1 BvR 154/05
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes bei Leistung einer Erwerbsunfähigkeitsrente.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist aufgrund eines Verkehrsunfalls querschnittsgelähmt. Seit 1985 bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Landesversicherungsanstalt Hannover stellte die Rentenzahlungen von zuletzt etwa 800 € monatlich zum 1. Januar 2001 ein. Seit diesem Zeitpunkt gelten die Bestimmungen über die Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a in Verbindung mit § 313 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 <1831 und 1835>) erstmals auch für Erwerbsunfähigkeitsrenten, die schon vor dem 1. Januar 1996 begonnen haben. Das Bruttoarbeitsentgelt des Beschwerdeführers aus seiner 1990 aufgenommenen Tätigkeit in Höhe von zuletzt etwa 2.900 € im Monat übersteigt sämtliche Hinzuverdienstgrenzen.
2. Der Beschwerdeführer ist im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfolglos gegen die Anwendung der Vorschriften über die Hinzuverdienstgrenzen auf seine Erwerbsunfähigkeitsrente vorgegangen. Zuletzt wies das Bundessozialgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurück.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die Entscheidungen der Landesversicherungsanstalt Hannover und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sowie mittelbar gegen § 96a Abs. 1 in Verbindung mit § 313 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGB VI in der seit 2001 geltenden Fassung. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG sowie von Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist ohne Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass er Rentenbeiträge leiste, ohne Rentenzahlungen zu erhalten, fehlt für eine mögliche Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG die Angabe einer Vergleichsgruppe. Auch der Hinweis auf die Rechtsprechung zur Leistung von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei so genannter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes lässt keinen Vergleichsmaßstab erkennen. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit schon nicht den Anforderungen der § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechend hinreichend substantiiert begründet. Auch der Vortrag zu einer möglichen Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ist unzureichend. Es ist nicht erkennbar, inwiefern sich aus der vom Arbeitgeber dem Beschwerdeführer entgegengebrachten Rücksichtnahme Anhaltspunkte für eine mittelbare Diskriminierung wegen einer Behinderung ergeben sollen. Der Beschwerdeführer legt weiter nicht substantiiert dar, weshalb das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) der Anwendung von Hinzuverdienstgrenzen auf Erwerbsunfähigkeitsrenten entgegenstehen könnte.
2. Im Übrigen ist eine Verletzung von Verfassungsrechten nicht ersichtlich.
a) Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, dass das Arbeitsentgelt des Beschwerdeführers als Folge gesetzlicher Hinzuverdienstgrenzen bei der Auszahlung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente Berücksichtigung findet. Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung genießen den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 53, 257 <290>; 58, 81 <109>; 100, 1 <32 f.>). Die konkrete Reichweite der Eigentumsgarantie ergibt sich jedoch erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber obliegt. Der Gesetzgeber muss die grundsätzliche Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis, die zum Eigentumsbegriff gehören, achten und darf diese nicht unverhältnismäßig einschränken (vgl. BVerfGE 75, 78 <97>; 100, 1 <37>).
aa) In § 96a Abs. 1 in Verbindung mit § 313 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGB VI hat der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung getroffen. Die Einführung von Hinzuverdienstgrenzen für den Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrenten verfolgt in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Weise den legitimen Zweck, deren Lohnersatzfunktion zu stärken (vgl. BTDrucks. 13/2590, S. 19). Sie verhindern, dass durch den gleichzeitigen Bezug von Arbeitsentgelt und einer als Ersatz für Arbeitsentgelt konzipierten Erwerbsunfähigkeitsrente möglicherweise sogar ein höheres Einkommen erzielt wird als vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit. Die Regelungen bewirken einen angemessenen, insbesondere hinreichend differenzierten Ausgleich der in Frage stehenden Interessen. Die Rentenzahlungen werden nicht stets völlig eingestellt, sondern nach § 313 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 313 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI stufenweise abgesenkt. Nach § 313 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI bleibt ein Hinzuverdienst bis zu einer gewissen Grenze sogar völlig unberücksichtigt. Zudem sieht § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI vor, dass die monatlichen Hinzuverdienstgrenzen während eines Kalenderjahres in zwei Monaten bis zum Doppelten überschritten werden dürfen.
bb) Auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt. Den von der Anrechnungsregelung Betroffenen wird der Versicherungsschutz nicht entzogen, denn ihr Rentenstammrecht bleibt unberührt. Sinkt der Hinzuverdienst unter eine Hinzuverdienstgrenze, kommt es wiederum zu einer höheren Rentenzahlung. Im Übrigen enthielt bereits § 302 b Abs. 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824 <1832>) eine Übergangsregelung. Sie nahm Versicherte, deren Erwerbsunfähigkeitsrenten vor dem 1. Januar 1996 begonnen hatten, vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2000 von der Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes aus. Die fünfjährige Übergangszeit bot dem Beschwerdeführer ausreichend Zeit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Das Interesse des Beschwerdeführers am Fortbestand der für ihn günstigeren Rechtslage überwiegt daher insgesamt nicht die Gründe, die den Gesetzgeber zur Einführung von Hinzuverdienstgrenzen für vor dem 1. Januar 1996 begonnene Erwerbsunfähigkeitsrenten veranlasst haben.
b) Die in Frage stehende Regelung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das Arbeitsentgelt werde bei zahlreichen anderen Sozialleistungen - etwa Versichertenrenten gemäß § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - nicht berücksichtigt.
Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe anders behandelt als eine andere, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 109, 96 <123>; stRspr).
aa) Hier fehlt es an der Vergleichbarkeit der herangezogenen Fallgruppen. Die Erwerbsunfähigkeitsrente ist ein in sich geschlossenes Regelungssystem. Wertungen anderer Zweige der Sozialversicherung in Bezug auf die Berücksichtigung von Arbeitseinkommen bei der Bemessung von Leistungen der jeweiligen Systeme sind darauf nicht ohne weiteres übertragbar. Die gesetzliche Unfallversicherung verfolgt nach dem Wortlaut von § 1 Nr. 2 SGB VII auch einen Entschädigungszweck, der der Erwerbsunfähigkeitsrente fehlt. Art. 3 Abs. 1 GG enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln (vgl. BVerfGE 75, 78 <107> m.w.N.).
bb) Auch soweit der Beschwerdeführer eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Bezieher einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geltend macht, ist eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Abgeordnetendiäten. Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches Zusatzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz - HZvNG) vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2167 <2181>) in § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI zum 1. Januar 2003 die Anwendung der Hinzuverdienstgrenzen auf mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen vergleichbares Einkommen eingeführt.
cc) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, dass der Gesetzgeber die Hinzuverdienstgrenzen abgestuft geregelt hat. Er darf bei der Ordnung von Massenerscheinungen - wie sie besonders im Bereich der Sozialversicherung auftreten - typisierende Regelungen treffen (vgl. BVerfGE 75, 108 <162>), wenn die damit verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BVerfGE 111, 115 <137>). Besondere Härten für den Beschwerdeführer sind hier nicht ersichtlich.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).