B 13/4 R 25/07 R
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, bestimmte von der Klägerin als Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Rumänien von 1967 bis 1977 zurückgelegte Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu sechs Sechsteln zu berücksichtigen.
Die im Jahre 1942 in Rumänien geborene Klägerin war dort von 1965 bis 1987 als Mitglied einer LPG in deren Gärtnerei tätig. Im Jahre 1991 siedelte sie in die Bundesrepublik über; sie ist Inhaberin des Vertriebenenausweises A. Im Kontenklärungsverfahren erhielt die Beklagte eine über das rumänische Arbeitsministerium weitergeleitete Bescheinigung ("Adeverinta") der Landwirtschaftsgesellschaft R. vom 10.1.1994 über die Jahre 1965 bis 1989; auch für den streitigen Zeitraum sind hierin die geplanten und die geleisteten Arbeitsnormen sowie die Arbeitstage verzeichnet. Insoweit sind die Normen (stets "120") jeweils meist um über das Doppelte erfüllt (bis auf das Jahr 1971, für das die Geburt eines Kindes verzeichnet ist). Als Zahl der "Arbeitstage" ist für 1969 "326" angegeben, für 1971 "49" und für die übrigen Jahre zwischen "146" (1977) und "294" (1968). Nach Abschluss des Kontenklärungsverfahrens (Bescheid vom 8.2.2002) zahlt die Beklagte seit dem 1.1.2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 11.3.2002). Bei der Berechnung sind innerhalb des streitigen Zeitraums die Zeiten zu fünf Sechsteln berücksichtigt, lediglich die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.1969 zu sechs Sechsteln (der insoweit zunächst angesetzte Teilzeitfaktor von 90,56 % der vollen Arbeitszeit ist aufgehoben durch Bescheid vom 6.12.2005).
Im August 2004 beantragte die Klägerin eine Erhöhung ihrer Rente ua unter Berücksichtigung der Kalenderjahre von 1967 bis 1977 als nachgewiesene Beitragszeit. Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 30.8.2004 sowie Widerspruchsbescheid vom 8.12.2004).
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat mit Urteil vom 17.6.2005 die Beklagte verurteilt, unter Abänderung der Bescheide vom 8.2.2002, 11.3.2002 sowie 30.8.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.12.2004, bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.1.2002 die Zeiten vom 1.1.1967 bis 31.12.1968, 1.1.1970 bis 12.4.1971 und vom 4.8.1971 bis 31.12.1977 als Beitragszeiten gemäß § 15 FRG zu sechs Sechsteln rentensteigernd zu berücksichtigen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe im geltend gemachten Umfang ein Anspruch nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu. Für den streitigen Zeitraum sei von einer Beitragsentrichtung auszugehen (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg vom 24.10.2003 - L 8 RJ 500/02, vom 8.9.2004 - L 2 RJ 1664/02 und Bayerisches LSG vom 21.7.1999 - L 20 RJ 620/93); die Sozialversicherungsbeiträge seien von den LPGen für die Gesamtheit der Mitglieder im abstrakten Sinn geleistet worden. Anders als bei § 16 FRG sei der Nachweis einer ununterbrochenen Beschäftigung nicht erforderlich. Denn die Beiträge seien allein aufgrund der ununterbrochenen LPG-Mitgliedschaft erbracht worden. Jedes LPG-Mitglied habe zudem Fehlzeiten durch verstärkten Arbeitseinsatz ausgleichen können (Hinweis auf das im Auftrag des LSG Baden-Württemberg erstellte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht vom 15.12.1999, veröffentlicht in RV 2000, 122 ff, 150 ff, 175 ff, 214 ff; RV 2001, 8 ff <dort 8 bis 16 zu den Verhältnissen in der Landwirtschaft>). Im Übrigen hat das SG festgestellt, dass bei der Klägerin in den streitigen Zeiten - abgesehen von dem Jahr 1971, in dem die Beschäftigung wegen Mutterschutzurlaubs unterbrochen worden sei - ein ganzjähriges Beschäftigungsverhältnis mit einer durchgehenden Arbeitsleistung für das gesamte Kalenderjahr bestanden habe, weil die Klägerin insoweit die Normen deutlich übererfüllt habe. Die Problematik einer nur teilweisen Anrechnung von Beitragszeiten nach § 26 FRG stelle sich nicht.
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 17.1.2007 die Berufung der Beklagten im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen. Insbesondere sei das SG zu Recht davon ausgegangen, dass evtl Unterbrechungen der Arbeitsleistung für die Beurteilung des Vorliegens einer Beitragszeit keine Rolle spielten.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung von § 15 Abs 1 und § 22 Abs 3 FRG. Nach den Entscheidungen des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 4.6.1986 - GS 1/85 - und vom 25.11.1987 - GS 2/85 - sei der Entschädigung von im Herkunftsland erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften nach § 15 FRG eine rechtliche Grenze dort gesetzt, wo deren Anrechnung mit der Struktur des innerstaatlichen Rechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre. Ein derartiger Fall liege bei der Beitragsentrichtung zur rumänischen Sozialversicherung für LPG-Mitglieder ohne Gegenleistung in Form von Arbeit oder Beschäftigung und ohne die Erzielung von Arbeitseinkommen vor. Demnach komme es für die Anerkennung von Beitragszeiten von 1966 bis 1977 darauf an, dass neben der Mitgliedschaft auch Unterbrechungstatbestände (zB durch Krankheit) nachgewiesen seien oder eine taggenaue Aufstellung der Arbeitsleistung vorliege. Für die streitgegenständlichen Zeiten seien der Klägerin in der rumänischen Bescheinigung stets weniger als 300 Arbeitstage/Jahr bescheinigt worden, sodass diese nur als glaubhaft gemachte Zeiten anzuerkennen seien (nur für 1969 seien mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt und daher von der Beklagten als nachgewiesene Zeit anerkannt worden). Dem Senatsurteil vom 8.9.2005 - B 13 RJ 44/04 R - hält die Beklagte entgegen, dass auch bei den sonstigen Arbeitnehmern der Herkunftsländer die Beitragsabführung aus der Gesamtlohnsumme der Betriebe erfolgt sei, ohne dass sie für den einzelnen Beschäftigten aufgeschlüsselt worden sei. Deswegen reiche die durchgehende Beitragszahlung des Betriebes für die Gesamtheit aller Arbeitnehmer im Rahmen des FRG nicht für die Anerkennung einer durchgehenden nachgewiesenen Beitragszeit für den einzelnen Beschäftigten aus. Sei die Beschäftigung und damit die Lohnzahlung unterbrochen worden (zB wegen Arbeitsunfähigkeit), so sei auf den einzelnen Arbeitnehmer kein Anteil der (insgesamt geringeren) Lohnsumme des Betriebs und damit auch keine Beitragszahlung entfallen. Diese Zeiten würden daher im Rahmen des FRG nicht als Beitragszeiten angerechnet. Könne die lückenlose Ausübung der Beschäftigung nicht nachgewiesen werden, trete die Rechtsfolge des § 22 Abs 3 FRG (Fünf-Sechstel-Kürzung der Entgeltpunkte) ein. Insoweit müssten die LPG- und Kolchosmitglieder im Zusammenhang mit der Prüfung ihrer besonderen Rentensysteme mit den sonstigen Arbeitnehmern gleich behandelt werden. Die Auffassung des erkennenden Senats führe zu einer Besserstellung von FRG-Berechtigten sowohl im Verhältnis zum rumänischen als auch zum deutschen Recht. Den Regelungen des FRG sei nicht zu entnehmen, dass Pflichtbeitragszeiten ohne Beschäftigung abgegolten werden sollten und könnten.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
- die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17.1.2007 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.6.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten erweist sich als im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits erfolgreich.
Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht entschieden werden, ob die streitigen Zeiten bei Berechnung der Erwerbsminderungsrente der Klägerin zu einem höheren Anteil als zu fünf Sechsteln (wie von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden durchgeführt) zu berücksichtigen sind.
1. Verfahrensrechtlich ergibt sich der Anspruch der Klägerin aus § 44 Abs 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ua dann zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen wären vorliegend erfüllt, wenn die Entgeltpunkte aus den streitigen Beitragszeiten aus der rumänischen Sozialversicherung zu mehr als fünf Sechsteln anzurechnen sind.
2. Zur Beurteilung der materiellen Rechtslage hat das LSG zutreffend auf die Vorschriften des FRG abgestellt, wie sie zum Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1.1.2002 galten. Insoweit regelt § 15 Abs 1 Satz 1 FRG (auch heute noch), dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich stehen. Nach § 15 Abs 2 FRG ist als gesetzliche Rentenversicherung iS des Absatzes 1 jedes System der sozialen Sicherheit anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern.
Dass die Klägerin in diesem Sinne in den streitigen Zeiträumen Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat, steht zwischen den Beteiligten außer Zweifel; nur so erklärt sich im Übrigen auch, dass die Klägerin bereits unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Rente wegen Erwerbsminderung erhält.
Unerheblich ist damit, ob die Klägerin (gleichzeitig) eine Beschäftigung (oder Tätigkeit) ausgeübt hat. Denn die Zeit einer Beschäftigung in den Vertreibungsgebieten ist lediglich nach § 16 FRG zu berücksichtigen, allerdings nur dann, "wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt" (§ 16 Abs 1 Satz 1 aE FRG); die Anwendung des § 15 FRG hat somit Vorrang. Dieser aber fordert für die Berücksichtigung einer Beitragszeit gerade nicht die Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit.
Ein entsprechendes Erfordernis folgt auch nicht aus Abs 1 Satz 2 der Vorschrift ("Sind die Beiträge auf Grund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zugrunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich"). Denn dieser regelt lediglich die Gleichstellung mit einer nach deutschem Recht zum Teil erforderlichen "rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit" (VerbandsKomm, § 15 FRG, Anm 10, Stand 1992).
Ebenso wenig führt der Hinweis der Beklagten weiter, dass eine Anrechnung von im Vertreibungsgebiet erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften dann nicht in Betracht komme, wenn sie mit der Struktur des deutschen Rechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre (s BSG Großer Senat vom 4.6.1985, BSGE 60, 100, 107 = SozR 5050 § 15 Nr 32; BSG Großer Senat vom 25.11.1987, BSGE 62, 255, 261 = SozR 5050 § 15 Nr 35). Denn es geht im Fall der Klägerin lediglich um solche außerdeutschen Beitragszeiten, die auch auf einer Beschäftigung (und nicht etwa lediglich auf einer reinen LPG-Mitgliedschaft) beruhen und bereits von daher entsprechende Bedenken nicht rechtfertigen können (s im Übrigen BSG Großer Senat aaO zur Begründung des § 15 FRG aus dem Entschädigungsgedanken, der - nur - wie beschrieben nach dem Eingliederungsprinzip einzuschränken ist).
Zwischen den Beteiligten streitig ist lediglich die Anwendung des § 22 Abs 3 FRG idF des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25.7.1991 (BGBl I 1606). Hiernach werden "für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, ... die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt"; dies entspricht im Ergebnis der Regelung des § 19 Abs 2 FRG idF vom 1.7.1990 bis 31.12.1991, wie sie dem Senatsurteil vom 8.9.2005 (SozR 4-5050 § 15 Nr 2 - s dort RdNr 11) zu Grunde lag.
Wie bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs 3 FRG hervorgeht, kommt es bei Beitragszeiten nach § 15 FRG somit darauf an, ob diese "nachgewiesen" sind. Dies ist zB dann nicht der Fall, wenn "in die streitigen Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen, für die der Arbeitgeber anders als bei den Beschäftigungszeiten keine Beiträge zur rumänischen Rentenversicherung entrichten musste" (BSG vom 9.11.1982, SozR 5050 § 15 Nr 23 S 77) - oder solche Zeiten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können. Diese Entscheidung erging auf der Grundlage, dass es in den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung an einem irgendwie gearteten Beitragsaufkommen gefehlt hat; das BSG ging davon aus, dass die Anrechnung dieser Zeiten nach rumänischem Recht der Anrechnung von Ausfallzeiten nach deutschem Recht entsprach oder ihr doch zumindest nahe kam (aaO S 78). Eine volle Anrechnung der entsprechenden Zeiten, ohne Kürzung um ein Sechstel, setzte demgemäß voraus, dass in die betreffenden Zeiten - nachweisbar - "keine Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung ohne Beitragsentrichtung fallen oder sie nicht ein Sechstel der Zeiten erreichen" (aaO). Im vorliegenden Verfahren kann offenbleiben, was sich ergäbe, wenn die og Annahmen über das rumänische Recht unzutreffend wären.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat der Senat jedenfalls in seinem Urteil vom 8.9.2005 (SozR 4-5050 § 15 Nr 2) darauf abgestellt, dass für die in einer rumänischen LPG als Mitglied beschäftigte damalige Klägerin Beiträge iS von § 15 Abs 1 FRG für den gesamten streitigen Zeitraum entrichtet worden waren. Dies beruhte auf den Feststellungen der damaligen Berufungsinstanz (LSG Baden-Württemberg vom 8.9.2004 - L 2 RJ 1664/02) zum rumänischen Recht; hiernach waren die Sozialversicherungsbeiträge von den LPGen nicht für einzelne, namentlich genannte Mitglieder bemessen und abgeführt worden, sondern für die Gesamtheit der Mitglieder im abstrakten Sinne des Wortes. Bemessungsgrundlage sei die von der LPG erzielte Jahresproduktion gewesen, wobei jedenfalls zu Beginn der Einführung des Systems die LPG 3,5 % des Wertes der jährlichen Gesamtproduktion als Beitrag an die Rentenkasse abgeführt habe. Hiervon unabhängig sei allerdings die Höhe der Rentenansprüche der Mitglieder gewesen. An diese Feststellungen war der Senat nach § 163 SGG gebunden, insbesondere auch soweit sich das LSG für seine Feststellungen auf die Anwendung und Auslegung rumänischen Rechts gestützt hatte, weil es sich hierbei um Anwendung nicht revisibler Rechtsvorschriften handelt (vgl hierzu schon BSG SozR 5050 § 19 Nr 12). Auf der Grundlage der angeführten Feststellungen war für den Senat unerheblich, dass das Berufungsurteil weder eine monatliche Entgeltzahlung noch ein ganzjähriges Beschäftigungsverhältnis als nachgewiesen angesehen hatte. Ebenso unerheblich war, ob sich aus den für die damalige Klägerin vorgelegten Bescheinigungen nur Anfangs- und Endtermine einer Beschäftigung ergaben, nicht jedoch glaubwürdige Angaben über tatsächliche Beschäftigungszeiten und davon zu trennende Zeiten der Arbeitsunterbrechung durch Arbeitsunfähigkeit oder aus sonstigen Gründen (hierzu Senatsurteil vom 8.9.2005, SozR 4-5050 § 15 Nr 2 RdNr 17).
Soweit der Senat im Urteil vom 30.10.1997 (13 RJ 19/97, juris RdNr 39 zu einem Kolchosmitglied in der Sowjetunion) außerhalb der tragenden Gründe für die Anerkennung einer Beitragszeit der damaligen Klägerin nach § 15 FRG ua neben der Beitragsentrichtung auch das Bestehen eines Arbeits- bzw Mitgliedschaftsverhältnisses zur Kolchose verlangt hat, hält er hieran nicht fest.
Der Senat sieht jedoch - jedenfalls für einen Fall wie den vorliegenden - keinen Grund, von seiner Rechtsprechung abzugehen, wie sie aus dem Urteil vom 8.9.2005 hervorgeht: Aufgrund der Beschäftigung eines Mitglieds bei einer rumänischen LPG sind die entsprechenden Beitragszeiten (§ 15 FRG) als nachgewiesen (§ 22 Abs 3 FRG) anzusehen, wenn für Mitglieder einer LPG eine gesetzliche Sozialversicherung als Pflichtversicherung bestand und wenn die entsprechenden Beiträge ohne Rücksicht auf Zeiten der Arbeitsunterbrechung einzelner Mitglieder durchgehend entrichtet wurden.
3. Bisher unberücksichtigt geblieben ist jedoch die Frage, ob die für die Klägerin ermittelten Entgeltpunkte zwar nicht nach § 22 Abs 3 FRG um ein Sechstel zu kürzen, jedoch nach der Ausnahmeregelung des § 26 Satz 3 FRG wegen einer Teilzeitbeschäftigung nur nach dem entsprechenden Anteil zu berücksichtigen sind. Das Klagebegehren (Sechs-Sechstel- statt Fünf-Sechstel-Anrechnung) kann jedoch nur dann Erfolg haben, wenn die streitigen Zeiten nicht nur nachgewiesene Beitragszeiten sind (§ 15 iVm § 22 Abs 3 FRG), sondern auch Zeiten, für die die Entgeltpunkte nicht nach § 26 Satz 3 FRG um mindestens ein Sechstel zu kürzen sind.
§ 26 FRG hat (in der ab 1.1.1992 geltenden Fassung) folgenden Wortlaut:
"1Werden Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, werden bei Anwendung des § 22 Abs 1 die Entgeltpunkte nur anteilmäßig berücksichtigt. 2Dabei zählen Kalendermonate, die zum Teil mit Anrechnungszeiten nach § 58 Abs 1 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch belegt sind, als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen. 3Für Zeiten, in denen der Versicherte innerhalb eines Kalenderjahres teilzeitbeschäftigt oder unständig beschäftigt war, werden Entgeltpunkte mit dem auf den Teilzeitraum entfallenden Anteil berücksichtigt. 4Dabei werden für Zeiten einer Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von weniger als zehn Stunden in der Woche Entgeltpunkte nicht ermittelt. 5Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit anstelle einer Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt worden ist."
Diese Fassung entspricht - bis auf die Übernahme der Begrifflichkeit des SGB VI - der vom 1.7.1990 bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung. Die vorherige, vom 1.1.1959 bis zum 30.6.1990 geltende Fassung enthielt nur eine dem heutigen Satz 1 entsprechende Regelung (hierzu VerbandsKomm, § 26 FRG, Anm 3.1, Stand 1990).
Der Anwendung des § 26 Satz 3 FRG auf den Fall der Klägerin steht nicht entgegen, dass diese Vorschrift durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) eingefügt wurde. Hieraus ist nicht zu schließen, dass sie nur auf Zeiten ab seinem Inkrafttreten (1.7.1990) anwendbar wäre. Denn nach Art 6 § 4 Abs 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) idF des RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) ist das FRG in seiner ab 1.7.1990 geltenden Fassung dann anzuwenden, wenn frühestens ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Zahlung einer Rente besteht.
Ein Beschäftigungsverhältnis, aufgrund dessen nur an einem Teil der möglichen Arbeitstage tatsächlich gearbeitet wird, führt nach § 26 Satz 3 FRG zu nur teilweiser Anrechnung, wenn der Versicherte im Sinne dieser Vorschrift nur "teilzeitbeschäftigt" war. Eine Teilzeitbeschäftigung in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn sie dem traditionellen Muster einer solchen Beschäftigung ("Halbtagsarbeit") entspricht.
Zwar sollte die Neuregelung nach den Gesetzgebungsmaterialien (lediglich) "der Entwicklung in den Herkunftsländern, in denen Teilzeitarbeit zunehmend an Bedeutung gewinnt", Rechnung tragen (BT-Drucks 11/4124 S 220). Der in der Vorschrift verwendete Begriff "teilzeitbeschäftigt" war jedoch durch § 2 Abs 2 des Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (= Art I § 2 Abs 2 BeschFG 1985) bereits bei Erstellung des Entwurfs des RRG 1992 legaldefiniert:
"1Teilzeitbeschäftigt sind die Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes. 2Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so ist die regelmäßige Arbeitszeit maßgeblich, die im Jahresdurchschnitt auf eine Woche entfällt."
Schon nach dem Wortlaut des Satzes 2 aaO konnte eine Arbeit lediglich an (z.B.) 146 Tagen im Jahr eine Teilzeitbeschäftigung sein; unabhängig davon fielen hierunter auch solche Verhältnisse, die in der Bundesrepublik seit den 80iger Jahren als "neue Teilzeitarbeitsformen" diskutiert wurden, z.B. die Arbeit auf Abruf (vgl z..B den Überblick bei Lipke in: GemeinschaftsKomm zum Teilzeitarbeitsrecht, 1987, Einleitung RdNr 1 ff, insbesondere 8; Art 1 § 2 RdNr 9 ff).
Anders als das SG zu meinen scheint, steht ein ganzjähriges Beschäftigungsverhältnis der Annahme einer Teilzeitbeschäftigung nach § 26 Satz 3 FRG schon deshalb nicht entgegen, weil selbst bei herkömmlicher Teilzeitbeschäftigung (Halbtagsarbeit) typischerweise ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis besteht.
Gegen die Einordnung der Beschäftigung der Klägerin im streitigen Zeitraum als Teilzeitbeschäftigung spricht auch die Rechtsprechung des Senats zu in sowjetischen Kolchosen zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht (BSG Urteile vom 31.3.1993 - 13 RJ 17/92 und vom 30.10.1997 - 13 RJ 19/97; insoweit jeweils ohne Erwähnung des § 26 Satz 3 FRG). Beide Urteile gehen unter Bezugnahme auf eine einschlägige Veröffentlichung (Bilinsky, Aktuelle Rechtsprobleme der Kolchosen, JOR 8/1 <1967>, 21 ff) davon aus, dass nach den Verhältnissen in den sowjetischen Kolchosen jedes Mitglied "voll ausgelastet" wurde und auch an arbeitsfreien Tagen der Weisung der Kolchosverwaltung unterlag; es musste jederzeit bereit sein, Arbeit zu leisten und durfte nicht zugleich in einem anderen Betrieb beschäftigt sein. Hieraus folgerte der Senat im (zurückverweisenden) Urteil vom 31.3.1993, dass die damalige Klägerin auch jeweils in den Monaten November bis Februar Beitrags- oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt haben konnte, obwohl sie nach eigenen Angaben ihre Kindergärtnerinnentätigkeit in diesen Monaten nicht ausgeübt hatte. Auf dieser Grundlage nahm der Senat auch im Urteil vom 30.10.1997 eine ganzjährige Beschäftigungs- bzw Beitragszeit an (lediglich als glaubhaft gemacht; die Klägerin hatte gegen die entsprechende Verurteilung der Beklagten im Berufungsverfahren keine Revision eingelegt).
Aus diesen Ausführungen haben die Rentenversicherungsträger geschlossen, dass bei Kolchosmitgliedern kein Raum für eine anteilige Bewertung nach § 26 Satz 1 (Anrechnung nur eines Teils des Kalenderjahres) oder Satz 3 (Teilzeitbeschäftigung) FRG bleibe. Entsprechende Zeiten seien regelmäßig als glaubhaft gemachte Zeiten (Fünf-Sechstel-Bewertung) anzurechnen, weil eine Unterbrechung der Lohnzahlung aus anderen Gründen möglich gewesen sei. Lediglich während der gesetzlichen Mutterschutzfristen oder bei ausdrücklicher Freistellung (zB für eine schulische Ausbildung) seien Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten nicht anzuerkennen; ebenso wenig außerhalb einer ausdrücklich geltend gemachten Saisonarbeit. Im Einzelfall sei eine ungekürzte Anrechnung der Zeiten nicht ausgeschlossen, soweit im jeweiligen Jahr eine über den Fünf-Sechstel-Umfang hinausgehende tatsächliche Arbeitsleistung nachgewiesen sei, z.B., wenn im Arbeitsbuch mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt seien.
Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken, die ersichtlich auf den erwähnten Feststellungen zum sowjetischen Recht beruht.
Entsprechende Feststellungen zum Recht der rumänischen LPGen sind dem Senat jedoch aus der Rechtsprechung oder der veröffentlichten Literatur nicht ersichtlich. Auch die Beklagte, der der Senat Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, hat in ihrem Schriftsatz vom 25.6.2008 mit den beigefügten Anlagen insoweit keine einschlägigen Angaben gemacht.
Allerdings kann nicht bereits aus der Angabe in der hier maßgeblichen "Adeverinta", die Klägerin weise - zB im Jahre 1977 - nur "146" Arbeitstage auf, auf eine anteilsmäßige Berücksichtigung von lediglich 146/360 (entsprechend ca 40,6 %) der auf die Tabellenwerte entfallenden Entgeltpunkte geschlossen werden. Zum einen mag eine geringe Zahl an Arbeitstagen auch durch eine Arbeitsunfähigkeit oä bedingt sein. Zum anderen kann dem auch eine einseitige, durch den Beschäftigten nicht beeinflusste Entscheidung der Betriebsleitung (zB eine Freistellung) zugrunde liegen. Denn eine Teilzeitbeschäftigung iS des § 26 Satz 3 FRG setzt nicht nur eine geringere Arbeitszeit als betrieblich oder allgemein üblich (vgl Lipke in: GemeinschaftsKomm zum Teilzeitarbeitsrecht, 1987, Art 1 § 2 RdNr 10, 13) voraus, sondern auch, dass dies entweder mit dem Beschäftigten vereinbart oder zumindest auch von seiner Entscheidung abhängig war. Denn sonst hätten die Betroffenen für Verhältnisse einzustehen, für die sie nichts können. War das Mitglieds- und Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zur LPG hingegen so ausgestaltet, dass sie jederzeit bereit sein musste, Arbeit zu leisten, und war ihr gleichzeitig eine anderweitige Berufstätigkeit untersagt, war sie nicht iS des § 26 Satz 3 FRG "teilzeitbeschäftigt". Dann wäre auch auf ihren Fall die oben angesprochene Rechtsprechung des Senats zu den Verhältnissen in sowjetischen Kolchosen anwendbar.
Gegen die Anwendung des § 26 Satz 3 FRG auf einen Fall wie den vorliegenden sprechen jedenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere nicht aus Art 3 Abs 2 Satz 1 GG (Gleichberechtigung von Mann und Frau). Auch wenn aufgrund der Verhältnisse in den Herkunftsländern diese Vorschrift auf mehr Frauen als Männer anzuwenden wäre, wäre dies lediglich eine denknotwendige Folge davon, dass Versicherungsverläufe die tatsächliche Berufstätigkeit des Versicherten abbilden; dies gilt sowohl für durchgehend nach Bundesrecht Versicherte wie für Berechtigte nach dem FRG (s hierzu BVerfG vom 26.1.1977, BVerfGE 43, 213, 227 f = SozR 5050 § 22 Nr 5; ferner BVerfG Kammerbeschluss vom 4.4.1989, SozR 5050 § 22 Nr 19 S 55).
Das LSG wird nach Zurückverweisung die beschriebenen Umstände näher aufzuklären haben - etwa durch Anhörung der Klägerin und/oder Vernehmung von Zeugen (s. ferner BSG vom 29.4.1997, SozR 3-1750 § 293 Nr 1 S 3 f).
Dem LSG obliegt auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens.