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L 21 R 1072/09

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 01. Juli 2007 und begehrt von der Beklagten die Neuberechnung seiner Altersrente unter Zugrundelegung des aktuellen Rentenwerts West anstelle des Rentenwerts Ost.

Der 1930 geborene Kläger, der nach dem Versicherungsverlauf seine rentenrechtliche Biografie bis 1990 im Beitrittsgebiet durchlaufen hatte, bezieht von der Beklagten ab dem 1. Mai 1995 Regelaltersrente (Bescheid vom 2. Juni 1995). Nach Aufnahme eines befristeten arbeitsverhältnisses wurde die Rente mit Rentenbescheid vom 11. März 1999 für die Zeit ab dem 01. Januar 1999 neu festgestellt. Einem Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid vom 2. Juni 1995 wurde teilweise durch Rentenbescheide vom 04. Dezember 1997 und 4. November 1999 abgeholfen, im Übrigen ist der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2001 zurückgewiesen worden. Wegen des Geldwerts der Rente war ein Rechtstreit vor dem Sozialgericht Berlin/Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen S 27 RA 4973/01 / L 16 R 355/06) anhängig.

Zum 01. Juli 2007 nahm die Beklagte eine Anpassung der Rentenhöhe entsprechend der Rentenwertbestimmungsverordnung 2007 vor. Danach betrug der aktuelle Rentenwert 26,27 EUR und der aktuelle Rentenwert (Ost) 23,09 EUR.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 16. August 2007 Widerspruch mit der Begründung, dass mit der Rentenwertbestimmungsverordnung 2007 eine weitere Kürzung des realen Wertes seiner Altersrente unter Verletzung der Vorgaben des Bundessozialgerichts sowie der Zusicherungen des Einigungsvertrages und des Eigentumsschutzes in Art. 14 GG bewirkt werde. Außerdem vertrat er die Auffassung, dass der Bescheid Gegenstand des damals noch anhängigen Verfahrens vor dem Landessozialgericht geworden sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2007 zurück. Die Anpassung der Rente zum 01. Juli 2007 sei gemäß § 65 SGB VI in der Weise vorzunehmen, dass der in der Formel für die Berechnung des Monatsbetrags der Rente enthaltene aktuelle Rentenwert oder aktuelle Rentenwert (Ost) durch den jeweils neuen aktuellen Rentenwert ersetzt und die Rente mit den bisher ermittelten persönlichen Entgeltpunkten neu berechnet werde. Der Widerspruch richte sich gegen eine Regelung, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Der Rentenversicherungsträger sei an diese gesetzliche Regelung gebunden. Der Kläger hat am 24. Oktober 2007 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt und vorgetragen hat, die Rentenanpassung genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Zusicherungen des Einigungsvertrages, des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Grundgesetz (GG) und die Vorgaben des Bundessozialgerichts (B 4 RA 120/00) seien verletzt. Auch die Rentenangleichung Ost an West werde verweigert. Er verlange die Verpflichtung der Beklagten, den Rentenwert Ost an den Rentenwert West anzugleichen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 15. September 2009 abgewiesen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Rentenanpassung bestünden nicht. Hierbei hat das SG Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über zwei Verfassungsbeschwerden gegen die Rentenanpassungsregelungen der Jahre 2000 und 2004 (Beschluss vom 26.07.2007, BVerfG 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07). Zur Begründung heißt es weiter, die Kammer habe auch nicht erkennen können, dass der Kläger aus dem Einigungsvertrag einen Anspruch auf eine weitere Erhöhung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert-West - mit jeder einzelnen Rentenanpassung - hätte. Anlass für eine Beweiserhebung habe die Kammer nicht gesehen. Bei den vom Klägerbevollmächtigten aufgeführten Punkten, zu denen er eine Beweiserhebung wünsche, handele es sich teilweise schon nicht um dem Beweis zugängliche Tatsachen. Zum anderen seien die Fragen weder entscheidungserheblich noch würden konkrete Beweismittel benannt.

Der Kläger hat gegen den ihm am 21. September 2009 zugestellten Gerichtsbescheid am 13. Oktober 2009 Berufung eingelegt, mit der er unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Begehren weiterverfolgt. Ferner trägt er im Wesentlichen vor, eine Anpassung sei mindestens in Höhe der Inflationsrate vorzunehmen, hilfsweise in Höhe der Anpassung für die Beamtenversorgung. Die Rentenanpassung werde seit mehreren Jahren von der Entwicklung des Einkommens der - einheitlich in Ost- und West-Deutschland - abhängig Beschäftigten abgekoppelt. Die Entwicklung dieser Einkommen werde danach grundlegend anders behandelt als die Entwicklung der Einkommen der Rentner. Dies verletze den Gleichheitssatz.

Aufgrund der unterlassenen Rentenanpassungen der Vorjahre und der damit verbundenen realen Rentenkürzungen seien die Renten als substantielle Alterssicherung entwertet. Das Alterseinkommen müsse im Ruhestand grundsätzlich das gleiche Lebensniveau gewährleisten, das sich der jeweilige Bürger zuvor im Beschäftigungsverhältnis erarbeitet hätte. Um sich ein umfassendes Bild von der seit 2000 verschlechterten Situation und deren Auswirkungen zu machen, wäre es dringend notwendig, eine Beweisaufnahme durchzuführen, um aufgrund einer umfassenden Aufklärung des Sachverhalts eine ausreichende Grundlage für eine fundierte Einschätzung zu erhalten, ob dem Kläger ein diskriminierendes unverhältnismäßig vermindertes, den Einigungsvertrag sowie seine Grund- und Menschenrechte verletzendes Alterseinkommen zugemessen worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 18. August 2010 (Gerichtsakte Bl. 59 ff.) Bezug genommen.

Der Kläger hat einen Appell seiner Prozessbevollmächtigten an den Bundespräsidenten, die Bundeskanzlerin, den Präsidenten des Bundestages und den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts a. D., sich für eine angemessene Alterssicherung für die aus der DDR gekommenen Bürger einzusetzen, zur Akte gereicht und beantragt sinngemäß,

  • den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. September 2009 und den Rentenanpassungsbescheid der Beklagten zum 01. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung der Rente des Klägers anstelle des Rentenwerts (Ost) den Rentenwert (West) zugrunde zu legen und ihm eine höhere Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung und Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte über die Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist statthaft als Anfechtungsklage gegen die einen Verwaltungsakt verlautbarende Rentenanpassungsmitteilung sowie als unechte Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Festsetzung eines höheren Anpassungswertes und Zahlung höherer Rente.

Soweit der Kläger einen Anspruch auf Neufeststellung seines Rechts auf Altersrente unter Zugrundelegung des aktuellen Rentenwerts an Stelle des aktuellen Rentenwerts (Ost) verfolgt, ist die Klage unzulässig. Die Rentenhöchstwertfestsetzung ist nicht Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens gegen die Anpassungsmitteilung. Zulässiger Streitgegenstand ist ausschließlich die Rentenanpassungsmitteilung zum 01. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2007, nur hierüber hat die Beklagte entschieden und ist ein Vorverfahren (§ 78 SGG) durchgeführt worden. Der Rentenanpassungsbescheid bildet einen selbständigen Streitgegenstand, in ihm wird nicht über den Geldwert der Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung, das heißt über die wertmäßige Fortschreibung eines (bereits zuerkannten) Werts des Rechts auf Rente, entschieden (vgl. BSG SozR 4-2600 § 260 Nr. 1 m. w. N.). Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid auch nicht Gegenstand des vor dem 16. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg anhängig gewesenen Rechtsstreits zum Aktenzeichen L 16 R 355/06) geworden.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die Rentenanpassung zum 01. Juli 2007 ist rechtmäßig und ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren Anpassungswertes und Zahlung höherer Rente demzufolge nicht gegeben. Eine gesetzliche Grundlage für eine Erhöhung der Rente ab 1. Juli 2007 über den festgesetzten Prozentsatz von 0,54 Prozent hinaus besteht nicht.

Weder die der Rentenanpassung zum 1. Juli 2007 zu Grunde liegende Vorschrift des § 255 e SGB VI (vgl. BSG, Urteile vom 21.01.2009 - B 12 R 1/07 R - und vom 13.11.2008 - B 13 R 13/08 R - jeweils Juris) noch die Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift durch die Beklagte verstößt gegen höherrangiges Recht. Fehler bei der Rentenberechnung als solcher sind nicht erkennbar und werden von dem Kläger auch nicht geltend gemacht.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der hier maßgebenden Vorschriften der Rentenanpassung zum 1. Juli 2007 hat der Senat nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Gesetzgeber hinsichtlich der Regelungen zur Rentenanpassung ein breites Einschätzungsrecht zusteht und sich die verfassungsrechtliche Prüfungskompetenz auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (vgl. BVerfG 76, 220, 241). Es kann erst dann von einem unangemessenen beziehungsweise unverhältnismäßigen staatlichen Grundrechtseingriff gesprochen werden, wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit nicht mehr gewahrt ist. Hierbei ist bei der Abwägung zwischen der Belastung des Versicherten durch eine Schmälerung von Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften einerseits sowie der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits zu beachten, dass der Versicherte in das Solidarsystem eingebunden ist und auch die Risiken dieses Systems trägt. Zu berücksichtigen ist gerade im Hinblick auf langfristig wirkende Rentenreformen die Generationengerechtigkeit zwischen den Vergleichsgruppen der gegenwärtigen Beitragszahler und der Rentenempfänger, die einen sozialverträglichen Ausgleich beinhaltet (Sodan, Verfassungsrechtliche Determinanten der gesetzlichen Rentenversicherung, NZS 2005, 561). Die demographische Last kann nicht ausschließlich von den Beitragszahlern getragen werden. Auch von den Rentenbeziehern kann ein sozialverträglich ausgestalteter Anteil eingefordert werden, wobei zwar ein Eingriff in die eigentliche Substanz ausscheidet, jedoch bei der Rentenanpassung möglich ist (Urteil des LSG Bayern vom 10. Mai 2006, Az.: L 1 R 4018/04). Das BSG hat im Übrigen zur Frage, ob die Aussetzung der sich aus § 68 SGB VI eigentlich ergebenden Rentenanpassung 2004 infolge Art. 2 des 2. SGB VI-Änderungsgesetzes entgegen § 69 Abs. 1 SGB VI zu beanstanden war, darauf hingewiesen, dass das GG keine Anspruchsgrundlage enthält, aus der sich ein Anspruch auf höhere Rentenzahlung gegen die Rentenversicherungsträger ergeben könnte und keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht festgestellt (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2007, Az.: B 4 RA 51/05 R). Der Gesetzgeber verfolgte mit den bisher getroffenen Maßnahmen das Ziel, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren. Schon dieses öffentliche Interesse ist geeignet, die hierzu getroffenen gesetzgeberischen Maßnahmen zu rechtfertigen, denn sie tragen zur Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung bei. Andererseits führen diese Maßnahmen nicht dazu, dass die Rente ihre Funktion als substanzielle Alterssicherung verliert (vgl. ausführlich Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Oktober 2008 - L 1 R 504/08 - veröffentlicht in Juris).

Der Senat sieht auch in der gleichmäßigen Rentenanpassung West und Ost beziehungsweise dem von dem Kläger angemahnten Rentenangleichung Ost und West keinen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Zutreffend hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Juli 2002 (B 4 RA 120/00, zitiert nach Juris) ausgeführt, dass Art. 3 Abs. 1 GG erst dann verletzt ist, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seiner Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt und dass dies bei einer prozentual gleichen Anpassung der Renten in West und Ost - bei zuvor ungleich hoher Rentenwerte - nicht gegeben ist.

Eine Verletzung verfassungsrechtlicher Vorschriften durch die ab 1. Juli 2007 vorgenommene Rentenanpassung liegt somit nicht vor. Den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angekündigten Beweisanträgen war aus den vom Sozialgericht genannten Gründen, denen der Senat folgt (§ 154 Abs. 2 SGG), nicht nachzugehen.

Die Berufung des Klägers war somit zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

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