B 10 LW 1/16 R
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. September 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verzinsung einer Beitragserstattung.
Sie ist seit 15.9.2009 verbeamtete Lehrerin und heiratete am 11.12.2010 einen Landwirt. Im März 2012 stellte die Beklagte rückwirkend ab dem Tag der Eheschließung die Versicherungspflicht der Klägerin fest (Bescheid vom 12.3.2012). Sie setzte einen laufenden Beitrag ab April 2012 fest. Den Beitragsrückstand der Klägerin bezifferte sie auf 3512 Euro.
Die Klägerin erhob Widerspruch und beantragte, sie von der Versicherungspflicht zu befreien. Als Beamtin sei sie ausreichend abgesichert. Falls die Vorschriften über die rückwirkende Beitragspflicht keinen Bestand haben würden, verlange sie die entrichteten Beiträge nebst vier Prozent Zinsen zurück. Die ausstehenden Beiträge beglich die Klägerin in Raten. Dafür erteilte sie der Beklagten eine Einzugsermächtigung für ihr Girokonto.
Die Beklagte befreite die Klägerin daraufhin ab dem 1.4.2012 von der Versicherungspflicht (Bescheid vom 12.4.2012). Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch verlangte die Klägerin, sie darüber hinaus rückwirkend bereits ab dem Tag der Eheschließung zu befreien. Am 30.4.2012 reichte sie auf Verlangen der Beklagten eine Bescheinigung ihres Dienstherrn über ihr Dienstverhältnis und ihre Besoldung nach.
Die Beklagte half dem Widerspruch ab. Die Rechtslage habe sich durch das BUK-Neuorganisationsgesetz (BUK-NOG) vom 19.10.2013 zu Gunsten der Klägerin geändert. Auf dieser neuen Rechtsgrundlage befreie sie die Klägerin rückwirkend auch für die Zeit vom 1.12.2010 bis 31.3.2012 von ihrer Versicherungspflicht. Es ergebe sich ein Guthaben von 1800 Euro. Die Auszahlung des Erstattungsbetrags erfolge im November 2013. Die verlangte Verzinsung stehe der Klägerin dagegen nicht zu (Abhilfebescheid vom 13.11.2013).
Mit ihrem Widerspruch verlangte die Klägerin von der Beklagten Zinsen auf den Erstattungsanspruch in Höhe von 51,73 Euro. Widerspruch und anschließende Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.11.2013, Urteil des SG vom 7.8.2014).
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Beklagte verurteilt, den Erstattungsbetrag ab dem 1.6.2012 nach den gesetzlichen Vorschriften zu verzinsen (Urteil vom 10.9.2015). Die Beklagte habe die Klägerin rückwirkend von der Versicherungspflicht befreit; daher seien die Beitragszahlungen ohne Rechtsgrund und damit zu Unrecht erfolgt. Wie die Verjährung müsse umgekehrt auch die Verzinsung des Erstattungsanspruchs nicht denknotwendig an seinen Entstehungszeitpunkt geknüpft werden. Das folge ua aus ihrer wirtschaftlichen Ausgleichsfunktion. Die Klägerin habe im April 2012 ihren Erstattungsantrag vervollständigt, als sie die erbetene Bescheinigung des Dienstherrn übersandt habe. Die Beklagte habe ihre Bankverbindung gekannt und eine Annahmeverweigerung nicht zu befürchten brauchen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision und trägt ua vor, der Erstattungsanspruch sei erst mit der später rückwirkend ausgesprochenen Beitragsbefreiung entstanden (Hinweis auf BSG Urteil vom 26.3.1987 - 11a RLw 3/86 - BSGE 61, 226 = SozR 1200 § 39 Nr 5). Das Gesetz knüpfe die Verzinsungspflicht an Umstände, die in den Risikobereich des Schuldners fielen und von ihm zu beeinflussen seien. Daher sei § 27 Abs 1 S 1 SGB IV im Fall des rückwirkenden Inkrafttretens einer Gesetzesänderung einschränkend auszulegen. Die Frist für das Entstehen des Verzinsungsanspruchs habe damit nicht vor der Verkündung des BUK-NOG im Bundesgesetzblatt am 24.10.2013 beginnen können. Die Überlegungen des BSG zum Beginn der Verjährungsfrist könnten nicht auf den Beginn der Verzinsungsfrist übertragen werden. Verzinsung und Verjährung dienten verschiedenen Zwecken und folgten unterschiedlichen Regeln. Die Klägerin habe zudem keinen vollständigen Erstattungsantrag gestellt, weil sie keine Kontoverbindung für die Erstattung angegeben habe.
Die Beklagte beantragt,
- das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. September 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. August 2014 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
- die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das BSG hat die Frist zur Begründung der Revision bis zum 15.11.2016 verlängert. Die Revisionsschrift der Beklagten ist beim BSG mit dem Eingangsstempel des 16.11.2016 versehen worden. Ihr Prozessbevollmächtigter trägt vor, er habe die Revisionsbegründung persönlich am 15.11.2016 in den Nachtbriefkasten des BSG eingeworfen. Der Senat hat dazu eine schriftliche Auskunft des Leiters der Poststelle des BSG eingeholt und den Bevollmächtigten in der mündlichen Senatsverhandlung angehört.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
1. Die Beklagte hat die Revision fristgemäß eingelegt und begründet. Insbesondere hat sie die antragsgemäß bis zum 15.11.2016 verlängerte Frist zur Revisionsbegründung gewahrt (§ 164 Abs 2 S 1 und 2 SGG). Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Revisionsschriftsatz an diesem Tag beim BSG eingegangen ist, obwohl er den Eingangsstempel mit dem Datum des 16.11.2016 trägt. Dessen Beweiskraft sieht der Senat durch die besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise als widerlegt an.
Ein Eingangsstempel mit dem Datumsaufdruck und einem Handzeichen eines Bediensteten des Gerichts stellt eine öffentliche Urkunde iS von § 418 Abs 1 ZPO über Wahrnehmungen und Handlungen eines Gerichts dar. Er erbringt vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Zwar dokumentiert der Eingangsstempel streng genommen nur, dass ein Bediensteter des Gerichts diesen auf das Schriftstück gesetzt und mit seinem Handzeichen versehen hat. Wie die höchstrichterliche Rechtsprechung indes anerkannt hat, erbringt ein solcher Stempel darüber hinaus Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines damit versehenen Schreibens (BGH Urteil vom 31.5.2017 - VIII ZR 224/16 - NJW 2017, 2285; vgl auch BSG Beschluss vom 9.3.2011 - B 4 AS 60/10 BH - Juris; BFH Beschluss vom 14.3.2011 - VI R 81/10 - Juris). Dies unterstellt allerdings eine Organisation gerichtsinterner Abläufe, die sicherstellt, dass der Stempel die tatsächlichen Geschehnisse wahrheitsgetreu widerspiegelt. Im Fall der Klägerin wird diese Annahme als allgemeiner Erfahrungssatz durch die besonderen Umstände des Einzelfalls entkräftet. § 418 Abs 2 ZPO lässt einen solchen Beweis der Unrichtigkeit des Eingangsstempels als öffentliche Urkunde zu. Die Anforderungen an diesen Gegenbeweis dürfen nicht überspannt werden (BGH aaO). Denn der Rechtsmittelführer befindet sich insoweit regelmäßig in Beweisnot, weil er gerichtsinterne Vorgänge nicht kennen kann (BSG Beschluss vom 8.2.2012 - B 5 RS 76/11 B - Juris; auch BFH Beschluss vom 14.3.2011 - VI R 81/10 - Juris).
Nach diesem Maßstab steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Eingangsstempel auf dem Revisionsschriftsatz der Beklagten ein falsches Datum aufweist und der Schriftsatz tatsächlich einen Tag früher bei Gericht eingegangen ist. In Betracht zu ziehende Ursachen für diesen Fehler hat die vom Senat eingeholte dienstliche Stellungnahme des Leiters der Gerichtspoststelle aufgezeigt. Er hielt ein technisches Versagen der Briefkastenklappe, die zur Kontrolle der Fristwahrung dient, für möglich. Speziell für den Schriftsatz der Klägerin konnte er einen solchen Fehler auch nicht ausschließen. Zudem war am Tag des Fristablaufs der Gerichtsmitarbeiter, der den Nachtbriefkasten normalerweise entleert, nicht im Dienst, sodass der Poststellenleiter Abstimmungsprobleme und ein Unterbleiben der Leerung am Tage des Fristablaufs in Erwägung gezogen hat. Obwohl andere Zugangsprobleme in diesem Zeitraum nicht bekannt geworden sind, lässt sich nach dieser Stellungnahme die beschriebene gute Möglichkeit einer unerkannt verspäteten Leerung nicht widerlegen. Ein Posteingangsbuch zum Nachtbriefkasten wird beim BSG nicht geführt. Seine ordnungsgemäße Leerung wird auch nicht, wie etwa beim Bundesfinanzhof (vgl BFH Beschluss vom 14.3.2011 - VI R 81/10 - Juris), in einem besonderen Protokoll dokumentiert, was ebenfalls eine höhere Richtigkeitsgewähr des Eingangsstempels böte.
Die ausführlichen schriftlichen und mündlichen Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die der Senat im Freibeweis verwertet hat, haben die gute Möglichkeit eines falschen Friststempels zur Gewissheit verdichtet. Anlass für Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Prozessbevollmächtigten besteht nicht. Es handelt sich um einen erfahrenen Behördenvertreter, der mit dem Prozessrecht bestens vertraut ist und sich auch im Umgang mit Fristen in der Vergangenheit als verlässlich erwiesen hat.
Seine Angaben sind plausibel, widerspruchsfrei und glaubhaft. Der Bevollmächtigte hat detailreich und anschaulich seinen persönlichen Tagesablauf am 15.11.2016 geschildert. Darin fügt sich der fristgemäße Einwurf des Schriftsatzes beim BSG an diesem Tag nahtlos ein. Weiter hat der Bevollmächtigte überzeugend dargelegt, warum er das Gericht am Folgetag nur schwerlich hätte persönlich aufsuchen können. Er hat schließlich dem Gericht einen Computerausdruck übersandt, der auf eine letztmalige Veränderung der Revisionsbegründung am 15.11.2016 um 11:01 Uhr hindeutet. Alle diese Umstände lassen die behauptete Abgabe um 14:30 Uhr am selben Tag angesichts der geschilderten Gesamtumstände ebenfalls viel wahrscheinlicher erscheinen als einen Einwurf am Folgetag. Der Prozessbevollmächtigte konnte schließlich mehrere Schriftstücke bzw Urkunden vorlegen, die jedenfalls belegen, dass er die rechtzeitige Abgabe des Schriftsatzes dreifach bestätigt hat. Wie aus diesen Unterlagen hervorgeht, hat der Prozessbevollmächtigte - erstens - den 15.11.2016 als Datum des Einwurfs handschriftlich auf der entsprechenden hausinternen Verfügung vermerkt und mit seinem Handzeichen versehen. Zweitens hat er die fristgemäße Abgabe in seiner privaten Erledigungsliste notiert sowie - drittens - von seiner persönlichen Assistenz in deren Fristenkalender vermerken lassen. Dieser Ring von Indizien spräche nur dann gegen einen rechtzeitigen Zugang, wenn der Prozessbevollmächtigte sich entweder über das Datum der Abgabe um einen ganzen Tag geirrt oder unmittelbar danach wissentlich mehrfach falsche Angaben darüber gemacht hätte. Dafür ist indessen nichts ersichtlich. Angesichts der mehrfachen Absicherung der rechtzeitigen Abgabe über den dienstlichen und privaten Fristenkalender des Bevollmächtigten sowie seiner Assistenz ließe sich damit nicht erklären, wie es gleichwohl zu einer Überschreitung der Abgabefrist um volle 24 Stunden hätte kommen können. Der Senat ist nach allem davon überzeugt, dass die Revisionsbegründung rechtzeitig zugegangen ist, und sieht die Beweiskraft des Friststempels als widerlegt an.
Die Revision ist auch im Übrigen zulässig. Die ausführliche Revisionsschrift genügt den Begründungserfordernissen des § 164 Abs 2 S 3 SGG. Sie enthält einen bestimmten Antrag und bezeichnet die nach ihrer Ansicht verletzte Rechtsnorm, wie es die Vorschrift verlangt. Sie setzt sich auch unter ausreichender Wiedergabe des vom LSG festgestellten Lebenssachverhalts umfassend mit der angegriffenen Entscheidung auseinander und zeugt von einer gründlichen Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffes (vgl BSG Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 16/06 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 3 mwN; BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 8 mwN).
2. Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat der Klägerin auf ihre zulässige Klage und Berufung (a) im Ergebnis zu Recht einen Anspruch auf Verzinsung der erstatteten Beiträge nach der Vervollständigung ihres Erstattungsantrags zugesprochen (b).
a) Die Klägerin verfolgt ihren Zinsanspruch zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils iS des § 130 Abs 1 SGG (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGG).
Das LSG hat auf eine statthafte Berufung entschieden. Zwar verlangt die Klägerin mit ihrer Klage nur rund 50 Euro Zinsen, indes hat das SG die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§§ 143, 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG).
Streitgegenstand bildet der Abhilfebescheid der Beklagten vom 13.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2013. Darin hat die Beklagte die Klägerin antragsgemäß rückwirkend von ihrer Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreit und die Erstattung der bereits gezahlten Beiträge in Höhe von 1800 Euro angekündigt. Im Streit steht der Bescheid nur noch insoweit, als die Beklagte damit eine Verzinsung des Erstattungsbetrags abgelehnt hat.
b) Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus § 27 Abs 1 S 1 iVm § 26 Abs 2, Abs 3 S 1 SGB IV ein Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrages von 1800 Euro zu. Der Anspruch besteht in der Höhe von vier vom Hundert und für die Dauer vom 1.6.2012 bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Erstattung. Denn die Klägerin hat einen rückwirkenden Erstattungsanspruch erworben (dazu unter aa), der auch rückwirkend zu verzinsen war (dazu unter bb). Die Verzinsungspflicht begann im Juni 2012 zu laufen, weil die Klägerin im April 2012 ihren Erstattungsantrag vervollständigt hatte (dazu unter cc).
aa) Die Klägerin hat rückwirkend ab Eingang ihrer jeweiligen Beiträge bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch aus § 26 Abs 2 S 1, Abs 3 S 1 SGB IV erworben. Danach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge demjenigen zu erstatten, der sie getragen hat. Zu Unrecht gezahlt sind Beiträge, wenn für die Zahlung kein Rechtsgrund (mehr) besteht. Die Klägerin hat für die Zeit vom 1.12.2010 bis 31.3.2012 an die Beklagte in diesem Sinne zu Unrecht Beiträge zur landwirtschaftlichen Altersversorgung gezahlt, weil der Rechtsgrund für die Zahlung nachträglich weggefallen ist.
Den materiellen Rechtsgrund für ihre Zahlung bildete anfangs § 1 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 und Abs 3 S 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Danach galt die Klägerin seit dem Tag ihrer Eheschließung mit einem Landwirt selbst als Landwirtin und war als solche versicherungspflichtig. Diesen Rechtsgrund hat die Beklagte mit ihrem Beitragsbescheid vom 12.3.2012 zunächst formell bestätigt, allerdings nachträglich wieder beseitigt. Denn mit Abhilfebescheid vom 13.11.2013 hat sie die Klägerin nach § 3 Abs 2 S 4, § 34 Abs 2 S 3 ALG rückwirkend für die Zeit ab 1.12.2010 bis 31.3.2012 von der Versicherungspflicht befreit. Eine solche Befreiung lässt alle mit der Versicherungspflicht verbundenen Rechte und Pflichten entfallen. Pflichtbeiträge, die für Zeiten gezahlt worden sind, für die wirksam eine Befreiung ausgesprochen ist, sind zu Unrecht gezahlt worden. Sie sind nach § 26 Abs 2 SGB IV zu erstatten (BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 10/4 LW 11/96 R - SozR 3-5868 § 76 Nr 1 S 2 f; vgl auch BSG Urteil vom 24.6.2010 - B 10 LW 4/09 R - BSGE 106, 239 = SozR 4-2400 § 27 Nr 4; BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 AL 4/13 R - BSGE 118, 213 = SozR 4-2400 § 27 Nr 6, RdNr 29; Zieglmeier in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, 95. EL Juli 2017, SGB IV, § 26 RdNr 32).
Anders als die Beklagte argumentiert, ist der Erstattungsanspruch nicht erst für die Zukunft ab Veröffentlichung des BUK-NOG am 24.10.2013 entstanden. Denn genauso wie die mit Bescheid vom 13.11.2013 ausgesprochene Befreiung selbst wirkte der durch sie begründete Erstattungsanspruch auf den jeweiligen Zeitpunkt der Beitragszahlung vor Bescheiderlass zurück. Dieses Ergebnis folgt aus der Systematik der sozialrechtlichen Regeln über die Beitragserstattung aus §§ 26 ff SGB IV. Sie bilden eine besondere Ausprägung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, der aus rechtsstaatlichen Gründen generell eine Korrektur rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen gebietet. Diese Regeln folgen denselben allgemeinen Rechtsgedanken wie das Bereicherungsrecht (Ossenbühl, NVwZ 1991, S 513, 516; vgl Udsching in Hauck/Noftz, SGB, 7/15, § 26 SGB IV RdNr 1a). Der Erstattungsanspruch nach § 26 Abs 2 SGB IV entsteht daher kraft Gesetzes, sobald nicht geschuldete Beiträge gezahlt werden. Eine solche Zahlung bewirkt eine Vermögensverschiebung ohne rechtlichen Grund, deren Ausgleich der Erstattungsanspruch dient (vgl Zieglmeier in Kasseler Komm Sozialversicherungsrecht, 93. EL März 2017, § 26 SGB IV RdNr 37). Fehlt der Rechtsgrund für die Zahlung nicht von Anfang an, so entsteht der Erstattungsanspruch, wenn und weil der Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung später wegfällt (vgl für das zivilrechtliche Bereicherungsrecht BGH Urteil vom 7.10.1994 - V ZR 4/94 - Juris). Mit Wegfall des rechtlichen Grunds für die Beitragszahlung verwandelt sich das gesetzliche Beitrags- von Gesetzes wegen in ein gesetzliches Erstattungsschuldverhältnis (vgl Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 1.2.1995 - VI 521/92 - Juris). Es dient dem vollständigen Ausgleich der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung. Kern dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses ist der Erstattungsanspruch als Kehrseite der vorangegangenen rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung. Entfällt daher der Rechtsgrund für eine Beitragszahlung mit Wirkung für die Vergangenheit, so wirkt der dadurch begründete Erstattungsanspruch genau in derselben Weise zurück.
Dementsprechend ist die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 31.3.2015 - B 12 AL 4/13 R - BSGE 118, 213 = SozR 4-2400 § 27 Nr 6, RdNr 28 f) davon ausgegangen, wegen der ex-tunc-Wirkung eines Urteils, das einen Beitragsbescheid aufhebt, entstehe der Erstattungsanspruch nicht erst mit der Aufhebung, sondern rückwirkend bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der Beiträge. Dies, obwohl ein Beitragsbescheid, solange er wirksam ist, das Entstehen eines Erstattungsanspruchs selbst bei materieller Rechtswidrigkeit verhindern kann, weil er eine formelle Rechtsgrundlage der Beitragszahlung bildet (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 AL 4/13 R - BSGE 118, 213 = SozR 4-2400 § 27 Nr 6, RdNr 30; vgl Udsching in Hauck/Noftz, SGB, 7/15, § 26 SGB IV RdNr 4b; allg Ossenbühl, NVwZ 1991, S 513, 518). Lässt demnach der rückwirkende Wegfall des formellen Rechtsgrunds der Beitragszahlung einen Erstattungsanspruch ex tunc entstehen, so kann nichts anderes gelten, wenn nicht ein Gerichtsurteil rückwirkend den Rechtsgrund beseitigt, sondern ein späterer, gegenläufiger (Befreiungs-)Bescheid. Das Gesetz und die Dogmatik rechtsgrundloser Vermögensverschiebung kennen keine Rechtsgrundlosigkeit minderer Qualität, die in dieser Konstellation einen rückwirkenden Erstattungsanspruch ausschließen könnte, obwohl auch der Rechtsgrund rückwirkend weggefallen ist. Die Literatur erkennt die Möglichkeit eines rückwirkenden Erstattungsanspruchs ebenfalls an (vgl Waßer in JurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2015, § 27 RdNr 20 und 40 mwN; Zieglmeier in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, 95. EL Juli 2017, § 27 SGB IV RdNr 6).
Zwar hat der früher für das Recht der gesetzlichen Alterssicherung für Landwirte zuständige 11a. Senat demgegenüber angenommen, eine rückwirkende Befreiung von der Beitragspflicht lasse den Erstattungsanspruch erst von der Beitragsbefreiung an für die Zukunft entstehen (Urteil vom 26.3.1987 - 11a RLw 3/86 - BSGE 61, 226 = SozR 1200 § 39 Nr 5; offengelassen in BSG Urteil vom 24.6.2010 - B 10 LW 4/09 R - BSGE 106, 239 = SozR 4-2400 § 27 Nr 4, RdNr 14). Daran hält der erkennende Senat jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation nicht mehr fest. Einer Anfrage nach § 41 Abs 3 S 1 SGG bei dem zuvor zuständigen Senat bedarf es nicht. Denn inzwischen ist die Entscheidungszuständigkeit für die landwirtschaftliche Alterssicherung vollständig auf den erkennenden Senat übergegangen (vgl zur Entbehrlichkeit der Anfrage Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 41 RdNr 14 mwN).
Der 11a. Senat argumentierte seinerzeit, der dortige Kläger hätte den Anspruch auf Erstattung der Beiträge nicht erst Jahre nach seiner Veranlagung zur Beitragspflicht, sondern sogleich nach deren Entrichtung durch früher gestellte Befreiungsanträge begründen können (BSG Urteil vom 26.3.1987 - 11a RLw 3/86 - BSGE 61, 226 S 227 f = SozR 1200 § 39 Nr 5 S 3 f). Der Fall der Klägerin liegt demgegenüber rechtlich und tatsächlich wesentlich anders. Sie hat nämlich zugleich mit der Beitragsentrichtung eine Befreiung von der Beitragspflicht verlangt und vorsorglich eine Rückzahlung nebst Verzinsung beantragt. Die Beklagte konnte sie zwar für die Zukunft sofort, für die Vergangenheit indes erst später wirksam von ihrer Beitragspflicht befreien. Vorher musste zunächst der Gesetzgeber den erforderlichen Befreiungstatbestand der § 3 Abs 2 S 4, § 34 Abs 2 S 3 ALG in seiner ursprünglichen Form wieder aufleben lassen. Dafür hat er die entsprechende Neuregelung rückwirkend bereits zum 11.8.2010 in Kraft gesetzt (Art 16 Abs 17 Nr 1, 17 Abs 1a BUK-NOG). Der rechtsstaatlich gebotene Vertrauensschutz steht dieser echten Rückwirkung (vgl dazu allg BVerfG Beschluss vom 16.12.2015 - 2 BvR 1958/13 - BGBl I 2016, 244) nicht entgegen, weil sie die davon betroffenen Ehegatten von Landwirten ausschließlich begünstigt hat. Denn die Rechtsänderung hat sie lediglich wieder so gestellt, wie es der bis 2010 geltenden Gesetzeslage entsprach (vgl 11. Ausschuss für Arbeit und Soziales, Beschlussempfehlung und Bericht zum BUK-NOG, BT-Drucks 17/13808 S 14). Diese Entstehungsgeschichte des aktuellen Befreiungstatbestands der § 3 Abs 2 S 4, § 34 Abs 2 S 3 ALG spricht daher in der Zusammenschau mit der allgemeinen Dogmatik des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs insgesamt maßgeblich für eine Rückwirkung dieses Anspruchs.
bb) Der rückwirkende Erstattungsanspruch der Klägerin war nach § 27 Abs 1 S 1 SGB IV auch rückwirkend zu verzinsen (vgl BSG Urteil vom 16.4.1985 - 12 RK 19/83 - SozR 2100 § 27 Nr 3; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 19.3.1991 - 4 A 298/89 - Juris RdNr 9 hinsichtlich der rückwirkenden Aufhebung eines Zuwendungsbescheids), sobald die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für die Verzinsung vorlagen (dazu unter cc). Nur so lässt sich die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vollständig ausgleichen, die durch die Zahlung nicht geschuldeter Beiträge bewirkt worden ist. Ohne Verzinsung würde diese Vermögensverschiebung trotz Beitragserstattung teilweise fortwirken. Denn zahlt der Beitragsschuldner und Erstattungsgläubiger zu Unrecht Beiträge, nimmt ihm dies bis zur Erstattung die Möglichkeit, die Beiträge wirtschaftlich zu nutzen. Erst eine Verzinsung, nicht schon die Beitragserstattung, gleicht diese entgangene Nutzungsmöglichkeit vollständig aus.
Sinn und Zweck des Zinsanspruchs im Sozialrecht stehen der rückwirkenden Verzinsung nicht entgegen. Anders als das SG in seinem Urteil ausgeführt hat, sind die Regelungen des SGB IV zur Verzinsung nicht mit den zivilrechtlichen Regelungen über Verzugs- und Prozesszinsen zu vergleichen. Deshalb hängt der Zinsanspruch zum einen nicht von der Fälligkeit des Erstattungsanspruchs ab, wie das LSG zutreffend angenommen hat. Zum anderen kommt es auf einen konkreten Schaden des Erstattungsberechtigten oder auf ein Verschulden des Versicherungsträgers nicht an (BSG Urteil vom 16.4.1985 - 12 RK 19/83 - SozR 2100 § 27 Nr 3). Aus diesem Grund scheidet die von der Beklagten verlangte einschränkende Auslegung der Verzinsungsvorschriften aus. Es spielt keine Rolle, dass erst eine erneute Kehrtwende des Gesetzgebers die Beitragsbefreiung der Klägerin und ihren korrespondierenden Erstattungsanspruch ermöglicht hat. Denn die rückwirkende Verzinsung bedeutet keine Sanktion für ein Fehlverhalten der Beklagten, sondern schafft lediglich einen gesetzlich typisierten Ausgleich für die der Klägerin zeitweise entzogene Möglichkeit, ihre zu Unrecht gezahlten Beiträge anderweit zu nutzen.
Ist der Erstattungsanspruch der Klägerin somit rückwirkend entstanden und zu verzinsen, so kann dahinstehen, ob der Zinslauf sogar noch vor Anspruchsentstehung hätte beginnen können, wie das LSG annimmt. Zur Begründung seiner Rechtsansicht verweist das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des BSG zum Verjährungsbeginn. Diese stützt sich indes maßgeblich auf den Wortlaut des § 27 Abs 2 S 1 SGB IV (vgl BSG Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 2/14 R - SozR 4-2400 § 27 Nr 7; BSG Urteil vom 24.6.2010 - B 10 LW 4/09 R - BSGE 106, 239 = SozR 4-2400 § 27 Nr 4, RdNr 14). Danach verjährt der Erstattungsanspruch vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Über den Beginn der Verzinsung des Erstattungsanspruchs besagt dieser Wortlaut für sich genommen aber nichts. Zudem lassen sich die aus den Verjährungszwecken abgeleiteten Argumente wie insbesondere das Ziel, mit Zeitablauf Rechtsfrieden zu schaffen (vgl BSG aaO), auf die Verzinsung nicht ohne Weiteres übertragen.
cc) Die Pflicht zur Verzinsung begann nach § 27 Abs 1 S 1 SGB IV am 1.6.2012 zu laufen. Danach ist der Erstattungsanspruch nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags zu verzinsen. Vollständig ist ein solcher Antrag iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB IV, wenn er alle Angaben enthält, die der Versicherungsträger für seine Entscheidung über die Erstattung benötigt (vgl Udsching in Hauck/Noftz, SGB, 2/04, § 27 SGB IV RdNr 4). Ein vollständiger Erstattungsantrag der Klägerin lag demnach ab April 2012 vor. Die Klägerin hat bereits mit ihrem ersten Widerspruch gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vorsorglich eine Beitragserstattung beantragt. Vervollständigt hat sie diesen Antrag am 30.4.2012, als sie die von der Beklagten nachgeforderte Verdienstbescheinigung übersandt hat. Mehr brauchte die Beklagte nicht zu wissen, um die Klägerin von ihrer Beitragspflicht zu befreien und ihre dann zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten. Ein Bankkonto für die Erstattung brauchte die Klägerin dagegen nicht nochmals anzugeben. Nach den für den Senat nach § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG kannte die Beklagte die Kontoverbindung der Klägerin. Sie hatte keinen Anlass zu der Befürchtung, diese werde die Annahme der Erstattung verweigern. Die Beklagte hat insbesondere mit ihrem Abhilfebescheid vom 13.11.2013 ohne weitere Nachfragen angekündigt, die zu Unrecht gezahlten Beiträge auf das zuvor für den Beitragseinzug genutzte Konto der Klägerin zu erstatten. Ebenso wenig hat das LSG andere Umstände festgestellt, die es gerechtfertigt hätten, den zwischen den Beteiligten eingespielten Zahlungsweg anzuzweifeln. Hätte die Beklagte zudem solche Zweifel gehegt, so wäre sie gehalten gewesen, die zutreffende Kontoverbindung zu erfragen, wenn sie allein deshalb die geschuldete Zahlung zurückhalten wollte. Darauf hat das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen. Diese Nebenpflicht der Beklagten ergab sich aus dem gesetzlichen Erstattungsschuldverhältnis, das sie mit der Klägerin verband.
Zu den von der Revision angestellten allgemeinen Erwägungen über mögliche Risiken durch eine Beitragserstattung auf ein falsches Konto bietet der Fall keinen Anlass. Die von ihr zitierte Entscheidung des 13. Senats (Urteil vom 14.8.2003 - B 13 RJ 11/03 R - SozR 4-7610 § 362 Nr 1) behandelt eine ganz andere Konstellation. Das Urteil geht der Frage nach, auf welches von mehreren bekannten Konten der Schuldner mit befreiender Wirkung leisten kann, wenn der Gläubiger ihm die Eröffnung eines zusätzlichen neuen Kontos mitgeteilt und - erfolglos - die Zahlung darauf erbeten hat. Diese Frage stellte sich der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin nach dem Gesagten nicht.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, den Erstattungsbetrag bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Auszahlung des Erstattungsbetrags mit vier vom Hundert zu verzinsen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.