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B 3 KS 3/14 R

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
 
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

Im Streit steht die Versicherungspflicht der Klägerin in der Künstlersozialversicherung (KSV) im Zeitraum Oktober 2010 bis April 2014.
 
Die 1981 geborene Klägerin ist Tanzpädagogin mit der Lehrbefähigung für zeitgenössische Tanzformen. Nach Beendigung ihrer dreijährigen Ausbildung an der I. Schule für zeitgenössischen Tanz in M. und einer einjährigen Ausbildung am Broadway Dance Center New York übte sie diesen Beruf hauptberuflich aus und unterlag während dieser Zeit der Versicherungspflicht in der KSV als selbstständige Lehrerin im Bereich der darstellenden Kunst (Bescheid vom 25.7.2005). Zum 30.9.2007 stellte die Beklagte die Beendigung der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) fest, da die Klägerin ab Oktober 2007 ein Hochschulstudium (Linguistik und Phonetik, Deutsche Sprache und Literatur) aufnahm und die Tätigkeit als Tanzlehrerin während dieser Zeit nur nebenberuflich ausübte (Bescheid vom 22.10.2007).
 
Seit Oktober 2010 war die Klägerin wieder hauptberuflich als Tanzlehrerin tätig. Mit zwei Tanzschulen ("Tanzetage R.", "Musik- und Tanzschule E.") hatte sie jeweils einen Vertrag als freie Mitarbeiterin abgeschlossen und gab dort Kurse für Jazztanz, Modern Dance, Hip Hop und Ballett. Das hieraus erzielte Einkommen lag zwischen 13 260 Euro und 19 000 Euro jährlich, bei einem Stundenhonorar von 30 Euro. Beide Tanzschulen sind anerkannte Vorausbildungsschulen für Bühnentanz, in denen die Schüler und Schülerinnen auf die Aufnahmeprüfung für Tanzakademien vorbereitet werden. Das Unterrichtsprogramm der Schulen sieht vor, dass die Schüler und Schülerinnen zunächst am Ballettunterricht teilnehmen und eine Prüfung absolvieren, bevor die weiteren zeitgenössischen Tanzformen ab der Mittelstufe unterrichtet werden. Beide Tanzschulen veranstalten einmal jährlich (Musik- und Tanzschule E.) bzw alle zwei Jahre (Tanzetage R.) Bühnenaufführungen, an denen die Tanzschüler und -schülerinnen der Klägerin teilnahmen. Darüber hinaus nahmen einige von ihnen - als Gruppe oder als Solo- oder Duotänzer - an Bühnentanzwettbewerben in den Sparten Jazz-/Showtanz, Modern Dance, Hip Hop und Ballett teil ("Deutscher Ballettwettbewerb", "Duisburger Tanztage"). Der Zeitaufwand der Klägerin für die Erteilung des Unterrichts (Kinder, Jugendliche und Erwachsene) lag im streitigen Zeitraum bei ca 14 bis 18 Wochenstunden. Hinzu kamen Zeiten für die Ausarbeitung der Choreografie und die Programmgestaltung für Bühnenauftritte von Gruppen, Solo- und Duokünstlern sowie Wettbewerbsgruppen.
 
Der Antrag der Klägerin von Oktober 2010 auf Feststellung der Versicherungspflicht in der KSV ab 1.10.2010 blieb erfolglos (Bescheid vom 21.10.2010, Widerspruchsbescheid vom 9.8.2011). Die Klägerin sei nicht künstlerisch tätig. Ihre Lehrtätigkeit in den Bereichen Hip Hop, Jazz- und Kindertanz sei nicht als Lehre von darstellender Kunst einzustufen, sondern als Vermittlung von praktischen Fähigkeiten im Bereich des Breiten- bzw Freizeitsports (Hinweis auf die Senatsur-teile vom 7.12.2006 - B 3 KR 11/06 R - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 "Tango Argentino" und vom 1.10.2009 - B 3 KS 2/08 R - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 16 - "Musikgarten" und - B 3 KS 3/08 R - BSGE 104, 258 = BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 15 - "kreativer Tanz").
 
Das Klage- und Berufungsverfahren war erfolgreich. Das SG hat unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass die Klägerin ab 1.10.2010 versicherungspflichtig nach § 1 KSVG sei (Urteil vom 12.3.2012). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Sowohl nach dem zeitlichen Umfang als auch nach der Höhe ihres Einkommens sei die Klägerin schwerpunktmäßig als Tanzlehrerin im Sinne einer künstlerischen Lehrtätigkeit tätig gewesen. Der Jazztanzunterricht und die überwiegend aus Ballett, Jazztanz, Modern Dance sowie Hip Hop bestehenden Wettbewerbskurse seien eine mit dem Ballett vergleichbare künstlerische Betätigung. Dies folge aus der historischen Entwicklung des Tanzes, der allgemeinen Verkehrsauffassung und dem Regelungszweck des KSVG. Die Klägerin habe ihre Schüler und Schülerinnen dazu befähigt, Tanz als Kunst - sei es für berufliche oder für private Zwecke - darzubieten. Die klassischen Tanzformen, wie insbesondere das im Künstlerbericht von 1975 erwähnte Ballett, hätten weitreichende Veränderungen erfahren. So sei der Beruf des Balletttänzers durch den des Bühnentänzers abgelöst worden, der neben dem klassischen (Ballett-)Tanz auch Modern Dance, Jazztanz und Musicaltanz umfasse. Der Einordnung als darstellende Kunst stehe auch nicht entgegen, dass die von der Klägerin unterrichteten Tanzarten teilweise auch wettkampfmäßig betrieben wurden. Selbst wenn Jazztanz auch in Sportvereinen und Fitnessstudios angeboten werde, folge hieraus nicht zwingend, dass die genannten Tanzformen keine darstellende Kunst seien. Ein solcher Schluss werde weder der Entwicklung der künstlerischen Betätigungsform noch ihrem Schutz nach Art 5 GG gerecht. Im Übrigen existierten auch Ballettwettbewerbe mit Punktebewertungen und Preisverleihungen. Schließlich zeigten die regelmäßigen öffentlichen Aufführungen mit Bühnenbild, Requisiten und Kostümen, bei denen unter Anleitung der Klägerin einstudierte und von dieser choreografierte Tänze der Tanzgruppen dargeboten wurden, dass es sich nicht um die bloße Ausübung von Sport, sondern um die Präsentation von Bühnentanz handele.
 
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§§ 1 und 2 KSVG) und trägt vor, dass der Tanzunterricht der Klägerin der Ausübung von Breiten- und Freizeitsport diene und nicht überwiegend der Kunstausübung auf der Grundlage des Balletts. Es liege daher keine Tätigkeit im Bereich der darstellenden Kunst vor. Das BSG habe den Jazztanz dem Bereich des Breitensports zugeordnet (Hinweis auf das Senatsurteil vom 7.12.2006 - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 - "Tango Argentino"). Der Deutsche Tanzsportverband eV (DTV) führe diese Tanzsportart im Rahmen seines Breitensportprogramms als Sportdisziplin auf. Eine durchgreifende Änderung der dieser Einschätzung zugrunde liegenden allgemeinen Verkehrsauffassung sei nicht ersichtlich. Im Übrigen sei der Jazztanz bereits bei der Erstellung des Künstlerberichts 1975 bekannt gewesen, ohne dort erwähnt worden zu sein.

Die Beklagte beantragt,

  •  das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2014 und das Urteil des SG Köln vom 12. März 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, 

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist auf die enge Verzahnung von klassischem Ballett mit dem zeitgenössischen Tanz hin. Ihr Unterricht sei unmittelbar darauf ausgerichtet, ihre Schüler und Schülerinnen zur Ausübung oder Schaffung von darstellender Kunst ("Bühnentanz") zu befähigen. Dies sei mit einer Übungsleitertätigkeit in einem Sportverein oder Fitnessclub nicht vergleichbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen festgestellt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum als Künstlerin versicherungspflichtig im Sinne des KSVG gewesen ist. Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
 
1. Rechtsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht (vgl BSG SozR 3-5325 § 2 Nr 1 S 2) ist § 1 KSVG (idF vom 9.12.2004, BGBl I 3242). Hiernach werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben (§ 1 Nr 1 KSVG) und im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig iS des § 8 SGB IV (§ 1 Nr 2 KSVG).
 
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin den Beruf der Tanzlehrerin erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausgeübt, ohne dass sie weitere Arbeitnehmer beschäftigt hat. Erwerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts und nicht nur aus Liebhaberei ausgeübt wird, mithin die Absicht verfolgt wird, ein über der Geringfügigkeitsgrenze (von 3900 Euro, vgl § 3 Abs 1 S 1 KSVG idF vom 13.6.2001, BGBl I 1027) liegendes Arbeitseinkommen zu erzielen (vgl Senatsurteil vom 21.7.2011 - BSGE 109, 1 = BSG SozR 4-5425 § 1 Nr 2, RdNr 11). Dies ist hier der Fall, denn die Klägerin hat ihren Lebensunterhalt aus der Tätigkeit als Tanzlehrerin mit einem jährlichen Einkommen zwischen 13 260 Euro und 19 000 Euro im maßgeblichen Zeitraum bestritten.
 
Die Klägerin hat auch eine selbstständige Tätigkeit als freie Mitarbeiterin in beiden Tanzschulen ausgeübt. Der Beruf der Lehrerin kann sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch in selbstständiger Tätigkeit ausgeübt werden. Diejenigen, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichten, sind in aller Regel Arbeitnehmer. Dagegen können Volkshochschuldozenten sowie Musikschullehrer auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden (vgl dazu BAGE 84, 124, 134 f; BAG vom 24.6.1992 - 5 AZR 384/91 - NZA 1993, 174, 176). Maßgeblich dafür, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, ist die tatsächliche Rechtsnatur der Vertragsbeziehung bei Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere auch der tatsächlichen Arbeitsleistung. Jedoch gehört auch die Vertragsbezeichnung zu den tatsächlichen Umständen. Ihr kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn sie den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht (vgl BSG vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 16 f und RdNr 23). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass entgegen der vertraglichen Bezeichnung hier ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, bestehen nicht, zumal von den Beteiligten insoweit Rügen nicht erhoben worden sind, sodass auch für das Revisionsverfahren von einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin auszugehen ist (vgl auch BSG SozR 3-5425 § 1 Nr 4 S 14).
 
2. Die Klägerin hat eine künstlerische Tätigkeit iS von § 1 Nr 1 KSVG ausgeübt. Nach § 2 S 1 KSVG (idF vom 13.6.2001, BGBl I 1027) ist Künstler im Sinne dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Damit bezeichnet das Gesetz drei Sparten der Kunst, die üblicherweise unterschieden werden (Musik, darstellende und bildende Kunst), jeweils umschrieben in den Varianten des Schaffens, Ausübens und Lehrens. Eine weitergehende Festlegung, was im Einzelnen darunter zu verstehen ist, ist im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder nicht erfolgt. Das KSVG nennt nur allgemein die Begriffe "Künstler" und "künstlerische Tätigkeiten", wobei auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs bewusst verzichtet wurde (vgl BT-Drucks 8/3172 zu § 2, S 21). Der Begriff der Kunst ist deshalb aus dem Reglungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen. Er soll trotz seiner Unschärfe jedenfalls solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahr 1975 (vgl BT-Drucks 7/3071) beschäftigt (stRspr vgl BSGE 83, 160, 161, 165 f = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 33, 37 f; BSGE 83, 246, 250 = SozR 3-5425 § 1 Nr 5 S 23). Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps (zB Theater, Malerei, Musik) entspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis der Betroffenen zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- oder Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird (stRspr, zuletzt Senatsurteil vom 8.10.2014 - BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 18 mwN - "Country- und Westerntanz").
 
a) Im Künstlerbericht von 1975 finden sich im Bereich der darstellenden Kunst die Katalogberufe des Balletttänzers, des Ballettmeisters, des Ballett-Repetitors und des Choreografen (vgl BT-Drucks 7/3071 S 7). Die Nichterwähnung der von der Klägerin gelehrten Tanzformen im - inzwischen mehr als 40 Jahre alten - Künstlerbericht spricht indes nicht zwangsläufig gegen eine Qualifizierung einer solchen Tätigkeit als künstlerisch, denn dies würde der Vielfalt und Dynamik in der Entwicklung künstlerischer oder publizistischer Berufstätigkeit widersprechen, insbesondere wenn die Tätigkeit zur Zeit der Erstellung des Berichts noch gar nicht existierte (vgl Senatsurteil vom 7.7.2005 - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 5 RdNr 7 - "Webdesignerin"). Entsprechendes gilt, wenn sich nach der Erstellung des Berichts die Verkehrsauffassung hinsichtlich einer früher bereits bekannten Tätigkeit grundlegend gewandelt hat oder wenn der betreffende Kunsttyp von einer so kleinen Gruppe von Kunstschaffenden ausgeübt wird, dass er bei der Einordnung in die Kunstgattungen des Künstlerberichts außer Betracht bleiben konnte (vgl Senatsurteil vom 1.10.2009 - BSGE 104, 265 = SozR 4-5425 § 25 Nr 5, RdNr 25 f - "Jury Casting-Show"). Würde der Bericht derartige Gattungen ausschließen, stünde dies dem bewusst offengehaltenen Kunstbegriff des § 2 KSVG entgegen (vgl auch BT-Drucks 8/3172 zu § 2 S 21; BT-Drucks 9/26 zu § 2 S 18). Ausgehend vom Künstlerbericht mit seinen Katalogberufen als Einordnungshilfe ist in solchen Fällen selbstständig nachzuvollziehen, ob die zu beurteilende Tätigkeit nach den für die Aufstellung des Künstlerberichts maßgebenden Kriterien einem der drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit zuzuordnen ist und ob sie weder als Traditions- und Brauchtumspflege noch als (kunst-) handwerkliche Tätigkeit - oder auch weil sie dem Bereich des Sports zuzuordnen ist - aus dem Schutzbereich des KSVG ausgeschlossen ist (vgl Senatsurteil vom 1.10.2009 - BSGE 104, 265 = SozR 4-5425 § 25 Nr 5, RdNr 25 f mwN - "Jury Casting-Show").
 
b) Für den hier relevanten Bereich des Tanzes hat der Senat bereits entschieden, dass "Tanzkunst" vom "Tanzsport" abzugrenzen ist (vgl Urteil vom 1.10.2009 - BSGE 104, 258 = BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 15, RdNr 18 - "Kreativer Tanz"). Ob eigenschöpferische Darbietungen dem Bereich des Sports oder dem der Kunst zuzuordnen sind, beurteilt sich letztlich an der Verkehrsauffassung (vgl Senatsurteil vom 7.12.2006 - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 RdNr 18 - "Tango Argentino" mwN). Tanzunterricht kann dann als Lehre von darstellender Kunst iS von § 2 S 1 KSVG erfasst sein, wenn die Schüler und Schülerinnen schwerpunktmäßig durch den Unterricht befähigt werden sollen, selbst als Tänzer und Tänzerinnen tätig zu werden, um einen Tanz als Kunstform - und nicht als Sport - darzubieten. Nicht entscheidend ist, ob die Lehrperson über eine staatlich anerkannte musikalische Berufsausbildung als Tänzer oder Tänzerin oder eine Berufsqualifikation als Tanzlehrer oder -lehrerin verfügt; ebenso unerheblich ist, ob angehende Berufstänzer oder Laien unterrichtet werden, die nur in ihrer Freizeit am Unterricht teilnehmen und das Gelernte auch nur für Freizeitzwecke verwenden wollen (vgl Senatsurteil vom 1.10.2009 - aaO - RdNr 18 - "Kreativer Tanz"). Eine Zuordnung zur darstellenden Kunst kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der Tanzunterricht primär nicht künstlerische Zwecke verfolgt, wie etwa sozio- und psychotherapeutische Zwecke. Derartiger Unterricht (zB Musik-, Tanz-, Mal- und Zeichentherapie) dient in erster Linie der Stärkung der Persönlichkeit und der Förderung von Sozialverhalten und Kreativität, und nicht der Befähigung zur eigenen aktiven Musik- oder Kunstausübung (vgl Senatsurteil vom 1.10.2009 - aaO - RdNr 19 ff - "Kreaver Tanz" - unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rspr, insbesondere BSG vom 14.12.1994 - SozR 3-5425 § 2 Nr 2 - "Eurythmie-Lehrerin").
 
c) Soweit die Beklagte meint, der Senat habe den Jazztanz (zwingend) dem Bereich des Breiten- und Freizeitsports zugeordnet und eine Bewertung als darstellende Kunst damit ausgeschlossen, lässt sich dem Senatsurteil vom 7.12.2006 (BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 RdNr 18 f - "Tango Argentino") eine solche generelle Aussage nicht entnehmen. Der Senat hatte in dieser Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, in welchem Kontext der Tanz bzw der Tanzunterricht (dort: Tanzlehrerin für Tango Argentino) ausgeübt wurde. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung dieses Tanzes wurde herausgestellt, dass der Argentinische Tango heute im Wesentlichen in zwei Varianten dargeboten wird: Zum einen von Laien in Tanzlokalen ("Tango de salón" - Salontango), zum anderen von Berufstänzern auf der Bühne mit einstudierten Choreografien ("Tango de espectáculo" - Bühnentango), wobei letzterer vorwiegend von Ballettmeistern und Choreografen mit einer Zusatzqualifikation für Tango Argentino gelehrt wird (BSG, aaO, RdNr 14). Nach den dortigen Feststellungen diente der Tanzunterricht nicht schwerpunktmäßig als Grundlage einer ballettartigen Kunstausübung (zB als Bühnentänzer in Tangoshows, -musicals oder -opern), sondern überwiegend der Ausübung von Breiten- bzw Freizeitsport, weshalb eine Einordnung als Kunst ausgeschlossen wurde (vgl BSG, aaO, RdNr 17). In diesem Kontext stehen die Ausführungen des Senats, dass ein Tanz - sei es der Argentinische Tango oder auch Hip Hop, Salsa, Breakdance, Standardtänze, Lateinamerikanische Tänze, Jazztanz oder Eistanz - der im Rahmen des Breitensports, Freizeitsports oder Turniertanzsports ausgeübt wird, von einer Einordnung als darstellende Kunst ausgeschlossen ist (BSG, aaO, RdNr 17 ff). Zugleich hat der Senat darauf hingewiesen, dass Darbietungen des Argentinischen Tangos, der als Bühnentango aufgeführt wird, dem Bereich der Unterhaltungskunst zuzuordnen sein könnten, die nach dem Regelungszweck des KSVG grundsätzlich der KSV unterfallen (BSG, aaO, RdNr 15 unter Hinweis auf BSGE 83, 160, 162 = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 33 f -"Berufsringer"). Ob sich schon eine allgemeine Verkehrsanschauung im Geltungsbereich des KSVG herausgebildet hat, die die Darbietung des Argentinischen (Bühnen-)Tangos als eine mit dem Ballett vergleichbare Form des Bühnentanzes zur Unterhaltungskunst zählt, konnte seinerzeit offenbleiben (BSG aaO).
 
Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt aus der Senatsentscheidung vom 7.12.2006 (BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 - "Tango Argentino") auch nicht, dass einzelne Tanzformen von vornherein der "Kunst" oder dem "Sport" zugeordnet werden können. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, in welchem Kontext der Tanz bzw der Tanzunterricht schwerpunktmäßig ausgeübt wird und ob er als Sport betrieben oder als Kunst dargeboten wird.
 
3. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der von der Klägerin im Schwerpunkt ausgeübten Tätigkeit um die Lehre von darstellender Kunst. Der überwiegend aus Jazztanz, Modern Dance, Hip Hop und Ballett bestehende Unterricht in beiden Tanzschulen stellt nach dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung eine mit dem Ballett vergleichbare künstlerische Betätigung dar. Überzeugend hat das LSG ausgeführt, dass es im Zuge der historischen Entwicklung zu einer immer engeren Verschmelzung der genannten Tanzformen gekommen ist. Die zusammenfassend als "Bühnentanz" bezeichneten Tanzstile sind heute nur noch Synonyme für bestimmte - teils ineinandergreifende - Tanztechniken. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass das Ballett heute für eine bestimmte Form des Bühnentanzes neben anderen Richtungen wie dem "Modern Dance" steht. An den meisten Bühnen treten (Ballett-)Tänzer und -Tänzerinnen nicht nur im (klassischen) Ballett auf, sondern auch in Opern, Operetten und Musicals (vgl Urteil vom 7.12.2006 - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 RdNr 13 mwN - "Tango Argentino"). Der Bühnentanz in seiner heutigen Form kombiniert die einzelnen Tanzstile derart miteinander, dass er sich kaum auf eine bestimmte Form festlegen lässt. Daher kommt entgegen der Ansicht der Beklagten eine schematische Einordnung nach einzelnen Tanzstilen ("Ballett und Modern Dance ist Kunst", "Jazztanz und Hip Hop ist Sport") nicht in Betracht.
 
a) Ebenfalls zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, dass der im Künstlerbericht 1975 noch genannte Beruf des "Balletttänzers" durch den Beruf des "Bühnentänzers" abgelöst worden ist (www.berufenet.arbeitsagentur.de/berufe - Stichwort "Bühnentänzer/in"). Hierbei handelt es sich um einen teilweise landesrechtlich geregelten schulischen Ausbildungsberuf, der insbesondere an Ballettschulen und -akademien, an Schulen für Bühnentanz und an solchen für darstellende Künste angeboten wird; entsprechende Studiengänge existieren an Kunst- und Musikhochschulen. Gleiches gilt für den Beruf des Tanzpädagogen als Aus- oder Weiterbildungsberuf. Tanzpädagogen und -pädagoginnen unterrichten heute die verschiedensten Tanzformen, angefangen vom klassischen Tanz über Modern Dance bis hin zu Jazztanz, Hip Hop, Contact Improvisation und Tanztheater (www.berufenet.arbeitsagentur.de/berufe - Stichwort "Tanzpädagoge/-pädagogin"). Die Vermutung des LSG, dass in einem aktualisierten Künstlerbericht die Bezeichnung "Balletttänzer" wahrscheinlich durch die Bezeichnung "Bühnentänzer" ersetzt wäre, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Der Bühnentänzer muss nicht nur über eine Ballettausbildung (als technische Basis) verfügen, sondern die Elemente aller modernen Tanzstile beherrschen. Bereits für die Aufnahme der Ausbildung an einer Schule für Bühnentanz oder für darstellende Künste wird im Rahmen der regelmäßig zu absolvierenden Aufnahmeprüfung der Nachweis sowohl von Kenntnissen im klassischen Ballett als auch in den zeitgenössischen Tanzstilen verlangt. Dies ist ein Beleg für die geänderte Verkehrsauffassung in diesem Bereich.
 
b) Die Ausübung oder die Lehre bestimmter Tanzformen ist als eine mit dem Ballett vergleichbare Form der darstellenden Kunst einzuordnen, wenn künstlerische Elemente das Gesamtbild prägen, Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet (vgl Senatsurteil vom 7.12.2006 - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 RdNr 15 mwN - "Tango Argentino"). Dies ist den Feststellungen des LSG entsprechend bei der Tätigkeit der Klägerin der Fall gewesen. Der Unterricht der Klägerin war schwerpunktmäßig dem Bereich des Bühnentanzes bzw dem Bereich der Tanzkunst zuzuordnen. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass beide Schulen, an denen die Klägerin unterrichtet hat, Vorausbildungsschulen für eine spätere Bühnentanzausbildung sind. In dieser Funktion sind sie von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr 21 Buchst a Doppelbuchst bb UStG), weil sie auf einen Beruf vorbereiten und damit unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen und nicht etwa der bloßen Freizeitgestaltung, wie es bei Einrichtungen des Breiten- und Freizeitsports der Fall ist (vgl BFHE 221, 302, 307 f, 309). Dieses Ziel kommt auch im Unterrichtsaufbau zum Ausdruck, der für die Teilnahme an den Kursen des zeitgenössischen Tanzes regelmäßig die vorherige Teilnahme am Ballettunterricht voraussetzt. Die Ballettausbildung bildet die Basis für den zeitgenössischen Tanz. Selbst wenn nicht die Mehrzahl der Schüler und Schülerinnen im Tanzbereich später beruflich tätig wird, so bieten die Schulen für Personen, die ein entsprechendes Interesse bzw Potential mitbringen, die notwendige Vorbereitung für eine spätere Schul- oder Hochschulausbildung im Bereich des Bühnentanzes an. Der Unterricht der Klägerin war daher unmittelbar darauf ausgerichtet, die Schüler und Schülerinnen zur Ausübung oder Schaffung darstellender Kunst zu befähigen. Dies unterscheidet den Unterricht der Klägerin vom Jazztanzunterricht, wie er etwa in einem Sportverein oder Fitnessstudio erteilt wird. Solcher Unterricht dient vorrangig der sportlichen Betätigung und der Freizeitgestaltung. Dass der Unterricht der Klägerin dagegen auf den Bühnentanz als Tanzkunst - im Unterschied zum Tanzsport - ausgerichtet war, zeigt sich augenscheinlich darin, dass nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG alle Kursgruppen regelmäßig an Aufführungen teilgenommen haben nach entsprechender Unterweisung und Vorbereitung durch die Klägerin. Damit erfüllt der Unterricht die Voraussetzungen für eine Einordnung als Lehre von darstellender Kunst, weil er die Schüler und Schülerinnen dazu befähigt hat, den Tanz eigenständig aktiv auszuüben, entweder zu Freizeitzwecken oder als Vorbereitung für eine spätere berufliche Betätigung, beispielsweise in Musicalproduktionen.
 
c) Dem steht nicht entgegen, dass einige der unterrichteten Gruppen (sog "Wettbewerbsgruppen") bei Tanzwettbewerben ihr tänzerisches Können mit anderen gemessen haben. Allein deshalb ist der Tanzunterricht nicht dem Bereich des (Leistungs- oder Wettkampf-) Sports zuzuordnen. Kennzeichnend für den Sport ist zwar vorrangig der Wettbewerbsgedanke (vgl Senatsurteil vom 16.4.1998 - BSGE 82, 107, 111 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 65 -"Demonstrationssportler"). Doch existieren auch Wettbewerbe, in denen die Teilnehmer nicht in erster Linie ihr sportliches Geschick, sondern ihre künstlerischen Fähigkeiten in Konkurrenz stellen (zB Malwettbewerbe, "Jugend musiziert"). Zutreffend hat das LSG darauf verwiesen, dass sogar im Bereich des Balletttanzes Wettbewerbe mit Preisverleihungen stattfinden.
 
Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung für die Abgrenzung von Sport und Kunst unter maßgeblicher Beachtung der Verkehrsauffassung auf weitere Kriterien wie die Existenz von Regeln und Wertmaßstäben aus dem Bereich des Sports, auf die Art der Veranstaltung, den Veranstaltungsort sowie die Zugehörigkeit des Akteurs zu einschlägigen Interessengruppen, Vereinigungen etc abgestellt (vgl dazu Senatsurteil vom 16.4.1998 - BSGE 82, 107, 112 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 65 - "Demonstrationssportler"). Entscheidendes Kriterium für die Zuordnung zum Bereich des Sports ist danach vorrangig, ob sporttypische Regeln und Wertmaßstäbe existieren, insbesondere ob für eine Aktivität ein Regelwerk existiert, das von einem Verband erlassen wurde, der dem Deutschen (Olympischen) Sportbund angehört (vgl BSG aaO und Senatsurteil vom 7.12.2006 - BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 RdNr 18 - "Tango Argentino"). Anders als für die vom DTV ausgerichteten Turniere unterliegen die Bühnentanzwettbewerbe, zu denen beispielsweise auch der Deutsche Ballettwettbewerb zählt und an welchem die Klägerin mit ihren Wettbewerbsgruppen teilgenommen hat, nicht dem starren Regelwerk des DTV. Bühnentanz-Wettbewerbe haben eigene Bewertungsmaßstäbe, in die vor allem Kriterien wie Ausdruck, Interpretation und Choreografie einfließen, wodurch Tanz als Kunstform präsentiert wird und entsprechende Wirkung entfaltet. An die Stelle rein sportlicher Wertmaßstäbe treten damit überwiegend künstlerische Wertmaßstäbe. Dies ermöglicht auch, dass die Akteure selbst einen künstlerischen Anspruch für ihre Tätigkeit erheben können (vgl dazu Senatsurteil vom 26.11.1998 - BSGE 83, 160, 162 = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 34 - "Catcher/Wrestler"). Weitere Kriterien, die nach den Feststellungen des LSG gegen eine Zuordnung zum Bereich des Sports sprechen, sind der Austragungsort der Wettbewerbe (hier: Bühne nicht Sporthalle) sowie die Bezeichnung der Veranstaltung ("Ballettwettbewerb"). Auch dies unterstreicht schließlich den künstlerischen Charakter der Wettbewerbe in Abgrenzung zu reinen Sportveranstaltungen.
 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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