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B 12 RA 5/03 B

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als selbstständige Hebamme.

Die Klägerin ist seit 1989 als selbstständige Hebamme tätig. Von 1992 an entrichtete sie Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gemäß § 2 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), zuletzt bis August 1999. Wegen der anschließend aufgelaufenen Beitragsforderung beantragte sie Stundung und Ratenzahlung, die ihr mit Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2001 auch gewährt wurden. Beitragszahlungen leistete die Klägerin gleichwohl nicht mehr. Mit weiterem Bescheid vom 17. April 2001 forderte die Beklagte von der Klägerin ausstehende Pflichtbeiträge für den Zeitraum Januar 2000 bis März 2001 nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 10.377,52 DM. Mit ihrem Widerspruch vom 1. Mai 2001 wandte die Klägerin ein, sie sei nicht länger bereit, Pflichtbeiträge in diese Zwangsversicherung einzuzahlen; die Versicherungspflicht für Hebammen verstoße gegen den Gleichheitssatz der Verfassung. Gleichzeitig beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht, weil sie private Vorsorge treffen wolle. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, weil die Erhebung von Pflichtbeiträgen bei bestehender Versicherungspflicht nicht zu beanstanden sei. Als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sei sie Teil der exekutiven Verwaltung und habe die vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungen umzusetzen; sie habe jedoch nicht zu beurteilen, ob die Feststellung der Versicherungspflicht sowie die Erhebung von Pflichtbeiträgen aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstanden sei. Ein Rechtsmittel ist hiergegen nicht eingelegt worden.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 SGB VI nicht erfüllt seien. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch vom 24. Juni 2001 und führte aus, die Befreiungsvorschrift begünstige diejenigen selbstständigen Hebammen, die ihrer Zahlungsverpflichtung wider besseres Wissen nicht nachgekommen seien, während sie - die Klägerin - bislang ordnungsgemäß Beiträge entrichtet habe und nun keine Befreiungsmöglichkeit mehr besitze. Dies sei verfassungswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht zurück. Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Augsburg vom 23. September 2002, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts <LSG> vom 13. März 2003). Weder sei die Versicherungspflicht der selbstständigen Hebammen verfassungswidrig noch stehe der Klägerin ein Befreiungsrecht nach § 231 Abs. 6 SGB VI zu.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, mit der allein die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird, ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 160a Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr. 11 und 39) sowie klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 13 und 65), also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 54). Soweit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des Grundgesetzes (GG) abgeleitet wird, werden zudem substantielle Ausführungen dazu verlangt, worin die Beschwerdeführerin die für einen Grundrechtsverstoß wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr. 23; vgl. auch BVerfG SozR 1500 § 160a Nr. 45). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Bundessozialgericht (BSG) sich bereits mit der Verfassungsmäßigkeit der gerügten oder einer vergleichbaren Norm auseinander gesetzt hat. Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Klägerin hat als Problem angesprochen, ob die Rentenversicherungspflicht von selbstständigen Hebammen verfassungsgemäß ist bzw. § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI mit der Verfassung in Einklang steht und wie das Verhältnis zu § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist. Es kann unerörtert bleiben, ob sie hiermit eine oder mehrere hinreichend präzise Rechtsfragen im vorstehend umschriebenen Sinne, formuliert hat. Jedenfalls fehlt es jeweils an den zusätzlich erforderlichen Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit. Auch wenn die grundsätzliche Bedeutung - wie hier - allein auf einen Verfassungsverstoß gestützt wird, mindert dies nämlich die Darlegungspflicht nicht (BSG in SozR 3-1500 § 160 Nr. 1). Für die Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, genügt daher die undifferenzierte Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 29. September 1994, 12 BK 62/94, Juris-Nr. KSRE039950517 mit Hinweis auf BSG in SozR 1500 § 160a Nr. 11). Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts - im Einzelnen aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (BSG Beschluss vom 11. November 1993, 6 BKa 15/92, Juris-Nr. KSRE040673418 ; ebenso BFH Beschlüsse vom 10. März 1992, VII B 250/91, BFH/NV 1992, 771 und vom 21. November 2000, IV B 153/99, Juris-Nr. STRE200150062 ). Soweit - sinngemäß - ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gerügt wird, bedarf es insbesondere einer Benennung der für eine Gleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale (BSG Beschluss vom 25. Februar 1991, 9b BAr 20/90, Juris-Nr. KSRE007831414 ) sowie der Darlegung, worin konkret Ungleichbehandlung und Willkür erblickt werden (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr. 11). Die bloße Benennung nach Auffassung der Klägerin "fragwürdiger" oder "klärungsbedürftiger" Einzelaspekte genügt diesen Anforderungen nicht.

Für die von der Klägerin benannten Probleme hätte es darüber hinaus der Erörterung bedurft, ob und inwieweit diese ggf. durch in anderem Zusammenhang vorliegende oberstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt sind. Zwar hat das BSG bislang noch keine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Versicherungspflicht von Hebammen (§ 2 Satz 1 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) getroffen, wohl aber zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Versicherungspflicht von selbstständigen Lehrern (§ 2 Satz 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, vgl. BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 5). In dieser Entscheidung des Senats vom 12. Oktober 2000 finden sich umfangreiche Hinweise zum Hintergrund der Versicherungspflicht von Selbstständigen und zur Verfassungsgemäßheit dieser Pflichtversicherung - insbesondere zu Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG - die auch für den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt von Bedeutung sein können. Mit dieser Rechtsprechung hätte sich die Klägerin auseinander setzen und darlegen müssen, weshalb ihr nicht zu folgen bzw. inwieweit für selbstständige Hebammen eine andere rechtliche Bewertung vorzunehmen ist. Dies gilt hier umso mehr, als das BSG die Stellung von selbstständigen Lehrern im Erwerbsleben ausdrücklich als mit derjenigen von selbstständigen Pflegepersonen und Hebammen vergleichbar und es daher als sachlich gerechtfertigt angesehen hat, speziell für diesen Personenkreis eine Versicherungspflicht anzuordnen, weil sie ähnlich abhängig beschäftigten Arbeitnehmern schutzbedürftig sind (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 5 S. 33).

Von einer weiteren Begründung hat der Senat gemäß § 160a Abs. 4 Satz 3, 2. Halbsatz SGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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