B 13 R 3/10 R
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die höhere Bewertung des Zeitraums einer beruflichen Ausbildung bei der Berechnung der Altersrente des Klägers.
Im Versicherungskonto des Klägers sind der Zeitraum 1.4.1963 bis 30.9.1965 als Pflichtbeitragszeit aufgrund beruflicher Ausbildung sowie der Zeitraum 1.4.1974 bis 31.3.1976 als Zeit der Arbeitslosigkeit sowie zugleich einer Fachschulausbildung (letztere bis zum 23.3.1976) gespeichert. Der Fachschulbesuch wurde von der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit (BA) durch Zahlung von Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 1 AFG gefördert; im Zeitraum davor (bis 31.3.1974) und danach (ab 1.4.1976) sind Pflichtbeitragszeiten vermerkt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1.2.2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit einem Zugangsfaktor von 1,0, insgesamt zugrunde gelegten 69,8955 persönlichen Entgeltpunkten (EP) und einem monatlichen Zahlbetrag von 1667,99 Euro (Bescheid vom 11.11.2008). Hierbei bewertete sie die 24 Monate beitragsfreie Zeit von April 1974 bis März 1976 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit mit 80 vH des - 0,1314 EP je Kalendermonat betragenden - Gesamtleistungswerts (insgesamt 2,5224 EP). Hinsichtlich der insgesamt 30 Monate an Pflichtbeitragszeiten einer beruflichen Ausbildung (April 1963 bis September 1965) berücksichtigte sie nur für die 12 Monate des Zeitraums April 1963 bis März 1964 einen Zuschlag auf die bereits durch Pflichtbeiträge erworbenen EP (0,1375 EP) bis zur Höhe des auf maximal 0,0625 EP je Kalendermonat begrenzten Gesamtleistungswerts (insgesamt 0,6125 EP). Die restliche Zeit bewertete sie lediglich mit 0,2067 EP, die sich aus den tatsächlich erzielten Arbeitsentgelten ergaben. Dabei ging die Beklagte davon aus, dass von den nach § 74 S 3 SGB VI höchstens zu bewertenden drei Jahren einer beruflichen Ausbildung, Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme bereits zwei Jahre auf die (vorrangig zu bewertende) Zeit der Fachschulausbildung vom 1.4.1974 bis 23.3.1976 entfielen, sodass für einen Zuschlag für beitragsgeminderte Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nur noch 12 Monate verblieben.
Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 5.3.2009, Urteile des SG Aachen vom 26.6.2009 und des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.10.2009). Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, der vom Kläger für die Monate April 1964 bis September 1965 begehrte Zuschlag zu den EP komme ausschließlich im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung in Betracht. Die Beklagte habe jedoch zutreffend gemäß § 74 S 3 SGB VI den Zeitraum des Fachschulbesuchs (April 1974 bis März 1976) vorrangig bewertet und nur dem danach noch verbleibenden Zeitraum einer beruflichen Ausbildung im Umfang von 12 Monaten (April 1963 bis März 1964) nach § 71 Abs. 2 S 1 SGB VI zusätzliche EP bis zum begrenzten Gesamtleistungswert von 0,0625 EP je Kalendermonat zugeordnet. Dem stehe nicht entgegen, dass sie nach Maßgabe des Günstigkeitsprinzips die Monate April 1974 bis März 1976 nicht mit dem begrenzten Gesamtleistungswert für Ausbildungszeiten von 75 vH (höchstens 0,0625 EP), sondern mit dem höheren Wert für Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit (§ 263 Abs. 2a S 1 SGB VI: 80 vH des Gesamtleistungswerts) bewertet habe.
Nach § 74 S 3 SGB VI seien Zeiten einer beruflichen Ausbildung, Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme für insgesamt höchstens drei Jahre zu "bewerten". Weder § 71 noch § 74 SGB VI lasse sich entnehmen, dass Ausbildungszeiten nur dann als "bewertet" anzusehen seien, wenn für sie gerade der Gesamtleistungswert für Ausbildungszeiten berücksichtigt werde; entscheidend sei nach dem Wortlaut vielmehr allein, dass überhaupt eine Bewertung stattgefunden habe. Nichts anderes ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte, dem Sinn und Zweck sowie aus der systematischen Einordnung des § 74 S 3 SGB VI. Die Bewertung von Zeiten einer Fachschulausbildung mit dem für Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit maßgeblichen Gesamtleistungswert führe nicht zu Wertungswidersprüchen innerhalb des Systems der Gesamtleistungsbewertung. Diese Auslegung sei auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 GG stehe weder dem System der Gesamtleistungsbewertung noch einer Begrenzung der Bewertung von Zeiten der beruflichen Ausbildung - einschließlich der Fachschulzeiten - auf höchstens 0,0625 EP je Kalendermonat und auf höchstens drei Jahre entgegen.
Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung von § 74 S 3 SGB VI. Der Zeitraum vom 1.4.1974 bis 23.3.1976 umfasse sowohl eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit nach § 58 Abs. 1 S 1 Nr. 3 SGB VI als auch eine Anrechnungszeit wegen Fachschulbesuchs nach § 58 Abs. 1 S 1 Nr. 4 SGB VI. Dass bei der Rentenberechnung diese Zeit nur als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit und nicht zusätzlich auch noch als Anrechnungszeit wegen Fachschulbesuchs bewertet werde, nehme er hin. Die höhere Bewertung als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit (mit 80 vH des Gesamtleistungswerts, ohne Begrenzung auf 0,0625 EP je Kalendermonat) verdränge jedoch die Bewertung als Anrechnungszeit wegen Fachschulbesuchs. Die in § 74 S 3 SGB VI angeordnete Begrenzung der Bewertung von (ua) Zeiten einer Fachschulausbildung auf drei Jahre beziehe sich nur auf Zeiten des Besuchs einer Fachschule, die auch als solche bewertet worden seien; die Zeit vom 1.4.1974 bis 23.3.1976 dürfe hierauf nicht angerechnet werden. Der Sinn der vorrangigen Bewertung von Fachschulzeiten bestehe darin, diese besser zu stellen als Zeiten der beruflichen Ausbildung, weil in der Regel während des Schulbesuchs überhaupt keine Beiträge, für Berufsausbildungszeiten jedoch Pflichtbeiträge gezahlt würden. Dieser Gesetzeszweck werde ins Gegenteil verkehrt, wenn Zeiten der Fachschulausbildung, die als anderer rentenrechtlicher Tatbestand bereits besser bewertet worden seien, voll auf die beitragsgeminderten Zeiten einer beruflichen Ausbildung angerechnet würden. Dann stehe ein Versicherter besser da, der in der fraglichen Zeit nur arbeitslos gewesen sei; wer dagegen Zeiten der Arbeitslosigkeit zur Fortbildung nutze, erhalte eine geringere Rente. Dies könne nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein. Auch das Bundesversicherungsamt habe in seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2008 auf diese Problematik hingewiesen und eine Gesetzesänderung angeregt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2009 und des Sozialgerichts Aachen vom 26. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 11. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2009 zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen in der Höhe zu zahlen, die sich bei Bewertung auch des Zeitraums April 1964 bis September 1965 mit 0,0625 Entgeltpunkten je Kalendermonat ergibt.
Die Beklagte beantragt,
- die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 165 S 1 iVm § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs. 1 S 1 SGG). Die Rentenfestsetzung in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist rechtmäßig; das LSG hat daher seine Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.
1. Rechtsgrundlage für den vom Kläger zutreffend in Form einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S 1 Alt 2, Abs. 4 iVm § 56 SGG) geltend gemachten Anspruch auf einen Zuschlag zu den bei seiner Rente zu berücksichtigenden EP für den Zeitraum April 1964 bis September 1965 ist § 71 Abs. 2 S 1 SGB VI (in der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Fassung von Art 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 11.4.2002, BGBl I 1302). Danach ist für beitragsgeminderte Zeiten die Summe der EP um einen Zuschlag so zu erhöhen, dass mindestens der Wert erreicht wird, den diese Zeiten jeweils als beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit, wegen einer schulischen Ausbildung und als Zeiten wegen einer beruflichen Ausbildung oder als sonstige beitragsfreie Zeiten hätten.
Aus der Regelung in § 54 Abs. 3 SGB VI ergibt sich, was beitragsgeminderte Zeiten im Sinne dieser Vorschrift sind: Nach der Definition in Satz 1 (aaO) sind dies solche Kalendermonate, die sowohl mit Beitragszeiten als auch mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder Ersatzzeiten belegt sind; unabhängig hiervon gelten gemäß Satz 2 (aaO) als beitragsgeminderte Zeiten auch alle Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung). Die Vorgaben in § 71 Abs. 3 S 1 Nr. 2 SGB VI stehen dem nicht entgegen. Zwar werden nach dieser Regelung Kalendermonate mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung für die Gesamtleistungsbewertung "insoweit nicht als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt". Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine gleichsam vor die Klammer gezogene Berechnungsvorschrift für die Ermittlung der Höhe des Gesamtleistungswerts im Rahmen der Grundbewertung (§ 72 SGB VI) oder der Vergleichsbewertung (§ 73 SGB VI). Für die Frage, ob eine beitragsgeminderte Zeit vorliegt, für die im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung ein Zuschlag an EP gewährt werden kann, ist § 73 Abs. 3 S 1 Nr. 2 SGB VI hingegen ohne Bedeutung (vgl von Koch in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 71 RdNr. 19; Zweng/ Scheerer/ Buschmann/ Dörr, Handbuch der RV, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, Stand September 2011, § 71 RdNr. 29c, 29d; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand September 2011, K § 71 RdNr. 79, 83).
Da der Kläger im hier streitbefangenen Zeitraum April 1964 bis September 1965 Pflichtbeiträge für eine berufliche Ausbildung aufweist, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 71 Abs. 2 S 1 SGB VI für einen Zuschlag an EP für beitragsgeminderte Zeiten an sich erfüllt.
2. Der Berücksichtigung eines Zuschlags für diesen Zeitraum steht vorliegend jedoch die Regelung in § 74 S 3 SGB VI zur Begrenzung der Gesamtleistungsbewertung - in Gestalt einer Anordnung zur ausnahmsweisen Nicht-Bewertung bestimmter Zeiten (vgl BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 8 RdNr. 28) - entgegen. Nach dieser Vorschrift (hier anzuwenden in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21.7.2004, BGBl I 1791) werden Zeiten einer beruflichen Ausbildung, Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme insgesamt für höchstens drei Jahre bewertet, vorrangig die Zeiten der Fachschulausbildung und der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Die Regelung fasst sowohl bestimmte Anrechnungszeiten im Sinne von § 58 Abs. 1 S 1 Nr. 4 SGB VI (Fachschulbesuch und Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen als Zeiten einer schulischen Ausbildung) als auch Zeiten einer beruflichen Ausbildung zu einer Gruppe zusammen und unterwirft sie in Bezug auf die Anwendung eines Gesamtleistungswerts einer gemeinsamen Höchstdauerbegrenzung; zugleich legt sie die Reihenfolge fest, in der im Falle des Wirksamwerdens der zeitlichen Begrenzung diese Zeiten für eine Bewertung bzw Höherbewertung zum Zuge kommen oder aber ausgeschlossen werden.
Bei der Umsetzung der Höchstdauerbegrenzungsregelung des § 74 S 3 SGB VI hat die Beklagte zu Recht die beitragsfreie Zeit von April 1974 bis März 1976 (24 Monate), in der der arbeitslose Kläger (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 43 S 116) von der BA Unterhaltsgeld nach § 44 AFG für die von ihm absolvierte Fachschulausbildung erhielt, als Zeit einer Fachschulausbildung berücksichtigt. Dem steht - anders als der Kläger dies meint - nicht entgegen, dass der genannte Zeitraum im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung (§ 58 Abs. 1 S 1 Nr. 4 iVm § 74 S 1 und 2 SGB VI), sondern vielmehr - günstiger - als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit (§ 58 Abs. 1 S 1 Nr. 3 iVm § 252 Abs. 7 S 1 Nr. 3 Buchst a und § 263 Abs. 2a S 1 SGB VI) bewertet wird.
a) Der Wortlaut der Begrenzungsregelung gibt allerdings keine eindeutigen Hinweise darauf, ob Zeiträume, denen sowohl als Fachschulausbildung als auch in anderer Hinsicht - etwa als Zeiten der Arbeitslosigkeit - rentensteigernde Bedeutung zukommen kann, im Rahmen der Höchstdauerbegrenzung stets oder aber nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie nach den Bewertungsregeln für eine Fachschulausbildung rentenwirksam werden. § 74 S 3 SGB VI ordnet an, dass "Zeiten einer (…) Fachschulausbildung (…) insgesamt für höchstens drei Jahre bewertet" werden. Dieser Wortlaut stellt ohne nähere Eingrenzungen nur auf eine rentenrechtliche Bewertung an sich ab; jedenfalls ist nicht mit hinreichender Klarheit erkennbar, dass nur Zeiten, die gerade als Fachschulausbildung bewertet werden, in die Höchstdauerregelung einbezogen werden dürfen. Er schließt eine solche - ihren Anwendungsbereich einschränkende - Deutung jedoch auch nicht aus.
b) Die Entstehungsgeschichte der Regelung hingegen zeigt auf, dass durch sie "eine unverhältnismäßige rentenrechtliche Besserstellung nichtakademischer Ausbildung" im Zusammenhang mit der Abschaffung einer Bewertung von Zeiten der Schul- bzw Hochschulausbildung verhindert werden sollte (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum RV-Nachhaltigkeitsgesetz, BT-Drucks 15/2149 S 19 <Ziff 4 letzter Abs>). Da es nach bislang geltendem Recht im Einzelfall bei Absolvierung einer Fachschule und zusätzlich einer Berufsausbildung im dualen System (gegebenenfalls auch mehrerer) zu einer (Höher-)Bewertung von sechs oder mehr Ausbildungsjahren kommen konnte, sollte die Begrenzung eine "weit reichende Besserstellung nichtakademischer Ausbildung" verhindern (BT-Drucks 15/2149 S 24 - Zu Nr. 13 <§ 74>). Der Sinn und Zweck der Regelung besteht somit darin, die (Höher-)Bewertung aller Formen einer nichtakademischen Ausbildung auf maximal drei Jahre zu begrenzen, um deren gewollte - jedoch rechtfertigungsbedürftige (vgl Senatsurteil vom 19.4.2011 - BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr. 3, RdNr. 51 ff) - Privilegierung abzusichern, indem eine "Überprivilegierung" ausgeschlossen wird. Zugleich ist sie Bestandteil einer mittel- und langfristig wirkenden (Spar-)Maßnahme, mit der die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sichergestellt werden sollte (BT-Drucks 15/2149 S 2 bzw S 18 - vgl hierzu bereits BSG SozR 4-2600 § 48 Nr. 4 RdNr. 32 und BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr. 3, RdNr. 32 f). Es liegt auf der Hand, dass die von der Revision geforderte einschränkende Auslegung der Höchstdauerbegrenzungsregelung zur Verwirklichung der genannten Ziele in geringerem Maße beitragen würde als deren umfassende Anwendung, wie die Beklagte sie praktiziert.
c) Entscheidend sprechen jedoch systematische Gesichtspunkte für eine Berücksichtigung sämtlicher Zeiten eines Fachschulbesuchs oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme - unabhängig von ihrer konkreten Bewertung - im Rahmen der Höchstdauerbegrenzungsregelung des § 74 S 3 SGB VI.
aa) Das SGB VI enthält - anders als früher die RVO bzw das AVG - keinen Rechtssatz des Inhalts, dass bei zeitgleicher Erfüllung von Tatbeständen unterschiedlicher rentenrechtlicher Zeiten eine Zeit der anderen Zeit stets und in jeder Hinsicht vorgeht, letztere also vollständig verdrängt (BSG SozR 4-2600 § 247 Nr. 1 RdNr. 14 mwN - insbesondere unter Hinweis auf Erwe, NZS 1995, 1, 3 ff). Vielmehr stehen grundsätzlich die zeitgleich erfüllten Tatbestände mehrerer rentenrechtlicher Zeiten gleichwertig nebeneinander, dh sie sind in ihrer jeweiligen Ausprägung bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen, sofern nicht gesetzliche Ausschlusstatbestände oder die Grundsätze der Gesetzeskonkurrenz die Anrechnung nur einer Art der an sich in mehrfacher Hinsicht berücksichtigungsfähigen Zeit anordnen (BSG aaO).
Nach diesem dem SGB VI zugrunde liegenden System zur Bewältigung von Konkurrenzen unterschiedlicher rentenrechtlicher Zeiten kommt hinsichtlich des Umfangs der Bewertung zeitgleich erfüllter Anrechnungszeiten - wegen ihres identischen Zwecks, ausgefallene Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung teilweise auszugleichen (vgl Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 118/08 R - Juris RdNr. 25 mwN) - im Rahmen des sog Günstigkeitsprinzips nur die jeweils höhere Bewertung zum Tragen (Erwe, aaO S 5 <unter IV. 3. Buchst f>; Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 3 - Rentenversicherungsrecht, 1999, § 38 RdNr. 159; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand September 2011, K § 58 RdNr. 15). Die davon zu unterscheidende Frage, ob die gesetzliche Höchstdauer für die rentenrechtliche Berücksichtigung bestimmter Zeiten (hier: Zeiten nach § 74 S 3 SGB VI) überschritten ist, wird hierdurch jedoch nicht präjudiziert. Insoweit ist vielmehr gesondert zu untersuchen, ob ausnahmsweise ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand greift oder die Prinzipien der Gesetzeskonkurrenz die Berücksichtigung einer Zeit im Rahmen der Höchstdauer ausschließen. Soweit dies nicht der Fall ist, zählt eine Zeit, die nach ihrer spezifischen Ausprägung jedenfalls auch zu den höchstdauerbegrenzten Zeiten gehört, bei der Bestimmung der Höchstdauer mit (vgl Erwe, aaO S 5 <unter V. - dort auch Fußnote 46>).
bb) Für die Behandlung des Zeitraums April 1974 bis März 1976 im Rahmen der Höchstdauerbegrenzungsregelung des § 74 S 3 SGB VI gilt danach Folgendes:
Der Kläger bezog in der Zeit des Fachschulbesuchs für diese Maßnahme zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht von der BA Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG. Damit erhielt er für eine Zeit der Arbeitslosigkeit (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 43 S 116) eine öffentlich-rechtliche Leistung, sodass auch die Voraussetzungen für eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit erfüllt sind (§ 58 Abs. 1 S 1 Nr. 3 iVm § 252 Abs. 7 S 1 Nr. 3 Buchst a und § 263 Abs. 2a SGB VI). Die im genannten Zeitraum vorliegende Anrechnungszeit einerseits wegen Fachschulbesuchs und andererseits wegen Arbeitslosigkeit ist somit aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts entstanden.
Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Zeit der Fachschulausbildung, die Inhalt und Pflicht einer von der BA geförderten beruflichen Fortbildungsmaßnahme war, rentenversicherungsrechtlich deshalb nur insgesamt und einheitlich und in jeglicher Beziehung - dh auch im Rahmen der Höchstdauerbegrenzungsregelung nach § 74 S 3 SGB VI - als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit behandelt werden dürfte.
Allerdings hat der Senat bereits entschieden, dass eine Fachschulausbildung, die im Rahmen einer berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme der BA absolviert wurde, nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung berücksichtigt werden darf, sondern diese versicherungsrechtlich insgesamt und einheitlich das Schicksal der Rehabilitationsmaßnahme teilt (Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 79/09 R - SozR 4-2600 § 58 Nr. 13 RdNr. 33 f). Die genannte Entscheidung, bei der die Höchstdauerbegrenzung nach § 74 S 3 SGB VI ohne Bedeutung war, kann auf die hier zu beurteilende Konstellation jedoch nicht übertragen werden. Insbesondere greift vorliegend - anders als im Senatsurteil vom 19.4.2011 (aaO) - kein gesetzlicher Ausschlusstatbestand ein, der die Konkurrenz zeitgleich erfüllter rentenrechtlicher Sachverhalte regelt. Während dort der Ausschlusstatbestand des § 58 Abs. 1 S 3 SGB VI wegen bestehender Versicherungspflicht während des Bezugs von Sozialleistungen nach Vollendung des 25. Lebensjahrs des Versicherten erfüllt war, findet jene Regelung im hier zu beurteilenden Fall keine Anwendung. Denn der Bezug von Unterhaltsgeld nach § 44 AFG begründete im hier maßgeblichen Zeitraum von April 1974 bis März 1976 keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung; Leistungen der BA wegen Arbeitslosigkeit waren vielmehr erst ab dem 1.7.1978 (und bis zum 31.12.1982) versicherungspflichtig (vgl § 1259 Abs. 1 S 1 Nr. 3 Teils 3 RVO).
Auch die allgemeinen Regeln der Gesetzeskonkurrenz gebieten es nicht, den Zeitraum April 1974 bis März 1976 wegen dessen Bewertung (nach dem Günstigkeitsprinzip) gemäß den Bestimmungen für Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit (§ 263 Abs. 2a SGB VI) als Zeit der Fachschulausbildung iS von § 74 S 3 SGB VI unberücksichtigt zu lassen. Beide Regelungen - die (Höher-)Bewertung und die Höchstdauerbegrenzung - stehen zueinander weder im Verhältnis der Spezialität noch der Subsidiarität. Denn die Frage, in welcher Höhe eine Ausbildungszeit bewertet wird, hat keine Relevanz für die Bestimmung der Bewertungsdauer von höchstens drei Jahren. Die Bewertung einer Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung nach Maßgabe des Günstigkeitsprinzips mit einem höheren als dem nach § 263 Abs. 3 SGB VI für Fachschulzeiten vorgesehenen Gesamtleistungswert ändert jedenfalls nichts daran, dass es sich (auch) um eine Zeit der Fachschulausbildung handelt.
Somit verbleibt es - da weder ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand eingreift noch die Regeln der Gesetzeskonkurrenz Abweichendes erfordern - für die hier zu beurteilende Konstellation bei der allgemeinen rentenrechtlichen Konkurrenzregel (s oben aa). Damit sind auch Zeiten einer Fachschulausbildung, die nicht als solche, sondern nach günstigeren Bestimmungen bewertet werden, im Rahmen der Höchstdauerbegrenzungsregelung des § 74 S 3 SGB VI zu berücksichtigen.
d) Dieses Ergebnis ist auch mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung vereinbar. Wie bereits ausgeführt (s oben unter b), soll mit Hilfe von § 74 S 3 SGB VI die beitragsfreie rentenrechtliche Berücksichtigung von Zeiten einer nichtakademischen Ausbildung im Interesse der Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung auf höchstens drei Jahre beschränkt werden. Dem widerspräche es, wenn dieser Zeitraum allein dadurch ausgedehnt werden könnte, dass Teile einer nichtakademischen Ausbildung zusätzlich durch Sozialleistungen (hier Unterhaltsgeld) gefördert und aufgrund dessen sogar besser als die Ausbildungszeit selbst bewertet werden. Dies wäre aber die Konsequenz, würde im vorliegenden Fall - dem Anliegen des Klägers entsprechend - die Zeit von April 1974 bis März 1976 nicht als Fachschulzeit, sondern ausschließlich als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Die Einbeziehung anderweitig bewerteter Fachschulzeiten in die Höchstdauerbegrenzungsregelung läuft auch nicht der Absicht des Gesetzgebers zuwider, Zeiten der Fachschulausbildung gegenüber sonstigen Zeiten der beruflichen Ausbildung vorrangig zu berücksichtigen und dadurch besser zu stellen. Denn anders, als der Kläger dies behauptet, wird der von ihm zurückgelegten Fachschulzeit eine rentenrechtliche Bewertung nicht gänzlich versagt. Im Gegenteil wird die Zeit aufgrund des Günstigkeitsprinzips sogar höher bewertet, als dies gemäß § 71 Abs. 1 iVm § 74 S 1 und 2 SGB VI an sich für Fachschulzeiten vorgesehen ist.
e) Die vom Senat für zutreffend erachtete Auslegung des § 74 S 3 SGB VI widerspricht nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt vor, wenn wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung - dh willkürlich - ungleich behandelt wird (BVerfGE 76, 256, 329). Art 3 Abs. 1 GG ist demnach dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr. 7 RdNr. 70; BVerfGE 122, 151, 188 = SozR 4-2600 § 237 Nr. 16 RdNr. 62; BVerfGE 126, 29, 47; stRspr).
Hier ist jedoch keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem festzustellen. Insbesondere handelt es sich bei den vom Kläger angeführten Vergleichsgruppen, nämlich einerseits von Versicherten, die während der Zeit einer Arbeitslosigkeit ohne weitere Anstrengungen "nur" Arbeitslosengeld bezogen (was dazu führt, dass bei ihnen die Höherbewertung bereits früher zurückgelegter Zeiten einer beruflichen Ausbildung unangetastet bleibt) und andererseits von Versicherten, die nach Arbeitslosmeldung als berufsfördernde Maßnahme eine Fachschule absolvierten und hierfür Unterhaltsgeld erhielten (was nach § 74 S 3 SGB VI zur Verkürzung des Zeitraums der Bewertung bereits früher zurückgelegter Zeiten einer beruflichen Ausbildung führt), um nicht vergleichbare Sachverhalte.
Die genannten Sozialleistungen haben an unterschiedliche Voraussetzungen (Lebenslagen) angeknüpft: Das Arbeitslosengeld nach § 100 AFG setzte neben dem Vorliegen von Arbeitslosigkeit insbesondere voraus, dass der Arbeitslose stets der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand und angebotene Arbeitsstellen im Rahmen des Zumutbaren annahm (§ 103 AFG); seine Bezugsdauer war daher von vornherein nicht absehbar. Hingegen erforderte der Bezug von Unterhaltsgeld nach § 44 AFG die Teilnahme an einer strukturierten Maßnahme zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht, die auf einen festen Zeitraum ausgelegt sein musste (vgl § 34 Abs. 1 S 2 iVm § 44 Abs. 1 AFG).
Eine gleiche rentenrechtliche Behandlung dieser verschiedenartigen Sachverhalte im Rahmen der begrenzten Gesamtleistungsbewertung ist nicht geboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die berufliche Qualifizierung im Rahmen einer Fachschulausbildung nicht nur - im Rahmen des § 74 S 3 SGB VI - zu einer Einschränkung der rentenrechtlichen Höherbewertung bereits früher zurückgelegter Zeiten einer beruflichen Ausbildung führt, sondern zugleich die Aussicht auf weitere Beschäftigung, ein höheres Einkommen und damit letztlich auf eine insgesamt höhere Rente eröffnet hat.
Im Lichte des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs. 1 GG erscheint eher die vom Kläger geforderte einschränkende Auslegung des § 74 S 3 SGB VI als problematisch. Sie hätte zur Folge, dass ein Fachschulbesuch, den ein Versicherter selbst finanziert, bei der Höchstdauer von drei Jahren zu berücksichtigen wäre, nicht jedoch ein Fachschulbesuch, den die BA durch Unterhaltsgeld fördert. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür ist nicht ohne Weiteres ersichtlich.
3. Die vorrangige Berücksichtigung des Zeitraums der Fachschulausbildung im Rahmen der Höchstdauerbegrenzung von drei Jahren führt dazu, dass zugunsten des Klägers weitere Zeiten im Sinne des § 74 S 3 SGB VI - hier Zeiten der beruflichen Ausbildung von April 1963 bis September 1965 - nur noch im Umfang von maximal 12 Monaten bewertet werden können. Dabei sind die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate zunächst zu berücksichtigen (§ 122 Abs. 3 SGB VI), also hier der Zeitraum April 1963 bis März 1964, während für die nachfolgende - hier streitbefangene - Zeit von April 1964 bis September 1965 kein Zuschlag an EP mehr gewährt werden kann. Davon unberührt bleibt die Bewertung der in diesem Zeitraum gezahlten Pflichtbeiträge (§§ 55, 70 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.