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L 6 R 838/07

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der Kläger einen Anspruch auf Festsetzung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Selbstständige in Höhe des halben Regelbeitrags hat.

Der 1970 geborene Kläger hat den Beruf des Malers erlernt und am 22. Juli 1996 die Meisterprüfung abgelegt.

Mit Bescheid vom 5. November 2004 stellte die Einzugsstelle (AOK Bayern) fest, dass der Kläger ab 1. April 1992 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Grundlage der Entscheidung waren die Angaben des Klägers vom 8./9. Juli 2004 und 2. August 2004. Danach war der Kläger seit 1. April 1992 in dem Malermeisterbetrieb seines Vaters tätig. Ab diesem Zeitpunkt war er bei der Ausübung seiner Arbeit nicht an Weisungen gebunden, konnte seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten, Aufträge annehmen und ablehnen. Die Unternehmenspolitik und die kaufmännische Leitung gestaltete er gemeinsam mit seinem Vater. Es wurde ein Arbeitsvertrag vom 1. April 1992 sowie eine Handlungsvollmacht gleichen Datums zum Abschluss sämtlicher gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb mit sich bringt, vorgelegt.

Der Betrieb wurde bis September 1994 als GmbH geführt. Der Vater des Klägers war von April 1992 bis September 1994 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Ab 1. Oktober 1994 wurde der Betrieb in eine Einzelfirma umgewandelt, zum 1. Januar 2005 in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Am 23. Januar 2005 wurde der Vater des Klägers als Inhaber des Betriebs aus der Handwerksrolle gelöscht und am 24. Januar 2005 der Kläger als Inhaber des Handwerksbetriebs in die Handwerksrolle eingetragen. Mit Antrag vom 28. Februar 2005 begehrte der Kläger die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge und zugleich die freiwillige Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 6. Buch - SGB VI - für den Zeitraum 1. April 1992 bis 30. November 2004. Auf Anfrage durch die Beklagte teilte der Kläger mit, dass das für den Kläger gezahlte Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe verbucht wurde.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2005 beantragte die Beklagte bei der Einzugsstelle, ihren Bescheid vom 5. November 2004 zu überprüfen. Der Kläger sei seit November 1989 als versicherungspflichtiger Beschäftigter vom Arbeitgeber gemeldet worden. Der Arbeitsvertrag vom 1. April 1992 schließe nicht aus, den Kläger als Beschäftigten zu beurteilen. Die Handlungsvollmacht könne vom Ausstellungsdatum her nicht überzeugen. Sie wurde auf einem Briefkopf erstellt, der bereits eine fünfstellige Postleitzahl enthält. Diese sei aber erst zum 1. Juli 1993 eingeführt worden. Bei der Gesamtwürdigung stelle sich die Tätigkeit des Klägers als abhängiges Beschäftigungsverhältnis dar.

Im Einverständnis mit dem Kläger und der Beklagten änderte daraufhin die Einzugsstelle mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 15. Dezember 2005 ihren Bescheid vom 15. November 2004 ab und stellte fest, dass der Kläger ab 1. August 1996 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Ab dem Zeitpunkt des Erwerbs des Meisterbriefs erscheine eine Mitunternehmerschaft des Klägers im Betrieb des Vaters möglich und wahrscheinlich.

Nachdem der Kläger erklärte, er nehme den Antrag auf freiwillige Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs. 2 SGB VI zurück, beanstandete die Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 2006 die für den Kläger in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht für den Zeitraum 1. August 1996 bis 31. Dezember 2003 entrichteten Rentenversicherungpflichtbeiträge als unwirksam und erstattete diese.

Mit angefochtenem Bescheid vom 11. Januar 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger aufgrund der Eintragung in die Handwerksrolle vom 24. Januar 2005 der Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 8 SGB VI unterliegt. Der Kläger habe ab 24. Januar 2005 einen anteiligen Regelbeitrag in Höhe von 125,58 Euro, ab 1. Februar 2005 einen Beitrag in Höhe des Regelbeitrags von 470,93 Euro sowie ab 1. Januar 2006 einen Beitrag in Höhe des Regelbeitrags von 477,75 Euro zu entrichten.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger, nur den halben Regelbeitrag ab 24. Januar 2005 zu entrichten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2006 zurückgewiesen. Für die Ermittlung des Zeitraums der drei Kalenderjahre sei die Aufnahme der zur Versicherungspflicht führenden selbstständigen Erwerbstätigkeit ausschlaggebend. Der Kläger habe bereits vor der Eintragung in die Handwerksrolle die gleiche Tätigkeit im Familienbetrieb ausgeübt. Diese selbstständige Tätigkeit des Klägers habe bereits am 1. August 1996 begonnen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage zum Sozialgericht München verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Bei der ab dem 1. Januar 2005 ausgeübten Tätigkeit habe es sich nicht um die Fortsetzung der vorher im elterlichen Betrieb ausgeübten Tätigkeit gehandelt. Zum 1. Januar 2005 sei die H. und A. GbR neu gegründet worden. Der bisherige Malereibetrieb sei in die neu gegründete GbR eingebracht worden. In dem neuen Rechtsträger habe der Kläger die Position eines gleichberechtigten Mitgesellschafters übernommen. Die Tätigkeit als Gesellschafter zu 50 % könne jedoch nicht mit der vorher im väterlichen Betrieb im Rahmen einer familienhaften Mitarbeit ausgeübten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Es handele sich vielmehr um die Aufnahme einer neuen selbstständigen Tätigkeit. Auch finde § 165 Abs. 1 S. 2 SGB VI nur für versicherungspflichtige Selbstständige Anwendung. Der Kläger habe eine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit erstmals mit der Neugründung der GbR zum 1. Januar 2005 begründet. Ab 1. August 1996 habe eine sozialversicherungsfreie selbstständige Tätigkeit vorgelegen. Durch die Gewährung des halben Regelsatzes solle die Existenzgründung erleichtert werden. Erst durch den Eintritt in die Position eines gleichberechtigten Mitgesellschafters habe der Kläger seinen eigenen Betrieb gegründet.

Mit Urteil vom 11. Oktober 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beginn der Beitragsermäßigung hänge von der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab. Die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit sei am 1. August 1996 im Rahmen der Mitarbeit im Familienbetrieb erfolgt. Es sei sozialversicherungsrechtlich irrelevant, welcher gesellschaftsrechtlicher Formen sich ein selbstständig Tätiger für die Führung eines Betriebs bediene. Maßgeblich sei, dass der Kläger seit 1996 dieselbe Tätigkeit in einem Malerbetrieb als Selbstständiger ausübe. Es komme nicht darauf an, ob die selbstständige Tätigkeit erstmals der Versicherungspflicht unterliege. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, es bestehe ein erheblicher Unterschied zwischen einer familienhaften Mitarbeit im elterlichen Betrieb und der Gründung einer neuen GbR. Durch das Auftreten als Mitgesellschafter trete der Kläger erstmalig am Markt als Selbstständiger auf. Er unterliege ganz erheblichen haftungsrechtlichen Verpflichtungen gemäß §§ 705 ff. BGB. Erstmalig realisiere sich ein unternehmerisches Risiko für den Kläger. Er sei als BGB-Gesellschafter geschäftsführungsbefugt und habe Vertretungsmacht. Durch diese Änderungen sei von einer neuen selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Auch gebe es keinen Sinn, dass die Regelung zur hälftigen Beitragsfestsetzung mit der versicherungsfreien selbstständigen Tätigkeit in Gang gesetzt werden solle. Hier bestehe weder Raum noch Bedarf an einer Bestimmung zur Festsetzung des halben Regelbeitrages.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 11. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2006 zu verpflichten, seine Beiträge in Höhe des halben Regelbeitrags festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts München und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren..

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 11. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2006 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Festsetzung der Beiträge in Höhe des halben Regelbeitrags zu.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und verweist daher gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz vollumfänglich auf die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils, denen er sich anschließt. Ergänzend weist er auf folgendes hin:

Die einschlägige Bestimmung des § 165 Abs. 1 S. 2 SGB VI enthält eine Sonderregelung für selbstständig Tätige, die sich in der Phase des Existenzaufbaus befinden. In den ersten Jahren der Selbstständigkeit ist dieser Personenkreis etwa aufgrund der Notwendigkeit, Anlagegüter erstmals anzuschaffen oder Werbemaßnahmen durchzuführen, erhöhten finanziellen Belastungen ausgesetzt. Auf der anderen Seite stehen geringere Einnahmen, da der Existenzgründer noch keinen Kundenstamm hat und sich in der einschlägigen Branche erst einen Namen machen muss. Um die damit verbundenen finanziellen Härten abzumildern, hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 2003 geregelt, dass beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50 vom 100 der Bezugsgröße sind.

Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt der Ansatz des halben Regelbeitrags ab 24. Januar 2005 nicht mehr in Betracht. Denn das Gesetz stellt ausschließlich auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab und nicht darauf, in welcher Rechtsform die selbstständige Tätigkeit erbracht wird und ob die selbstständige Tätigkeit versicherungspflichtig war oder nicht.

Der Kläger war seit 1. August 1996 selbstständig als Malermeister in dem Betrieb seines Vaters tätig. Seinen Angaben zufolge war er nicht dem Direktionsrecht des damaligen Betriebsinhabers unterworfen. Er war nicht an eine feste Arbeitszeit gebunden, sondern konnte sich seine Arbeitszeit frei einteilen. Ferner besaß er eine uneingeschränkte Handlungsvollmacht für den Betrieb, bestimmte gleichberechtigt zum Betriebsinhaber die Unternehmenspolitik mit und war auch an der kaufmännischen Leitung des Unternehmens gleichberechtigt beteiligt. Schließlich verfügte der Kläger jedenfalls seit Ablegung der Meisterprüfung über sämtliche erforderlichen Branchenkenntnisse.

Auch nach der Umwandlung der Rechtsform des Betriebs in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts verrichtet der Kläger keine andere Tätigkeit als bisher. Er ist nach wie vor als selbstständiger Malermeister in dem bis auf die Rechtsform identischen Betrieb tätig.

Zwar kann die verminderte Beitragszahlung des § 165 Abs. 1 S. 2 SGB VI wiederholt bei einer erneuten Berufsaufnahme beantragt werden (vgl. KassKomm, § 165 SGB VI Rn. 32). Die selbstständige Tätigkeit muss dabei aber dann zunächst tatsächlich aufgegeben worden sein und zeitfern zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen worden sein (vgl. KassKomm, a.a.O.). Dies ist beim Kläger hier nicht der Fall. Der Kläger hat vielmehr die selbstständige Tätigkeit als Malermeister durchgängig seit August 1996 ausgeübt.

Auch aus dem Zweck des Gesetzes folgt nichts anderes. Der Kläger hat einen am Markt eingeführten Malerbetrieb fortgeführt. Er ist nicht mit der typischen Situation eines Existenzgründers konfrontiert, der sich zunächst einen Kundenstamm schaffen und erhebliche finanzielle Mittel für die Erstausstattung seines Betriebs aufwenden muss, auf der anderen Seite jedoch noch aufgrund seiner fehlenden Bekanntheit weniger Aufträge verzeichnen kann als ein am Markt eingeführtes Unternehmen. Die Notwendigkeit einer finanziellen Entlastung durch die Einräumung des halben Beitragssatzes liegt damit beim Kläger nicht vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom Kläger in den Vordergrund gestellten Umstand, dass der Kläger nunmehr als Gesellschafter im Außenverhältnis haftet. Dieser Umstand besteht bei Selbstständigen, die in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts tätig werden, auf Dauer und lässt sich nicht durch eine dreijährige Absenkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung abmildern. Im Übrigen war der Kläger auch bisher schon ggf. jedenfalls Haftungsansprüchen im Innenverhältnis ausgesetzt.

Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.

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