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L 8 R 583/08

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes.

Die 1941 geborene Klägerin ist Witwe des 1939 geborenen und 2005 verstorbenen G S (nachfolgend: Versicherter). Sie lebte gemeinsam mit dem Versicherten in dessen Haus in einer eheähnlichen Gemeinschaft und war dort seit 1992 gemeldet. Der Versicherte litt an einer chronischen Niereninsuffizienz, einem insulinpflichtigen Typ 2-Diabetes mellitus sowie an einer schwerwiegenden coronaren Herzerkrankung mit einer deutlichen Einschränkung der Pumpleistung des Herzens; seit 1999 hatte er einen Herzschrittmacher.
Im Oktober 2004 heirateten die Klägerin und der Versicherte.

Nachdem der Versicherte im 07. August 2005 im V Klinikum in H eingeliefert und noch am selben Tage auf die Intensivstation des V Klinikums in N verlegt worden war, verstarb er im August 2005 an den Folgen eines Multiorganversagens im Zusammenhang mit einer Sepsis.

Am 16. August 2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Sie legte eine Bescheinigung des den Versicherten behandelnden Nephrologen, des Diplom-Mediziners P vom 15. November 2005 vor, der zufolge ein frühzeitiger Tod des Versicherten nicht absehbar gewesen sei, weil sowohl der Diabetes mellitus als auch der arterielle Hypertonus stabil eingestellt gewesen seien. Die Klägerin trug vor, für sie und den Versicherten sei es nach über 20 Jahren ihrer eheähnlichen Gemeinschaft wichtig gewesen, den gemeinsamen Lebensabend mit der Hochzeit zu „krönen“, da ihnen dieses in den vergangenen Jahren auf Grund verschiedener Umstände nicht vergönnt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 06. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass die Ehe entgegen den Anforderungen des § 46 Abs. 2a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht ein Jahr gedauert habe und besondere Umstände, welche die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen würden, auch unter Berücksichtigung dessen, dass sie mit dem Versicherten seit über 20 Jahren in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt hätte, hier nicht vorliegen würden.

Den hiergegen am 26. Januar 2006 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. Oktober 2006 zurück.

Am 06. November 2006 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben.

Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, sie sei seit dem Jahre 1968 mit ihrem Mann zusammen gewesen und habe mit ihm mehrere Gaststätten betrieben. 1976 hätten sie gemeinsam ein Haus gekauft, für das jedoch nur ihr Mann als Eigentümer eingetragen worden sei. Über die gemeinsamen Jahre hätten sie zunächst keine Veranlassung für eine Heirat gesehen. Es sei ihnen nicht wichtig gewesen zu heiraten. In der DDR sei das Zusammenleben als unverheiratetes Paar kein Problem gewesen. Anfang des Jahres 2004 hätten sie den Entschluss gefasst zu heiraten. Die Heirat habe ohne Beachtung des Alters lediglich ihren Lebensabend vervollkommnen sollen. Ihr Mann habe „Nägel mit Köpfen machen wollen“. Er habe im Wesentlichen Wert gelegt auf einen gemeinsamen Nachnamen. Als Rentner hätten sie gemeinsam verreisen wollen. So hätten sie noch im Februar 2005 eine Busreise nach Spanien unternommen, und im Juni 2005 seien sie noch in Österreich und Ungarn gewesen; im Herbst 2005 sei eine Reise in die Schweiz geplant gewesen. Bis zu seinem Tod sei ihr Mann noch aktiv gewesen und noch selbst Auto gefahren. Er habe sich auf Grund seiner Erkrankung (unter anderem Alterszucker und Herzschrittmacher) in ständige ärztliche Behandlung begeben. Das Krankheitsgeschehen im August 2005 sei nicht nur für sie, sondern auch für die behandelnden Ärzte völlig überraschend gekommen. Seit November 2003 beziehe sie eine eigene Altersrente in Höhe von ca. 728,- € monatlich; weitere Einkünfte habe sie nicht. Ihr Mann habe zuletzt eine Rente in Höhe von monatlich 976,83 € erhalten. Er habe kein Testament gehabt, und sie habe in Erbengemeinschaft mit den beiden Söhnen geerbt. Das Barvermögen sei dementsprechend aufgeteilt worden. Die Söhne hätten ihr zugesichert, bis zu ihrem Lebensende weiter im Haus leben zu dürfen. Nach dem Tod ihres Mannes sei sie zunächst davon ausgegangen, dass sie keinen Anspruch auf Witwenrente habe, weil sie schon einmal von der Vorschrift gehört habe, dass man mindestens ein Jahr verheiratet sein müsse. Erst Bekannte hätten sie darauf aufmerksam gemacht, dass man trotzdem einen Anspruch haben könne.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI erfordere den vollen Beweis des Gegenteils. Die Klägerin habe nicht den Beweis erbracht, dass hier die Ehe nicht überwiegend aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Ein langjähriges eheähnliches Zusammenleben widerlege nicht die gesetzliche Vermutung.

Das Sozialgericht hat Auskünfte und medizinische Unterlagen von den behandelnden Ärzten des Versicherten eingeholt, und zwar von dem Kardiologen Dr. W vom 18. Dezember 2006, dem Nephrologen Dipl.-Med. P vom 10. Januar 2007, dem Kardiologen Dr. P vom 15. Januar 2007 und 03. Januar 2002, der praktischen Ärztin D vom 09. Februar 2007, von dem V Klinikum H vom 03. Februar 2007 sowie von dem V Klinikums N vom 27. Februar 2007.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 5. Juli 2007 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei hier widerlegt, weil nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen und der Anhörung der uneingeschränkt glaubwürdigen Klägerin im Termin und deren nicht anzuzweifelnden Einlassungen nicht von einer ausschließlichen oder überwiegenden Versorgungsabsicht auszugehen sei. Die seit 1968 bestehende Beziehung sei von Anfang an nicht von einer Versorgungsabsicht geprägt gewesen. Der Anfang des Jahres 2004 gefasste Heiratsentschluss sei mehr als ein Jahr vor dem Tod des Versicherten gefasst worden. Die Klägerin habe überzeugend vorgetragen, dass hierfür insbesondere maßgebend gewesen sei, vor allem im Außenverhältnis und auf Reisen als Eheleute mit einem gemeinsamen Namen in Erscheinung zu treten. Der Tod des Versicherten am 09. August 2005 sei völlig überraschend gekommen, nachdem er am 07. August 2005 ins Krankenhaus eingeliefert und am 08. August 2005 auf die Intensivstation verlegt worden sei. Todesursache sei nach Auskunft des betreffenden Oberarztes ein Multiorganversagen im Zusammenhang mit einer Sepsis gewesen; bis 24 Stunden vor dem Tod sei nicht mit einem tödlichen Ausgang der Erkrankung zu rechnen gewesen. Auch der behandelnde Kardiologe habe bestätigt, dass ein baldiger Tod des Versicherten trotz dessen Erkrankung nicht vorhersehbar gewesen sei. Bis kurz vor seinem Tode sei er aktiv gewesen. Er sei noch selbst Auto gefahren und habe Reisen unternommen. Er sei weder pflegebedürftig noch sonst seinem Alter entsprechend in seinem Alltag wesentlich eingeschränkt gewesen. Ein ausschließlicher beziehungsweise überwiegender Versorgungszweck der Eheschließung könne nicht auf Grund der Tatsache angenommen werden, dass sich die finanzielle Situation der Klägerin durch die Gewährung der Witwenrente verbessern würde. Beide Eheleute hätten zuletzt jeweils eine Rente aus eigener Versicherung bezogen; das gemeinsam bewohnte Haus sei schuldenfrei gewesen. Die Klägerin wäre auch nach dem Tod Versicherten im Stande gewesen, ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 27. Juli 2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Berlin am 27. August 2007 Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt sie unter Vorlage mehrerer erst- und zweitinstanzlicher Entscheidungen vor, die Klägerin habe nicht den Beweis erbracht, dass ihre Ehe entgegen der gesetzlichen Vermutung nicht überwiegend aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Die langjährige Beziehung, welche die Klägerin mit dem Versicherten gehabt habe, stehe einem alleinigen oder überwiegenden Versorgungsgedanken der Ehe keineswegs entgegen. Vielmehr werde die Rechtsvermutung gerade durch ein langes eheähnliches Zusammenleben bekräftigt. Nicht als maßgeblicher Grund für die Eheschließung sei hier der Wunsch nach einem gemeinsamen Nachnamen anzusehen, nachdem man ca. 36 Jahre ohne diesen ausgekommen sei, sondern die Absicht und vor allem auch die Notwendigkeit, die Klägerin finanziell abzusichern, und zwar insbesondere gegenüber den beiden Söhnen des Versicherten. Der Versicherte habe Barvermögen und ein mit der Klägerin seit 1992 gemeinsam bewohntes Haus gehabt, das ohne eine Heirat ausschließlich seine beiden Söhne als gesetzliche Erben geerbt hätten. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, ihr und dem Versicherten sei eine Heirat nicht wichtig gewesen, weil ein Zusammenleben als unverheiratetes Paar in der DDR kein Problem gewesen sei und sie dadurch weder Vor- noch Nachteile gehabt hätten, hätten jedoch beide nicht die Wiedervereinigung im Jahre 1990 zum Anlass für eine Eheschließung genommen. Eine Heirat sei offensichtlich so lange nicht wichtig gewesen, bis die Polymorbidität des Versicherten (unter anderem chronischer IHK nach Infarkt, arteriell-periphere Durchblutungsstörung, chronische Niereninsuffizienz) dies habe ratsam erscheinen lassen. Der Eintritt des Todesfalles sei hier nicht in gleicher Weise unvorhersehbar gewesen wie ein Unfalltod, weil der Versicherte 65 Jahre alt gewesen sei und an schwerwiegenden internistischen Erkrankungen gelitten habe; ausweislich der vorläufigen Epikrise des Klinikums H vom 11. Mai 2005 und des Schreibens des behandelnden Internisten vom 10. Januar 2007 habe er eine schwerwiegende coronare Herzerkrankung gehabt, und die Pumpfunktion sei deutlich eingeschränkt gewesen. Bei diesen schon bei Eheschließung vorhandenen chronischen Erkrankungen des polymorbiden Patienten sei nach den Auskünften des Klinikums H vom 03. Februar 2007 und des behandelnden Internisten vom 10. Januar 2007 eine akute Verschlechterung mit Todesfolge immer möglich gewesen. Die Vermutung des Bestehens einer Versorgungsehe werde auch nicht dadurch widerlegt, dass die Klägerin eine eigene Altersrente in Höhe von ca. 728,-€ monatlich beziehe. Die gesetzliche Vermutung gelte auch in den Fällen, in denen die Hinterbliebenenversorgung die eigene Versorgung der Witwe aufbessern und deren wirtschaftliche Situation verbessern würde. Anderenfalls würde die gesetzliche Vermutung fast ausnahmslos widerlegt werden, wenn die eigene Versorgung der Witwe einen besonderen Umstand darstellen würde, weil praktisch jede Frau im Alter von über 30 Jahren über eine eigenständige Versorgung verfüge.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Heirat nach 36 Jahren sei auf Antrag ihres Mannes erfolgt, um der sehr langen und sehr guten Beziehung seinen Namen zu geben und damit zu dokumentieren, dass er bis zum Rest seines Lebens mit ihr zusammen unter einem Namen habe leben wollen. Einen anderen Grund habe es nicht gegeben. Der Entschluss sei nach einer Busreise zum Zitronenfest in Menton gefasst worden; dies sei im Frühjahr 2004 gewesen, jedoch könne sie sich an den genauen Zeitpunkt nicht mehr erinnern. Die Krankheiten ihres Ehemannes seien zwar altersbedingt, jedoch nicht lebensbedrohend gewesen. Wenn man der Argumentation der Beklagten folgen würde, ihr Mann sei so krank gewesen, dass die Ehe nur aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei, dann hätte sie schon Jahre früher heiraten müssen, weil die bestehenden Krankheiten nicht erst in der Ehezeit oder kurz davor aufgetreten seien, sondern schon länger bestanden hätten und ihr Mann 1999 bei einer Kontrolluntersuchung von einem Ergometer gefallen und reanimiert worden sei. Sie wisse nicht, ob ihr Mann einen Herzinfarkt erlitten habe. Ihr Mann habe nicht so viel über seinen Gesundheitszustand gesprochen. Im Mai 2005 sei er wegen Unterzuckerung ins Krankenhaus gekommen und nach vier oder fünf Tagen wieder entlassen worden. Danach seien sie ohne große Sorgen auf Reisen gegangen. Die Ehe sei auch nicht aus finanziellen Gründen geschlossen worden, weil eine eigene Rentenanwartschaft, ein eigenes Einfamilienhaus und Bargeld vorhanden gewesen seien. Sie könne auch zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes ihren Lebensunterhalt allein bestreiten. Dessen Söhne seien selbst ausreichend versorgt und erhöben keinen Anspruch auf die Anteile am Einfamilienhaus. Die von der Beklagten angeführten Fallbeispiele wären mit ihrem Fall nicht zu vergleichen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Versicherungsakte des Versicherten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 06. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Oktober 2006 zu Recht verurteilt, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung des Versicherten zu gewähren.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für die Gewährung einer Witwenrente nach § 46 SGB VI sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Vorliegend steht allein im Streit, ob hier die anspruchsvernichtenden beziehungsweise anspruchshindernden Voraussetzungen des § 46 Abs. 2a SGB VI greifen. Nach dieser Vorschrift, die für alle seit dem 01. Januar 2002 geschlossene Ehen gilt (vgl. § 242 a Abs. 3 SGB VI), haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 46 Abs. 1 oder 2 SGB VI, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen. § 46 Abs. 2a SGB VI stellt eine widerlegbare Vermutung auf, dass bei kurzer Ehedauer die Heirat der Versorgung des überlebenden Ehegatten dienen sollte (vgl. zu § 594 der Reichsversicherungsordnung - RVO -: BSGE 35, 272,273).

Für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer „Versorgungsehe“ ist der volle Beweis des Gegenteils zu erbringen, § 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung (vgl. zu § 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz - BVG -: BSGE 60, 204, 206). Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr. 3). Soweit objektiv begründbare Zweifel bestehen, müssen sich diese orientiert an der Lebenswirklichkeit ausräumen lassen (vgl. Schleswig Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06 - zitiert nach Juris, Rz. 51) Die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht.

Aus § 46 Abs. 2a SGB VI ergibt sich nicht ohne weiteres, was unter „besonderen Umständen des Falles“ zu verstehen ist, die geeignet sind, die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Da § 46 Abs. 2a SGB VI den Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch, vormals § 594 RVO), der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 BVG) sowie der Beamtenversorgung (§ 19 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz) nachgebildet ist, ist die Rechtsprechung zum Begriff „besondere Umstände“ in diesen Bestimmungen im Wesentlichen auf § 46 Abs. 2a SGB VI übertragbar (vgl.: Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 46 Rdnr. 46 c). In der Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 2a SGB VI (vgl. Bundestagsdrucksache 14/4595, Seite 44) heißt es dementsprechend:

Mit dem neuen Abs. 2a wird der Anspruch auf eine Rente bei einer Versorgungsehe ausgeschlossen, wenn Ziel der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung ist. Dabei wird unterstellt, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstirbt. Die gesetzliche Vermutung kann allerdings widerlegt werden, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen (zum Beispiel Unfalltod). Die Neuregelung entspricht Regelungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung.

Hinsichtlich des Begriffs der „besonderen Umstände“ besteht ein Beurteilungsspielraum, der der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSGE 60, 204, 207). Besondere Umstände sind alle Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst sind und die geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen. Entscheidend ist nur, ob sie ausreichen, um die Vermutung zu widerlegen. Dabei sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen (vgl. BSGE 35, 272, 274). Zu beachten sind die Beweggründe beider Ehegatten. Bei einer Gesamtbetrachtung und -abwägung der Umstände und Motive der Eheschließenden darf die Versorgungsabsicht nicht überwiegen (vgl. BSGE 35, 272, 275 f.). Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass die Vermutung widerlegt ist, wenn die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Motive den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichgewichtig sind (vgl. das nicht rechtskräftige Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 - L 16 R 486/06 - zitiert nach Juris, Rz 20, gegen das beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen - B 5 R 100/07 B - ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anhängig ist). Ausgehend von dem Vorstehenden sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe zumindest als gleichgewichtig anzusehen, wenn ein Ehegatte bei der Eheschließung nachgewiesenermaßen keine Versorgungsabsichten hegte und des Weiteren feststeht, dass der andere Ehegatte neben etwaig nicht auszuschließenden Versorgungsabsichten zumindest auch andere Gründe für die Heirat hatte. Da die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe einer Typisierung folgt und den Zweck hat, den Leistungsträger der Ausforschung im Bereich der Intimsphäre zu entheben, gilt dies auch für die Widerlegung der Rechtsvermutung, so dass auch hier die außerhalb der Intimsphäre liegenden objektiven Umstände in einer typisierenden Betrachtungsweise herangezogen werden können (BSGE 60, 204, 206 f.). Gegen eine Versorgungsehe spricht beispielsweise die Tatsache, dass die Eheschließung die Betreuung und Pflege sicherstellen soll (vgl. BSGE 35, 272, 274/275; 60, 204, 206). Allerdings ist eine abschließende Typisierung anderer Heiratsmotive als der Versorgungsabsicht angesichts der Vielgestaltigkeit des Lebens nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht möglich. Die Möglichkeit einer typisierenden Betrachtungsweise im Rahmen der Vermutungswiderlegung schließt nicht aus, dass die Witwe beziehungsweise der Witwer im Rahmen einer Darlegungsobliegenheit zur Widerlegung der Vermutung individuelle Gründe vorträgt und nachweist (vgl. BSGE 35, 272, 273; 60, 204, 206). Das Tatbestandsmerkmal der „besonderen Umstände des Falles“ im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI kann deshalb auch dann erfüllt sein, wenn höchst individuelle Heiratsgründe dargelegt und nachgewiesen werden; allerdings müssen sich diese höchst individuellen Gründe - wie bereits ausgeführt - von der Versorgungsabsicht unterscheiden und des Weiteren unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, dass sie die für eine Versorgungsabsicht sprechenden Umstände überwiegen oder zumindest gleichgewichtig sind. Dabei rechtfertigt aber die Darlegung allgemeiner, bei einer Heirat regelmäßig mitentscheidender Gesichtspunkte wie die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen, für sich gesehen noch nicht die Annahme besonderer Umstände (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Mai 2006 - L 17 R 2024/05 -; a. A.: Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2007 - L 16 R 487/06 -, zitiert nach Juris, Rz. 20). Hinzukommen muss, dass die sich von der Versorgungsabsicht unterscheidenden Heiratsgründe derart im Vordergrund gestanden haben und für den Heiratsentschluss ausschlaggebend gewesen waren, dass in Ansehung der konkreten Situation im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mehr von einem überwiegenden Versorgungszweck der Eheschließung ausgegangen werden kann. Die Beweggründe einer Heirat sind nicht für sich zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden tatsächlichen Umstände in eine Gesamtwürdigung mit einzubeziehen. Zu den tatsächlichen Umständen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung der Entschlussbildung für eine Heirat typischer Weise zu Grunde liegen können beziehungsweise Rückschlüsse auf eine solche Entscheidungsfindung zulassen, gehört eine eheähnliche Beziehung, die schon vor der Eheschließung bestanden hat; je nach Dauer und Ausgestaltung und nach den Umständen des Einzelfalles kann eine eheähnlichen Beziehung einen Umstand darstellen, durch den die gesetzliche Vermutung widerlegt wird (vgl. BSG, Beschluss vom 02. Februar 2002 - B 2 U 379/00 B - zitiert nach Juris). Die Dauer einer vorehelichen Lebensgemeinschaft kann im Rahmen einer Prüfung der Versorgungsehe im Sinne von § 46 Abs. 2a SGB VI sowohl ein Argument für als auch gegen das Vorliegen einer solchen sein (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August 2007 - L 13 3/07 -); maßgebend sind auch in diesem Zusammenhang die Umstände des Einzelfalles (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2007 - L 16 R 1110/05 -). Zu den tatsächlichen Umständen gehören des Weiteren die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheschließenden und der Umstand, ob und in welcher Weise und vor allem zu welchem Zeitpunkt sie im Hinblick auf das Ableben eines Ehepartners vermögensrechtliche Dispositionen getroffen haben. Sofern solche Vorsorgedispositionen im zeitlichen Vorfeld der Eheschließung getroffen wurden, bekräftigt dies die gesetzliche Vermutung (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. November 2007 - L 5 R 133/07 -, zitiert nach Juris, Rz. 27); andererseits sind solche Vorsorgedispositionen (zum Beispiel wechselseitige testamentarische Einsetzung, der Abschluss von Lebensversicherungen und die Aufteilung von Grundbesitz) eher als ein mit zu berücksichtigendes Indiz gegen eine überwiegende Versorgungsansicht anzusehen, wenn sie schon eine Vielzahl von Jahren vor der Eheschließung getroffen worden waren (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteile vom 22. Februar 2007 - L 16 R 610/06 - und vom 20. März 2007 - L 16 R 1110/05 -). Dies gilt auch in einer vergleichbaren, jedoch nicht gleichgewichtigen Weise wie vorstehend beschrieben, wenn die Beteiligten gar keine Vorsorgedispositionen getroffen haben, weil dies bei entsprechenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen (Grundbesitz und Ersparnisse) darauf hindeuten kann, dass die Eheschließenden die Notwendigkeit von Vorsorgedispositionen für den Fall des Ablebens eines Ehepartners nicht vor Augen hatten und dementsprechend auch nicht in der Absicht geheiratet haben, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zu berücksichtigen sind ferner die konkreten Umstände bei der Eheschließung, die etwa bei einer Nottrauung im Krankenhaus als ein gewichtiges Indiz gegen eine nicht überwiegende Versorgungsabsicht anzusehen sein können (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. April 2007 - L 19 R 603/04 - ). Eine gewichtige Bedeutung im Rahmen der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Umstände ist in der Regel dem Gesundheits- beziehungsweise Krankheitszustand des Versicherten beizumessen (vgl. statt vieler: Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteile vom 17. Mai 2006 - L 17 R 2024/05 - und vom 31. März 2007 - L 16 R 1487/06 -; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06 -; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. November 2007 - L 5 R 133/07 -). Ein die Vermutung widerlegender besonderer Umstand ist anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten unvermittelt eingetreten ist. Denn in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Versorgungsehe geschlossen werden sollte. Unvermittelt eingetreten ist der Tod insbesondere - wie dies in der Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 2 a SGB VI idealtypisch hervorgehoben wird - bei einem Unfall (vgl. BT-Drs. 14/4595 S. 44), aber auch bei einem Verbrechen; gleiches gilt für den Tod infolge einer schweren Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (vgl. GK-SGB VI, § 46 Rdnr. 113). Eine plötzliche Erkrankung im vorgenannten Sinne liegt vor, wenn bei unbekannter Herzerkrankung der Tod plötzlich durch einen Herzinfarkt in einem Lebensalter eintritt, in welchem der Tod im allgemeinen noch nicht einzutreten pflegt (vgl. Schleswig Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06 - zitiert nach Juris, Rz. 51). Sofern der Versicherte an einer Krankheit litt, ist zu würdigen, ob diese Krankheit chronisch und ggf. lebensbedrohlich war und ob nach Art der Krankheit und den objektiven Umständen des Krankheitsverlaufs in einer erkennbaren Weise mit einem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen war. Die Heirat eines offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankten Versicherten ist in der Regel als ein die gesetzliche Vermutung bestätigender Umstand anzusehen, weil in einer solchen Situation nach allgemeiner Lebenserfahrung Vieles dafür spricht, dass die Ehe aus Versorgungszwecken geschlossen wurde. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Prognose der Nachweis nicht schlechterdings ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2007 - L 16 R 610/06 -). Allerdings müssen dann bei einer Gesamtbewertung diejenigen Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom Hinterbliebenen zu beweisenden Umstände, die für die Widerlegung der Vermutung angeführt werden. Nicht einhellig geklärt ist in der Rechtsprechung, ob die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI lediglich dann widerlegt ist, wenn der Tod unvermittelt eintritt (i. d. S.: LSG Brandenburg, Urteil vom 20. März 2007 - L 2 U 75/05 -), oder ob dies schon bei im Zeitpunkt der Eheschließung fehlenden Anhaltspunkten für ein vorzeitiges Ableben des Versicherten der Fall ist (i.d.S.: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2007 - L 16 R 610/06 -).

Der Senat folgt jedenfalls nicht der ersteren Ansicht. Wenn die Vermutung ausschließlich unter der Voraussetzung widerlegt werden könnte, dass der Tod unvermittelt eingetreten sein muss, würde dies nicht dem Wortlaut und dem Regelungszweck des § 46 Abs. 2a SGB VI entsprechen. Der unvermittelte Eintritt eines Todes ist nämlich ein exogenes Ereignis, das von außen völlig unabhängig von etwaigen Erwartungen oder Prognosen der Beteiligten schlechterdings unerwartet eintritt. Idealtypisches Beispiel ist der Unfalltod, dessen Eintritt sich jedweder vorhergehenden Prognose entzieht. Der Unfalltod ist ein Ereignis, das keine Tatsachengrundlage für die Motivbildung für eine Heirat bilden kann. Hiervon zu unterscheiden ist der Tod eines chronisch schwerkranken Menschen mit einem reduzierten, aber dennoch stabilen und nicht lebensbedrohlichen Allgemeinzustand, der infolge eines für sich gesehenen unerwarteten Akutereignisses plötzlich stirbt (vgl. Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 30. November 2007 - L 5 R 133/07 -, zitiert nach Juris, Rz. 26). Das Versterben unter solchen Umständen erreicht nicht den selben Grad beziehungsweise das selbe Ausmaß an Unvorhersehbarkeit wie ein Unfalltod, durch den ein Mensch unvermittelt aus dem Leben gerissen wird. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist bei einem schwerwiegend angeschlagenen Gesundheitszustand eher mit dessen rapider, zum Tode führenden akuten Verschlechterung zu rechnen ist als mit einem Tod durch Unfall. Der plötzliche Tod eines chronisch kranken Menschen ist nicht unvermittelt wie ein Unfalltod, sondern allenfalls mehr oder weniger unvorsehbar. Bei einer chronisch kranken Person ist eine Prognoseentscheidung durchaus möglich, ob und gegebenenfalls mit welcher Wahrscheinlichkeit mit einem Ableben innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu rechnen ist. Eine solche Prognose können auch - wenn auch unter Umständen nur laienhaft - die chronisch kranke Person und dessen Partner beziehungsweise Partnerin treffen. Jedenfalls kann eine chronische Krankheit eine Motivgrundlage bilden, die grundsätzlich geeignet sein kann, einem Heiratsentschluss zu Grunde zu liegen, wobei mit dem Heiratsentschluss auch das Ziel verfolgt werden kann, einen Hinterbliebenenanspruch zu begründen. Wenn die gesetzliche Vermutung allerdings nur bei einem unvermittelt eingetretenen Tod widerlegt werden könnte, wäre hingegen die Widerlegung der Vermutung bei einem plötzlichen Tod einer chronisch kranken Person von vornherein nicht möglich. Dem folgt der Senat jedoch nicht. Dem in den Gesetzesmaterialien zu § 46 Abs. 2a SGB VI angeführten Beispiel eines Unfalltodes als ein die Vermutung widerlegender besonderer Umstand ist nämlich nicht der idealtypische Charakter eines allein maßstabsbildenden Regelbeispiels beizumessen, durch das der Grad beziehungsweise das Ausmaß der Unvorhersehbarkeit des Todes eines Versicherten abschließend definiert wird. Hiergegen spricht, dass bei der Vermutungswiderlegung nicht nur auf die besonderen Umstände an sich, sondern nach dem Gesetzestext des § 46 Abs. 2a SGB VI auf die „besonderen Umstände des Falles“ abzustellen ist, wodurch bei der Gesamtwürdigung auch eine Berücksichtigung des Einzelfalles ermöglicht wird (vgl. BSGE 35, 272, 274). Da nur entscheidend ist, ob diese Umstände des Einzelfalles ausreichen, um die Vermutung zu widerlegen (vgl. BSGE 35, 272, 274), kann sie angesichts der unüberschaubaren Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht nur ausschließlich bei Ereignissen, die in gleicher Weise wie ein Unfalltod unvermittelt eintreten, widerlegt werden, sondern auch bei Umständen wie einem für sich gesehen unvorhersehbaren zum Tode führenden Akutereignis einer chronisch kranken Person. Nicht vorhersehbar kann demnach nach den besonderen Umständen des Einzelfalles auch der Tod einer Person sein, deren Gesundheitszustand sich akut und rapide verschlechtert hat, nachdem sich dieser zuvor nach einer Behandlung wegen einer schwerwiegenden Herzinsuffizienz wieder stabilisiert hatte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2007 - L 16 R 1110/05 - a. A.: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. November 2007 - L 5 R 133/07 -, zitiert nach Juris, Rz. 26).

Vorliegend hat die Klägerin, deren am 06. Oktober 2004 geschlossene Ehe mit dem 2005 verstorbenen Versicherten etwa zehn Monate und damit weniger als ein Jahr dauerte, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI widerlegt. Der Senat ist auf der Grundlage der eingeholten medizinischen Auskünfte sowie des als uneingeschränkt glaubhaft anzusehenden Gesamtvorbringens der Klägerin aus dem Verwaltungsverfahren sowie dem erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass hier der Gegenbeweis erbracht ist. Mit der Heirat verfolgten die Klägerin und der Versicherte nicht den alleinigen oder überwiegenden Zweck, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin bei Heirat keine Versorgungsabsichten hatte und der Versicherte mit dem nachweislich von ihm gehegten Wunsch, mit der Klägerin einen gemeinsamen Nachnamen zu tragen, die Klägerin nicht ausschließlich aus dem Grund geheiratet hat, um zu ihren Gunsten einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zwar rechtfertigt die seinerzeitige Absicht der Klägerin und des Versicherten, den gemeinsamen Lebensabend mit einer Ehe zu krönen, für sich gesehen noch nicht die Annahme, eine alleinige oder überwiegende Versorgungsabsicht zu widerlegen, weil dies ein Gesichtspunkt ist, der regelmäßig einer Heirat zu Grunde liegt. Im vorliegenden Fall kommt jedoch entscheidend hinzu, dass die Absicht, einen gemeinsamen Ehenamen zu führen, als das Hauptmotiv für die Eheschließung anzusehen ist und dieser Grund für die Klägerin und den Versicherten im vorliegenden Fall eine derartige Dominanz hatte, dass deswegen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung kein Raum mehr für die Annahme einer überwiegenden Absicht bleibt, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Dies hat die Klägerin zur Überzeugung des Senates nachgewiesen auf Grund ihres detailreichen und anschaulichen Vorbringens in der Berufungsverhandlung, mit dem sie ihr bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlichen Verfahren vertieft hat, ohne sich zu diesen in Widerspruch zu setzen. Demnach hatten die Klägerin und der Versicherte häufig Busreisen in Gruppen unternommen, an denen ganz überwiegend ältere Ehepaare teilgenommen hatten. Dabei war ihnen beiden deutlich geworden, dass sie wegen des fehlenden gemeinsamen Nachnamens wie Außenstehende dastanden. Besonders anschaulich und damit in einer für die Überzeugungsbildung des Senates maßgeblichen Weise beschrieb dies die Klägerin in der Berufungsverhandlung, dass ihr und dem Versicherten der fehlende gemeinsame Nachname vor allem bei der Zuteilung der Hotelzimmer an die Teilnehmer der Gruppenreise immer wieder deutlich vor Augen geführt worden war, wenn die übrigen Mitreisenden im Gegensatz zu ihr und dem Versicherten mit gemeinsamen Nachnamen aufgerufen worden waren. Nachvollziehbar und nach Überzeugung des Senates ist es konsequent, dass der Heiratsentschluss gefasst worden war nach einer entsprechenden Busreise nach Menton (Côte d'Azur) zum Zitronenfest, die der Versicherte und die Klägerin Anfang des Jahres 2004 beziehungsweise im Frühjahr 2004 unternommen hatten. Soweit sich die Klägerin an den genauen Zeitpunkt dieser Reise nicht mehr erinnern konnte, wird hierdurch ihre Glaubwürdigkeit nicht in Frage gestellt, weil es nach Überzeugung des Senates durchaus nahe liegend ist, dass sich die Klägerin in der Berufungsverhandlung mehr als vier Jahre nach dieser Reise nicht mehr an das exakte Datum erinnern konnte. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin einen nachvollziehbaren Geschehensablauf in sich schlüssig geschildert hat, indem sie den Heiratsentschluss einem konkreten Ereignis, nämlich der Folgezeit nach der Reise nach Menton, zugeordnet hat. Der von der Klägerin angegebene Heiratsgrund ist, wenn er als das maßgebliche Heiratsmotiv anzusehen ist, geeignet, die Annahme eines nicht überwiegenden Versorgungszweckes der Eheschließung zu rechtfertigen, wenn sich aus den konkreten Umständen der Eheschließung nichts Gegenteiliges ergibt. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Die langjährige eheähnliche Beziehung, welche die Klägerin mit dem Versicherten vor der Heirat geführt hatte, spricht im vorliegenden Fall nicht dafür, dass die Ehe aus Versorgungsgründen geschlossen wurde. Vielmehr zeigt sich die fehlende Versorgungsabsicht auch daran, dass die Klägerin und der Versicherte im Vorfeld der Eheschließung keine sonstigen Vorsorgedispositionen getroffen haben, die hier indessen auf der Hand gelegen hätten, wenn die Ehe vorwiegend aus Versorgungsgründen geschlossen worden wäre. So hatte der Versicherte kein Testament aufgesetzt. Dies hätte sich hier aber, wenn eine entsprechende Vorsorgeabsicht bestanden hätte, im Hinblick auf eine Altersabsicherung der Klägerin geradezu aufgedrängt, weil die Klägerin nicht als Eigentümerin des im Jahre 1976 gemeinsam gekauften Hauses in der P-W-Str. beziehungsweise des Grundstücks im Grundbuch eingetragen war, obwohl sie schon seit DDR-Zeiten gemeinsam dort mit dem Versicherten gewohnt und sich 1992 dorthin umgemeldet hatte. Unerheblich ist, dass sich die Einkommensverhältnisse der Klägerin, die bei Eheschließung selbst nur eine Altersrente in Höhe von rund 728 € bezog, durch die Gewährung der hier begehrten Witwenrente nicht nur unerheblich verbessern würden. Denn allein die objektive Verbesserung der Einkommensverhältnisse schließt den nach § 46 Abs. 2a SGB VI zu führenden Gegenbeweis noch nicht aus, wenn - wie hier - das Nichtvorliegen einer überwiegenden Versorgungsabsicht nachgewiesen ist. Der Annahme einer fehlenden Versorgungsabsicht steht hier schließlich nicht der Gesundheitszustand des im Zeitpunkt der Heirat 65 Jahre alten Versicherten entgegen. Auch wenn ausweislich der eingeholten Auskünfte des Diplom-Mediziners P und des V Klinikum H bei dem chronisch kranken und polymorbiden Versicherten, der an einer chronischen Niereninsuffizienz, einem insulinpflichtigen Diabetes sowie einer schwerwiegenden koronaren Herzerkrankung mit eingeschränkter Pumpleistung seines Herzens litt und seit 1999 einen Herzschrittmacher hatte, komplizierende Akutereignisse beziehungsweise eine akute Verschlechterung mit Todesfolge immer möglich waren, waren seine klinischen und paraklinischen Befunde stabil, und er wurde noch im Mai 2005 bei bestehender Multimorbidität in einem stabilisierten Allgemeinzustand aus dem V Klinikum in H entlassen. Nach übereinstimmender Auskunft der behandelnden Ärzte stand die Frage eines nahen Todes nicht auf der Tagesordnung. Bei der am 04. August 2005 akut aufgetretenen Agranulozytose, der Lungenentzündung und der Sepsis, die fünf Tage später am 09. August 2005 zum Tode des Versicherten führten, handelte es sich nach den eingeholten Auskünften der V Kliniken in H und N um einen neuen Aspekt der Erkrankung und ein Akutereignis, das bis 24 Stunden vor dem Tode - auch im Hinblick auf die Todesfolge - nicht vorhersehbar war. Vor dem Hintergrund dieser fachmedizinischen Befunde spricht nichts dafür, dass jedenfalls die Klägerin mit einem alsbaldigen Versterben des Versicherten gerechnet und aus diesem Grund geheiratet hat. Vielmehr hatte sie, die keine besonderen medizinischen Sachkenntnisse besitzt, nach Überzeugung des Senates keine genaue Kenntnis davon, wie es tatsächlich um den Gesundheitszustand des Versicherten bestellt war. Ihre Schilderungen zu den ihr bekannten Krankheiten des Versicherten wertet der Senat in der Weise, dass ihr vornehmlich die im Alltagsleben besonders deutlich wahrnehmbaren Krankheiten des Versicherten bewusst waren, weil sie durchgehend nur vorgetragen hat, dass der Versicherte einen insulinpflichtigen Diabetes hatte und ihm ein Herzschrittmacher, den sie in der Berufungsverhandlung als „Defi“ (abgekürzt für „Defibrilator“) bezeichnete, eingesetzt worden war. Nach ihrem Vorbringen hat sie jedoch nicht gewusst, dass der Versicherte einen Herzinfarkt hatte. In dieses Bild fügt sich nahtlos die Äußerung der Klägerin in der Berufungsverhandlung an, dass der Versicherte selten mit ihr über seinen Gesundheitszustand gesprochen hat; bestätigt wird dies durch die Auskunft des Diplom-Mediziners P vom „10.01.074“, wonach mit der Klägerin kein Gespräch über den (allgemeinen) Gesundheitszustand des Versicherten beziehungsweise einen erwarteten baldigen Tod geführt wurde. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass der Versicherte genauere Kenntnis von den mit seinen Krankheiten einhergehenden Risiken hatte. Auf Grund der gesetzlichen Vermutungsregelungen ist ein nicht auszuschließendes und damit etwaig bestehendes Versorgungsmotiv des Versicherten in die Gesamtwürdigung der beiderseitigen Heiratsgründe einzustellen. Gleichwohl steht hier eine etwaige Versorgungsabsicht des Versicherten nicht dem Nachweis entgegen, dass hier die Begründung einer Hinterbliebenenversorgung nicht der überwiegende Zweck der Heirat war. Selbst wenn der Versicherte mit der Heirat der Klägerin auch die Absicht verfolgt hätte, für sie einen Hinterbliebenenanspruch zu begründen, hat dieses etwaige Versorgungsmotiv des Versicherten im Rahmen der hier vorzunehmenden Gesamtwürdigung jedenfalls nicht das hinreichende Gewicht, weil die Klägerin nachgewiesen hat, dass nicht nur für sie, sondern auch für den Versicherten gerade das Tragen eines gemeinsamen Nachnamens ein gewichtiger Beweggrund für die Heirat war. Dieser von beiden Eheleuten innegehabte Beweggrund steht neben der allenfalls allein beim Versicherten zu unterstellenden Versorgungsabsicht und überwiegt diese.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die entscheidungserhebliche Frage, ob neben dem unvermittelt eingetretenen Unfalltod auch eine für sich nicht vorhersehbare zum Tode führende Akuterkrankung einer chronisch kranken polymorbiden Person unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles als ein besonderer, die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI widerlegender Umstand anzusehen ist, weder höchstrichterlich geklärt ist noch sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt; obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist nicht einheitlich (vgl. einerseits: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. November 2007 - L 5 R 133/07 - und andererseits: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2007 - L 16 R 1110/05 -).

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