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B 5 RJ 54/04 R

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Die 1947 in Rumänien geborene Klägerin reiste nach abgeschlossenem Übernahmeverfahren (Übernahmegenehmigung vom 11. Juli 1989) zusammen mit ihrem Ehemann am 24. Juni 1990 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein. Den Antrag der Eheleute auf Einbeziehung in die Verteilung als Aussiedler gemäß Verteilungsverordnung vom 28. März 1952 (BGBl I 236) lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 12. Juli 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1991 ab, da sie nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 6 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) erfüllten. Noch am 12. Juli 1990 kehrten die Eheleute nach Rumänien zurück. Nachdem sich die Klägerin im Februar 1991 noch einmal kurze Zeit in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hatte, reiste sie zusammen mit ihrem Ehemann am 23. Juli 1995 endgültig in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesverwaltungsamt registrierte den Ehemann der Klägerin als Spätaussiedler i.S. des § 4 BVFG und die Klägerin als Ehegatte eines Spätaussiedlers i.S. des § 7 Abs. 2 BVFG (Registrierschein vom 11. August 1995). Das Landratsamt Rastatt stellte den Eheleuten am 10. März 1998 eine dementsprechende Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 und 2 BVFG aus.

Am 26. Mai 2000 stellte die Klägerin, die nach ihrem Vorbringen zwischen dem 1. Mai 1966 und 29. Mai 1993 Beiträge an einen Versicherungsträger in Rumänien gezahlt hat, einen Antrag auf Kontenklärung. Unter dem 27. Juni 2000 erstellte die Beklagte einen Versicherungsverlauf, in dem sie Ausbildungszeiten teilweise und Pflichtbeitragszeiten der Klägerin in Deutschland ab 1996 anerkannte. Die Anerkennung sonstiger Zeiten - weitere Ausbildungszeiten, Erziehungszeiten und in Rumänien zurückgelegte Zeiten - lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Juni 2000 ab, wobei sie die Ablehnung der zuletzt genannten Zeiten damit begründete, dass die Klägerin nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehöre.

Am 23. Februar 2001 beantragte die Klägerin eine Überprüfung des Bescheides gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zur Begründung wies sie darauf hin, dass sie bereits vor dem 1. Juli 1990 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und als Vertriebene aufgenommen worden sei. Auf Ersuchen der Beklagten nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG verneinte das Landratsamt Rastatt mit Schreiben vom 2. Mai 2001 den Vertriebenenstatus der Klägerin. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X mit Bescheid vom 7. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2001 ab.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Karlsruhe mit Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2003 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 25. November 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten Rentenversicherungszeiten könnten nach § 15 FRG nur berücksichtigt werden, wenn sie zum Personenkreis des § 1 FRG zähle. Notwendig sei hierfür eine entsprechende Anerkennung durch die nach dem BVFG zuständige Feststellungsbehörde. Eine solche Feststellung durch das Landratsamt liege nicht vor. Die Klägerin sei „nur“ als Ehegatte eines Spätaussiedlers gemäß § 7 Abs. 2 BVFG anerkannt. Ob diese Anerkennung zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei, könne die Beklagte nicht eigenständig überprüfen. Sie habe gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG lediglich die Möglichkeit, die Vertriebeneneigenschaft durch die zuständige Behörde feststellen zu lassen. Ein entsprechendes Ersuchen habe die Beklagte an das Landratsamt gestellt, das eine Anerkennung mit Schreiben vom 2. Mai 2001 abgelehnt habe. An diese negative Entscheidung sei die Beklagte im Sinne einer Tatbestandswirkung gebunden, was zur Folge habe, dass auch das Gericht nicht eigenständig prüfen dürfe, ob die Klägerin auf Grund der bereits in den Jahren 1990 und 1991 erfolgten Einreisen als Vertriebene nach dem BVFG anzuerkennen sei. Die Klägerin müsse zunächst einen Aufnahmebescheid beantragen und notfalls gerichtlich erstreiten. Sollte sie hiermit erfolgreich sein, stünde die im Moment noch negative Tatbestandswirkung der Entscheidung der Verwaltungsbehörde einem eventuell neuen Antrag gemäß § 44 SGB X nicht entgegen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 1 FRG i.V.m. § 100 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 3 und § 1 Abs. 3 BVFG sowie Art. 20, 3 und 14 Grundgesetz (GG). Sie sei Vertriebene i.S. des § 1 Abs. 3 BVFG. Sie habe auf Grund des Vertreibungsdrucks, unter dem ihr Ehemann gelitten habe, mit diesem ihren Wohnsitz im Vertreibungsgebiet vor dem 1. Juli 1990 verloren. Da ihr Ehemann zwischenzeitlich als Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit anerkannt worden sei, habe sie als Ehefrau eines Vertriebenen ihren Wohnsitz verloren. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte und auch die Gerichte an die Beurteilung des Landratsamts gebunden seien. Zumindest im sozialgerichtlichen Verfahren müsse diese überprüft werden können. Andernfalls sei die Entscheidung des Landratsamts gerichtlich nicht kontrollierbar und der Vertriebene könne die ihm zustehenden Rechte und Vergünstigungen, zu denen auch Ansprüche nach dem FRG gehörten, trotz ihres Bestehens nicht durchsetzen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

  • das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. November 2003 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2003 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2001 zu verurteilen, den Bescheid vom 27. Juni 2000 teilweise zurückzunehmen und die Zeit vom 1. Mai 1966 bis 29. Mai 1993 als Fremdrentenzeit festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses begründet (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung von Versicherungszeiten nach dem FRG aus den von ihr behaupteten Beschäftigungen in Rumänien hat.

Der Anspruch der Klägerin auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 27. Juni 2000 richtet sich nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Die Vorschrift bestimmt, dass im Übrigen, dh soweit die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X nicht vorliegen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23 m.w.N.), ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen ist. § 44 Abs. 1 SGB X findet keine Anwendung. Die Vorschrift betrifft Verwaltungsakte, die über die Gewährung von Sozialleistungen entscheiden (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 6). Der vorgenannte unanfechtbar gewordene Bescheid enthält indes lediglich die Feststellung von Berechnungselementen einer Sozialleistung nach § 149 Abs. 5 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), wobei sich die getroffene Regelung gemäß § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI erst bei Feststellung der Leistung, und damit künftig auswirkt.

Ob die Ablehnung von Versicherungszeiten auf Grund von Beschäftigungen in Rumänien rechtswidrig gewesen ist, lässt sich mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Es steht nicht fest, ob die Klägerin zu dem nach dem FRG berechtigten Personenkreis zählt.

Gemäß § 1 Buchst. a FRG - die anderen Fallgruppen kommen vorliegend nicht in Betracht - findet dieses Gesetz Anwendung auf Vertriebene i.S. des § 1 BVFG sowie Spätaussiedler i.S. des § 4 BVFG, die als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind (vgl. hierzu BSGE 49, 175, 181 = SozR 5050 § 15 Nr. 13 S. 37 m.w.N.). Die Anerkennung der Klägerin als Ehefrau eines Spätaussiedlers genügt diesen Anforderungen nicht, wie das LSG zutreffend entschieden hat (vgl. BSG vom 26. Januar 2000 - B 13 RJ 39/98 R - Juris).

Als Vertriebene ist die Klägerin bisher nicht anerkannt.

Der kraft Gesetzes eintretende Vertriebenenstatus konnte früher ausschließlich durch feststellenden Verwaltungsakt bestätigt werden, indem die Vertriebenenbehörde einen Vertriebenenausweis i.S. des § 15 BVFG in der bis einschließlich 31. Dezember 1992 geltenden Fassung vom 3. September 1971 (BGBl I 1565, nachfolgend: alter Fassung - aF) erteilte (BVerwGE 78, 139, 144 = Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr. 11 S. 7). Einen Vertriebenenausweis gemäß § 15 BVFG aF besitzt die Klägerin nicht. Ob sie über sonstige Bescheinigungen wie z.B. Übernahmegenehmigung oder Registrierschein verfügt, ist unerheblich, da diese Dokumente den Nachweis der Anerkennung als Vertriebene nicht erbringen (vgl. BVerwGE 95, 311 = Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 72 zum Aufnahmebescheid, der im neuen Recht ähnliche Funktionen hat wie die Übernahmegenehmigung im früheren - vgl. § 100 Abs. 4 BVFG neuer Fassung - nF -; BVerwG Buchholz 130 § 39 RuStAG Nr. 1 zum Verhältnis von Registrierschein und Staatsangehörigkeitsausweis). Wäre der Fall der Klägerin ausschließlich nach dem Recht zu beurteilen, das bis einschließlich 31. Dezember 1992 galt, hätte das LSG den geltend gemachten Anspruch zu Recht abgelehnt.

Ursprünglich kam es für die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 Buchst. a Alt 1 FRG allein darauf an, ob der Betreffende einen Vertriebenenausweis vorweisen konnte, denn die Entscheidung über dessen Erteilung war nach § 15 Abs. 5 Satz 1 BVFG aF vorgreiflich für die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen (BSG vom 12. März 1981 - 11 RA 30/80 - insoweit in SozR 1500 § 164 Nr. 18 nicht abgedruckt; BSG vom 26. Januar 2000 - B 13 RJ 39/98 R - zur entsprechenden Frage für den Spätaussiedlerstatus nach neuem Recht). Deshalb mussten Personen aus dem Vertreibungsgebiet, die Fremdrentenzeiten vormerken lassen wollten, ohne einen Vertriebenenausweis zu besitzen, erst das Ausweisverfahren beschreiten, das im Streitfall in einen Prozess vor dem Verwaltungsgericht münden konnte, in dem die Vertriebeneneigenschaft geklärt werden musste; der Rentenversicherungsträger und die Sozialgerichte hatten hierüber nicht zu entscheiden. Diesen Rechtszustand hat § 100 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVFG nF übergangsweise für diejenigen Personen aufrechterhalten, die den Ausweis vor dem 1. Januar 1993 bzw. (unter bestimmten Voraussetzungen) bis zum 31. Dezember 1993 beantragt hatten. Da in diesem Fall das Verwaltungsverfahren nach wie vor auf einen Vertriebenenausweis alten Rechts gerichtet war, wäre dessen Erteilung oder Ablehnung auch dieselbe Wirkung wie nach altem Recht zugekommen.

Das skizzierte frühere Verfahrensrecht und die es fortschreibenden Übergangsvorschriften sind für die Klägerin im jetzigen Prozess jedoch nicht einschlägig. Sie behauptet zwar, so behandelt werden zu müssen, als hätten sie und ihr Ehemann das Vertreibungsgebiet bereits im Juni 1990 verlassen, sodass ihr Status nach altem materiellen Recht zu beurteilen sei (§ 100 Abs. 1 BVFG nF i.V.m. § 1 Abs. 3 BVFG aF). Selbst wenn dies zutreffen sollte, ergäbe sich daraus nicht die Anwendbarkeit des früheren Verfahrensrechts, das den Nachweis des Vertriebenenstatus ausschließlich durch den Ausweis nach § 15 BVFG aF zuließ. Vielmehr beschränkt § 100 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVFG nF das bisherige eigenständige Ausweisverfahren auf die bis spätestens am 31. Dezember 1993 gestellten Anträge. Mangels jeglicher Anhaltspunkte, dass für die Klägerin oder für ihren Ehemann ein solcher Antrag gestellt worden sein könnte, der nach den konkreten Umständen nur vom Jahre 1990 oder 1991 datieren könnte und seither nicht beschieden worden wäre, ist für die Anerkennung des Vertriebenenstatus der Klägerin nicht mehr § 15 BVFG aF, sondern ausschließlich § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG nF einschlägig. Danach hat die für eine Vergünstigung zuständige Behörde im Rahmen des bei ihr anhängigen Verfahrens (hier: der Rentenversicherungsträger im Rahmen des Vormerkungsverfahrens) durch Rückfrage bei der Vertriebenenbehörde zu klären, ob der die Vergünstigung Begehrende Vertriebener ist. Diese Regelung schließt sowohl die Antragsbefugnis des Betroffenen als auch die Befugnis der Vertriebenenbehörde aus, über die Vertriebeneneigenschaft ihm gegenüber durch feststellenden Statusbescheid zu entscheiden. Damit entfällt jegliche unmittelbare Rechtsbeziehung des Betroffenen zur Vertriebenenbehörde; die Feststellung erfolgt vielmehr auf Ersuchen der Leistungsbehörde als verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung ausschließlich dieser gegenüber und stellt mangels unmittelbarer Rechtswirkung im Verhältnis zum Bürger keinen Verwaltungsakt i.S. des § 31 Satz 1 SGB X dar (so auch OVG Nordrhein-Westfalen DVBl 1999, 1221; vgl. auch BVerwGE 34, 65, 68; BVerwG NJW 1986, 2205, 2206). Die Entscheidung über die Anerkennung als Vertriebener ist nach neuem Recht ein unselbständiger Teil des Verfahrens bei der Leistungsbehörde.

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Begründung zu Art. 1 Nr. 40 und 41 (§§ 100 bis 102 BVFG) des Entwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Bereinigung von Kriegsfolgegesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz) vom 7. September 1992 (BT-Drucks 12/3212, S. 27 f), in der es heißt: „... Mit Rücksicht auf die schwierige Feststellung von Tatsachen, die inzwischen mehr als 40 Jahre zurückliegen, ist es... nicht mehr gerechtfertigt, einen generellen Anspruch auf Feststellung der Vertriebeneneigenschaft und Ausstellung eines Ausweises einzuräumen, weil für Vertriebene, deren Aufnahme in Deutschland bereits länger zurückliegt, in der Regel keine Leistungsansprüche mehr bestehen. Wenn ein Vertriebenenausweis nicht mehr ausgestellt werden kann, die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen aber von der Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft abhängt, bescheinigt die Vertriebenenbehörde gegenüber der Leistungsbehörde das Vorliegen der Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft.“ Demnach zeigt auch die Entstehungsgeschichte des § 100 Abs. 2 BVFG nF, dass der nach der bisherigen Rechtslage bestehende Anspruch des Betroffenen gegenüber der Vertriebenenbehörde auf Ausstellung eines Ausweises zum Nachweis der Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft und damit einhergehend auf Erlass eines in der Ausweiserteilung liegenden feststellenden Verwaltungsaktes für die Zukunft entfallen sollte. Die Vertriebenenbehörde sollte nur noch im Bedarfsfall auf Ersuchen der Leistungsbehörde und nur dieser gegenüber - verwaltungsintern - tätig werden. Die gegenteilige Auffassung lässt sich aus der Entstehungsgeschichte auch nicht deshalb herleiten, weil die Begründung davon spricht, es sei nicht mehr gerechtfertigt, einen „generellen Anspruch“ auf Feststellung der Vertriebeneneigenschaft einzuräumen. Zwar indiziert der Begriff generell, dass Ausnahmen möglich sind. Diese hat das Gesetz indes in Abs. 2 Satz 1 und 2 normiert (OVG Nordrhein-Westfalen DVBl 1999, 1221 f m.w.N.).

Die Beklagte hat sich an die verfahrensrechtliche Vorgabe des § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG nF gehalten. Das Landratsamt Rastatt hat auf ihr Ersuchen, den Vertriebenenstatus der Klägerin zu prüfen, deren Anerkennung als Vertriebene mit Schreiben vom 2. Mai 2001 abgelehnt. Das LSG ist aber zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass es die Auffassung des Landratsamts nicht zu überprüfen habe. Soweit der für die damalige Entscheidung unerhebliche Hinweis des Senats im Urteil vom 23. Juni 1999 (B 5 RJ 44/98 R - SozR 3-5050 § 1 Nr. 4 S. 10) , auf den auch das LSG Bezug nimmt, einen anderen Schluss nahe legt, hält der Senat ihn nicht aufrecht. Aus einer möglichen Bindung der Beklagten an die Feststellung der Vertriebenenbehörde kann nicht auf deren Verbindlichkeit im sozialgerichtlichen Verfahren geschlossen werden.

Ansonsten wäre die Gesetzesanwendung durch die Vertriebenenbehörde jeglicher gerichtlichen Kontrolle entzogen. Das Gesetz bietet dafür, dass diese Rechtswirkung beabsichtigt sein könnte, keinerlei Anhaltspunkte; sie wäre auch nicht mit Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren.

Art. 19 Abs. 4 GG garantiert ua einen effektiven Rechtschutz, dh eine tatsächlich wirksame Kontrolle (stRspr z.B. BVerfGE 37, 150, 153; 60, 253, 296 f; 84, 34, 49). Eine wirksame Kontrolle des Bescheides vom 27. Juni 2000 bzw. des hier unmittelbar angefochtenen Ablehnungsbescheids vom 7. Mai 2001 ist nur möglich, wenn die Sozialgerichte die Mitteilung des Landratsamtes Rastatt vom 2. Mai 2001, und damit den Vertriebenenstatus der Klägerin überprüfen können. Nur dann kann festgestellt werden, ob die Klägerin zum Personenkreis des § 1 FRG gehört und folglich Versicherungszeiten nach dem FRG geltend machen kann. Eine andere gerichtliche Kontrollmöglichkeit steht der Klägerin nicht zur Verfügung. Sie kann insbesondere nicht die Mitteilung des Landratsamtes vom 2. Mai 2001 anfechten, weil es sich nicht um einen an sie gerichteten Verwaltungsakt mit Außenwirkung, sondern um einen verwaltungsinternen Vorgang handelt.

Das LSG wird nunmehr die Vertriebeneneigenschaft der Klägerin materiell-rechtlich zu prüfen haben. Deren Ablehnung steht nicht schon deshalb fest, weil die Klägerin ausweislich der Bescheinigung des Landratsamts Rastatt nach § 15 Abs. 2 BVFG vom 10. März 1998 Ehegatte eines Spätaussiedlers gemäß § 7 Abs. 2 BVFG ist und eine solche Entscheidung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BVFG in der hier maßgeblichen vom 2. Januar 1993 bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung für alle Behörden und Stellen verbindlich ist, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Ehegatte eines Spätaussiedlers nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Die Vorschrift ist zum einen auf die Klägerin nicht anwendbar, da sie geltend macht, Vertriebene i.S. des § 1 BVFG zu sein und § 15 in den ab dem 1. Januar 1993 geltenden Fassungen auf diesen Personenkreis keine Anwendung findet (§ 100 Abs. 1 BVFG nF). Zum anderen ist die Bindungswirkung begrenzt auf Behörden und Stellen, die speziell auf Spätaussiedler sowie deren Ehegatten bzw. Abkömmlinge ausgerichtete und diesen Status bzw. diese Eigenschaft als Anspruchsvoraussetzung beinhaltende Gesetze vollziehen (von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Loseblattsammlung, Stand: Oktober 2005, B 2 § 15 BVFG nF Anm 6, S. 12). Somit erfasst die Bindungswirkung nicht die für die Bescheinigung zuständige Vertriebenenbehörde. Dieser steht vielmehr gemäß § 15 Abs. 3 BVFG nF ein Rücknahme- und Widerrufsrecht zu. Kann demnach die Vertriebenenbehörde auf ein Auskunftsersuchen der Leistungsbehörde gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG nF den Vertriebenenstatus ohne Bindung an die Bescheinigung gemäß § 15 BVFG nF feststellen, sind auch die Sozialgerichte aus Gründen effektiven Rechtsschutzes des Betroffenen berechtigt, eine ablehnende Entscheidung der Vertriebenenbehörde ohne Bindung an die Bescheinigung zu überprüfen.

Da die Klägerin geltend macht, Vertriebene i.S. des § 1 Abs. 3 BVFG zu sein, und damit ihren Vertriebenenstatus von dem ihres Ehegatten ableitet, wird das LSG zunächst zu klären haben, ob dieser Vertriebener ist. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob die Eheleute im Juni 1990 Rumänien i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG „verlassen“ haben; eine Rückkehr - wie hier im Juli 1990 - führt regelmäßig nicht dazu, dass der durch die Einreise gegebenenfalls begründete Vertriebenenstatus wieder verloren geht (vgl. BVerwGE 9, 5 = Buchholz 427.4 § 1 WAG Nr. 13; BVerwG Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 51 S. 9 m.w.N.; so auch BSGE 80, 186, 191 = SozR 3-7140 § 1 Nr. 1 S. 7). Der Feststellung des Vertriebenenstatus des Ehemannes der Klägerin steht aus den bereits genannten Gründen nicht entgegen, dass dieser ausweislich der Bescheinigung des Landratsamts Rastatt nach § 15 Abs. 1 BVFG vom 10. März 1998 Spätaussiedler i.S. des § 4 BVFG ist (vgl. auch BVerwG Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 57). Vielmehr wäre sogar daran zu denken, dass die Anerkennung des Ehemanns als Spätaussiedler zusammen mit der Feststellung, er habe das Vertreibungsgebiet mit seiner Ehefrau vor dem 1. Juli 1990 verlassen, weitere Ermittlungen zum Vertriebenenstatus erübrigen könnte, weil dessen Merkmale (bis auf den früheren Verlassenszeitpunkt) in den strengeren Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft enthalten sind. Einer derartigen Statuserstreckung steht jedoch der Wortlaut des § 1 Abs. 3 BVFG entgegen, der auf den Vertriebenenstatus und nicht auf die Anerkennung dessen einzelner Merkmale Bezug nimmt. Das schließt eine indizielle Wirkung der Anerkennung als Spätaussiedler i.S. der Bejahung der fraglichen Voraussetzungen nicht aus, wenn die Beteiligten dagegen keine Bedenken erheben.

Gelangt das LSG nach alledem zur Feststellung, dass die Klägerin Vertriebene i.S. des § 1 Abs. 3 BVFG ist und damit zum Personenkreis des § 1 FRG gehört, wird es des Weiteren zu prüfen haben, in welchem Umfang Versicherungszeiten nach dem FRG anrechnungsfähig sind. Zudem wird das LSG das Land Baden-Württemberg als Rechtsträger der für die Feststellung nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG zuständigen unteren Eingliederungsbehörde (Eingliederungsgesetz Baden-Württemberg vom 14. Dezember 1995, GBl 853, hier: § 2 Abs. 2 Nr. 3) beiladen müssen (vgl. BVerwGE 67, 173 = Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 2 = NJW 1984, 72 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

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