B 3 KR 1/00 R
Tatbestand
Es ist streitig, ob das von der Klägerin betriebene Unternehmen der Pflicht zur Künstlersozialabgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegt.
Die Klägerin produziert Beschläge für Türen und Fenster und beschäftigt rund 700 Mitarbeiter, darunter auch einen angestellten Designer. Ihr Angebot umfaßt neben konventionellen Produkten auch Beschläge, die auf Entwürfen namhafter selbständiger Designer und Architekten beruhen. In allen Fällen produzierte die Klägerin zunächst die Beschläge als Einzelstücke aufgrund eines Entwurfs und des Auftrags der genannten Architekten und Designer für ein von diesen betreutes spezielles Projekt. Bei größerer allgemeiner Nachfrage nach diesen Beschlägen schloß die Klägerin mit den Architekten und Designern Lizenzverträge ab, durch die ihr gestattet wurde, die Entwürfe für ihre Serienproduktion gegen eine Umsatzbeteiligung der Lizenzgeber zu verwenden. Der Gesamtumsatz der Klägerin lag im Geschäftsjahr 1997/98 bei 160 Millionen DM, wovon rund 5 Millionen DM auf in Lizenz hergestellte „Designerbeschläge“ entfielen. Die Lizenzausgaben beliefen sich 1997 auf 159.702,56 DM und 1998 auf 193.301,24 DM.
Mit Bescheid vom 19. Juli 1995 stellte die beklagte Künstlersozialkasse die Künstlersozialabgabepflicht der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1989 fest. Die in Lizenz genommenen Entwürfe für Tür- und Fensterbeschläge seien Arbeiten aus dem Bereich Industrie- bzw. Produktdesign. Dieser zähle zur „bildenden Kunst“ i.S. des § 2 KSVG. Der Widerspruch blieb wegen Fristversäumnisses erfolglos (Bescheid vom 22. Juli 1996). Den Antrag der Klägerin, den Erfassungsbescheid vom 19. Juli 1995 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen, weil ihr Unternehmen nicht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 KSVG erfülle, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 15. Oktober 1997, Widerspruchsbescheid vom 25. September 1998). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Voraussetzungen der Abgabepflicht seien zu Recht angenommen worden. Auch der Verordnungsgeber habe in § 2 Abs. 2 Nr. 9 der „Verordnung zur Durchführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes“ (KSVGDV) vom 23. Mai 1984 (BGBl I S. 709) eine Tätigkeit als „Industrie-Designer“ dem Bereich der „bildenden Kunst“ zugewiesen.
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, aus einem auf vorhandenen Entwürfen beruhenden Auftrag eines Designers oder Architekten könne nicht nach Abschluß des Projekts ein „Auftrag“ des Unternehmens für ein künstlerisches Werk (§ 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG) werden. Die Beklagte verkenne, daß sie, die Klägerin, zunächst von den Architekten und Designern angesprochen werde und erst nach vollständiger Durchführung des Auftrags bei Nachfrage durch das Publikum die Entwürfe in Lizenz nehme. Außerdem übten die genannten Architekten und Designer bei der Erstellung der Entwürfe und der Begleitung der handwerklichen Umsetzung keine künstlerische Tätigkeit aus. Industrie- bzw. Produktdesigner seien nach überwiegender Auffassung keine „Künstler“. „Design“ sei etwas anderes als „Kunst“. Entwürfe von Architekten dürften ohnehin nicht einbezogen werden, weil Architekten dadurch, daß sie vereinzelt Design-Entwürfe erstellten, nicht zu Designern würden und Architektur nach der Verkehrsauffassung ebenfalls keine Form der „Kunst“ i.S. des KSVG sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Oktober 1999). Es hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit von Architekten und Designern beim Entwerfen und Gestalten von Tür- und Fensterbeschlägen sei eine künstlerische Tätigkeit i.S. der §§ 1, 2 und 24 Abs. 2 KSVG. Industrie- bzw. Produktdesign sei als „bildende Kunst“ anzusehen.
Mit der Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 24 Abs. 2 KSVG. Sie wiederholt ihre Auffassung, daß Design kein Teil der „Kunst“ i.S. der §§ 1, 2 KSVG sei. Außerdem stelle der Abschluß von Lizenzverträgen über bereits vorher hergestellte Design-Entwürfe keine „Erteilung von Aufträgen“ i.S. des § 24 Abs. 2 KSVG dar.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des SG Detmold vom 20. Oktober 1999 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 19. Juli 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
- die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Erfassungsbescheid vom 19. Juli 1995 ist rechtmäßig. Daher hat es die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X zu Recht abgelehnt, diesen Bescheid aufzuheben.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1998, in dem die Beklagte erneut über die Frage der grundsätzlichen Abgabepflicht der Klägerin nach dem KSVG entschieden und den Antrag auf Aufhebung des Erfassungsbescheides vom 19. Juli 1995 abgelehnt hat. Die Rechtmäßigkeit der bisher von der Beklagten erlassenen Bescheide über die Höhe der Künstlersozialabgabe für die Zeit ab 1990 und die Höhe der laufenden Vorauszahlungen ist nicht Streitgegenstand. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in zulässiger Weise auf die Abgabepflicht dem Grunde nach beschränkt. Die Beklagte war verfahrensmäßig berechtigt, zunächst einen Erfassungsbescheid zu erlassen, durch den die Abgabepflicht dem Grunde nach (§ 24 KSVG) festgestellt wird (BSG SozR 5425 § 24 Nr. 3; SozR 3-5425 § 24 Nr. 11; stRspr).
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Erfassungsbescheides vom 19. Juli 1995. Dieser ist nicht rechtswidrig i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift, die gemäß § 36a KSVG auch im Bereich des Künstlersozialversicherungsrechts anwendbar ist, ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Zu den „Beiträgen“ i.S. des § 44 SGB X gehören nicht nur Versicherungsbeiträge, sondern auch Zinsen, Säumniszuschläge und sozialversicherungsrechtliche Umlagen (vgl. Schroeder-Printzen / Wiesner, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 44 RdNr. 4). Der Begriff ist weit zu verstehen. Darunter fällt auch die Künstlersozialabgabe. Die Klägerin hat bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits 41.850,15 DM an die Beklagte gezahlt. Die Zahlungen beruhen auf Abgaben- und Vorauszahlungsbescheiden, die zwar nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, aber im Verwaltungsverfahren angefochten sind und auf dem hier streitigen Erfassungsbescheid vom 19. Juli 1995 basieren. Mit der angestrebten Zurücknahme dieses Erfassungsbescheides verlören die Abgaben- und Vorauszahlungsbescheide ihre rechtliche Grundlage.
3. Die Klägerin ist nach § 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG abgabepflichtig. Nach dieser Vorschrift sind Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Mit dieser durch das „Gesetz zur Änderung des KSVG“ vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2606) zum 1. Januar 1989 eingeführten Neuregelung sollten Unternehmen i.S. eines Auffangtatbestands in die Abgabepflicht einbezogen werden, die zwar nicht zu den typischen Vermarktern zählen und deshalb nicht von dem Katalog des § 24 Abs. 1 KSVG erfaßt werden, aber in vergleichbarer Weise mehr als nur vereinzelt künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen nutzen (vgl. BT-Drucks. 11/2979 S. 7 Nr. 6).
4. Der Senat hat anläßlich der Abgrenzung von künstlerischer und - nicht vom Kunstbegriff des § 2 KSVG erfaßter - kunsthandwerklicher Tätigkeit (Urteil vom 24. Juni 1998 - B 3 KR 13/97 R - BSGE 82, 164 = SozR 3-5425 § 2 Nr. 8 zum Feintäschner) entschieden, daß eine zu kunsthandwerklichen Produkten führende Tätigkeit, die sich ausschließlich auf das künstlerisch-ästhetische Entwerfen solcher Produkte beschränkt, also das sog Produkt-Design, eine künstlerische Tätigkeit i.S. des § 2 KSVG ist, während eine Tätigkeit, die eine Kombination von Entwurf und handwerklicher Umsetzung dieses Entwurfs in Einzelstücke oder Serien darstellt, insgesamt dem Bereich des Handwerks (Kunsthandwerk) zuzuordnen ist. An der Einstufung des Produkt- bzw. Industriedesigns als „bildende Kunst“ i.S. des § 2 KSVG ist auch unter Berücksichtigung der Einwände der Klägerin festzuhalten.
a) Die Erstellung von Entwürfen für Tür- und Fensterbeschläge durch Designer ist als künstlerische Tätigkeit i.S. der §§ 1, 2 und 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG zu werten und dem Bereich „bildende Kunst“ zuzuordnen, wenn sie - wie hier - nicht mit der handwerklichen oder industriellen Produktion der Gegenstände durch die den Entwurf erstellende Person verbunden ist. Künstler i.S. des KSVG ist u.a., wer „bildende Kunst“ schafft, ausübt oder lehrt (§ 2 KSVG). Welche Tätigkeiten im einzelnen als „bildende Kunst“ anzusehen sind, ist dem Wortlaut der §§ 1 und 2 KSVG jedoch nicht zu entnehmen. Der Kunstbegriff ist im KSVG materiell nicht definiert. Er ist vielmehr aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen (vgl. zuletzt BSG SozR 3-5425 § 25 Nr. 11; stRspr; zur Abgrenzung gegenüber dem Kunstbegriff des Steuer- und Urheberrechts vgl. BSGE 77, 21 = SozR 3-5425 § 24 Nr. 12). Dabei ist es allerdings nicht entscheidend, daß Grafik-, Mode-, Textil- und Industriedesigner in der KSVGDV (§ 2 Abs. 2 Nr. 9) ausdrücklich als Künstler aufgeführt werden. Die Verordnung will und kann mangels gesetzlicher Ermächtigung die Begriffe der Kunst und Publizistik nicht eigenständig definieren (BSG SozR 3-5425 § 2 Nrn. 1 und 9; § 1 Nr. 5). Sie hat lediglich den Zweck, die verschiedenen künstlerischen und publizistischen Tätigkeiten den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst zuzuordnen und so angesichts der in vielen Jahren unterschiedlichen Höhe der Abgabe in diesen vier Bereichen für Rechtssicherheit bei der Erhebung der Künstlersozialabgabe zu sorgen (§ 26 Abs. 1 KSVG, § 1 KSVGDV). Der Zielsetzung des KSVG entspricht ein an der Typologie der Ausübungsformen orientierter Kunstbegriff, der bereits dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk - hier der Entwurf von „Designerbeschlägen“ - den Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps der Kunst entspricht. Soweit danach dem Kunstbegriff des KSVG eine eigenschöpferische Leistung immanent ist, hat sich der Senat mit einem relativ geringen Niveau der Leistung begnügt (BSG SozR 3-5425 § 1 Nr. 4 - Musikschule - und BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 12 - Unterhaltungsshow -; stRspr). Verlangt wird eine eigenschöpferische Leistung, deren künstlerische Elemente das Gesamtbild der Tätigkeit prägen (BSG SozR 3-5425 § 25 Nrn. 11 und 12; § 24 Nr. 16). Diesen Voraussetzungen wird die Erstellung von Entwürfen für Tür- und Fensterbeschläge durch professionelle Designer gerecht.
b) Design ist die formgerechte und funktionale Gestaltung von Gegenständen aller Art unter künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten. Dabei wird unter dem Begriff Produkt- oder Industriedesign eine den Erfordernissen der (handwerklichen, gewerblichen oder industriellen) Produktion angepaßte Gestaltung von Gebrauchsgegenständen aller Art verstanden (Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl. 1996). Der Entwurf der äußeren Gestalt von Gegenständen (einschließlich der Farbgebung) nach ästhetischen, den vorgesehenen Verwendungszweck und die Funktion uneingeschränkt wahrenden Gesichtspunkten (Gestaltung der „Schönen Form“) ist charakteristisches Merkmal des Industriedesigns. Damit geht es um eine eigenschöpferisch gestaltende, der „bildenden Kunst“ i.S. des § 2 KSVG zuzurechnende Tätigkeit. Die Zweckgebundenheit dieser Tätigkeit steht dem nicht entgegen. Außerdem kommt es nicht darauf an, ob einem Designer im Einzelfall (z.B. wegen der Eigenart des Produkts oder wegen konkreter Vorgaben des Auftraggebers) ein großer oder kleiner Gestaltungsspielraum für seine Entwürfe zur Verfügung steht.
Dabei kann dahinstehen, ob „Design“, hier speziell das Industriedesign, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung oder nur nach der Auffassung in interessierten Kreisen als „Kunst“ oder „bildende Kunst“ i.S. einer Vergleichbarkeit mit der Malerei oder Bildhauerei anzusehen ist (Kunst im engeren Sinne). Dem KSVG liegt ein so enger Begriff der Kunst nicht zugrunde.
Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 2 Satz 1 KSVG, wonach „Künstler ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt“. Der Wille des Gesetzgebers, den Begriff der Kunst i.S. des § 2 KSVG weit zu fassen, ergibt sich aber eindeutig aus den Gesetzesmaterialien. Dort heißt es (BT-Drucks. 260/79 S. 21 und 9/26 S. 18): „Es wird darauf verzichtet, im Wege der Aufzählung von Berufsbezeichnungen die künstlerische oder publizistische Tätigkeit im einzelnen zu definieren. Einer solchen Aufzählung steht die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer und publizistischer Berufstätigkeit entgegen. Es wird jedoch davon ausgegangen, daß jedenfalls die im Künstlerbericht der Bundesregierung erfaßten Berufsgruppen (BT-Drucks. 7/3071 S. 7) sowie alle im Bereich Wort tätigen Autoren, insbesondere Schriftsteller und Journalisten, in die Regelung einbezogen sind. Von jeder Abgrenzung nach der Qualität der künstlerischen und publizistischen Tätigkeit ist abgesehen worden, wie das auch schon bei den bislang pflichtversicherten selbständigen Künstlern der Fall war. Für die soziale Sicherung kann lediglich das soziale Schutzbedürfnis maßgebend sein.“ Der danach maßgebliche Begriff der Kunst, wie er dem Künstlerbericht der Bundesregierung vom 13. Januar 1975 (BT-Drucks. 7/3071) zugrunde liegt, führt im Bereich bildende Kunst ausdrücklich auch das Design auf, nennt sogar diesen Bereich ausdrücklich „Bereich bildende Kunst/Design“ (S. 6) und führt als einschlägige Berufsgruppen in diesem Bereich neben Malern und Bildhauern auch Grafik-Designer, Industrie-Designer, Produkt-Designer und Foto-Designer auf (Tabelle 1, S. 7 und Tabelle 6, S. 12).
c) Für diese Auslegung spricht auch der Katalog der typischen kunstvermarktenden Unternehmen in § 24 Abs. 1 KSVG. Zu ihnen zählt der Gesetzgeber u.a. die „Werbung (einschließlich Öffentlichkeitsarbeit) für Dritte“ betreibenden Unternehmen (Nr. 7). Für die bildliche Gestaltung von Werbung und Marketing ziehen Werbeagenturen und Public-Relation-Büros vielfach selbständige Grafiker, Werbefotografen sowie Foto-, Grafik- und Industriedesigner heran (vgl. Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl. 1992, § 24 RdNrn. 101 und 104). Die Arbeit mit Vertretern dieser Berufsgruppen ist ein Schwerpunkt der Tätigkeit von Werbeunternehmen, und zugleich ist die Arbeit von Foto-, Grafik- und Industriedesignern im Bereich Werbung und Marketing ein charakteristischer Schwerpunkt dieser Berufsgruppe. Die Einbeziehung der „Werbung (einschließlich Öffentlichkeitsarbeit) für Dritte“ betreibenden Unternehmen in den Katalog des § 24 Abs. 1 KSVG läßt also darauf schließen, daß die von diesen vornehmlich beauftragten Vertreter freier Berufe zur bildlichen, optischen Gestaltung von Werbung zu dem Personenkreis zählen sollten, der in § 2 KSVG mit „bildende Kunst Schaffenden“ bezeichnet worden ist.
d) Für die Ausdehnung des Begriffs bildende Kunst in § 2 KSVG auf den Bereich des Designs spricht schließlich auch die Einfügung der Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG in das Gesetz. Gerade auch die Verwertung moderner Formen von Kunst, zu denen das Design gehört, sah der Gesetzgeber durch den Katalog des § 24 Abs. 1 KSVG nur unzureichend erfaßt. Er war der Ansicht, „der Vielfalt und der Weiterentwicklung der Kunst- und Verwertungsformen könne nur durch eine solche Generalklausel Rechnung getragen werden“ (BT-Drucks. 11/2964 S. 18 zu Nr. 5; BT-Drucks. 11/2979 S. 7 Nr. 6). Zu den Unternehmern, die künstlerische Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens nutzen, um im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen zu erzielen, zählt der Gesetzgeber ausdrücklich auch „Unternehmen, in denen Produkte oder Verpackungen künstlerisch gestaltet werden“ (BT-Drucks. 11/2979 S. 7 Nr. 6). Die „künstlerische“ Produktgestaltung ist aber charakteristisches Betätigungsfeld der Produkt- und Industriedesigner (vgl. auch Finke / Brachmann / Nordhausen a.a.O. § 24 RdNrn. 129 bis 131).
e) Der „künstlerische“ Entwurf, also das Design, verliert nicht seine Zuordnung zur Kunst, wenn das aus ihm entstandene, industriell produzierte Endprodukt nicht in einem Museum für Kunst oder Design ausgestellt, sondern von den Kunden der Klägerin bestimmungsgemäß als Gebrauchsgegenstand verwendet wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die allein abgabepflichtige künstlerische Leistung des Designers klar vom späteren Produkt abzugrenzen. Im Gegensatz zur rein handwerklichen oder kunsthandwerklichen Herstellung von Gebrauchsgegenständen, die - wie ausgeführt - keine künstlerische Tätigkeit ist (BSGE 82, 164 = SozR 3-5425 § 2 Nr. 8), erstreckt sich die hier abgabepflichtige Leistung nicht auf die Herstellung des Endprodukts. Rechtlicher Anknüpfungspunkt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG ist ausschließlich die Verwertung des Entwurfs, nicht aber dessen Umsetzung in die spätere Serienproduktion. Denn mit der Produktion selbst beschäftigt sich ein Designer gerade nicht.
f) Es kann offenbleiben, ob und unter welchen Umständen Architektur Kunst i.S. des KSVG sein kann. Die Design-Entwürfe der als Architekten ausgebildeten bzw. tätigen Personen sind nicht der Architektur, sondern dem Design zuzuordnen; denn es kommt nur auf die Art der konkreten Tätigkeit und deren erwerbsmäßige, nicht nur vorübergehende Ausübung (§ 1 Nr. 1 KSVG) an, nicht aber darauf, ob eine andere nicht-künstlerische Tätigkeit ebenfalls ausgeübt wird und möglicherweise sogar im Vordergrund steht. Wenn Architekten - wie hier - sich nebenher und in Erweiterung ihres traditionellen Aufgabengebiets als Designer betätigen, sind sie mit diesem Tätigkeitsfeld als Künstler i.S. des § 1 KSVG anzusehen.
5. Unerheblich für die hier allein in Streit stehende Abgabepflicht dem Grunde nach ist die Frage, ob alle oder nur einzelne der mit der Klägerin vertraglich verbundenen Architekten und Designer persönlich in den Schutzbereich des KSVG fallen. Die Abgabepflicht besteht bei selbständigen Künstlern auch dann, wenn sie, z.B. wegen der Beschäftigung von Mitarbeitern (§ 1 Nr. 2 KSVG) oder wegen eines ausländischen Wohnsitzes, nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegen (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG).
6. Der grundsätzlichen Abgabepflicht der Klägerin nach § 24 Abs. 2 KSVG stünde es nicht entgegen, wenn im Einzelfall eine Lizenz nicht von dem betreffenden Künstler persönlich gewährt worden wäre, sondern von einer Verwertungsgesellschaft, der der Künstler die selbständige Vermarktung seines Entwurfs übertragen hat. In derartigen Fällen wäre der „Auftrag“ nicht, wie in § 24 Abs. 2 KSVG vorausgesetzt, einem „selbständigen Künstler“, sondern einer von diesem rechtlich zu trennenden Gesellschaft erteilt worden. Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Künstler nur über eine von ihm gegründete und kontrollierte Gesellschaft, z.B. eine Ein-Mann-GmbH (vgl. Urteile vom 16. April 1998 - B 3 KR 7/97 R - BSGE 82, 107 = SozR 3-5425 § 25 Nr. 12 und Urteil vom 17. Juni 1999 - B 3 KR 1/98 R - SozR 3-5425 § 25 Nr. 13), am Markt auftritt. Dies berührt nicht die Abgabepflicht der Klägerin dem Grunde nach. Bei der Bemessung der jährlichen Abgabenschuld wären allerdings diese Fälle auszuklammern, weil die Honorare nicht, wie in § 25 Abs. 1 KSVG vorausgesetzt, an einen selbständigen Künstler gezahlt würden und deshalb nicht der Abgabepflicht unterlägen.
7. Die Klägerin erteilt seit 1989 durch den regelmäßigen Erwerb von Rechten an Entwürfen selbständiger Künstler auch „nicht nur gelegentlich“ abgabepflichtige „Aufträge“ (§ 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG) an selbständige Künstler.
a) Das Tatbestandsmerkmal der „Erteilung von Aufträgen“ beschränkt sich nicht - wie es der Wortlaut zunächst nahe legt - auf die Fälle, in denen ein Werk oder eine Leistung von dem Künstler nach Auftragserteilung erst geschaffen bzw. erbracht wird. Dies ist nur der typische Fall, den der Gesetzgeber bei der Formulierung des Tatbestandes vor Augen hatte. Der Wortlaut ist ungenau und untechnisch zu verstehen. Rechtlich geht es nicht um „Aufträge“, sondern um den Abschluß von entgeltlichen Verträgen, in der Regel um Werkverträge. Wenn § 24 KSVG den Zweck hat, alle Unternehmen der Abgabepflicht zu unterwerfen, die aus wirtschaftlichen Gründen künstlerische Werke und Leistungen zu eigenen Zwecken verwerten, kann es allein darauf ankommen, ob ein Vertrag über die „Verwertung“ eines künstlerischen Werkes geschlossen wird, und zwar unabhängig davon, ob das Werk - wie hier - schon erstellt worden ist oder erst noch geschaffen werden muß. Diese Auslegung hält sich noch innerhalb des allgemeinen Sprachgebrauchs und damit innerhalb des Rahmens zulässiger Gesetzesauslegung bei Abgabetatbeständen, die wegen ihres Eingriffscharakters einer den Wortsinn überschreitenden Auslegung nicht zugänglich sind (vgl. BSGE 77, 21, 25 = SozR 3-5425 § 24 Nr. 12).
b) Die Klägerin verwertet auch „nicht nur gelegentlich“ künstlerische Werke oder Leistungen. Wann dieses Merkmal erfüllt ist, wird im Gesetz nicht eindeutig geregelt. Die Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 2 KSVG, wonach eine nicht nur gelegentliche Auftragserteilung nicht schon dann vorliegt, wenn jährlich in der Regel nicht mehr als zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, gibt nur eine Auslegungshilfe für einen bestimmten Sachverhalt, die hier nicht weiterführt. Nach Sinn und Zweck der Regelung, die Verwertung künstlerischer Leistungen über den Kreis der typischen Kunstverwerter in § 24 Abs. 1 KSVG hinaus auch bei solchen Unternehmen zu erfassen, die derartige Leistungen in vergleichbarem Maße in Anspruch nehmen, muß es genügen, wenn dies mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit (vgl. dazu BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 17) und in nicht unerheblichem wirtschaftlichem Ausmaß erfolgt.
Bei den hier vorliegenden Rechtsbeziehungen aufgrund von Lizenzverträgen ist das Tatbestandsmerkmal der „nicht nur gelegentlichen“ Verwertung künstlerischer Werke oder Leistungen zu bejahen, weil es sich nicht nur um vereinzelte, sondern regelmäßig erfolgende, nicht nur auf kurze Frist angelegte und mit erheblichem Kostenaufwand verbundene Verwertungsmaßnahmen handelt. Die seit 1989/1990 andauernden, regelmäßigen, stets auf mehrere Jahre (bis zur Einstellung der Produktion nach einem bestimmten Entwurf) angelegten, mit derzeit rund zehn Designern bestehenden Rechtsbeziehungen haben zu einem absolut, aber auch in Relation zum Gesamtumsatz gesehen beachtlichen Lizenzvolumen (1997: fast 160.000 DM; 1998: gut 190.000 DM) geführt, bei dem sich die Frage nach der Bagatellgrenze nicht mehr stellt.
Da die Klägerin somit alle Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 KSVG für ihre grundsätzliche Abgabepflicht erfüllt, konnte ihre Revision gegen das klageabweisende Urteil des SG keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.