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L 16 R 471/07

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 01. August 2004 bis 30. Juni 2007.

Der 1962 geborene Kläger bezog von der Bundesagentur für Arbeit in der Zeit vom 01. Juli 2004 bis 30. Juni 2007 einen Existenzgründungszuschuss (EGZ) nach § 421l Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Mit Bescheiden vom 08. Februar 2005 stellte die Beklagte Versicherungspflicht des Klägers ab 01. August 2004 nach § 2 Satz 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) fest. In der Zeit vom 01. Juli 2004 bis 31. Juli 2004 habe Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI bestanden, weil nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Die Beklagte forderte zugleich die Zahlung von Pflichtbeiträgen für die Zeit vom 01. August 2004 bis 28. Februar 2005 in Höhe von monatlich 78,- € (= 546,- €). Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 06. März 2007 die auf Feststellung der Befreiung von der Versicherungspflicht über den 01. August 2004 hinaus gerichtete Klage unter Bezugnahme auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid gem. § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem Eintritt der Versicherungspflicht zugrunde liegenden Vorschrift des § 2 Nr. 10 SGB VI nicht ersichtlich seien. Der vom Gesetzgeber hiermit verfolgte Zweck der sozialen Absicherung von Existenzgründern rechtfertige die Einführung der Rentenversicherungspflicht bei Beachtung des Gemeinwohls ausreichend und erreiche hierdurch eine entsprechende soziale Absicherung auch in geeigneter Weise. Die Regelung bewege sich im Bereich des breiten gesetzgeberischen Handlungsspielraums. Der Kläger werde im Übrigen nicht nur zur Beitragszahlung verpflichtet, sondern erwerbe zugleich den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Die dem Eintritt der Versicherungspflicht zugrunde liegende Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI sei verfassungswidrig. Er habe ein schützenswertes Interesse an dem Fortbestand der vor dem 01. August 2004 geltenden Regelungen, weil er sich nur einen Monat vor Inkrafttreten des Gesetzes selbständig gemacht habe. Im Übrigen sei die soziale Absicherung als Existenzgründer für ihn nachrangig, weil er keine Geldmittel zur Verfügung habe und sich verschulde, bevor er überhaupt in der Lage sei, eine Selbständigkeit aufzubauen. Er habe bis zum Januar 2005 noch immer keinen Positivsaldo erzielt. Die in Rede stehende gesetzliche Regelung verstoße auch gegen das Rückwirkungsverbot.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. März 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 08. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2005 aufzuheben, soweit die Beklagte darin Versicherungs- und Beitragspflicht ab 1. August 2004 bis 30. Juni 2007 festgestellt hat.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagte und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobene und statthafte Anfechtungsklage weiter verfolgt, ist nicht begründet. Der Kläger unterlag für die Zeit der Gewährung des EGZ vom 01. August 2004 bis 30. Juni 2007 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI.

Nach der genannten, durch Artikel 4 Nr. 1 Buchstabe a.bb. des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 - BGBl. I 4621 - mit Wirkung vom 01. Januar 2003 eingeführten Regelung unterliegen alle selbständig tätigen Personen für die Dauer des Bezugs eines Zuschusses nach § 421l SGB III der Rentenversicherungspflicht. Diese Versicherungspflicht trat ab 01. August 2004 auch dann ein, wenn die selbständige Tätigkeit nur im geringfügigen Umfang ausgeübt wird (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 2004 - BGBl. I S. 1791 -, in Kraft getreten am 01. August 2004). Mit der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB VI hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine umfassende Einbeziehung aller Bezieher eines EGZ nach § 421l SGB III in die gesetzliche Rentenversicherung anstrebt. Dies hat zur Folge, dass sich diese Personen, zu denen der Kläger in dem in Rede stehenden Zeitraum zählte, auch dann nicht auf eine sich aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ergebende Versicherungsfreiheit berufen können, wenn sie ohne den Bezug eines solchen EGZ in der jeweiligen Tätigkeit versicherungsfrei wären.

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen sind nicht ersichtlich. Der Bundesgesetzgeber durfte die der Versicherungspflicht zugrunde liegende Annahme einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit von Selbständigen in einer generalisierenden, typisierenden und verwaltungsmäßig leicht feststellbaren Weise davon abhängig machen, dass diese einen EGZ nach § 421l SGB III in Anspruch nehmen. Ebenso wenig ist es verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass der Gesetzgeber aus der Gruppe versicherungspflichtiger Selbständiger einzelne Gruppen versicherungspflichtiger Selbständiger herausgelöst und diese eigenständig strukturiert hat (vgl. dazu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 05. Juli 2006 - B 12 RA 4/05 R = SozR 4-2600 § 2 Nr. 9). Insoweit ist seine Befugnis nach Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht eingeschränkt, an bestimmte Gruppenmerkmale anzuknüpfen. Mangels Vergleichbarkeit der jeweils betroffenen Personengruppen ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich auch nicht verpflichtet, die für einzelne Versicherungstatbestände gegebenenfalls normierten einschränkenden Voraussetzungen auch für andere Tatbestände zu „übernehmen“ (vgl. BSG a.a.O.).

Auch der vom Kläger geltend gemachte Verstoß gegen das rechtstaatliche Rückwirkungsverbot ist nicht ersichtlich. Denn die Versicherungspflicht für EGZ-Bezieher auch bei Vorliegen einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit wurde nicht rückwirkend, sondern nur zukunftsgerichtet, d.h. ab 01. August 2004, vom Gesetzgeber eingeführt.

Da der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen in der Zeit vom 01. August 2004 bis 28. Februar 2005 kein positives Arbeitseinkommen erzielt hat, hat die Beklagte die von ihm zu entrichtenden Beiträge zutreffend in Anwendung von § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in Höhe des halben Regelbeitrages ermittelt (Mindestbeitragsbemessungsgrundlage).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

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