B 13 RJ 35/00 R
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte an die Klägerin eine neue Versicherungsnummer (VNr) mit geändertem Geburtsdatum zu vergeben hat.
Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige und hält sich seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Mit Eintritt in die deutsche Rentenversicherung wurde ihr von der Beklagten auf der Grundlage ihrer Angaben und der von ihr vorgelegten Unterlagen eine VNr mit dem Geburtsdatum 00 00 49 erteilt.
Mit Bescheid vom 2. April 1992 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1994 lehnte die Beklagte eine „Berichtigung des Geburtsdatums in der VNr“ im wesentlichen mit der Begründung ab, es lägen keine Unterlagen vor, die im erforderlichen Umfang nachweisen könnten, daß die Klägerin früher als 1949 geboren sei. Auch die vorliegende Heiratsurkunde aus dem Jahre 1964 enthalte das in die VNr aufgenommene Geburtsdatum. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht D. (SG) mit Urteil vom 12. Januar 1995 abgewiesen.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 8. Juni 1998 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet, weil es für die begehrte Änderung des bisher in der VNr enthaltenen Geburtsdatums „1. Januar 1949“ in das jetzt geltend gemachte Geburtsdatum „1. Januar 1946“ keine Rechtsgrundlage gebe. Zwar sehe § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der Versicherungsnummer (VNrV) eine Berichtigung u.a. für den Fall vor, daß das Geburtsdatum in der VNr unrichtig sei, daraus folge jedoch kein einklagbares Recht des Versicherten gegen den Versicherungsträger auf Änderung des Geburtsdatums in der bisher geführten VNr. Dieser komme lediglich Ordnungsfunktion zu, während eine endgültige Entscheidung über das Geburtsdatum, insbesondere für den Leistungsfall, nicht getroffen werde. Richtiges Geburtsdatum i.S. des § 1 Abs. 5 Satz 2 VNrV sei bei ausländischen Versicherten regelmäßig und auf Dauer das vom Versicherungsträger bei Vergabe der VNr zugrunde gelegte Geburtsdatum, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt vom Versicherten gemachten Angaben entspreche und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimme, was vorliegend der Fall sei. Der möglicherweise ein anderes Geburtsdatum enthaltende Beschluß des türkischen Zivilgerichts P. vom 4. Dezember 1963 habe weder während des Verwaltungsverfahrens noch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren vorgelegen. Die Klägerin könne sich mit ihrem Begehren auch nicht auf § 33a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung stützen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe, handele es sich bei dieser Neuregelung insgesamt um eine Einschränkung der Beweisregeln für den Nachweis der Unrichtigkeit eines Geburtsdatums. Eine Erweiterung der Anspruchsgrundlagen für eine Änderung der VNr habe der Gesetzgeber nicht beabsichtigt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Nachdem im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 31/96 R - an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war, hat die Beklagte nach Erlaß des Urteils des EuGH vom 14. März 2000 - C-102/98 und C-211/98 - (SozR 3-6940 Art. 3 Nr. 1) die Fortsetzung des Revisionsverfahrens beantragt.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 147, § 152 Nr. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V.m. § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 VNrV sowie von § 33a SGB I. Dazu trägt sie vor: Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung sowohl des 13. als auch des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr in jeder Lage des Verwaltungsverfahrens überprüfbar. Demgegenüber habe sich das LSG auf eine Rechtsauffassung des 5. Senats des BSG bezogen, die dieser in vollem Umfang aufgegeben habe (Beschluß vom 19. November 1997 - 5 S. (J) 8/97). Zu Recht habe der 13. Senat des BSG in seinem Vorlagebeschluß vom 17. Februar 1998 an den EuGH hervorgehoben, daß die Neuvergabe einer VNr nicht nur einen verwaltungsinternen Vorgang betreffe, sondern einen Verwaltungsakt darstelle. Die VNr habe für die Rentenversicherung eine weit über die interne Datenerfassung hinausgehende Bedeutung. Außerdem würden Versicherte ihre Lebensplanung in der Regel auf der Grundlage ihres richtigen Geburtsdatums vornehmen. Sie müßten frühzeitig in der Lage sein zu erkennen, ob das von ihnen als maßgeblich erachtete Geburtsdatum rentenrechtlich Berücksichtigung finde. Deshalb könne § 1 Abs. 5 Satz 2 VNrV nicht dahingehend ausgelegt werden, daß die VNr bis zum Eintritt des Leistungsfalles ungeachtet ihrer Richtigkeit bestehen bleibe.
Ferner rügt die Klägerin eine Verletzung der Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>). Zwar habe sich das LSG an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland gewandt, um die Gerichtsakten des Zivilgerichts Pülümür zur Änderung ihres Geburtsdatums zu erhalten. Gleichwohl habe es vor Eingang der Antwort entschieden. Sie - die Klägerin - habe dem LSG das Urteil des Zivilgerichts P. bedauerlicherweise erst einen Tag nach der Verkündung des Berufungsurteils übermitteln können. Da ihr Geburtsdatum ausweislich des Urteils des Zivilgerichts P. vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland geändert worden sei, sei eine Berichtigung des Geburtsdatums in der VNr gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nicht ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 1998 sowie das Urteil des SG Düsseldorf vom 12. Januar 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. April 1992 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1994 zu verurteilen, an sie, die Klägerin, eine neue VNr unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 01.01.1946 zu vergeben.
Die Beklagte beantragt,
- die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das Geburtsjahr 1946 sei auch unter der Geltung des § 33a SGB I nicht in die VNr der Klägerin aufzunehmen. Nach dieser Vorschrift sei grundsätzlich das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten gegenüber einem deutschen Sozialleistungsträger ergebe. Davon dürfe unter den Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 SGB I ausschließlich dann abgewichen werden, wenn entweder ein Schreibfehler festgestellt werde oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe ausgestellt sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Als Urkunde i.S. des § 33a Abs. 2 SGB I könne vorliegend nur das türkische Personenstandsregister aus dem Jahre 1952 angesehen werden, in dem die Klägerin mit dem Geburtsdatum 1. Januar 1949 eingetragen worden sei. Die spätere Änderung dieser Eintragung durch ein zweifelhaftes Urteil des Amtsgerichts P. sei unbeachtlich. Insbesondere handele es sich bei der geänderten Eintragung nicht um eine Originalurkunde i.S. des § 33a SGB I, sondern um eine aufgrund des Urteils geänderte Originalurkunde. Im übrigen würden türkische Entscheidungen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG ausschließlich die türkische Verwaltung, nicht jedoch die deutschen Behörden und Gerichte binden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist i.S. der Zurückverweisung begründet.
Streitig ist allein die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine neue VNr. unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 01.01.1946 zu vergeben. Soweit die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Klagevorbringen begehrt hatte, die Beklagte möge für einen zukünftigen Leistungsfall das von ihr geltend gemachte Geburtsdatum (01.01.1946) zugrunde legen, hat sich dieser Streitpunkt jedenfalls dadurch erledigt, daß die Beklagte sich im Verhandlungstermin vor dem Senat bereit erklärt hat, für den Fall des Obsiegens der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit das neue Geburtsdatum auch i.S. von § 149 SGB VI bescheidmäßig festzustellen.
Richtige Klageart für das Begehren der Klägerin ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG), da jedenfalls die Neuvergabe einer VNr. einen Verwaltungsakt darstellt (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 31/96 R -, Umdr. S. 8). Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich bereits daraus, daß durch ein unrichtiges Geburtsdatum in der VNr. ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt sein kann (vgl. § 84 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch <SGB X>). Die vom 5. Senat früher vertretene Rechtsauffassung, der VNr. komme lediglich Ordnungsfunktion zu (BSGE 71, 170, 174 = SozR 3-5748 § 1 Nr. 1), ist vom selben Senat mit Beschluß vom 19. November 1997 - 5 S. (J) 8/97 - aufgegeben worden.
Keiner abschließenden Entscheidung bedarf im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens die Frage, ob es sich bei der erstmaligen Vergabe einer VNr. gemäß § 1 VNrV bzw. bei der Unterrichtung des Versicherten über die Vergabe einer VNr. nach § 147 Abs. 3 SGB VI um einen Verwaltungsakt handelt, dessen Bestandskraft nur im Wege der §§ 44 ff. SGB X beseitigt werden kann. Vorliegend kann die Klägerin mit ihrem Begehren jedenfalls nur durchdringen, wenn sie nach materiellem Recht einen Anspruch auf Neuvergabe einer VNr. hat.
Der Anspruch auf Vergabe bzw. Neuvergabe (Berichtigung) einer VNr. richtet sich nach § 147 und § 152 Nr. 3 SGB VI i.V.m. der VNrV. Nach § 147 Abs. 1 SGB VI kann der Träger der Rentenversicherung für Personen eine VNr. vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat er eine VNr. zu vergeben. Nach § 147 Abs. 2 SGB VI setzt sich die VNr. einer Person aus der Bereichsnummer des die VNr. vergebenden Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer zusammen.
§ 152 Nr. 3 SGB VI ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der VNr. sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die VNrV, welche in § 1 die Vergabe und in § 2 die Zusammensetzung der VNr. näher regelt. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 VNrV enthalten die Stellen drei bis acht der VNr. das Geburtsdatum (vgl. auch § 147 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, § 2 Abs. 1 Nr. 2 VNrV). Für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer neuen VNr. wegen Unrichtigkeit des in der bisherigen VNr. eingetragenen Geburtsdatums ist § 1 Abs. 5 VNrV einschlägig. Danach wird eine VNr. nur einmal vergeben und nicht berichtigt (Satz 1). Ist das Geburtsdatum oder die Seriennummer in der VNr. unrichtig, erhält der Versicherte eine neue VNr.; die insoweit unrichtige VNr. ist nicht mehr zu verwenden und als nicht verwendbar zu kennzeichnen (Satz 2).
Ob eine VNr. i.S. des § 1 Abs. 5 Satz 2 VNrV unrichtig ist, bestimmt sich nunmehr nach § 33a SGB I, der mit Art. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2970, 2981) eingefügt wurde. Diese am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Vorschrift (vgl. Art. 32 Abs. 1 1. SGB III-ÄndG) ist vom LSG zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt worden. Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist das zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung geltende Recht maßgebend (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 54 RdNr. 33, 34 m.w.N.; zur Beachtung des § 33a SGB I in der Revisionsinstanz vgl. auch BSG SozR 3-1200 § 33a Nr. 1, 2; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 - B 8 KN 3/00 R -, Umdr. S. 5). Voraussetzung ist allerdings, daß das neue Gesetz nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt (BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr. 4; BSGE 68, 47, 48 = SozR 3-2500 § 159 Nr. 1; BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr. 4). Das ist hier der Fall. Die Verpflichtung der Beklagten, eine neue VNr zu erteilen, ist notwendig in die Zukunft gerichtet. Für die Vergangenheit kann eine VNr nicht vergeben werden (vgl. Senatsbeschluß vom 1. Februar 1995 - 13 RJ 47/93 -, Umdr. S. 9). Die Klägerin könnte aus der Zuordnung einer VNr ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit keine Rechte herleiten. Ob die §§ 300 ff. SGB VI in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Vorschriften des SGB VI auf geänderte Bestimmungen außerhalb dieses Gesetzbuches Bezug nehmen, (entsprechend) anzuwenden sind, kann dahingestellt bleiben; denn der insoweit ggf. einschlägige § 300 Abs. 1 SGB VI enthält keine abweichende Regelung (vgl. BSGE 70, 138, 139 = SozR 3-6180 Art. 13 Nr. 2; BSGE 71, 227, 228 f = SozR 3-2600 § 56 Nr. 4).
Nach § 33a Abs. 1 SGB I ist, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem nach Abs. 1 maßgebenden Geburtsdatum darf gemäß Abs. 2 nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß (1.) ein Schreibfehler vorliegt oder (2.) sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Abs. 1 und 2 gelten gemäß Abs. 3 auch für Geburtsdaten, die Bestandteil der VNr oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches (SGB) verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.
Grundsätzliche Bedenken verfassungsrechtlicher oder europarechtlicher Art gegen diese Vorschrift bestehen nicht, wie bereits sowohl vom 8. Senat des BSG (BSG SozR 3-1200 § 33a Nr. 1, 2; Urteil vom 19. Oktober 2000 - B 8 KN 3/00 R m.w.N.) als auch vom erkennenden Senat anderweitig entschieden worden ist (Senatsurteile vom 5. April 2001 - B 13 RJ 21/00 R - und - B 13 RJ 33/00 R -).
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) entsprach das Geburtsjahr 1949 der Angabe der Klägerin „bei Eintritt in die Rentenversicherung“. § 33a Abs. 1 SGB I stellt jedoch nicht nur auf die (erste) Angabe bei Eintritt in die Rentenversicherung ab. Sollte es sich bei der vom LSG festgestellten Angabe der Klägerin tatsächlich um die erste Angabe gegenüber einem Sozialleistungsträger oder einem Arbeitgeber entsprechend § 33a Abs. 1 SGB I gehandelt haben, was vom LSG ggf. noch zu prüfen sein wird, so wäre die von der Beklagten mit dem Geburtsdatum 00 00 49 vergebene VNr zwar nach dieser Vorschrift als zutreffend anzusehen. Unabhängig davon kann die Klägerin jedoch einen Anspruch auf Neuvergabe der VNr mit dem nunmehr geltend gemachten Geburtsdatum haben, wenn das bislang in ihrer VNr verwendete Geburtsdatum nach Maßgabe des § 33a Abs. 2 SGB I unrichtig ist.
Auf § 33a Abs. 2 Nr. 1 SGB I läßt sich dieser Anspruch zwar nicht stützen, weil nicht ersichtlich ist, daß es im Zusammenhang mit der ersten Angabe des Geburtsdatums durch die Klägerin gegenüber einem deutschen Sozialleistungsträger zu einem Schreibfehler gekommen sein könnte. Doch besteht nach den Tatsachenfeststellungen des LSG die Möglichkeit, daß sich i.S. von § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Geburtsdatumsangabe der Klägerin gegenüber der Beklagten - oder einem anderen Sozialleistungsträger oder einem Arbeitgeber in Deutschland - ausgestellt worden ist, das Geburtsdatum 01.01.1946 anstelle des bisher in der VNr enthaltenen Geburtsdatums 00 00 49 ergibt. Nach der vom LSG wiedergegebenen Auskunft der Deutschen Botschaft in Ankara ist durch die Entscheidung des türkischen Zivilgerichts P. vom 4. Dezember 1963, d.h. zeitlich vor der Einreise der Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland, das amtlich festgestellte Geburtsdatum der Klägerin von 1949 in den 01.01.1946 geändert worden. Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten kann es sich bei diesem Urteil und ggf. auch bei anderen vor dem in § 33a Abs. 1 SGB I angesprochenen Ereignis entstandenen Belegen um Urkunden handeln, die im vorliegenden Fall gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I von Bedeutung sein können.
Diese Vorschrift enthält insbesondere keine Beschränkung auf eine Berücksichtigung nur bestimmter Arten von Urkunden, so daß sich der Urkundenbegriff des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nach den allgemeinen Bestimmungen richten muß. Danach sind Urkunden alle durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärungen, die geeignet sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen (vgl. BGHZ 65, 300, 301 ff.). Daß nur Urkunden zu berücksichtigen sind, deren Original vor der ersten Angabe des Versicherten i.S. von § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, bedeutet nicht, daß das Original der Urkunde vorliegen muß. Gerade Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihres Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen worden sind (öffentliche Urkunde i.S. von § 415 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung <ZPO>), befinden sich häufig in amtlicher Verwahrung. Ausschlaggebend ist, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, daß eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe i.S. des § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Daher kann für die Überzeugungsbildung des Gerichts auch eine Kopie von Bedeutung sein, unabhängig davon, wann diese ausgestellt worden ist (vgl. Thieme in Wannagat, SGB, § 33a RdNr. 11). Dementsprechend können hier als Urkunden i.S. des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I insbesondere das in der Auskunft der Deutschen Botschaft vom 28. Dezember 1993 bezeichnete (und nach Verkündung des Urteils des LSG durch die Klägerin in Kopie übersandte) Urteil des Zivilgerichts P. aus dem Jahre 1963, die aufgrund dieses Urteils (offenbar im Jahre 1967) geänderten türkischen Personenstandsunterlagen und der von der Klägerin angegebene Personalausweis in Erwägung gezogen werden. Die Auffassung der Beklagten, daß als Urkunde i.S. des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I ausschließlich die im Jahre 1952 erfolgte Ersteintragung des Geburtsdatums im türkischen Personenstandsregister in Betracht komme und danach vorgenommene Änderungen unberücksichtigt zu bleiben hätten, steht in Widerspruch zu dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift.
Da das LSG der Frage einer Existenz danach relevanter Urkunden offenbar schon aus Rechtsgründen keine Bedeutung beigemessen hat, fehlt es an diesbezüglichen berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen. Der erkennende Senat kann die insoweit fehlenden Tatsachenfeststellungen nicht selbst nachholen. Aus diesem Grund ist das zweitinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I ggf. folgendes zu beachten haben:
Steht fest, daß eine vor der ersten Angabe ausgestellte Originalurkunde mit abweichendem Geburtsdatum existiert, darf von dem Geburtsdatum der ersten Angabe i.S. des § 33a Abs. 1 SGB I abgewichen werden. Mit dem Wort „darf“ wird dem Leistungsträger allem Anschein nach kein Ermessensspielraum eingeräumt; es hat vielmehr den Sinn einer Ermächtigung und Befugnis (vgl. BVerwGE 23, 25, 29; 44, 339, 342).
Weiter besagt § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I, daß von dem nach Abs. 1 der Vorschrift maßgebenden Geburtsdatum abgewichen werden darf, wenn sich aus einer Originalurkunde ein anderes Geburtsdatum „ergibt“. Dem ist zu entnehmen, daß das der ersten Angabe entsprechende Geburtsdatum nicht automatisch durch das Geburtsdatum, das die ältere Urkunde enthält, zu ersetzen ist (Thieme a.a.O.). Nach Maßgabe des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I werden nicht selten mehrere Urkunden mit unterschiedlichen Geburtsdaten vorliegen, weil auch die Erstangabe i.S. des § 33a Abs. 1 SGB I regelmäßig unter Bezugnahme auf eine Urkunde (z.B. einen Paß) erfolgt. Auch und gerade im Hinblick auf den weiten Urkundenbegriff dürfte im Rahmen des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden sein, ob statt des zuerst angegebenen Geburtsdatums nunmehr das sich aus einer älteren Urkunde ergebende Geburtsdatum zugrunde zu legen ist. Dabei wird der Art der Urkunde besondere Bedeutung zukommen.
Hinsichtlich der Beweiskraft des Urteils des türkischen Zivilgerichts P. ist davon auszugehen, daß dieses als öffentliche Urkunde i.S. des § 415 Abs. 1 ZPO zu behandeln ist. Es beweist damit lediglich den dokumentierten Vorgang als solchen und nicht den Inhalt, also die Richtigkeit des darin dokumentierten Geburtsdatums (Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, 59. Aufl., RdNr. 8 m.w.N.). Obwohl ein türkisches Urteil nicht die Beweiskraft eines deutschen Personenstandsregisters hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 44), kann ihm im Rahmen der nach § 33a SGB I vorzunehmenden Beweiswürdigung maßgebliche Bedeutung zukommen. Es ist zwar nicht zu übersehen, daß die Entscheidungspraxis türkischer Gerichte allgemein als äußerst großzügig angesehen wird (vgl. Naether, MittLVAOberfr 1999, 65, 68; Hänlein, VSSR 1998, 147, 152; Hepting, FamRZ 1997, 1481, 1483; Benker, AmtlMittLVARheinpr 1993, 205, 207; Rumpf, StAZ 1990, 326; Semperowitsch, MittLVAOberfr 1989, 164, 167) und das Fehlen einer gründlichen Aufklärung des Sachverhalts von deutschen Gerichten wiederholt gerügt worden ist (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12. April 1989 - 5 Sa 40/89 -, DB 1989, 1827, 1828; weitere Nachweise in BSG, Beschluß vom 1. Februar 1995 - 13 RJ 47/93 -, Umdr. S. 19).
Gleichzeitig wird aber berücksichtigt werden müssen, daß auch die Ersteintragungen einer Geburt, insbesondere in ländlichen Gebieten der Türkei, keine Vermutung der Richtigkeit für sich beanspruchen können. In der Literatur (Hänlein a.a.O. S. 151 f; Rumpf a.a.O.; Ansay, StAZ 1982, 209, 210) wird berichtet, daß Eintragungen nicht selten erst mehrere Jahre nach der Geburt vorgenommen wurden und der genaue Zeitpunkt der Geburt bei der Eintragung unter Umständen schon nicht mehr bekannt war. Ferner wird unter Bezugnahme auf türkische Presseberichte darauf hingewiesen, daß für hunderttausende türkischer Staatsbürger keine Eintragung im dortigen Personenstandsregister vorliege (Rumpf a.a.O. S. 326; vgl. Ansay a.a.O. S. 210). Ein wesentlicher Grund für die weithin unpräzisen Registereintragungen in der Türkei dürfte die unvermittelte und kulturell nicht nachvollzogene Einführung des Schweizer Zivilgesetzbuches im Jahre 1926 gewesen sein. Insbesondere in ländlichen Regionen wurde weiter vor dem Iman geheiratet; Kinder aus solchen Verbindungen wurden häufig nicht registriert. Um wenigstens die nachträgliche Eintragung zu erleichtern, erließ der türkische Staat immer wieder Amnestiegesetze über die Registrierung von „nichteingetragenen Verbindungen und der daraus hervorgegangenen Kinder sowie über die straflose Eintragung von geheimgehaltenen Geburten“ (Hänlein a.a.O. S. 151 f m.w.N.). Noch nach dem Gesetz Nr. 2626 vom 18. September 1981 sollen Kinder nachträglich in das Register aufgenommen worden sein, wenn eine Niederschrift über die Geburt vorgelegt werden konnte. Die Niederschriften hätten keines Zeugen bedurft (Ansay a.a.O. S. 210 m.w.N.). Angesichts dieser Umstände kann hier wohl nicht davon ausgegangen werden, daß von mehreren dasselbe Ereignis beurkundenden Akten demjenigen, der dem Ereignis zeitlich näher liegt, in der Regel eine höhere Beweiskraft zukommt als demjenigen, der dem Ereignis zeitlich ferner liegt (vgl. zu dieser Beweisregel BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 44).
Schließlich dürften im Rahmen der Beweiswürdigung die Grundsätze zu berücksichtigen sein, die sich aus der Entscheidung des EuGH in der Sache Dafeki vom 2. Dezember 1997 (EuGHE I 1997, 6761 = SozR 3-7670 § 66 Nr. 1) ergeben. Nach dieser Entscheidung verpflichtet das Diskriminierungsverbot aus Art. 39 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr) in der durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (BGBl. II 1998, 387) geänderten Fassung (ehemals Art. 48 Abs. 2) die Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaates zwar nicht, nachträgliche Berichtigungen von Personenstandsurkunden durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaates genau so zu behandeln wie solche Berichtigungen, die durch die eigenen zuständigen staatlichen Behörden vorgenommen werden. Gleichwohl besteht grundsätzlich eine Verpflichtung, von der Behörde des anderen Staates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist. Wie der EuGH inzwischen mehrfach entschieden hat (EuGHE I 1999, 2685 = SozR 3-6935 AllgNr. 4; EuGH SozR 3-6940 Art. 3 Nr. 1), besteht auch aufgrund von Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und deren Familienangehörige (Amtsbl. EG Nr. C 110 vom 25. April 1983, S. 60) ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses besitzt unmittelbare Wirkung mit der Folge, daß sich der Bürger, für den er gilt, vor den Gerichten der Mitgliedstaaten darauf berufen kann (EuGH a.a.O.). Die in Sachen Dafeki (EuGHE I 1997, 6761 = SozR 3-7670 § 66 Nr. 1) bezogen auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Griechenland) entwickelten Maßstäbe müssen somit grundsätzlich auch für türkische Staatsangehörige gelten. Der EuGH hat in den Rechtssachen Kocak und Örs (C-102/98 und C-211/98 = SozR 3-6940 Art. 3 Nr. 1) eine Diskriminierung türkischer Staatsangehöriger durch Art. 33a SGB I ausdrücklich nur deshalb verneint, weil die Vorschrift nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft. Anhaltspunkte dafür, daß insoweit aus dem in Art. 39 Abs. 2 EGVtr enthaltenden Diskriminierungsverbot andere Maßstäbe folgen würden als aus Art. 3 Abs. 1 des o.g. Beschlusses, sind der Entscheidung nicht zu entnehmen.
Die vor Inkrafttreten des § 33a SGB I zur Ermittlung des richtigen Geburtsdatums im Leistungsfall entwickelten Maßstäbe (vgl. hierzu BSGE 77, 140, 143 f = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 12) lassen sich demgegenüber wohl nicht auf die neue Rechtslage übertragen. Die frühere Rechtsprechung war vor dem Hintergrund einer auffallend hohen Zahl nachträglicher Änderungen ausländischer Geburtsdateneintragungen in Fällen entwickelt worden, in denen dies Leistungsbewerbern in der Bundesrepublik Deutschland günstig erscheinen konnte (vgl. BSGE 77, 140, 146 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 12; BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 44). Mit Einfügung des § 33a SGB I ist der Gesetzgeber der Gefahr einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen mittels nachträglicher Änderung des amtlich festgestellten Geburtsdatums entgegengetreten (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 13/8994 S. 85). Derartige „Geburtsdatenänderungen“, die nach der Erstangabe i.S. des § 33a Abs. 1 SGB I vorgenommen werden, bleiben jetzt im Geltungsbereich des SGB bei der Frage einer Neuvergabe der VNr (ebenso wie im Leistungsfall) von vornherein unberücksichtigt. Ergibt aber eine vor der Erstvergabe der VNr ausgestellte Urkunde ein anderes Geburtsdatum i.S. von § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I, so wird in der Regel kein Versuch einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen angenommen werden können. Ferner ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber mit § 33a SGB I die unbedingte Anknüpfung an das „wahre“ Geburtsdatum aufgegeben hat (vgl. BSG SozR 3-1200 § 33a Nr. 1). Um die besonders verwaltungsintensive Prüfung, die vor Inkrafttreten des § 33a SGB I häufig zur Ermittlung des tatsächlichen Geburtsdatums erforderlich war, zu vermeiden, wird das im Geltungsbereich des SGB maßgebliche Geburtsdatum eigenständig definiert. Deshalb braucht das Tatsachengericht auch bei der Prüfung, ob sich aus einer älteren Urkunde ein vor der ersten Angabe abweichendes Geburtsdatum ergibt, nicht unbedingt das wahre historische Datum der Geburt zu ermitteln. Das gemäß § 33a Abs. 1 SGB I aufgrund der ersten Angabe maßgebende Geburtsdatum ist lediglich durch ein anderes Geburtsdatum zu ersetzen, das sich aus einer älteren Urkunde ergibt, wenn die ältere Urkunde ihrem Charakter nach (besser als die Regel des § 33a Abs. 1 SGB I) geeignet ist, die Richtigkeit des darin angegebenen Geburtsdatums zu belegen.
Schließlich wird das LSG über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.