Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

L 3 R 869/11

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung, dass ein den Zeitraum vom 04. August bis zum 23. August 1953 als Pflichtbeitragszeit anerkennender Bescheid Gegenstand eines Verfahrens geworden ist, in dem eine Rente unter Berücksichtigung eines höheren Zugangsfaktors begehrt wird.

Die Beklagte gewährte der 1942 geborenen und in Frankreich lebenden Klägerin durch Bescheid vom 17. November 2005 zunächst ab dem 01. April 2004 Altersrente für Frauen, nachdem ihr bereits zuvor mit Bescheid vom 01. Juni 2005 ein Vorschuss hierauf gewährt worden war. Sowohl gegen den Vorschussbescheid als auch gegen den Rentenbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 18. Januar 2007 erfolgte eine Teilabhilfe in Form der Anerkennung der Zeit vom 11. Januar bis zum 19. April 1965 als weitere Versicherungszeit. Schließlich wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. Juni 2005 in der Fassung des Bescheides vom 17. November 2005 zurück.

Die dagegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) war unter dem Aktenzeichen S 21 R 9002/07 anhängig. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen am 09. Juni 2011 geschlossenen Vergleich beendet. Laut diesem Vergleich bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01. März 2004 unter Änderung des Bescheides vom 17. November 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 18. Januar 2007, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2007 und des Bescheides vom 11. August 2006 eine abschlagsfreie Altersrente für Frauen für die Zeit ab dem 01. März 2004 unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich anerkannten weiteren Versicherungszeiten. Dieser Vergleich wurde seitens der Beklagten mit Bescheid vom 01. August 2011 umgesetzt, wobei im Rahmen der Berechnung u.a. auch eine Pflichtbeitragszeit vom 04. bis zum 23. August 1958 mit einem Entgelt von 232,85 DM (errechnet aus 211,84 Mark) Berücksichtigung fand.

Mit Bescheid vom 11. August 2006 hatte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01. bis zum 31. März 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Zugangsfaktor vom 0,967 bewilligt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 2008 zurückgewiesen. Die anschließende Klage vor dem SG Berlin wurde mit Gerichtsbescheid vom 11. März 2009 abgewiesen, die dagegen eingelegte Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az. L 31 R 405/09) ruhte (Beschluss vom 11. Februar 2010); ein Wiederaufnahmeantrag wurde von der Beklagten gestellt.

Mit Bescheid vom 01. Juli 2009 erkannte die Beklagte den Zeitraum vom 04. bis zum 23. August 1958 als Pflichtbeitragszeit (Zeit im Beitrittsgebiet) an. Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass hiergegen Widerspruch erhoben werden könne. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin u.a. geltend, der Bescheid hätte gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand eines der anhängigen Klageverfahren erklärt werden müssen. Dem Widerspruch sei dadurch abzuhelfen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid aufgehoben und eine Kostengrundentscheidung zugunsten der Klägerin getroffen werde.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17. September 2009 mit der Begründung zurück, mit dem angefochtenen Bescheid sei eine Pflichtbeitragszeit anerkannt, nicht aber einer der in den bereits anhängigen Klageverfahren angefochtenen Bescheide i.S. d. § 96 SGG geändert oder ersetzt worden. Aufwendungen wurden nicht erstattet.

Mit ihrer hiergegen vor dem SG Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, es sei festzustellen, dass der Bescheid vom 01. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 Gegenstand des Klageverfahrens gegen den Erwerbsminderungsrentenbescheid vom 11. August 2006 geworden sei. Hilfsweise werde die Feststellung der tatsächlichen Arbeitsentgelte für die Beschäftigungszeit vom 04. bis zum 23. August 1958 begehrt.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2011 abgewiesen. Die Klage sei - soweit die Feststellung, der Bescheid vom 01. Juli 2009 sei Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens geworden, begehrt werde - zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 01. Juli 2009 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten, insbesondere sei er nicht Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens geworden, da er den Erwerbsminderungsrentenbescheid vom 11. August 2006 weder abändere noch ersetze (§ 96 Abs. 1 SGG). Die Feststellung weiterer Pflichtbeitragszeiten habe zwar indirekt auch Auswirkungen auf die Rentenhöhe. Die Anerkennung der weiteren Pflichtbeitragszeit ändere den Rentenbescheid vom 11. Juni 2006 jedoch nicht ab. Vielmehr sei die Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten lediglich Anlass für eine Rentenneuberechnung, die in einem eigenständigen Verwaltungsakt zu erfolgen habe. Erst ein derartiger Bescheid über eine Rentenneuberechnung werde Gegenstand eines Verfahrens gegen einen Rentenbescheid, sofern in diesem Verfahren der Verfügungssatz zur Rentenhöhe angefochten sei. Dies sei im Übrigen nicht der Fall, weil die Beteiligten den Streitgegenstand des Verfahrens gegen den Rentenbescheid vom 11. August 2006 (gerichtliches Az. L 31 R 405/09) auf die Frage begrenzt hätten, ob der Monatsbetrag der Rente unter Berücksichtigung eines höheren Zugangsfaktors zu berechnen sei.

Da die Beklagte zu Recht im Bescheid vom 01. Juli 2009 auf die Möglichkeit des Widerspruchs hingewiesen habe, sei auch die im Widerspruchsbescheid getroffene Kostenentscheidung zutreffend gewesen. Für die mit dem Widerspruch beantragte Kostengrundentscheidung zugunsten der Klägerin wäre abgesehen davon schon deshalb kein Raum, weil dann, wenn ein Bescheid Gegenstand eines Gerichtsverfahrens geworden sei, über die Kosten eines Widerspruchs gegen diesen Bescheid in der Kostenentscheidung für jenes Verfahren mit zu entscheiden sei.

Soweit die Klägerin hilfsweise die Feststellung des tatsächlichen Arbeitsentgeltes für die Versicherungszeit vom 04. bis zum 23. August 1958 begehre, sei diese Klageänderung unzulässig, weil die Änderung nicht sachdienlich sei. Auch habe die Beklagte bisher eine entsprechende Feststellung noch gar nicht abgelehnt. Im Übrigen bestünden Zweifel hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin, da die Beklagte das vom Arbeitgeber bescheinigte Entgelt bereits in dem der Klägerin übersandten Versicherungsverlauf vom 18. Juni 2009 aufgeführt habe.

Gegen den am 18. Juli 2011 zugestellten Gerichtbescheid richtet sich die am 17. August 2011 bei dem LSG Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Mit Schriftsatz vom 25. September 2012 hat der Vertreter der Klägerin u.a. einen Vergleich vorgeschlagen. Er ist der Auffassung, die Berufung sei spätestens durch den Abschluss des Vergleichs vom 09. Juni 2011 in dem Rechtsstreit S 21 R 9002/07 zulässig und begründet geworden. Er rügt die Nicht-Beiziehung der Gerichtsakten zu den Verfahren L 31 R 405/09 und S 21 R 9002/07 als Verfahrensmangel.

Die Klägerin stellt keinen Antrag.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Gerichtsakte zum Rechtsstreit S 6 R 623/08 - L 31 R 405/09 (ruhend) beigezogen. Darüber hinaus hat der Senat die Gerichtsakten zu den Rechtsstreiten S 27 R 9001/27 - L 12 R 75/10 (zurückweisender Beschluss) sowie L 33 R 1230/09 (beendet durch Rücknahme am 16. August 2012) eingesehen und aus der Gerichtsakte zu L 12 R 75/10 Kopien zu den Akten genommen.

Durch Beschluss des Senats vom 07. Juni 2012 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 126 SGG ohne die der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27. September 2012 ferngebliebene Klägerin verhandeln und entscheiden, nachdem sie in der ihr ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf eben diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Nachdem die Klägerin im Berufungsverfahren keinen Antrag formuliert hat, war das klägerische Begehren unter Würdigung des Akteninhalts in sachgerechter Weise nach § 123 SGG sinngemäß dahingehend auszulegen, dass die Klägerin den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2011 beantragt und unter Änderung des Bescheides der Beklagten vom 01. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 die Feststellung begehrt, dass der Bescheid vom 01. Juli 2009 Gegenstand des gegen den Bescheid vom 11. August 2006 anhängigen Rechtsstreits S 6 R 623/08 (L 31 R 405/09) geworden ist, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte für die Beschäftigungszeit vom 04. bis zum 23. August 1958 festzustellen.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2011 ist mit dem so verstandenen Begehren zulässig, aber unbegründet.

Die Klage war von Anfang an unzulässig, da der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fehlte. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01. Juli 2009 hat die Beklagte dem mit Schriftsatz der vormaligen Bevollmächtigten vom 25. Juni 2009 formulierten klägerischen Begehren auf gesonderte Feststellung der Versicherungszeit vom 04. bis zum 23. August 1958 entsprochen. Soweit sich die Klägerin in ihrem "Widerspruch" vom 04. August 2009 und ihrer anschließenden Klage gegen den Bescheid vom 01. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 dann ausschließlich gegen die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 01. Juli 2009 wandte, ohne in der Sache Einwendungen zu erheben, fehlte es ihr hierfür an einem Rechtsschutzbedürfnis und - dem folgend - an der Klagebefugnis. War die Klägerin der Meinung, der Bescheid sei nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand eines anderen Rechtsstreits geworden, so hätte sie dies einfach in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren, verbunden mit einem vorsorglich formulierten Widerspruch, geltend machen können. War die Klägerin der Meinung, es müsse nunmehr auch eine Rentenneufeststellung erfolgen sollen, hätte sie dies bei der Beklagten beantragen müssen. Es ist ferner nicht erkennbar, dass die Beklagte mit Erlass des Bescheides vom 01. Juli 2009 irgendein subjektives Recht der Klägerin verletzt hätte. Eine materielle Beschwer der Klägerin hat nie existiert, denn § 96 Abs. 1 SGG stellt eine rein verfahrensrechtliche Regelung dar, die keinen subjektiven Anspruch der Beteiligten vermittelt. Im Übrigen oblag die Feststellung bzw. Entscheidung, ob die Wirkung des § 96 abs. 1 SGG eingetreten ist, nicht der Beklagten, sondern nur dem Gericht, bei dem der Rechtsstreit wegen der Erwerbsminderungsrente anhängig war.

Auch wenn man davon ausginge, dass die Klage ursprünglich zulässig gewesen wäre, wäre sie jedenfalls zum Zeitpunkt der am 17. August 2011 eingegangenen Berufung aufgrund des Erlasses des Altersrentenbescheides vom 01. August 2011 - mit dem die anerkannte Pflichtbeitragszeit vom 04. bis zum 23. August 1958 in die Rentenberechnung eingestellt wurde und für den Monat März 2004 statt der Erwerbsminderungsrente die höhere Altersrente gewährt wurde - und des daraus folgernden Wegfalls jeglichen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig gewesen.

Darüber hinaus wäre die Berufung auch unbegründet, denn - wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat - der Bescheid vom 01. Juli 2009 änderte den Erwerbsminderungsrentenbescheid vom 11. August 2006 nicht i.S. v. § 96 Abs. 1 SGG ab. Gegen die Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG spricht, dass ein Abänderung oder Ersetzen i.S. v. § 96 SGG allgemein voraussetzt, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsakts mit demjenigen des früheren identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festgestellt werden muss (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG - Kommentar, 10. Auflage 2012, § 96 Rn. 4a). Der Verfügungssatz des Bescheides vom 01. Juli 2009 erschöpft sich in der Anerkennung bzw. Feststellung des Zeitraums vom 04. bis zum 23. August 1958 als Pflichtbeitragszeit gem. §§ 55 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1, 248 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), während im Erwerbsminderungsrentenbescheid vom 11. August 2006 mehrere Verfügungssätze betreffend Rentenart (Rente wegen voller Erwerbsminderung), Rentenbeginn (01. März 2004) und Rentenhöhe (280,20 Euro) enthalten sind. Erkennbar besteht hier nicht einmal eine Teilidentität der Verfügungssätze.

Im Übrigen sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab und verweist auf die ausführlichen Darlegungen des SG in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vom 13. Juli 2011, denen er sich nach eigener Überprüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten mit dessen Schriftsatz vom 25. September 2012 geltend macht, die Berufung sei gerade aufgrund des am 09. Juni 2011 in dem Rechtsstreit S 21 R 9002/07 geschlossenen Vergleichs zulässig und begründet geworden, kann der Senat diese Auffassung nicht nachvollziehen. Es ist auch in keiner Weise erkennbar, dass Vormerkungsbescheide aus den 90er Jahren dem Bescheid vom 01. Juli 2009 weiterhin entgegenstehen würden, denn in der Anerkennung der Versicherungszeit als Pflichtbeitragszeit ist gleichzeitig auf die Aufhebung etwaiger entgegen stehender vorheriger Bescheide zu sehen, zumal mit dem den Vergleich umsetzenden Bescheid vom 01. August 2011 auch deutlich wird, dass tatsächlich aus der anerkannten Pflichtbeitragszeit Leistungen erbracht werden.

Soweit die Klägerin schließlich durch ihren Bevollmächtigten mit dessen Schriftsatz vom 26. September 2012 die Nicht-Beiziehung der Gerichtsakten zu den Verfahren L 31 R 405/09 sowie S 21 R 9002/07 rügt, ist nicht ersichtlich, welcher Verfahrensmangel hier überhaupt gerügt werden soll und welche Entscheidungserheblichkeit diese Gerichtsakten für den hiesigen Rechtsstreit haben sollen. Im Übrigen liegt dem Senat die Gerichtsakte zu dem Rechtsstreit S 6 R 623/08 - L 31 R 405/09 - wie aus der Ladung ersichtlich - vor.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Zusatzinformationen