1 BvR 476/02
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, bei der Berechnung der Renten von Aussiedlern und Spätaussiedlern die für Beitrags- und Beschäftigungszeiten auf der Grundlage des Fremdrentengesetzes (FRG) ermittelten Entgeltpunkte auf 25 Entgeltpunkte für Alleinstehende zu begrenzen.
I.
1. a) Die 1935 in der Ukraine geborene Beschwerdeführerin ist von Beruf Ärztin. Von August 1953 bis September 1992 war sie in Kasachstan versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Anästhesistin und Reanimatologin in einem Krankenhaus. Seit Oktober 1992 bezog sie in Kasachstan eine Altersrente. Am 24. November 1996 übersiedelte die Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Deutschland und nahm ihren Wohnsitz in den neuen Bundesländern. Sie ist als Spätaussiedlerin nach § 4 des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt.
b) Auf ihren Antrag gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom Dezember 1997 eine Altersrente für Frauen ab dem Tag des Zuzugs. Dabei errechnete sie aufgrund des Versicherungsverlaufs der Beschwerdeführerin persönliche Entgeltpunkte im Umfang von 34,0114 und kürzte diese anschließend auf 25 Entgeltpunkte (§ 22 b Abs. 1 FRG in der Fassung des Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung <Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG> vom 25. September 1996, BGBl I S. 1461; zur Rechtsentwicklung vergleiche im Einzelnen Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006, 1 BvL 9/00 u.a.; im Internet verfügbar unter www.bundesverfassungsgericht.de). Ausgehend von dem bis 30. Juni 1997 geltenden aktuellen Rentenwert (Ost) in Höhe von 38,38 DM ergab sich eine Bruttorente in Höhe von damals 959,50 DM monatlich. Diese erhöhte sich ab Juli 1997 bei einem aktuellen Rentenwert (Ost) von 40,51 DM auf 1.012,75 DM monatlich.
c) Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Sozialgericht und Landessozialgericht wiesen die hiergegen erhobene Klage ab. Das Bundessozialgericht wies die vom Landessozialgericht zugelassene Revision zurück.
2. Die Beschwerdeführerin hat fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit Art. 116 GG und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) sowie des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (jetzt: Bundesministerium für Arbeit und Soziales) namens der Bundesregierung Stellung genommen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG scheidet vorliegend aus. Die durch das Fremdrentengesetz begründeten Anwartschaften unterliegen nicht dem Eigentumsschutz, wenn ihnen - wie hier - ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden. Aus Art. 116 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip kann die Beschwerdeführerin ebenfalls keinen Anspruch auf eine bestimmte Form der sozialen Integration ableiten. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006 (1 BvL 9/00 u.a.; im Internet verfügbar unter www.bundesverfassungsgericht.de) verwiesen.
2. Auch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip ist nicht verletzt. Es fehlt an einem Vertrauenstatbestand, da die Beschwerdeführerin erst nach Verkündung der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Neuregelung in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Hängt die Entstehung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs von der Mitwirkung des Betroffenen ab, wie hier von dem Zuzug in die Bundesrepublik, so kann grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der alten Regelung mehr entstehen, wenn er die Anspruchsvoraussetzungen erst zu einem Zeitpunkt erfüllt, in dem die Rechtsänderung bereits beschlossen oder gar verkündet ist (vgl. BVerfGE 27, 167 <174>).
3. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführerin durch die Begrenzung ihrer nach dem Fremdrentengesetz ermittelten Entgeltpunkte auf 25 im Vergleich zu anderen Versichertengruppen benachteiligt wird, ist diese ungleiche Behandlung hinreichend gerechtfertigt. Auch insoweit kann auf die Gründe des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006 (1 BvL 9/00 u.a.) verwiesen werden.
4. § 22 b FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 3 GG. Die Vorschrift knüpft allein an unterschiedliche Versichertenbiographien an; eine Benachteiligung wegen der Herkunft oder der Heimat der nach dem Fremdrentengesetz Berechtigten bewirkt sie nicht (vgl. auch hierzu Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006, 1 BvL 9/00 u.a.).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.