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L 27 R 709/07

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2007 wird, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist, zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung findet über das Anerkenntnis der Beklagten hinaus, dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits zu erstatten, nicht statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. August 2004 bis zum 10. Mai 2005.

Der 1969 geborene Kläger, der nach Bestehen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung arbeitslos war, beantragte am 6. Mai 2003 bei der Bundesanstalt für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss für das Vorhaben „juristischer Presseinformationsdienst (Presseagentur für juristische Inhalte)“. Zugleich wies er darauf hin, dass er - zeitlich und finanziell untergeordnet - als Rechtsanwalt tätig sein werde. Der Antrag beziehe sich allein auf die Tätigkeit als Journalist. Mit Bescheid vom 6. Juni 2003 wurde ihm der Existenzgründungszuschuss für den Zeitraum vom 11. Mai 2003 bis 10. Mai 2004 bewilligt. Auf den Antrag vom 26. Mai 2004, mit dem der Kläger u.a. erklärte, es hätten sich seit seinem letzten Antrag keine Änderungen hinsichtlich der Art und des Umfangs der Tätigkeit ergeben, gewährte ihm die Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 27. Mai 2005 den Existenzgründungszuschuss auch für den Zeitraum vom 11. Mai 2004 bis 10. Mai 2005.

Mit dem am 25. Juni 2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben teilte der Kläger mit, dass er als freischaffender Journalist und Rechtsanwalt tätig sei und davon ausgehe, als Existenzgründer nicht versicherungspflichtig zu sein. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 30. Juli 2004 fest, dass der Kläger ab 1. August 2004 versicherungspflichtig sei, weil er einen Existenzgründungszuschuss erhalte. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Am 24. August 2004 beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dem kam die Beklagte mit Bescheid vom 5. Oktober 2004 nach.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Da der Kläger neben der Tätigkeit als Rechtsanwalt als freischaffender Journalist tätig sei und hierfür einen Existenzgründungszuschuss erhalte, bestehe für diese Tätigkeit Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI).

Mit der am 20. April 2005 bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht: Die Feststellung der Versicherungspflicht sei rechtswidrig, weil eine eigenständige Tätigkeit als freischaffender Journalist nicht vorliege. Er betreibe unter der Firma „Juristischer Presseinformationsdienst“ eine Website mit juristischen und journalistischen Inhalten. Diese Tätigkeit nehme nur wenige Wochenminuten in Anspruch und führe nicht zu regelmäßigen Einnahmen. Da er hoffe, über dieses Projekt einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erzielen, dürfe diese Tätigkeit nicht isoliert von seiner Anwaltstätigkeit gesehen werden. Er behauptet, schon zu Beginn des Jahres 2004 die praktische Tätigkeit seines juristischen Presseinformationsdienstes aufgegeben zu haben.

Die Bundesagentur für Arbeit hat dem Kläger auf seinen Antrag vom 5. Mai / 24. Juni 2005, in dem dieser mitteilte, dass er nur noch die Anwaltskanzlei betreibe, mit Bescheid vom 28. Juli 2005 den Existenzgründungszuschuss weiter für den Zeitraum vom 11. Mai 2005 bis zum 10. Mai 2006 bewilligt.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 23. Februar 2007 abgewiesen. Die Beklagte hatte zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI festgestellt, da er für den Zeitraum von August 2004 bis Mai 2006 einen Existenzgründungszuschuss erhalten habe. Maßgebend sei die jeweils konkret ausgeübte Tätigkeit, für die der Existenzgründungszuschuss gewährt werde. Auch neben der Ausübung einer versicherungsfreien Tätigkeit könne für eine weitere Tätigkeit Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI vorliegen. Das Betreiben des juristischen Presseinformationsdienstes sei kein Teilbereich der Rechtsanwaltstätigkeit.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 12. Februar 2008 den Kläger ab 20. Juli 2005 von der Versicherungspflicht befreit. Zur Begründung hat sie im Schriftsatz vom 12. Februar 2008 ausgeführt, der Kläger habe in dessen Antrag vom 20. Juli 2005 auf Weitergewährung des Existenzgründungszuschusses angegeben, nur noch anwaltlich tätig zu sein. Hinsichtlich dieser Tätigkeit sei er nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht zu befreien, da er Mitglied der Rechtsanwaltskammer sei. Gleichzeitig gab sie ein Kostenanerkenntnis dergestalt ab, dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis am 20. März 2008 angenommen, jedoch darauf hingewiesen, dass ihm der Existenzgründungszuschuss bereits vom 11. Mai 2005 an bewilligt worden sei.

Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. Juli 2008 anerkannt, dass die Versicherungspflicht mit dem 10. Mai 2005 geendet hat. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger am 2. August 2008 angenommen.

Zur Begründung seiner - sich auf den Zeitraum vom 1. August 2004 bis zum 10. Mai 2005 beschränkenden - Berufung bringt der Kläger insbesondere vor: Gesetzgeberisches Ziel der Versicherungspflicht des § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI sei, dass Existenzgründer Altersvorsorge betrieben. Dies sei bei Rechtsanwälten, die in den Rechtsanwaltsversorgungswerken versichert seien, bereits gewährleistet. Deshalb müsse sich die Befreiung nach § 6 SGB VI auf sämtliche Tätigkeiten des Existenzgründers erstrecken. Anderenfalls würden Rechtsanwälte im Gegensatz zu allen anderen Beziehern des Existenzgründungszuschusses verpflichtet sein, sich mehrfach zu versichern. Im Übrigen habe er im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt keine selbständige Tätigkeit als Journalist ausgeübt. Denn er habe Ende 2003 seine Bemühungen endgültig aufgegeben, Einnahmen durch den Rechteverkauf eigener journalistischer Beiträge zu erzielen. Jedenfalls habe der Rentenversicherungsträger, wenn wie vorliegend ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI gestellt worden sei, zu prüfen, welche selbständigen Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt würden. Seine Tätigkeit als Betreiber einer Website sei nicht als eigenständige journalistische Tätigkeit zu werten, da eine Vielzahl von Rechtsanwälten eine Homepage betrieben.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2005 in der Fassung des Bescheides vom 12. Februar 2008 und des angenommenen Anerkenntnisses vom 17. Juli 2008 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die Rentenversicherungspflicht des Klägers vom 1. August 2004 bis zum 10. Mai 2005 festgestellt hat.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2007 ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2005 in der Fassung des Bescheides vom 12. Februar 2008 und des angenommenen Anerkenntnisses vom 17. Juli 2008 rechtmäßig ist. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass der Kläger während des Zeitraumes vom 1. August 2004 bis zum 10. Mai 2005 der Rentenversicherungspflicht unterlag.

Versicherungspflichtig sind nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung vom 4. Dezember 2004 selbständig tätige Personen für die Dauer des Bezugs eines Zuschusses nach § 421l Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III). Die Bundesanstalt für Arbeit gewährte dem Kläger auf der Grundlage des Bescheides vom 27. Mai 2004 für den Zeitraum vom 11. Mai 2004 bis zum 10. Mai 2005 - also einschließlich des hier streitgegenständlichen Zeitraumes - einen Existenzgründungszuschuss. Die Bewilligung beschränkte sich auf dessen Tätigkeit als freischaffender Journalist. Dies ergibt sich aus dem ursprünglichen Antrag des Klägers vom 6. Mai 2003, in welchem er ausführt, dass der Antrag sich auf die angestrebte Tätigkeit als Journalist beziehe, weil seine Tätigkeit als Anwalt untergeordnet sein solle. Hiervon wich der Weitergewährungsantrag des Klägers vom 26. Mai 2004 nicht ab.

Mit der Behauptung, er habe seine journalistische Tätigkeit Ende 2003 oder Anfang 2004 eingestellt, kann der Kläger nicht gehört werden. Noch im Schreiben vom 28. Juni 2004 hat der Kläger gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt, „als freischaffender Journalist und Rechtsanwalt“ tätig zu sein. Dieser Widerspruch kann jedoch offen bleiben. Denn es kommt für die Versicherungspflicht nicht darauf an, ob der Betroffene tatsächlich die Tätigkeit ausübt, deretwegen ihm der Existenzgründungszuschuss gewährt wurde. Denn § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI stellt allein auf den Bezug des Zuschusses ab und nicht - wie die Tatbestände der Nrn. 1 bis 9 dieser Vorschrift - auf bestimmte Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsmerkmale.

Auch ist es ohne Belang, ob der Kläger - was er bestreitet - „selbständig“ tätig im Sinne des § 2 Satz 1 vor Nr. 1 SGB VI war. Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) in der seinerzeit maßgeblichen Fassung vom 23. Dezember 2002 gelten Personen, die einen Zuschuss nach § 421l SGB III erhalten, für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses als selbständig Tätige. Hierbei handelt es sich um eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung; Bezieher eines Existenzgründungszuschusses sind für diese Zeit in die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen, ohne dass es einer weiteren Prüfung der Merkmale, die für die Annahme der Selbständigkeit maßgeblich sind, bedarf (so Gürtner, in: Kasseler Kommentar, Rn. 41 zu § 2 SGB VI).

Der Umstand, dass der Kläger - seinem Vortrag zufolge - neben der journalistischen Tätigkeit in eingeschränktem Umfang auch als Rechtsanwalt tätig war, ist für die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI schon deshalb ohne Belang, weil er, wie oben ausgeführt, für diese Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Existenzgründungszuschuss erhielt.

Der Beklagte war auch nicht gehalten, den Kläger hinsichtlich seiner journalistischen Tätigkeit im Hinblick darauf, dass er wegen seiner Rechtsanwaltstätigkeit Mitglied der Rechtsanwaltskammer als einer berufsständische Versorgungseinrichtung war, nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht zu befreien. Der Internetauftritt des Klägers unter der Firma „Juristischer Presseinformationsdienst“ steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Rechtsanwaltstätigkeit. Anders als die von ihm angeführten Homepages diverser Rechtsanwaltskanzleien, fehlt ein direkter Hinweis auf die Kanzlei des Klägers. Im Gegenteil ist die Firma „Juristischer Presseinformationsdienst“ den eigenen Angaben des Klägers im Impressum seiner Website (http://www.jupid.de/index.php?w=900_sa_273__) zufolge die Geschäftsbezeichnung für seine freiberufliche Tätigkeit als „Justizberichterstatter“.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) nicht vorliegen.

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