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B 13 R 24/16 BH

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulas­sung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. April 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I

Mit Urteil vom 20.4.2016 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch der Klägerin auf einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten (EP) für Kindererziehung verneint.

Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Sie meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Hierzu hat sie in ihrem Schreiben vom 15.7.2016 nähere Ausführungen gemacht.

II

Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §114 Abs 1 S 1 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin im Hinblick auf den begehrten Zuschlag an persönlichen EP für die Erziehung ihres am 6.2.1970 geborenen Sohnes A. in K. erfolgreich zu begründen.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

1. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

Grundsätzliche Bedeutung iS der vorgenannten Bestimmung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Dasselbe gilt, wenn ein oberstes Bundesgericht oder das BVerfG die Rechtsfrage zwar noch nicht ausdrücklich beantwortet haben, eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen aber bereits ausreichende Anhaltspunkte enthalten, um die Rechtsfrage zu beurteilen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Dies ist hier der Fall.

Aus dem Gesetz ergibt sich, dass ein Zuschlag an persönlichen EP für ein vordem 1.1.1992 geborenes Kind gemäß § 307d SGB VI in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 (BGBl I 787) ua voraussetzt, dass am 30.6.2014 ein Anspruch auf Rente bestand und dass in der Rente eine Kindererziehungszeit für den 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet wurde. Letzteres ist bei der Klägerin nicht der Fall. Denn die Beklagte hat bei der Berechnung ihrer Regelaltersrente zu Recht keine Kindererziehungszeit (KEZ) für den 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt des Sohnes A. berücksichtigt, weil die Voraussetzungen nach § 56 Abs 3 S 2 und 3 SGB VI für die Gleichstellung der Erziehung des Sohnes A. in K. mit einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben waren. Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin in K. vor der Geburt ihres Sohnes A. oder während der dortigen Erziehung keine Pflichtbeitragszeiten zur deutschen Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit erworben. Die (Nach-)Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für diesen Zeitraum reicht insoweit nicht. Damit erfüllt die Klägerin nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für den begehrten Zuschlag nach § 307d SGB VI.

Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in ihrem oben genannten Schreiben insbesondere im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG nicht. Dass § 56 Abs 3 S 2 und 3 SGB VI an den Erwerb von Pflichtbeitragszeiten zur deutschen GRV anknüpft, entspricht der Eigenart eines im Wesentlichen auf Pflichtbeiträgen der Versicherten aufbauenden Sozialversicherungssystems. In diesem Rahmen ist grundsätzlich eine Begünstigung von Pflichtversicherten gegenüber freiwilligen Versicherten hinzunehmen (vgl BVerfG Beschluss <Kammer> vom 2.7.1998 - 1 BvR 810/90 - NZS 1998, 518; BVerfG Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - BVerfGE 122, 151, 178 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16 RdNr 78; BVerfG Beschluss vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78, 103 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 465 f; BVerfGE vom 17.10.1973 - 1 BvR 50/71 ua - BVerfGE 36, 102, 114 = SozR Nr 97 zu Art 3 GG). Auch aus dem (ergänzend) heranzuziehenden Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit vom 14.11.1985 (BGBl II 1988, 26) und dem Zusatzabkommen vom 27.8.2002 zum vorgenannten Abkommen (BGBl II 2003, 666) ergibt sich im Hinblick auf das Begehren der Klägerin nichts anderes. Ebenso wenig kann sich die Klägerin in ihrem Fall auf Rechtsprechung des EuGH berufen, weil K. nicht zu den Mitgliedsstaaten der EU zählt und europarechtliche Vorgaben für die Beurteilung des hier vorliegenden Sachverhalts von vornherein nicht relevant sind. Nach alledem kommt auch der von der Klägerin formulierten Frage:

"Ist es mit dem Grundgesetz Art. 3 Abs. 1 vereinbar, wenn der Beginn der Kindererziehungszeit (Geburtsort) gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 SGB VI i. V. m. dem EuGH-Urteil C522/2010 ('Reichel-Albert') in den EU-, EWR-Staaten oder der Schweiz anerkannt ist, nicht aber in einem 'Drittstaat', und ob dieser geographische Unterschied ein Grund von solcher Art und solchem Gewicht ist, der eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnte, nochzumal dann, wenn dem sozialversicherungsrechtlichen Territorialprinzip dadurch genügt ist, daß sowohl vor dem Beginn der Kindererziehungszeit, als auch danach Beitragszeiten, auch Pflichtbeitragszeiten, ausschließlich beim Deutschen Rentenversicherungsträger vorliegen?"

keine grundsätzliche Bedeutung zu.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

3. Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.

4. Da der Klägerin keine PKH zu bewilligen ist, hat sie nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.

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