B 3 KS 5/08 B
Tatbestand
Die klagende GmbH betreibt eine Werbeagentur, die von der beklagten Künstlersozialkasse für die Zeit ab 1999 auf Abführung der Künstlersozialabgabe (KSA) in Anspruch genommen wird. Streitig ist insbesondere die Einbeziehung des "Geschäftsführergehalts" des Gesellschafters T. B. in die Bemessungsgrundlage (§ 25 Künstlersozialversicherungsgesetz <KSVG>) . Nach den Erklärungen der Beteiligten im Berufungsverfahren geht es im vorliegenden Rechtsstreit um den Grund und die Höhe der KSA-Verpflichtung der Klägerin für die Jahre 1999 bis 2004 sowie um die von der Klägerin beantragte Feststellung, ihre Inanspruchnahme sei rechtswidrig und die Beklagte habe ihr deshalb alle daraus folgenden Schäden, insbesondere Schäden aus der Zwangsvollstreckung, zu ersetzen. Nicht zum Streitgegenstand gehört die KSA-Forderung für die Zeit ab 2005; hierum streiten die Beteiligten vor dem Sozialgericht (SG) Koblenz im Verfahren S 5 KR 472/08.
Das SG hat die vorliegende Aufhebungs- und Feststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 12.2.2008). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 7.8.2008). Es hat die Abgabepflicht der Klägerin auf § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG gestützt, weil eine Werbeagentur den Tatbestand der "Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte" erfülle. Der Gesellschafter B. sei als Diplom-Grafikdesigner, der in der Werbeagentur für den kreativen Bereich zuständig sei, als selbstständiger Künstler oder Publizist iS der §§ 1 und 2 KSVG anzusehen, weil er ebenso wie die beiden anderen Gesellschafter zur Alleinvertretung berechtigt sei, und nach dem Gesellschaftsvertrag bei Gesellschafterbeschlüssen nicht überstimmt werden könne. Die Feststellungsklage sei neben der - für unbegründet erkannten - Anfechtungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs. 2, 160a Abs. 2 Satz 3 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs. 4 Satz 1, 169 SGG) .
1. Die Klägerin macht in erster Linie geltend, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) . Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr. 11 und SozR 1500 § 160a Nr. 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 54) . In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 51, § 160a Nr. 13 und 65, BSG SozR 3-1500 § 160 Nr. 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap IX, RdNr. 66 mwN) . Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr. 48 und BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr. 12) . Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, über die das Bundessozialgericht (BSG) in dem angestrebten Revisionsverfahren eine grundsätzliche Entscheidung treffen könnte. In der Beschwerdebegründung übt die Klägerin lediglich in allgemeiner Form Kritik am prozessualen Vorgehen des LSG im Berufungsverfahren, am Ergebnis der getroffenen Berufungsentscheidung, an der - aus ihrer Sicht zu unbestimmten und zu weiten - Fassung der §§ 1, 2, 24 und 25 KSVG sowie an der - aus ihrer Sicht unzureichenden - Praxis der Beklagten bei der Erfassung der abgabepflichtigen Unternehmen. Sie bemängelt insbesondere die Einbeziehung des "Geschäftsführergehalts" ihres Gesellschafters B. in die Bemessungsgrundlage, obwohl dieser - so ihre Einschätzung - nach dem KSVG nicht selbst versicherungspflichtig sei (keine Selbstständigkeit; keine überwiegend künstlerische oder publizistische Tätigkeit), der Abgabepflicht der GmbH also kein versicherungsrechtlicher Vorteil ihres Gesellschafters gegenüberstehe. Damit spricht die Klägerin zwar einige Punkte an, mit denen sich das LSG zu beschäftigen hatte, ohne aber die Problematik des Falles auf eine bestimmte Rechtsfrage zurückzuführen. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, im Beschwerdeverfahren nach § 160a SGG aus der Gesamtheit des unterbreiteten Beschwerdevorbringens die noch klärungsbedürftigen Rechtsfragen selbst herauszuarbeiten.
Selbst wenn hier aber die Formulierung einer konkreten Rechtsfrage unterstellt würde, fehlt es jedenfalls an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der in der Beschwerdebegründung angesprochenen Punkte. Die Klägerin setzt sich nicht mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung des BSG zu diesen Punkten auseinander, sodass nicht erkennbar wird, dass der Fall noch (oder wieder) klärungsbedürftige Fragen von allgemeinem Interesse aufwirft. So hat das BSG bereits entschieden, dass Unternehmen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG der KSA-Pflicht unterliegen, wenn sie - wie zB Werbeagenturen - nach ihrem Unternehmensgegenstand (nur oder auch) Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte betreiben (BSG SozR 3-5425 § 25 Nr. 13) . Weisen der Firmenname und/oder der Eintrag im Handelsregister auf eine kunstverwertende Tätigkeit hin, kann die Abgabepflicht nach § 24 KSVG festgestellt werden, auch wenn die tatsächlich ausgeübten Geschäftstätigkeiten anderer Art sein sollten (BSG SozR 4-5425 § 24 Nr. 3) . Eine GmbH hat für einen überwiegend künstlerisch oder publizistisch tätigen selbstständigen Gesellschafter-Geschäftsführer die KSA abzuführen (BSGE 82,107 = SozR 3-5425 § 25 Nr. 12; BSG SozR 3-5425 § 25 Nr. 13) . Ein selbstständiger Werbewirt oder Grafiker ist auch dann Künstler oder Publizist iS des KSVG, wenn er sich als Inhaber einer Werbeagentur auf Leitungsaufgaben beschränkt und bei der Erstellung von Werbematerial künstlerische oder publizistische Aufgaben auf Mitarbeiter überträgt, er aber die Gesamtverantwortung bzw die "geistige Oberleitung" innehat (BSG SozR 4-5425 § 25 Nr. 1). Die in § 25 KSVG vorgesehene Erstreckung der Abgabepflicht auf Honorare für selbstständige Künstler und Publizisten, die selbst nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegen, verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Europarecht (BSG SozR 3-5425 § 25 Nr. 5, 6 und 7; BVerfGE 73, 108 = SozR 5425 § 1 Nr. 1; EuGH SozR 3-6050 Art 13 Nr. 12) .Außerdemhat das BSG die Begriffe der Kunst und der Publizistik iS der §§ 1 und 2 KSVG durch eine umfangreiche Rechtsprechung definiert und eingegrenzt (zB BSGE 77, 21 = SozR 3-5425 § 24 Nr. 12: Unterhaltungsshow; BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr. 5: Musikinstrumentenbauer; BSGE 82, 164 = SozR 3-5425 § 2 Nr. 8: Feintäschner; BSGE 83, 160 = SozR 3-5425 § 2 Nr. 9: Berufsringer; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 12: technische Redakteure; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr. 5: Webdesigner; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr. 7: Trauerredner; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr. 9: Übersetzer; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr. 10: Tanzlehrer; BSGE 98, 152 = SozR 4-5425 § 2 Nr. 11: Tätowierer).
Abgesehen davon, dass nach dieser Rechtsprechung die Einbeziehung des "Geschäftsführer-gehalts" des Gesellschafters B. in die Bemessungsgrundlage unabhängig von dessen eigener künstlersozialversicherungsrechtlicher Versicherungspflicht rechtmäßig gewesen sein dürfte (§ 25 KSVG) , ist auch der - rechtlich unerhebliche - Einwand der Klägerin, ihr Gesellschafter B. habe sich nicht selbst nach dem KSVG versichern können, nicht nachvollziehbar dargelegt. Dieser Gesellschafter ist nach den Feststellungen des LSG im Verhältnis zur Klägerin selbstständig tätig gewesen, und zwar überwiegend im künstlerischen bzw publizistischen Bereich. Die Unterstützung durch Mitarbeiter bei dieser Tätigkeit steht der Künstlereigenschaft iS des § 2 KSVG nicht entgegen (BSG SozR 4-5425 § 25 Nr. 1). Auch die Einschränkungen des § 1 Nr. 2 KSVG bei der Zahl der Beschäftigten eines Künstlers stehen der Versicherungspflicht nicht entgegen, wenn nicht der Künstler selbst, sondern die Gesellschaft als Arbeitgeber fungiert, an der er als Gesellschafter beteiligt ist.
2. Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) ist gleichfalls nicht formgerecht dargetan. Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den das BSG entwickelt und angewandt hat und dass die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu ist notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr. 14, 21, 29 und 67) . Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Die Klägerin hat zwar eine Entscheidung des 12. Senats des BSG zitiert (Urteil vom 24.11.2005 - B 12 RA 1/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr. 7) , dazu aber lediglich behauptet, das LSG habe diese neuere Rechtsprechung des 12. Senats nicht beachtet bzw seine Entscheidung unter Verkennung dieser BSG-Entscheidung getroffen. Damit lässt sich jedoch eine zulässige Divergenzrüge iS von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht begründen. Es reicht nämlich nicht aus, dass die angebliche Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung im Hinblick auf eine anderslautende BSG-Entscheidung dargelegt wird; entscheidend ist vielmehr die Darlegung einer Nichtübereinstimmung in den abstrakten Rechtsaussagen (Krasney/Udsching, aaO, RdNr. 196 mwN) . Dies ist nicht geschehen. Abgesehen davon, dass das LSG dieses Urteil des 12. Senats in den Entscheidungsgründen zum Beleg der eigenen Rechtsauffassung zitiert hat (Urteilsumdruck S 11), mangelt es auch an der Darlegung eines Widerspruchs in den rechtlichen Aussagen, weil die Behauptung der Klägerin, der 12. Senat habe den Alleingesellschafter und alleinigen Geschäftsführer einer GmbH im Verhältnis zu der Gesellschaft als "nicht selbstständig erwerbstätig" eingestuft, nicht zutrifft. Gegenstand jenes Urteils ist die Rentenversicherungspflicht von sog arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen. Die Selbstständigkeit selbst wird nicht in Frage gestellt.
3. Ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG) ist nur dann formgerecht bezeichnet, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und - in sich verständlich - den behaupteten Verfahrensfehler ergeben; außerdem muss dargelegt werden, dass und warum die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 14) . Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht.
a) Die Rüge eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) ist schon deshalb unzulässig, weil eine Verletzung dieser Verfahrensnorm gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3, 2. Halbsatz SGG nur darauf gestützt werden kann, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies ist nicht geschehen; die Klägerin behauptet nicht einmal, dass sie in der mündlichen Verhandlung vom 7.8.2008 einen Beweisantrag gestellt hat.
b) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG ) ist auch nicht formgerecht dargelegt worden. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass das LSG einen in ihren Schriftsätzen enthaltenen bestimmten Sachverhalt nicht zur Kenntnis genommen hat. Dass die Klägerin mit ihren Argumenten letztlich keinen Erfolg hatte, kann den Vorwurf der Verletzung von prozessualen Rechten nicht begründen.
4. Soweit die Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung rügen will, liegt gleichfalls keine formgerechte Darlegung eines Verfahrensmangels vor. Nach der eindeutigen Regelung des § 160 Abs. 2 Nr. 3, 2. Halbsatz SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG gestützt werden.
5. Ausführungen zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wegen der Abweisung der Feststellungsklage erübrigen sich, weil die Anfechtungsklage keinen Erfolg hatte.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
7. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren auf 18.015,26 Euro beruht auf § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und 3, § 47 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
a) Für die Anfechtungsklage waren die von der Beklagten festgesetzten KSA-Forderungen aus den Abgabebescheiden vom 18.3.2005 (8.016,34 Euro für die Jahre 2000 bis 2003) und vom 22.3.2005 (1.836,92 Euro für das Jahr 2004) sowie die noch offene KSA-Forderung von 3.162 Euro für das Jahr 1999 aus dem Schätzungsbescheid vom 15.11.2004 zu addieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin für das Jahr 2003 zwar an Dritte gezahlte künstlerische Honorare in Höhe von 4.483 Euro gemeldet hat, sie aber nicht die daraus resultierende KSA in Höhe von 197,77 Euro akzeptiert, sondern ausdrücklich die vollständige Aufhebung des Bescheides vom 18.3.2005 beantragt hat.
b) Für die Feststellungsklage war ein zusätzlicher Streitwert von 5.000 Euro anzusetzen. Es handelt sich um den Regelstreitwert nach § 52 Abs. 3 GKG, der hier anzusetzen war, weil es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine anderweitige Festsetzung fehlt.