechts bleibt, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich nur am gegebenen Sachverhalt orientieren (BVerfG, Urteil vom 07. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. = SozR 3-5761 Allg Nr. 1). Das ist hier der Fall. Mit der Einigung Deutschlands stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, die in der DDR erworbenen rentenrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften in das bundesdeutsche System zu integrieren. Dies konnte mit diesem Zeitpunkt grundsätzlich in der Weise geschehen, dass bei der Bestimmung des Werts von Rentenrechten nach dem SGB VI von den im Beitrittsgebiet versicherten Erwerbseinkommen ausgegangen wurde. Hiervon wurde auch weitestgehend Gebrauch gemacht, während auf andere Grundlagen für die Rentenwertfestsetzung nur noch übergangsweise und in eng umgrenzten Ausnahmefällen zurückgegriffen wurde. Wegen der schon mit Abschluss des Vertrags vom 18. Mai 1990 begründeten Exportierbarkeit der DDR-Renten bestand nur noch in begrenztem Umfang ein Bedürfnis nach einer übergangsweisen Anwendung des FRG. Dies wurde daher auf den Personenkreis begrenzt, der am Tag des Vertragsabschlusses seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den alten Bundesländern hatte, während umgekehrt alle Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erst nach diesem Zeitpunkt begründet hatten, nunmehr die von dem bisher für sie zuständigen Rentenversicherungsträger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften berechnete Rente für die dort zurückgelegten Zeiten erhielten. Mit dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik und dem Inkrafttreten eines einheitlichen Rentenrechts zum 01. Januar 1992 schwand das Bedürfnis danach, Übersiedler im Wege besonderer staatlicher Fürsorge weiter dadurch individuell in das Sozialgefüge der Bundesrepublik Deutschland zu integrieren, dass sie fiktiv so behandelt wurden, als hätten sie ihr bisheriges Erwerbsleben in der Bundesrepublik verbracht. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik am 18. Mai 1990 führte zunächst aus Gründen des Vertrauensschutzes nur noch bei Rentenbeginn vor dem 01. Januar 1996 (§ 259a SGB VI i.d.F. des RÜG), dann aus Gründen der Vereinfachung nur noch bei einem Geburtsdatum vor dem 01. Januar 1937 (§ 259a SGBVI i.d.F. des Rü-ErgG) zur Anwendung der alten Rechtslage. Hierbei handelt es sich um sachlich gerechtfertigte Gründe, die für das Funktionieren einer Massenverwaltung wie der gesetzlichen Rentenversicherung unerlässlich sind (vgl. schon BSG, Urteil vom 29. Juli 1997 - 4 RA 56/95 - in Juris). Die vom Gesetzgeber wie bei jeder Stichtagsregelung vorzunehmende Abwägung, wonach für die bis 1937 Geborenen, damals relativ rentennahen Jahrgängen dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und damit einer typisierenden Regelung und nicht einer individuell ausgestalteten Regelung der Vorzug gegeben wurde, ist nicht zu beanstanden. Für den Personenkreis der ab 1937 Geborenen wirkten sich die Neuregelungen grundsätzlich erst allmählich aus. Erst wenn für den Einzelnen der Versicherungsfall (regelmäßig mit Vollendung des 65. Lebensjahres, d.h. für am 01. Januar 1937 Geborene am 01. Januar 2002) eintritt, erfassen ihn die Neuregelungen. Bis dahin bestand im Regelfall die Möglichkeit, sich auf die Neuerungen einzustellen.

Eine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht darin zu sehen, dass der Kläger nur zwei Jahre in ein Zusatzversorgungssystem der DDR einbezogen war und auch nicht fiktiv nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG einzubeziehen ist, da er am 30. Juni 1990 nicht mehr Bürger der DDR war. Der an das Inkrafttreten des Neueinbeziehungsverbots des § 22 Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) anknüpfende Stichtag des 30. Juni 1990 für eine über die zweijährige Einzahlung hinaus gehende fiktive Einbeziehung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Einheit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04 u.a. - = SozR 4-8560 § 22 Nr. 1). Dass er nur zwei Jahre in das Zusatzversorgungssystem der DDR einbezogen war, beruhte auf dem eigenen Entschluss des Klägers, nicht weiter in das Zusatzversorgungssystem einzuzahlen, da er die Ausreise plante. Ein gesetzliches Verbot wie etwa für bestimmte Reichsbahn- und Postbeschäftigte bestand für ihn jedoch nicht. Dies rechtfertigt die von der Regelung für bestimmte Reichsbahn- und Postbeschäftigte abweichende Regelung für den Personenkreis, dem der Kläger angehört.

Die mit dem RÜG und dem Rü-ErgG eingeführten Regelungen der Ermittlung von EP nach §§ 256 ff. SGB VI verstoßen auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Der Kläger hat mit seiner Übersiedlung keine dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegende Rentenanwartschaft erworben. Durch das FRG begründete Rentenansprüche und -anwartschaften unterliegen jedenfalls dann nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a. = SozR 4-5050 § 22 Nr. 5). Zwar unterfallen nach der Rechtsprechung des BVerfG rentenrechtliche Positionen grundsätzlich dem Eigentumsschutz (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a., a.a.O.). Regelmäßige Voraussetzung ist allerdings, dass sie im Geltungsbereich des GG erworben wurden. Im Falle der durch das FRG begründeten Rechte fehlt es am Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung, die für die Anerkennung einer sozialversicherungsrechtlichen Rechtsposition als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unverzichtbar ist. Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren rentenversicherungsrechtliche Ansprüche und Anwartschaften den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O.).

Aber auch wenn man die aus dem FRG abgeleiteten Ansprüche und Anwartschaften dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Einheit unterstellen wollte, hätte der Gesetzgeber mit dem RÜG und dem Rü-ErgG von seiner Befugnis zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums einen verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht. Soweit in schon bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O. unter Hinweis auf Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a., a.a.O.).

Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Rechtsposition der nach dem FRG Berechtigten ist schließlich auch durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Mit dem Untergang der DDR und dem Beitritt der neuen Länder hatte die fiktive Bewertung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG ihre Legitimation verloren. Gleichzeitig stellte sich mit dem massiven Anstieg der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung die Frage nach der Finanzierbarkeit des Systems. §§ 256a, 259a SGB VI dienen demnach dazu, ein an einheitlichen Grundprinzipien orientiertes Rentenrecht zu schaffen und die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R - a.a.O. m.w.N.).

Die Regelungen genügen auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Gesetzgeber ein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung stand, mit dem er seine Ziele ebenso gut hätte erreichen können (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 5 R 36/11 R -a.a.O.).

Auch die im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn erforderliche Abwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an dem Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen das Interesse der Betroffenen an dem Fortbestehen der Ermittlung von EP nach dem FRG überwiegt. Ob die Neuregelung für die Betroffenen mit Nachteilen behaftet ist oder sich vorteilhaft auswirkt, hängt wesentlich von der individuellen Erwerbsbiographie ab. Die Rentenwertfeststellung nach dem individuell beitragsversicherten Erwerbseinkommen ist im Einzelfall etwa möglicherweise günstiger, wenn ein Versicherter Mitglied der FZR war. Auch ist zu berücksichtigen, dass § 254d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für Personen, die - wie der Kläger - am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet hatten, die Rentenwertfeststellung unter Zugrundelegung des günstigeren aktuellen Rentenwerts (West) gewährleistet wurde. Zu beachten ist auch die 40%ige Rentenminderung, die der Wert von FRG-Rentenanwartschaften erwarten musste, und es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Anwartschaften zum Teil nicht auf Eigenleistungen beruhten. Ist es aber zur Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung geboten, rentenrechtliche Positionen zu verändern, so kann der soziale Bezug, der dem Gesetzgeber größere Gestaltungsfreiheit bei Eingriffen gibt, dazu berechtigen, in Abwägung zwischen Leistungen an Versicherte und Belastungen der Solidargemeinschaft vor allem jene Positionen zu verkürzen, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen sind. Dies ist hier in Bezug auf die Anwartschaftsteile der Fall, denen Beitrags- und Beschäftigungszeiten außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 -1 BvL 9/00 u.a. -a.a.O.).

Letztlich ist auch das Interesse derjenigen Berechtigten an der Beibehaltung der Rentenwertermittlung für die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG grundsätzlich nicht höher zu bewerten als es die Gemeinwohlgründe sind, die den Gesetzgeber bei der Neugestaltung bestimmt haben. Die betroffenen Personen durften nicht damit rechnen, dass sie über die gesamte Zeit ihres Versicherungsverhältnisses bis zum Beginn ihrer Rente nicht mehr von Umgestaltungen betroffen sein würden. Es musste den Betroffenen einsichtig sein, dass die Einigung Deutschlands nicht ohne Auswirkungen auch für sie bleiben würde. Sie mussten damit rechnen, dass der Gesetzgeber auf diese Situation durch eine Veränderung des Rentenversicherungsrechts auch zu ihren Lasten reagieren würde. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit § 259a SGB I eine nicht zu beanstandende Übergangsregelung geschaffen (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 -B 5 R 36/11 R -a.a.O.).

2.

Der Senat lässt dahingestellt, ob die vom Kläger erweiterte Klage zulässig ist. Mit seinem Widerspruch wandte er sich nur gegen die unterbliebene Anwendung des FRG bezüglich der im Beitragsgebiet zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten, nicht aber die Bewertung der Hochschulausbildung. Der Kläger focht mithin den Bescheid vom 10. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2010 nur hinsichtlich der unterbliebenen Anwendung des FRG an, nicht aber wegen anderer Sachverhalte. Demgemäß konnte auch der weitere Bescheid vom 08. März 2010 nur insoweit Gegenstand des Klageverfahrens werden, als er weiterhin das FRG nicht auf die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten anwendet. Als der Kläger die Klage mit der Berufungsbegründung am 06. April 2011 erweiterte, war die einmonatige Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 bereits abgelaufen.

Die erweiterte Klage des Klägers ist jedenfalls unbegründet. Denn auch für die angestrebte Höherbewertung der Anrechnungszeiten des Klägers wegen Hochschulausbildung in der Zeit vom 01. September 1965 bis 17. September 1970 entsprechend Fachschulzeiten gibt es keine gesetzliche Grundlage (vgl. auch zu den nachfolgenden Ausführungen: BSG, Urteile vom 19. April 2011 - B 13 R 55/10 R u.a. - in Juris).

Eine Anrechnungszeit ist eine beitragsfreie Zeit (§ 54 Abs. 4 SGB VI). Beitragsfreie Zeiten sind mit dem aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Gesamtzeitraum erzielten Durchschnittswert (=EP/Monat) zu bewerten (§ 71 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), der entweder im Rahmen der Grundbewertung nach § 72 Abs. 1 SGB VI auf der Grundlage sämtlicher EP für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten oder - falls für den Versicherten günstiger - im Rahmen der Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI auf der Grundlage nur der vollwertigen Beiträge und daher insbesondere ohne beitragsgeminderte Zeiten zu ermitteln ist (§71 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Für die Gesamtleistungswertung werden jedem Kalendermonat mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung mindestens 0,0833 EP zugrunde gelegt und diese Kalendermonate insoweit nicht als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt (§ 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI). Dabei gelten die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres stets als Zeiten einer beruflichen Ausbildung (§71 Abs. 3 Satz 3 SGB VI). Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung findet allerdings gemäß § 74 SGB VI in der hier maßgeblichen, ab 01. Januar 2005 geltenden Fassung eine Begrenzung statt (sog. begrenzte Gesamtleistungsbewertung). Gemäß § 74 Satz 1 und 2 SGB VI wird der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung, Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme auf 75 v.H. begrenzt; der so begrenzte Gesamtleistungswert darf für einen Kalendermonat 0,0625 EP nicht übersteigen. Ausbildungszeiten der genannten Art werden gemäß § 74 Satz 3 SGB VI insgesamt für höchstens drei Jahre „bewertet", vorrangig die Zeiten der Fachschulausbildung und der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. U.a. Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung werden gemäß § 74 Satz 4 SGB VI nicht bewertet.

Die Beklagte hat in Anwendung dieser Vorschriften die Zeiten des Klägers wegen beruflicher Ausbildung vom 01. September 1963 bis 14. August 1965 zutreffend bewertet. Die insoweit erfolgte Bewertung wird auch vom Kläger nicht angegriffen. Darüber hinaus fand für die Zeit der Hochschulausbildung vom 01. September 1965 bis 17. September 1970 jedoch zu recht keine Bewertung mit EP statt.

Etwas anderes gilt nur für Rentenneuzugänge der Jahre 2005 bis 2008, für die der Gesetzgeber des RVNG hinsichtlich der Bewertung von Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung in § 263 Abs. 3 SGB VI aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Übergangsregelung getroffen hat. Rentenbeginn des Klägers war jedoch erst am 01. Oktober 2009. Die Übergangsregelung ist daher für den Kläger nicht anwendbar.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung nach dem vollendeten 25. Lebensjahr für die gesetzliche Rente keinerlei Bedeutung mehr zukäme. Denn zum einen bleibt deren rentenbegründende Wirkung erhalten, zum anderen wirken sich Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung auch künftig dadurch rentenerhöhend aus, dass sie im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung als „nicht belegungsfähige Kalendermonate" berücksichtigt werden und insoweit eine Versicherungslücke schließende Funktion haben (§72 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 54 Abs. 4 SGB VI).

Auch diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. April 2011 - B 13 R 55/10 R - in Juris), der sich der Senat ebenfalls anschließt, nicht verfassungswidrig. Es liegt weder ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 noch gegen Art. 3 GG oder das Sozialstaatsprinzip vor.

Auch insoweit handelt es sich um eine verfassungsrechtlich zulässige gesetzgeberische Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber hatte hier nicht nur deswegen eine besonders große Gestaltungsfreiheit, weil - wie bereits ausgeführt - bei Rentenanwartschaften die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen bereits von vornherein angelegt ist, sondern auch, weil es hier um die Begrenzung von Positionen ging, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen waren. Die Anrechnungszeiten beruhen - da ohne eigene Beitragsleistung erworben - überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind damit Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge (so BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 u.a. - = BVerfGE 58, 81, 112). Sie sind zwar Bestandteil der Rentenanwartschaft und unterliegen damit dem Bestandsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG; es handelt sich jedoch um einen abgeleiteten Eigentumsschutz von geringerer Intensität. Diese Eingriffe in die Rentenanwartschaft dienen auch dem Gemeinwohlzweck und sind verhältnismäßig. Zur Erreichung des Ziels einer Stabilisierung des Beitragssatzes und zur langfristigen Sicherung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung, zu der diese im Rahmen eines Gesamtpakets vorgesehene Maßnahme beitragen sollte, war die gesetzliche Neuregelung in § 74 Abs. 4 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI geeignet. Es wurden Vergünstigungen zurückgenommen, die dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Betonung der Beitragssatzstabilität und der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente sowie angesichts der angespannten Gesamtlage vor dem Hintergrund einer steigenden demographischen Belastung der gesetzlichen Rentenversicherung als unangemessen erscheinen konnte. Der damit erzielte Spareffekt war auch nicht lediglich marginal. Es überwiegt auch bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne das öffentliche Interesse an dem Inkrafttreten der angegriffenen Regelung das Interesse des Betroffenen an dem Fortbestehen der günstigeren Bewertung seiner Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung nach altem Recht. Die bisherige Bewertung beruhte nicht auf eigener Beitragsleistung und genießt damit einen geringeren Schutz gegen staatliche Eingriffe als eine Anwartschaft, die auf Beitragsleistungen beruht. Demgegenüber fallen die mit dem RVNG verfolgten Ziele erheblich ins Gewicht, da sie auf eine Verbesserung der Finanzlage und der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung, auf die Herstellung von Generationengerechtigkeit sowie auf eine Begrenzung der Lohnersatzzusatzkosten mit dem Ziel der Förderung eines hohen Beschäftigungsstandes gerichtet sind. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes sind die angegriffenen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Die Rentenminderung, die daraus resultiert, dass die Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung im Fall des Klägers entfällt, hält sich im vertretbaren Rahmen. Für den Personenkreis der „rentennahen Jahrgänge", zu denen der Kläger nicht gehörte, wurden die Auswirkungen des § 74 Abs. 4 SGB VI durch die Übergangsvorschrift des § 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI mit ihrem vierjährigen Abschmelzungsprograrnrn abgemildert. Im Übrigen ist auch fraglich, ob sich bei der wechselhaften Geschichte der Ausfall- und Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren rentensteigernde Wirkung entwickeln konnte (BSG, Urteil vom 19. April 2011 - B 13 R 55/10 R - a.a.O. m.w.N. insbesondere zur Rechtsprechung des BVerfG).

Der Gesetzgeber hat damit auch nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die unterschiedliche Behandlung des Klägers gegenüber Versicherten mit Zeiten einer Fachschulausbildung oder der Teilnahme einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Die ungleiche Behandlung ist dadurch begründet, dass bei Zeiten einer nicht akademischen Ausbildung an Schulen mit überwiegend berufsbildendem Charakter (Fachschulen) und der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass im späteren Erwerbsleben Rentenanwartschaften im selben Umfang aufgebaut werden wie auf der Grundlage einer akademischen Ausbildung. Vor diesem Hintergrund liegt ein ausreichender Differenzierungsgrund zwischen diesen beiden Gruppen von Normadressaten vor. Durch die Begrenzung der Bewertung bzw. Höherbewertung von schulischen und beruflichen Ausbildungszeiten auf insgesamt 36 Monate wurde auch eine unverhältnismäßige rentenrechtliche Besserstellung nicht akademischer Ausbildung verhindert. Im Übrigen darf insoweit im Falle des Klägers auch nicht außer Acht gelassen werden, dass bei ihm 24 Monate Zeiten einer beruflichen Ausbildung anerkannt wurden.

Die Regelungen verstoßen auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 GG). Zwar begründet das Sozialstaatsprinzip die Pflicht des Staates, für eine gerechte soziale Ordnung Sorge zu tragen; die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt jedoch der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers. Selbst wenn durch eine Regelung im Einzelfall Unbilligkeiten auftreten, ist das Sozialstaatsgebot nicht verletzt; denn es dient nicht der Korrektur jeglicher (aus Sicht des Normadressaten) hart oder unbillig erscheinender Einzelregelungen (BSG, Urteil vom 19. April 2011 - B 13 R 55/10 R - a.a.O. unter Verweis auf Entscheidungen des BVerfG).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

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