C-68/99, Stutzer
Tenor
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 25. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 51, 52 und/oder 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 42 EG, 43 EG und / oder 49 EG) sowie aus Titel II, insbesondere Artikel 13 Absätze 1 und 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 14a Nr. 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung (ABl. 1997, L 28, S. 1, im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) verstößt, indem sie die §§ 23 ff. des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) auch auf Künstler und Publizisten anwendet, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union haben und gewöhnlich sowohl dort als auch in der Bundesrepublik Deutschland eine selbständige Tätigkeit ausüben und die damit in Bezug auf die Systeme der sozialen Sicherheit ausschließlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegen, in dessen Gebiet sie wohnen.
Die Gemeinschaftsregelung
In Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71, der ersten Vorschrift des Titels II über die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften, heißt es:
(1) Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
a)...
b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;
...“
Artikel 14a Nr. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:
Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt.“
Die nationale Regelung
Nach § 1 KSVG werden selbständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig ausüben. Das KSVG sieht jedoch für selbständige Künstler oder Publizisten Ausnahmen von der Versicherungspflicht vor, und zwar insbesondere, wenn sie eine anderweitige Tätigkeit - selbständig oder nicht selbständig - ausüben oder wenn sie im Zusammenhang mit ihrer künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen.
Gemäß § 14 KSVG werden die Mittel für die Künstlersozialversicherung zur einen Hälfte durch Beitragsanteile der Versicherten und zur anderen Hälfte durch die Künstlersozialabgabe und gegebenenfalls einen Zuschuss des Bundes aufgebracht.
Nach § 24 Absatz 1 KSVG sind u.a. Unternehmer, die Buch-, Presse- und sonstige Verlage oder Presseagenturen betreiben, zur Entrichtung der Künstlersozialabgabe verpflichtet. Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind gemäß § 25 KSVG die Entgelte für Werke oder Leistungen, die ein zur Abgabe Verpflichteter an Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach dem KSVG nicht versicherungspflichtig sind. Die Künstlersozialabgabe entspricht nach § 23 KSVG einem bestimmten Prozentsatz der Bemessungsgrundlage.
Gemäß § 36a Satz 2 KSVG findet auf die Rechtsbeziehungen zwischen den zur Abgabe Verpflichteten und den Versicherten § 32 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB) entsprechende Anwendung. Nach der letztgenannten Vorschrift sind privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten vom SGB abweichen, nichtig.
Vorverfahren
Mit Schreiben vom 17. September 1997 forderte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland auf, sich zur Vereinbarkeit der Anwendung des KSVG auf Herrn Stutzer, einen in Belgien wohnenden und arbeitenden, aber auch in Deutschland publizierenden deutschen Journalisten, mit dem Gemeinschaftsrecht zu äußern. Allgemein machte die Kommission geltend, die Erhebung der Künstlersozialabgabe auf Entgelte, die an nicht in Deutschland sozialversicherungspflichtige Künstler und Publizisten gezahlt würden, verstoße gegen die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag sowie gegen die Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71.
In ihrer Antwort vom 21. November 1997 bestätigte die Bundesrepublik Deutschland, dass nach dem KSVG das Unternehmen, das die Publikationen von Herrn Stutzer vermarkte, auf das diesem gezahlte Entgelt die Künstlersozialabgabe zu entrichten habe, obwohl er nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliege. Andernfalls hätten die Unternehmen nämlich ein Interesse daran, die Arbeiten von Künstlern oder Publizisten zu vermarkten, die nicht diesem Recht unterlägen; daraus könnten sich Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Künstler und Publizisten ergeben, die in Deutschland ansässig seien und dort ihre Tätigkeit ausübten.
Aus der Erhebung der Künstlersozialabgabe ergebe sich keine - auch nur mittelbare - Doppelbelastung der Entgelte für Künstler und Publizisten mit Wohnort in anderen Mitgliedstaaten. Denn zum einen belaste diese Abgabe nicht die Künstler und Publizisten, sondern die Vermarkter ihrer Werke, und zum andern lasse § 36a Satz 2 KSVG in Verbindung mit § 32 SGB I eine Abwälzung der betreffenden Abgabe durch den Vermarkter auf die Künstler oder Publizisten nicht zu. Im Übrigen unterlägen auch die Entgelte für in Deutschland ansässige und tätige Künstler und Publizisten, die nach deutschem Recht nicht sozialversicherungspflichtig seien, dieser Abgabe.
In ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 7. August 1998 hielt die Kommission an ihrem Vorbringen und am Vorwurf eines Verstoßes gegen die Artikel 51, 52 und/oder 59 EG-Vertrag sowie gegen Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 fest. Sie forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntmachung nachzukommen.
Mit Schreiben vom 22. September 1998 wiederholte die Bundesrepublik Deutschland die in ihrer Antwort auf die Aufforderung zur Äußerung dargelegte Auffassung.
Da die Bundesrepublik Deutschland der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen ist, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
Zunächst ist klarzustellen, dass die vorliegende Klage die Erhebung der Künstlersozialabgabe nur insoweit betrifft, als ihre Bemessungsgrundlage Entgelte einschließt, die an Künstler und Publizisten gezahlt werden, die auch in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 angehören, eine selbständige Tätigkeit ausüben.
Nach Ansicht der Kommission führt die Erhebung der Künstlersozialabgabe in der in Randnummer 14 genannten Weise zu einer doppelten Sozialabgabe, die sowohl gegen die Artikel 13 und 14a der Verordnung Nr. 1408/71 als auch gegen die Artikel 51, 52 und/oder 59 EG-Vertrag verstoße.
Zum Vorwurf des Verstoßes gegen die Artikel 13 und 14a der Verordnung Nr. 1408/71
Die Kommission macht geltend, nach Artikel 14a Nr. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 unterliege eine Person, die wie Herr Stutzer eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei Mitgliedstaaten ausübe, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohne, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Staates ausübe. Folglich sei Herr Stutzer den belgischen und nicht den deutschen Sozialversicherungsvorschriften unterworfen.
Bei der Künstlersozialabgabe handele es sich um einen Arbeitgeberbeitrag, da sie unmittelbar an die Künstlersozialkasse gezahlt werde, deren Mittel übrigens ausschließlich für die soziale Absicherung der Künstler und Publizisten bestimmt seien.
Bestimmte Entgelte von Herrn Stutzer, der als Selbständiger bereits zur Zahlung von Beiträgen in Belgien verpflichtet sei, unterlägen der Künstlersozialabgabe, obwohl er in Deutschland keine Leistungen beanspruchen könne. Darin liege ein Verstoß gegen Titel II der Verordnung Nr. 1408/71.
Dieses Ergebnis werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Künstlersozialabgabe nicht von Herrn Stutzer selbst, sondern von seinem Vermarkter getragen werde und dass dieser nicht berechtigt sei, die daraus folgenden Kosten auf Herrn Stutzer abzuwälzen. Denn nichts hindere das verpflichtete Unternehmen daran, diese Kosten bei der Festsetzung des Entgelts dieses Publizisten zu berücksichtigen.
Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet, dass es sich bei der Künstlersozialabgabe um einen Sozialversicherungsbeitrag handele. Die Abgabe komme nämlich der Gesamtheit der versicherten Künstler und Publizisten zugute und sei demnach nicht dazu bestimmt, die soziale Sicherheit jedes Einzelnen von ihnen für sich genommen zu gewährleisten. Außerdem unterscheide sich ihre Bemessungsgrundlage von derjenigen für die von den Künstlern und Publizisten selbst zu entrichtenden Beiträge. Die Künstlersozialabgabe erweise sich damit in Wirklichkeit als parafiskalische Abgabe, die alle in Deutschland ansässigen Vermarkter der Werke von Künstlern und Publizisten treffe.
Die Künstlersozialabgabe verstoße nicht gegen Titel II der Verordnung Nr. 1408/71. Sie belaste nämlich weder unmittelbar noch mittelbar den außerhalb Deutschlands ansässigen und tätigen Künstler oder Publizisten, sondern den deutschen Vermarkter seiner Werke, der die Abgabe nicht auf den betreffenden Künstler oder Publizisten abwälzen dürfe. Außerdem würden die Vermarkter künstlerischer oder publizistischer Werke bei Wegfall der Abgabepflicht die Entgelte, die sie den Künstlern oder Publizisten zahlten, deswegen nicht erhöhen. Ein solcher Wegfall würde vielmehr zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil sowohl der Künstler und Publizisten, die dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterworfen seien, als auch der Vermarkter ihrer Werke führen.
Mit der Verordnung Nr. 1408/71 wird nach ihrer zweiten und vierten Begründungserwägung das Ziel verfolgt, die Freizügigkeit sowohl der Arbeitnehmer als auch der Selbständigen in der Gemeinschaft zu gewährleisten und dabei die Eigenheiten der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit dadurch zu berücksichtigen, dass nur eine Koordinierungsregelung vorgesehen wird.
Wie sich aus ihrer fünften, sechsten und zehnten Begründungserwägung ergibt, stellt die Verordnung zu diesem Zweck den Grundsatz der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und Selbständigen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten auf und zielt darauf ab, die Gleichbehandlung aller im Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen bestmöglich zu gewährleisten und Nachteile für diejenigen, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen, abzuwenden.
Im Licht dieser Grundsätze und Ziele ist festzustellen, ob die im vorliegenden Fall von der Kommission beanstandeten Rechtsvorschriften gegen Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71 verstoßen, wonach ein Arbeitnehmer oder Selbständiger vorbehaltlich bestimmter, hier nicht einschlägiger Ausnahmen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegt, um, wie aus der achten Begründungserwägung dieser Verordnung hervorgeht, eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen zu vermeiden.
Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der für ein und dasselbe Arbeitseinkommen mit Sozialabgaben belastet wird, die sich aus der Anwendung der Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten ergeben, obgleich er nur nach den Rechtsvorschriften eines dieser Staaten die Versicherteneigenschaft besitzen kann, unterliegt einer doppelten Beitragsleistung, die im Widerspruch zu Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71 steht (vgl. u.a. Urteile vom 5. Mai 1977 in der Rechtssache 102/76, Perenboom, Slg. 1977, 815, Randnr. 13, und vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-60/93, Aldewereld, Slg. 1994, I-2991, Randnr. 26).
Im vorliegenden Fall steht jedoch fest, dass die Künstlersozialabgabe nicht die Künstler und Publizisten selbst trifft, sondern die Unternehmen, die ihre Werke vermarkten. Außerdem ist unstreitig, dass diese Unternehmen nicht berechtigt sind, die aus der Abgabe folgenden Kosten auf die Entgelte abzuwälzen, die sie den Künstlern und Publizisten zahlen.
Nach den deutschen Rechtsvorschriften darf die Künstlersozialabgabe daher insbesondere keine Auswirkung auf die Künstler und Publizisten haben, die Leistungen in Deutschland erbringen und auch in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, eine selbständige Tätigkeit ausüben. Wenn die Leistungen, die diese Künstler und Publizisten in Deutschland erbringen, in ihrem Versicherungsstaat aufgrund seines Systems der sozialen Sicherheit beitragspflichtig sind, kann dieser Beitrag nicht höher sein als der, den sie entrichtet hätten, wenn die Leistungen im Versicherungsstaat erbracht worden wären. Folglich werden diese Arbeitnehmer und Selbständigen nicht dadurch benachteiligt, dass sie ihre Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Versicherungsstaat erbringen.
Da es den Vermarktern künstlerischer und publizistischer Werke untersagt ist, die Kosten der Künstlersozialabgabe auf die Entgelte der Betroffenen abzuwälzen, bezweckt die fragliche Regelung ferner eine Gleichbehandlung aller Künstler und Publizisten, die Leistungen in Deutschland erbringen, indem sie die Entgelte von Künstlern und Publizisten, die nicht unter das durch das KSVG geschaffene System fallen, in die Bemessungsgrundlage der Abgabe einbezieht. Denn bei gleichem Entgelt tragen die Unternehmen Gesamtkosten, die sich nicht danach unterscheiden, ob der Empfänger dieses Entgelts aufgrund des KSVG oder aufgrund eines anderen Systems der sozialen Sicherheit versichert ist. Die Regelung gewährleistet daher entsprechend den Zielen der Verordnung Nr. 1408/71 so weit wie möglich die Gleichbehandlung aller in Deutschland erwerbstätigen Künstler und Publizisten, da sie den Unternehmen keinen Anreiz gibt, eher auf eine Gruppe zurückzugreifen als auf eine andere.
Diese Regelung kann zwar je nach der Höhe der von den selbständigen Künstlern und Publizisten in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu tragenden persönlichen Beiträge dazu führen, dass in bestimmten Fällen bei gleichem Entgelt, das ein die Leistungen verschiedener Künstler und Publizisten in Deutschland in Anspruch nehmendes Unternehmen zahlt, das endgültige Entgelt eines Künstlers oder Publizisten, der unter ein anderes als das durch das KSVG geschaffene System fällt, nach Abzug der genannten Beiträge niedriger ist als das Entgelt eines aufgrund dieser Rechtsvorschriften versicherten Künstlers oder Publizisten. Dabei handelt es sich jedoch um eine notwendige Folge dessen, dass die Verordnung Nr. 1408/71 nur eine Koordination vorsieht, die den Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für die Regelung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und insbesondere für die Festsetzung der Höhe der von den Arbeitnehmern und Wirtschaftsteilnehmern verlangten Beiträge belässt, und gleichzeitig bestimmt, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige, der in einem Mitgliedstaat tätig wird, in bestimmten Fällen den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit unterliegt.
Da die fragliche Regelung die Abwälzung der Künstlersozialabgabe auf die gezahlten Entgelte untersagt, würde im Übrigen ihre Abschaffung in Bezug auf Künstler und Publizisten, die nicht dem durch das KSVG geschaffenen System angeschlossen sind, weder an deren Entgelt noch an der Höhe der Sozialabgaben etwas ändern, mit denen dieses Entgelt gegebenenfalls aufgrund des Systems der sozialen Sicherheit belastet wird, dem diese Künstler und Publizisten angeschlossen sind.
Wie in den Randnummern 28 bis 30 festgestellt worden ist, gewährleistet die betreffende Regelung somit so weit wie möglich die Gleichbehandlung aller selbständigen Künstler und Publizisten, die Leistungen in Deutschland erbringen, und wie aus den Randnummern 26 und 27 hervorgeht, werden selbständige Künstler und Publizisten, die mit ihren in Deutschland erbrachten Leistungen unter ein System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats fallen, nicht schlechter gestellt, als wenn sie entsprechende Leistungen in ihrem Versicherungsstaat erbringen.
Die Regelung ist folglich mit Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71, wonach Personen, für die diese Verordnung gilt, grundsätzlich den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen, vereinbar. Nach Artikel 2 der Verordnung gilt sie nämlich in einem Fall wie dem vorliegenden für die Arbeitnehmer und Selbständigen selbst, und aus dem Vorstehenden folgt, dass die Regelung keine Auswirkung auf deren Situation hat. Daraus ist zu schließen, dass die fragliche Regelung, soweit sie Künstler und Publizisten als Selbständige im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 betrifft, nicht gegen den Grundsatz verstößt, dass auf diese Personen die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats über die soziale Sicherheit anzuwenden sind. Die Tatsache, dass auch die Unternehmen, die ihre Werke vermarkten, eine Abgabe zahlen müssen, die zur Finanzierung des deutschen Systems der sozialen Sicherheit für selbständige Künstler und Publizisten bestimmt ist, ändert daran nichts, obwohl diese Abgabe, wenn sie daneben eine Auswirkung auf die Arbeitnehmer und Selbständigen selbst hätte, die Voraussetzungen für die Einstufung als Sozialbeitrag im Rahmen der Anwendung des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1408/71 erfuellen würde.
Insoweit ist die Künstlersozialabgabe von französischen Sozialbeiträgen wie dem Beitrag zur Begleichung der Sozialschuld (contribution pour le remboursement de la dette sociale; CRDS) oder dem allgemeinen Sozialbeitrag (contribution sociale généralisée; CSG) zu unterscheiden, die Anlass zu den zwei Urteilen des Gerichtshofes vom 15. Februar 2000 in den Rechtssachen C-34/98 (Kommission / Frankreich, Slg. 2000, I-995) und C-169/98 (Kommission/Frankreich, Slg. 2000, I-1049) gaben und unmittelbar Arbeitnehmer und Selbständige betrafen, die unter die Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit anderer Mitgliedstaaten als der Französischen Republik fielen.
Die Künstlersozialabgabe muss auch von Beiträgen wie den Arbeitgeberanteilen unterschieden werden, die Anlass zum Urteil vom 3. Februar 1982 in den Rechtssachen 62/81 und 63/81 (Seco und Desquenne & Giral, Slg. 1982, 223) gaben und dazu führten, dass ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer beschäftigte, die einem System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats angeschlossen waren, und diese vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat einsetzte, zweimal Beiträge zu entrichten hatte, ohne dass die in dem anderen Mitgliedstaat gezahlten Beiträge einen Anspruch auf eine soziale Vergünstigung begründeten. Diese Beiträge stellten für den betreffenden Arbeitgeber eine zusätzliche Belastung dar, da er im Ergebnis höhere Sozialabgaben zu entrichten hatte als die Dienstleistenden, die in dem Gebiet ansässig waren, in dem die Leistungen erbracht wurden. Sie konnten daher Einfluss auf die Entscheidung dieses Arbeitgebers über die Beschäftigung der erwähnten Arbeitnehmer haben, die somit mittelbar von ihnen betroffen wurden. Im vorliegenden Fall erscheint die Künstlersozialabgabe vollkommen neutral, da die Unternehmen, die in Deutschland Werke von selbständigen Künstlern und Publizisten vermarkten, die ihre Tätigkeit auch in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, nach den Angaben in der von der Kommission erstellten Akte keine Beiträge an das System der sozialen Sicherheit zu entrichten haben, unter das diese Künstler und Publizisten fallen.
Die Kommission trägt jedoch vor, die Künstlersozialabgabe belaste mittelbar die Entgelte der Künstler und Publizisten. Denn die Unternehmen, die ihre Werke vermarkteten, seien trotz der Rechtsvorschriften, die es ihnen untersagten, die sich aus dieser Abgabe ergebenden Kosten auf das Entgelt abzuwälzen, in der Lage, den betreffenden Kosten bei der Festsetzung des Entgelts Rechnung zu tragen.
Es ist unstreitig, dass die deutschen Rechtsvorschriften den Unternehmen untersagen, die sich aus der Künstlersozialabgabe ergebenden Kosten auf die Entgelte abzuwälzen, die sie den Künstlern und Publizisten zahlen. Folglich darf nach dem Wortlaut dieser Rechtsvorschriften das Bestehen oder Nichtbestehen der Abgabe keinerlei Einfluss auf das den Künstlern und Publizisten gezahlte Entgelt haben, das sich aus davon völlig unabhängigen Faktoren ergeben muss.
Die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht kann nicht auf der Grundlage der Annahme beurteilt werden, dass diese Rechtsvorschriften nicht eingehalten werden. Nur wenn die staatlichen Stellen ein Verhalten an den Tag legen würden, das erkennen ließe, dass es sich bei diesen Rechtsvorschriften nicht um die in Wirklichkeit angewandte Regelung handelte, könnte gegebenenfalls bei der Prüfung einer gemäß Artikel 169 EG-Vertrag erhobenen Vertragsverletzungsklage eine vom Wortlaut der betreffenden nationalen Vorschriften abweichende Praxis untersucht werden.
Im Übrigen obliegt es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 169 EG-Vertrag der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die für die Prüfung ihres Vorliegens erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern (vgl. u.a. Urteil vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-157/94, Kommission/Niederlande, Slg. 1997, I-5699, Randnr. 59).
Die Kommission hat jedoch in ihren Schriftsätzen keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass die den Künstlern und Publizisten gezahlten Entgelte in der Praxis durch die Verpflichtung der Vermarkter ihrer Werke beeinflusst würden, die Künstlersozialabgabe zu entrichten.
Da die fragliche Regelung nicht zur Anwendung der Rechtsvorschriften mehr als eines Mitgliedstaats auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit auf selbständige Künstler und Publizisten führt, die ihre Werke in Deutschland vermarkten, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen und dort einen Teil ihrer selbständigen Tätigkeit ausüben, verstößt sie auch nicht gegen Artikel 14a Nr. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71, der vorsieht, dass eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt.
Folglich ist der von der Kommission erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen die Artikel 13 und 14a der Verordnung Nr. 1408/71 zurückzuweisen.
Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen die Artikel 51, 52 und / oder 59 EG-Vertrag
Nach Ansicht der Kommission stehen auch die Artikel 51, 52 und / oder 59 EG-Vertrag der Erhebung der Künstlersozialabgabe auf die Entgelte entgegen, die Künstlern und Publizisten gezahlt werden, die auch in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, eine selbständige Tätigkeit ausüben. Der Gerichtshof habe nämlich im Urteil Seco und Desquenne & Giral sowie im Urteil vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-53/95 (Kemmler, Slg. 1996, I-703) entschieden, dass der EG-Vertrag es einem Mitgliedstaat verwehre, von Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnten und dort bereits einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen seien, Beiträge zu erheben, die keinen Anspruch auf zusätzlichen sozialen Schutz begründeten.
Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet jeden Verstoß gegen die Artikel 51, 52 und / oder 59 EG-Vertrag. Die Künstlersozialabgabe werde auch auf Entgelte erhoben, die bestimmten Künstlern und Publizisten gezahlt würden, die zwar in Deutschland wohnten und arbeiteten, aber nicht der Künstlersozialversicherung angeschlossen seien. Außerdem seien die Urteile Seco und Desquenne & Giral sowie Kemmler nicht einschlägig, weil sie Abgaben beträfen, die unmittelbar dem Arbeitgeber oder den Selbständigen auferlegt würden und dadurch den freien Dienstleistungsverkehr beeinträchtigten, während die Künstlersozialabgabe unmittelbar nur das Unternehmen belaste, das die Werke der betreffenden selbständigen Künstler oder Publizisten vermarkte, ohne den freien Dienstleistungsverkehr zu beeinträchtigen.
Mit dieser Rüge erhebt die Kommission unter dem Blickwinkel der Artikel 51, 52 und 59 EG-Vertrag den gleichen Vorwurf wie den, den sie im Zusammenhang mit den Artikeln 13 und 14a der Verordnung Nr. 1408/71 erhoben hat.
Zunächst ist auf das Vorbringen der Kommission einzugehen, das sich auf das Urteil Kemmler stützt. Der Gerichtshof hat zwar in Randnummer 14 dieses Urteils entschieden, dass Artikel 52 EG-Vertrag es einem Mitgliedstaat verwehrt, Personen, die bereits eine selbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, zur Entrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung für Selbständige zu verpflichten, obwohl diese Beitragspflicht für sie nicht zu einem zusätzlichen sozialen Schutz führt.
Wie der Gerichtshof in den Randnummern 36 bis 39 des vorliegenden Urteils festgestellt hat, hat die Kommission aber nicht dargelegt, dass die Künstlersozialabgabe auch nur mittelbar die Entgelte von Künstlern und Publizisten belastet, die in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, eine selbständige Tätigkeit ausüben.
Was sodann das auf das Urteil Seco und Desquenne & Giral gestützte Vorbringen der Kommission angeht, so hat der Gerichtshof zwar in Randnummer 15 des genannten Urteils entschieden, dass es einem Mitgliedstaat nach dem Gemeinschaftsrecht verwehrt ist, einen Arbeitgeber, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und im erstgenannten Staat mit Hilfe von Arbeitnehmern, die Staatsangehörige von Drittstaaten sind, Arbeiten von begrenzter Dauer durchführt, dazu zu verpflichten, den Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur Sozialversicherung zu entrichten, wenn dieser Arbeitgeber für dieselben Arbeitnehmer und dieselben Beschäftigungszeiten in dem Staat, in dem er ansässig ist, vergleichbare Beiträge zahlt und wenn die in dem Staat, in dem die Arbeiten durchgeführt werden, entrichteten Beiträge für diese Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine soziale Vergünstigung begründen.
Wie bereits in Randnummer 34 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, hat die Kommission aber nicht nachgewiesen, dass sich die deutschen Vermarkter der Werke von Künstlern und Publizisten, die ihre Tätigkeit auch in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, in einer derartigen Situation befinden.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Erhebung der Künstlersozialabgabe auf Entgelte von Künstlern und Publizisten, die ihre Tätigkeit auch in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, in dem sie wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, nicht die Gefahr birgt, die deutschen Unternehmen entgegen den Artikeln 52 und 59 EG-Vertrag von der Vermarktung der Werke dieser Künstler und Publizisten abzuhalten. Denn diese Unternehmen haben für die Entgelte, die sie den in Deutschland ansässigen Künstlern zahlen, in gleicher Weise die Künstlersozialabgabe zu entrichten.
Folglich ist der von der Kommission erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen die Artikel 51, 52 und/oder 59 EG-Vertrag zurückzuweisen.
Nach alldem ist die Klage der Kommission abzuweisen.
Kosten
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.