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B 12 KR 9/02 R

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung während einer abhängigen Beschäftigung, die er nach Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ausgeübt hat, und die Erstattung der von ihm für diese Zeit getragenen Rentenversicherungsbeiträge.

Der am 1. April 1945 geborene Kläger war vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Juli 1994 Geschäftsführer bei der AOK D. Nach dem Dienstvertrag vom 19. Dezember 1991 war er auf Lebenszeit angestellt und zuletzt in die Besoldungsgruppe A 15 des Bundesbesoldungsgesetzes eingestuft. Die Dienstordnung (DO) der AOK war Bestandteil des Vertrags. Zum 1. Januar 1994 wurden die einzelnen Regionalkassen zur AOK Schleswig-Holstein vereinigt. Der Kläger wurde daraufhin antragsgemäß zum 1. August 1994 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er erhält seitdem Versorgungsbezüge in Höhe von 75 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge.

Vom 1. August 1994 bis zum 30. Juni 1996 war der Kläger bei der S. GmbH in B. abhängig beschäftigt und dort gegen ein Monats-Bruttogehalt von 3.500 DM schwerpunktmäßig mit den Aufgaben Akquisition, Produktentwicklung und Produktpflege betraut. Hierfür wurden an die Beklagte Beiträge zur Beigeladenen zu 1) und 2) gezahlt. Vom 1. Juli 1996 bis 30. April 1997 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Den im November 1996 gestellten Antrag des Klägers, für sein Beschäftigungsverhältnis bei der S. GmbH Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung festzustellen und ihm seine Beitragsanteile zur Rentenversicherung zu erstatten, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. April 1997 ab. Widerspruch und Klage blieben jeweils erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. September 1997, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade <SG> vom 20. April 1999).

Mit Urteil vom 27. Februar 2002 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 20. April 1999 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis der nach § 5 Abs 4 Nr 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) Versicherungsfreien und habe daher auch keinen Anspruch auf Erstattung seiner Rentenversicherungsbeiträge. Er beziehe zwar eine Versorgung, doch handele es sich dabei weder um eine Altersversorgung noch werde diese nach Erreichen einer Altersgrenze gewährt. Auf die Höhe komme es für die Versicherungsfreiheit nicht an.

Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der vorliegenden Revision weiter. Seiner Auffassung nach darf nicht ausschließlich auf das Tatbestandsmerkmal der Altersgrenze in § 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI abgestellt werden. Vielmehr stehe der Rechtsgedanke des Gesetzgebers im Vordergrund, eine Doppelversorgung zu vermeiden und durch den Ausschluss bereits des Erwerbs von Rentenanwartschaften eine weitere Systembereinigung herbeizuführen. Diesem Anliegen werde auch dann Rechnung getragen, wenn man für die Annahme von Versicherungsfreiheit in zumindest entsprechender Anwendung der Vorschrift genügen lasse, dass der Kläger faktisch auf Dauer Versorgungsbezüge in voller Höhe von 75 vH beziehe.

Der Kläger beantragt,

  • 1. das Urteil des LSG Niedersachsen vom 27. Februar 2002, den Gerichtsbescheid des SG Stade vom 20. April 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1997 aufzuheben, 2. festzustellen, dass der Kläger während seiner Beschäftigung vom 1. August 1994 bis 30. Juni 1996 versicherungsfrei war, und 3. die Beklagte zu verurteilen, ihm die Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie stützt sich in vollem Umfang auf die Begründung des angefochtenen Urteils.

Die Beigeladene zu 1) beantragt ebenfalls,

  • die Revision zurückzuweisen.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats und in Übereinstimmung mit der Auffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger komme für Fälle der vorliegenden Art weder eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung von § 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI in Betracht. Die Rechtsentwicklung und die Entstehungsgeschichte der genannten Vorschrift sprächen vielmehr dafür, allein Ruhegehaltsempfänger als erfasst anzusehen, die wegen des Erreichens einer Altersgrenze in den Ruhestand getreten seien. Entgegen der Auffassung des Klägers könne es dagegen auf die Höhe der Versorgung gerade nicht ankommen.

Die Beigeladene zu 2) hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie stellt keinen eigenen Antrag.

Der frühere Arbeitgeber des Klägers existiert nicht mehr. Ein Rechts- oder Vermögensnachfolger ist, soweit erkennbar, nicht vorhanden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers erweist sich als sachlich in vollem Umfang unbegründet. Zutreffend sind die Beklagte und die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger in seiner Beschäftigung bei der S. GmbH in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versicherungsfrei war und daher auch die Erstattung seiner Rentenversicherungsbeiträge nicht beanspruchen kann.

Der Kläger war in seiner Beschäftigung vom 1. August 1994 bis zum 30. Juni 1996 nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI versicherungspflichtig. Er war nicht nach § 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI versicherungsfrei. Nach den hier allein in Betracht kommenden Teilen dieser Regelung sind versicherungsfrei nur Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehen. Der Kläger erfüllt weder die notwendige Voraussetzung des Erreichens einer Altersgrenze noch kann hiervon entgegen seiner Auffassung nach Sinn und Zweck der Vorschrift abgesehen werden noch kommt ihre entsprechende Anwendung in Betracht. Der Senat hält in vollem Umfang an seiner Entscheidung vom 17. Juni 1999 (BSGE 84, 115 = SozR 3-2600 § 5 Nr 6) fest, die auch auf den vorliegenden Sachverhalt zutrifft. Damit fehlt es gleichzeitig an den Voraussetzungen der Beitragserstattung nach § 26 Abs 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV).

Die DO der AOK Schleswig-Holstein enthält in ihrem Abschnitt V Regelungen zur Rechtsstellung von Angestellten bei Vereinigung von Krankenkassen (§ 37) bzw zur Rechtsstellung des gewählten Geschäftsführers und des stellvertretenden Geschäftsführers (§ 38). Nach § 38 Abs 2 DO kann derjenige, der bis zur Vereinigung Geschäftsführer einer der durch die Vereinigung geschlossenen Krankenkassen, des AOK-Landesverbandes oder des Verbandes AOK-Rechenzentrum war, innerhalb von zwölf Monaten nach der Vereinigung die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand beantragen, wenn ein anderer zum Geschäftsführer der neuen Krankenkasse gewählt ist (Satz 1). Dem Antrag ist innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Antrags zu entsprechen (Satz 2). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist § 38 DO eine Sonderregelung (lex specialis) gegenüber § 37 DO. Der für den Kläger einschlägige § 38 Abs 2 DO macht die Versetzung in den vorläufigen Ruhestand weder ausdrücklich noch mittelbar vom Erreichen einer Altersgrenze abhängig. Eine solche hatte der Kläger damals auch nicht erreicht. Er war bei Beendigung seiner Beschäftigung 49 Jahre alt und hatte damit weder das 65. Lebensjahr (§ 25 Abs 1 Satz 2 Beamtenrechtsrahmengesetz <BRRG>) noch eine nach § 25 Abs 1 Satz 3 BRRG für eine vergleichbare Beamtengruppe spezialgesetzlich festgelegte abweichende Altersgrenze erreicht. Die Voraussetzungen von § 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI, der als Grundlage für die begehrte Feststellung von Versicherungsfreiheit allein in Betracht kommt, sind schon deshalb nicht erfüllt. Wie beide Vorinstanzen zutreffend erkannt haben unterscheidet sich der zur Entscheidung stehende Sachverhalt hierin von demjenigen, der dem Urteil des Senats vom 22. Februar 1996 (BSGE 78, 27 = SozR 3-2600 § 5 Nr 5 S 5) zu Grunde lag. Aufgabe der damals in Frage stehenden Regelungen des Personalstärkegesetzes war es gerade, die Bestimmungen des Soldatengesetzes über die Versetzung in den Ruhestand bei Erreichen bestimmter Altersgrenzen zu modifizieren.

Weder Sinn und Zweck des § 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI noch Gesetzessystematik oder Entstehungsgeschichte der Norm geben Anlass, von ihrem am Wortlaut orientierten Verständnis abzuweichen. Alle Tatbestände des § 5 SGB VI umschreiben Sachverhalte, bei denen trotz Vorliegens von Versicherungspflicht ausnahmsweise von einer Einbeziehung in das Sicherungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung abgesehen wird (vgl exemplarisch Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand: September 2003, § 5 SGB VI RdNr 3). Damit verbietet es sich jedenfalls hier, den Versicherungsfreiheits-Tatbestand erweiternd auszulegen oder entsprechend anzuwenden. Die Rechtsmacht, von der ausdrücklichen Voraussetzung des Versorgungsbezugs nach Erreichen einer Altersgrenze in § 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI abzusehen, ist weder der Beklagten noch der Rechtsprechung verliehen. Vielmehr sind beide jeweils rechts- und gesetzesgebunden (Art 20 Abs 3 Grundgesetz <GG>) und damit zur Eröffnung von Ausnahmen nicht berufen.

Damit ist es entgegen der Auffassung des Klägers und unabhängig von der individuellen Wahrscheinlichkeit seiner Reaktivierung zunächst ausgeschlossen, dass auch der besondere Status der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (vgl §§ 31 f BRRG) für den Eintritt von Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 2 Nr 4 SGB VI genügen könnte. Der Wegfall des bisher innegehabten Dienstpostens als Geschäftsführer, die Wahl eines anderen als des Antragstellers zum Geschäftsführer der neuen Kasse und die allein von der Willensentscheidung des bisherigen Stelleninhabers abhängige Ruhestandsversetzung stehen als notwendige Gesamtheit von Umständen dem Erreichen einer Altersgrenze weder tatsächlich noch beamten- oder rentenrechtlich gleich.

Ebenso wenig kann es darauf ankommen, ob die Versorgung einen bestimmten Prozentsatz der bisherigen Bezüge erreicht. An diese Ausgestaltung der Vorgängerregelungen in § 6 Abs 1 Nr 7 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und § 1229 Abs 1 Nr 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die den Eintritt der Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes durch das Abstellen auf eine prozentuale Mindestversorgung noch allein von deren Höhe abhängig gemacht hatten, knüpft das geltende Recht des SGB VI nicht mehr an. Vielmehr verfolgt es die ihm zu Grunde liegende Intention einer rentenrechtlichen Gleichbehandlung nur insofern und gerade dadurch, dass Versorgungsbezieher den bei Bezug einer Vollrente wegen Alters versicherungsfreien Rentenempfängern (§ 5 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) nur dann gleichgestellt werden, wenn auch ihre Bezüge nach Erreichen einer Altersgrenze gewährt werden. Nur in diesen Grenzen kommt es folglich auch auf den Gesichtspunkt der "Doppelversorgung" an. Wären dagegen Versorgungsbezieher auch unter weiteren - nach dem Maßstab des Gesetzes nicht vergleichbaren - Voraussetzungen versicherungsfrei, würde damit der Gesetzeszweck der Gleichbehandlung überschritten, ohne dass für die entstehende Ungleichbehandlung ein vor Art 3 Abs 1 GG rechtfertigender Grund benannt werden könnte. Damit verbietet sich ein Verständnis der Norm, das im Wege der "Auslegung" zum früheren Rechtszustand zurückkehrt (vgl hierzu insgesamt bereits BSGE 84, 115, 118 = SozR 3-2600 § 5 Nr 6 S 16). Auch ist von Art 3 Abs 1 GG nicht etwa eine schematische Gleichbehandlung aller Versorgungsempfänger unter einander (unabhängig vom auslösenden Tatbestand) geboten. Vielmehr durfte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass nur diejenigen von ihnen anderweitig hinreichend gesichert sind und deshalb trotz Verrichtung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eines zusätzlichen Schutzes durch die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr bedürfen, die bereits eine gesetzlich festgelegte Altersgrenze des Beamtenrechts erreicht haben. Der Gesetzgeber war deshalb nicht gehalten zu berücksichtigen, dass die erworbenen Rentenanwartschaften im Fall des Klägers auf Grund von Anrechnungsregelungen des Beamtenrechts künftig möglicherweise nicht zu einem effektiven Anwachsen der Altersversorgung führen werden (vgl BSGE 84, 115, 119 f = SozR 3-2600 § 5 Nr 6 S 17 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

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