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B 5 RJ 32/02 R

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Versicherungsnummer (VNr) des Klägers wegen späterer Ergänzung des darin nur mit der Jahreszahl enthaltenen Geburtsdatums fehlerhaft geworden und ihm deshalb eine neue VNr zu erteilen ist.

Der im Königreich Marokko geborene Kläger wohnt seit dem Jahre 1972 in Deutschland und besitzt seit dem 26. August 1993 die deutsche Staatsangehörigkeit. Bei der erstmaligen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland wurde ihm am 14. September 1972 eine Versicherungskarte mit der VNr 13 00 00 50 ausgestellt. Denn nach den damals vorgelegten Urkunden waren nur das Jahr der Geburt - 1950 -, nicht aber Tag und Monat der Geburt dokumentiert, so dass die Stellen 3 bis 6 der VNr mit einer Leerziffer (0) versehen wurden. Mit Urteil vom 23. Februar 1993 hat das Amtsgericht (AG) Nador, Nebenstelle Midar (Marokko), eine Ergänzung der marokkanischen Personenstandsregister dahingehend verfügt, dass der Kläger am 1. Januar 1950 in B, Bezirk Nador / Marokko, geboren sei. Die später in Deutschland ausgestellten Dokumente (Einbürgerungsurkunde, Personalausweis, Familienbuch, Heiratsregister) enthalten dieses Geburtsdatum. Schließlich hat während des Klageverfahrens das Standesamt I in Berlin dem Kläger am 21. Dezember 2001 auch eine deutsche Geburtsurkunde mit dem Geburtsdatum 1. Januar 1950 ausgestellt.

Mit Bescheid vom 15. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1996 lehnte es die Beklagte ab, die VNr zu berichtigen: Maßgeblich sei allein das zur Zeit der Erteilung angegebene unvollständige Geburtsdatum. Die spätere Ergänzung sei unerheblich, denn der VNr komme nur Ordnungsfunktion zu. Im Übrigen könne dem Urteil des AG Nador nicht gefolgt werden, da es keine nachvollziehbaren Tatsachenfeststellungen enthalte.

Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat mit Urteil vom 6. November 1998 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, „die VNr des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass sie den 1. Januar 1950 als Geburtsdatum enthält“. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit Urteil vom 26. April 2002 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und die Revision zugelassen: Für das streitige Rechtsverhältnis sei zwar der am 1. Januar 1998 in Kraft getretene § 33a Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zu beachten, er verhindere jedoch nicht die Neuvergabe einer VNr mit dem vollständigen Geburtsdatum (1. Januar 1950), wenn nur gemäß dem Zweck dieser Norm das in der alten VNr enthaltene Geburtsjahr (1950) erhalten und auch im Leistungsfall maßgeblich bleibe. Der Kläger werde durch diese Auslegung nicht begünstigt, denn für die Verwaltungspraxis, bei bekanntem Jahr aber unbekanntem Tag und Monat der Geburt den Beginn einer vom Erreichen einer Altersgrenze abhängigen Rente auf den 1. Juli zu legen, sei eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Im Falle des Klägers werde der erforderliche Nachweis von Tag und Monat der Geburt jedenfalls nach den Beweisregeln der §§ 60, 61a, 62, 66 Personenstandsgesetz (PStG) durch die am 21. Dezember 2001 ausgestellte deutsche Geburtsurkunde erbracht.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 33a SGB I: Auch eine VNr mit teilweise fiktiven Ziffern („00 00 50“) sei eine gültige VNr und außerhalb der engen Grenzen des § 33a Abs. 2 SGB I bestehe kein Spielraum für eine weitere „Konkretisierung“. Die Regelung des § 33a SGB I solle die missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Änderung von Geburtsdaten vermeiden und die Verwaltung von arbeitsaufwändigen Nachprüfungen entlasten. Nicht nur bei Änderung des Geburtsjahres, sondern auch bei Änderung von Tag und Monat der Geburt bestehe aber die Gefahr des Leistungsmissbrauchs, und es entstehe ein erhöhter Verwaltungsaufwand bei der Prüfung der neuen Geburtsdaten.

Die Beklagte beantragt,

  • das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2002 sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. November 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  • die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Änderung eines Geburtsdatums liege nicht vor, denn ein Geburtsdatum „00 00 50“ gebe es nicht. Vielmehr seien Tag und Monat der Geburt nunmehr erstmals bekannt und nachgewiesen. Es handele sich insoweit um die „erste Angabe des Berechtigten ... gegenüber einem Sozialleistungsträger“ im Sinne des § 33a Abs. 1 SGB I und die bisherige Angabe des Geburtsjahres werde lediglich um den Tag und den Monat der Geburt ergänzt. Deshalb sei es unerheblich, dass das Urteil des AG Nador vom 23. Februar 1993 erst nach der Arbeitsaufnahme in Deutschland ergangen sei. Der Kläger habe ein Rechtsschutzbedürfnis auf Neuvergabe der VNr, denn selbst wenn nach der Verwaltungspraxis der Beklagten bei ungeklärtem Tag und Monat der Geburt die Rente am 1. Juli des Jahres des Erreichens einer Altersgrenze beginne, würde er ein halbes Jahr später in den Genuss der Rentenzahlungen kommen.

Entscheidungsgründe

Gegen die Zulässigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) bestehen im Anschluss an das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. April 2001 - B 13 RJ 35/00 R -, BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr. 4 keine Bedenken, vor allem, weil die abgelehnte Neuvergabe der VNr einen Verwaltungsakt darstellt, der sich auf den späteren Leistungsfall auswirkt.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen ist die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger eine neue VNr unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 1. Januar 1950 zu vergeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1996 ist im Ergebnis rechtmäßig. Werden bei Erstvergabe der VNr an den für das Geburtsdatum vorgesehenen Stellen Leerziffern verwendet, weil nur Jahr, nicht aber Tag und Monat der Geburt bekannt sind, so sind auch diese Daten nach § 33a Abs. 1 und Abs. 3 SGB I gültiger und nur nach Maßgabe des § 33a Abs. 2 SGB I korrigierbarer Bestandteil der VNr. Gegen die Verwaltungspraxis, in diesen Fällen den 1. Juli des jeweiligen Jahres dem Leistungsfall zugrunde zu legen, bestehen keine Bedenken.

Der Anspruch auf Neuvergabe (Berichtigung für die Zukunft) einer VNr richtet sich nach § 147 und § 152 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) i.V.m. der Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung - VKVV - vom 30. März 2001 (BGBl. I 475). § 152 Nr. 3 SGB VI ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der VNr sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die VKVV, welche in § 3 Abs. 1 das Nähere für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer neuen VNr wegen Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit des in der bisherigen VNr eingetragenen Geburtsdatums regelt. Danach wird eine VNr nur einmal vergeben und grundsätzlich nicht berichtigt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VKVV). Nur VNrn, die auf Grund einer nach § 33a SGB I zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, werden gesperrt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VKVV). Die Versicherten erhalten - nach dem Kontext: dann - eine neue VNr (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VKVV).

Ob eine VNr i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 VKVV wegen Änderung eines Geburtsdatums fehlerhaft geworden und deshalb eine neue VNr zu erteilen ist, bestimmt sich deshalb letztlich nach § 33a SGB I, der mit Art. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2970, 2981) eingefügt wurde. Diese am 1. Januar 1998 nach Erlass der streitgegenständlichen Bescheide in Kraft getretene Vorschrift (vgl. Art. 32 Abs. 1 1. SGB III-ÄndG) haben die Vorinstanzen zusammen mit der später in Kraft getretenen VKVV zu Recht ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, denn die begehrte Neuvergabe einer VNr ist stets zukunftsgerichtet und der zeitliche Geltungswille der Gesetz- und Verordnungsgeber betrifft gerade diese Fälle (vgl. m.w.N. BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 35/00 R -, BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr. 4). Die Regelung des § 33a SGB I hat folgenden Wortlaut:

„(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des dritten oder sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.

(2) Von einem nach Abs. 1 maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass

1.ein Schreibfehler vorliegt oder
2.sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches verwendeten Kennzeichen sind, entsprechend.“

Der Kläger hat nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 VKVV i.V.m. den nach § 33a Abs. 3 SGB I entsprechend anwendbaren einschränkenden Regelungen des § 33a Abs. 1 und Abs. 2 SGB I keinen Anspruch auf Erteilung einer neuen VNr. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) entsprach das Geburtsjahr 1950 der Angabe des Klägers und den damals vorgelegten Personenstandsurkunden „bei Eintritt in die Rentenversicherung“. Ein Schreibfehler (§ 33a Abs. 2 Nr. 1 SGB I) in den damals vorgelegten Urkunden oder aus Anlass der damaligen Aufnahme der Geburtsdaten des Klägers durch den Arbeitgeber oder einen Leistungsträger bei der Vergabe der VNr lag weder nach dem Vortrag des Klägers noch nach den Feststellungen des LSG vor. Weiter ist nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG davon auszugehen, dass sämtliche Urkunden, die das Geburtsdatum des Klägers mit 1. Januar 1950 ausweisen - beginnend mit dem Urteil des AG Nador (Marokko) vom 23. Februar 1993 und endend mit der „deutschen“ Geburtsurkunde, ausgestellt vom Standesamt I in Berlin am 21. Dezember 2001 - zeitlich nach den ersten Angaben des Klägers aus Anlass seiner Arbeitsaufnahme in Deutschland (§ 33a Abs. 1 SGB I) ausgestellt worden sind, so dass die Ausnahmeregelung des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nicht einschlägig ist. Es kommt deshalb nicht darauf an, welcher Beweiswert diesen Urkunden beizumessen wäre und ob, wie das LSG meint, jedenfalls für die „deutsche“ Geburtsurkunde nach dem PStG die Rechtsvermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit besteht (vgl. dazu m.w.N. BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 35/00 R -, BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr. 4).

Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung des LSG, die Sperrwirkung des § 33a SGB I bestehe nicht, weil das ursprünglich unvollständige Geburtsdatum (ohne Tag und Monat der Geburt) durch die Vorlage der später ausgestellten Urkunden lediglich vervollständigt oder ergänzt werde und von der Sperrwirkung des § 33a SGB I nur das ohnehin unverändert gebliebene Jahr der Geburt erfasst sei. Dieser Auslegung steht der Wortlaut des § 33a Abs. 3 SGB I entgegen, der eine entsprechende Anwendung der Absätze 1 und 2 des § 33a SGB I für Geburtsdaten (im Gegensatz zum Geburtsdatum, von dem allein in den Absätzen 1 und 2 die Rede ist) anordnet, die Bestandteil der VNr oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen verwendeten Kennzeichens sind. Auf gesetzlicher Grundlage sind aber seit jeher auch der unbekannte Tag und Monat der Geburt - in Form von Leerziffern - Bestandteil der Geburtsdaten in der VNr.

Als der Kläger im Jahre 1972 in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnahm, richtete sich die Vergabe der ursprünglichen VNr 13 00 00 50 Q 038 noch nach Teil II § 2 Abs. 3 der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über VNrn. in der gesetzlichen Rentenversicherung“ vom 27. Dezember 1967 (BAnz vom 30. Dezember 1967 Nr. 244 S 8) auf der Ermächtigungsgrundlage des § 1414 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung. Die Vorgehensweise bei unbekanntem Tag und Monat ist dort allerdings nicht geregelt. Erst § 2 Abs. 3 Satz 4 der „Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der VNr“ (VNrV) vom 7. Dezember 1987 (BGBl. I 2532) sanktionierte die Verwaltungspraxis, wie im Falle des Klägers, Leerziffern zu verwenden. Danach sind bei Versicherten ohne nachgewiesenen Geburtstag oder Geburtsmonat die entsprechenden Stellen des Geburtsdatums in der VNr „fiktiv festzustellen“. § 2 Abs. 3 der ab 1. Juli 2001 in Kraft getretenen VKVV regelt - konform mit der Verordnungsermächtigung des § 152 Nr. 4 SGB VI - das „Nähere“ über die Aufnahme des Geburtsdatums in die VNr. Nach dessen Satz 1 bilden der Geburtstag und der Geburtsmonat - jeweils zweistellig - und die beiden letzten Ziffern des Geburtsjahres der Versicherten die Stellen drei bis acht. Nach dessen Satz 2 regeln bei nicht nachgewiesenem Geburtsdatum unter Beachtung des § 33a SGB I die Spitzenverbände der Kranken- und Pflegekassen, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Bundesanstalt für Arbeit die Gestaltung dieser Stellen oder der VNr insgesamt einvernehmlich. Im Ergebnis änderte sich mit dieser weiteren Regelungsbefugnis nichts gegenüber der bisherigen durch die VNrV vorgeschriebenen Rechtslage und Verwaltungspraxis. Denn nach Punkt 3.1.1.2 des Rundschreibens der ermächtigten Verbände und Träger vom 15. Juli 1998 i.d.F. vom 24. Oktober 2001 - “Gemeinsames Meldeverfahren zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung“ - ist für den Fall, dass im Pass des Versicherten weder Tag noch Monat der Geburt angegeben sind, bestimmt, dass dann als „Geburtsdatum“ in der VNr „00 00 XX“ erscheint (die weiteren Varianten für den Fall, dass die Seriennummern des jeweiligen Geburtsjahres nicht ausreichen, können hier unerörtert bleiben). Festzuhalten bleibt deshalb, dass die ursprüngliche Vergabe der VNr 13 00 00 50 korrekt auf gesetzlicher Grundlage erfolgt ist. Die vorgeschriebene Vergabe von Leerziffern bei unbekanntem Tag und Monat der Geburt war und ist von den jeweiligen Verordnungsermächtigungen gedeckt, denn zum „Näheren“ über die Zusammensetzung der VNr zählt auch die Vorgehensweise, falls Tag und Monat der Geburt nicht bekannt sein sollten. Die nach § 33a Abs. 3 SGB I in entsprechender Anwendung der Regelung des § 33a Abs. 1 und 2 SGB I zu beachtende Sperrwirkung bezieht sich deshalb auch auf die nach Maßgabe der VNrV bzw. VKVV gebildeten „fiktiven“ Geburtsdaten bzw. die Leerziffern als Bestandteil der VNr. Eine neue VNr ist nicht zu vergeben, denn insoweit ist die vergebene VNr gerade nicht „auf Grund einer nach § 33a SGB I zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden“, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 VKVV.

Diese Auslegung entspricht der Intention des Gesetzgebers. Mit Einfügung des § 33a SGB I sollte einerseits der Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen mittels nachträglicher Änderung des amtlich festgestellten Geburtsdatums entgegengetreten und andererseits den hierfür zuständigen Instanzen die mit der Abklärung des richtigen Geburtsdatums verbundene verwaltungsintensive Prüfung erspart werden (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 13/8994 S. 67). Eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen wäre für eine Rentenlaufzeit von bis zu einem Jahr auch möglich, wenn nur Tag und Monat manipuliert würden. Auch der Verwaltungsaufwand ist immer gleich, unabhängig davon, ob das Jahr oder nur der Monat der Geburt zu überprüfen ist. Nur wenn eine vor der Erstvergabe der VNr ausgestellte Urkunde ein anderes Geburtsdatum (entsprechend § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I) beweist, besteht in der Regel nicht die Gefahr der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen. „Geburtsdatenänderungen“, die nach der Erstausgabe einer VNr (entsprechend § 33a Abs. 1 SGB I) vorgenommen werden, bleiben bei der beanspruchten Neuvergabe der VNr und damit bindend für den künftigen Leistungsfall unberücksichtigt.

Der Senat hat im vorliegenden Verfahren nicht darüber zu entscheiden, ab wann dem Kläger z.B. eine Altersrente zusteht. Die hier vertretene Auslegung des § 33a Abs. 3 SGB I ist indes nur dann stimmig, wenn im Leistungsfall bei unbekanntem - bzw. weiterhin als unbekannt geltendem - Tag und Monat der Geburt der 1. Juli des jeweiligen Geburtsjahres als Geburtsdatum gilt.

§ 33a Abs. 1 SGB I enthält die leistungsrechtliche Regelung, dass bei Rentenansprüchen, die vom Erreichen einer Altersgrenze abhängig sind, das Geburtsdatum maßgebend ist, das erstmals gegenüber einem Sozialleistungsträger oder dem Arbeitgeber angegeben wurde (BSG Urteil vom 31. März 1998 - B 8 KN 11/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr. 2). Dies gilt infolge des Verweises in § 33a Abs. 3 SGB I auf die Gesamtregelung des § 33a Abs. 1 SGB I auch für die Geburtsdaten einer VNr mit Leerziffern entsprechend, so dass, abgesehen von der stets möglichen Korrektur nach Maßgabe des § 33a Abs. 2 SGB I, im Falle des Klägers für die Rentengewährung das Geburtsjahr 1950 festgeschrieben bleibt und Tag und Monat der Geburt weiterhin als unbekannt fingiert werden. Da nach § 99 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 35 Nr. 1 SGB VI z.B. die Regelaltersrente ab dem Monat zu leisten ist, zu dessen Beginn der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet hat, dies aber bei unbekanntem Tag und Monat der Geburt im Falle des Klägers erst für den 31. Dezember 2015 (einschließlich) feststeht, wäre der früheste Rentenbeginn für diese Rentenart der 1. Januar 2016. Diese Auslegung stößt aber auf verfassungsrechtliche Bedenken, denn bei genereller Betrachtung werden den von der Sperrwirkung Betroffenen die Rentenzahlungen für ein halbes Jahr vorenthalten, ohne dass ihnen im Leistungsfall der Nachweis von Tag und Monat der Geburt möglich wäre. Die unter dem Schutz des Art. 14 Grundgesetz (GG) stehenden Rentenanwartschaften dieser Gruppe der Versicherten wären entwertet (z.B. bei 10 Jahren Rentenlaufzeit um 5%), die Versichertengemeinschaft entsprechend „bereichert“; und auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei Vergleich zur Gruppe der Versicherten, die von diesem Nachteil nicht betroffen ist, wäre nicht auszuschließen. Die Verwaltungsübung, bei unbekanntem Tag und Monat der Geburt stets den Beginn einer vom Erreichen einer Altersgrenze abhängigen Rente auf den 1. Juli zu legen - also fiktiv den 1. Juli des jeweiligen Jahres als Geburtsdatum anzusehen - trägt diesen Bedenken Rechnung. Durch sie wird jedenfalls das Gesetz (§ 33a SGB I) und die VKVV, die auf § 33a SGB I Bezug nimmt, verfassungskonform in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Denn für die Versichertengemeinschaft ist diese Verwaltungspraxis - mit der zulässigen Generalisierung, dass sich Geburten gleichmäßig auf das ganze Jahr verteilen - kostenneutral. Bei genereller Betrachtung gilt dies aber auch für die Belastung der Versicherten, die bei unbekanntem Tag und Monat der Geburt zur Zeit der Vergabe der VNr von der Sperrwirkung des § 33a SGB I betroffen sind. Denn individuell sind nur die vor dem 1. Juli Geborenen benachteiligt, die danach Geborenen jedoch gleichermaßen begünstigt, d.h. sie erhalten die Rente ab 1. Juli des jeweiligen Jahres in dem sie eine Altersgrenze erreichen, obwohl sie nachweislich z.B. im Dezember geboren sind.

Sinn und Zweck des § 33a SGB I würde es dagegen zuwiderlaufen, entsprechend der Verwaltungsübung vorzugehen und gleichzeitig, sei es bei der begehrten Neuvergabe der VNr, sei es erst im Leistungsfall, ungeachtet der Einschränkungen des § 33a Abs. 2 SGB I den Nachweis von Tag und Monat der Geburt zuzulassen. Denn dann würden zum Nachteil der Versichertengemeinschaft nur diejenigen aktiv, die den Nachweis führen können, dass sie vor dem 1. Juli des jeweiligen Jahres geboren sind.

Wie das BSG bereits für die wirtschaftlich bedeutsameren Fälle der Änderung des Geburtsjahres entschieden hat, verstößt § 33a SGB I weder gegen das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht noch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BSG Urteile vom 31. März 1998 - B 8 KN 5/95 R = SozR 3-1200 § 33a Nr. 1 und - B 8 KN 11/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr. 2). Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung in vollem Umfang dieser Rechtsprechung an. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 14. März 2000 (C-102/98 und C-211/98 - SozR 3-6940 Art. 3 Nr. 1) entschieden, dass § 33a SGB I auch nicht europarechtlichen Regelungen, insbesondere mit Blick auf Gleichstellungsregelungen in Assoziationsabkommen, wie sie auch mit dem Königreich Marokko bestehen, widerspricht, selbst wenn sich der Kläger als deutscher Staatsangehöriger überhaupt darauf berufen könnte (verneinend insoweit BSG Urteil vom 31. März 1998 - B 8 KN 11/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr. 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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