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B 12 RA 2/99 R

Parallelentscheidung: B 12 RA 4/00 R

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als selbständiger Lehrer in der Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.

Der 1946 geborene Kläger ist promovierter Betriebswirt. Er war in verschiedenen Volkseigenen Betrieben der ehemaligen DDR und zuletzt bei einem Institut … als Betriebsökonom beschäftigt. Ab Januar 1993 meldete er beim Finanzamt eine freiberufliche Tätigkeit als Privatdozent und Unternehmensberater an. Er erteilt seither, ohne selbst Arbeitnehmer zu beschäftigen, aufgrund von Lehrverträgen mit verschiedenen Unternehmen und Einrichtungen Unterricht auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft.

Im Dezember 1993 beantragte der Kläger die Zahlung freiwilliger Mindestbeiträge zur Rentenversicherung. Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) stellte hierauf mit Bescheid vom 8. Februar 1994 fest, er sei aufgrund seiner Lehraufträge nach § 2 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI, seit 1. Januar 1999 § 2 Satz 1 Nr. 1; im folgenden einheitlich § 2 Nr. 1 SGB VI) als selbständiger Lehrer versicherungspflichtig. Der (Regel-)Beitrag betrage monatlich 295,68 DM. Für Januar 1993 bis März 1994 habe er 3.457,92 DM nachzuzahlen. Mit Bescheid vom 17. August 1994 ermäßigte die Beklagte den Beitrag für Juni 1993 bis Juni 1994 auf den halben Regelbeitrag. Den gegen beide Bescheide erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 1995 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 24. Juli 1997 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 13. April 1999 zurückgewiesen. Der Begriff des selbständigen Lehrers sei nicht auf Personen beschränkt, die eine pädagogische Ausbildung durchlaufen haben. Der Kläger sei als Lehrer selbständig tätig. Er sei in die Betriebe der Fortbildungseinrichtungen nicht eingegliedert und damit dort nicht abhängig beschäftigt. § 2 Nr. 1 SGB VI verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG).

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Nr. 1 SGB VI. Für die Versicherungspflicht eines Lehrers sei grundsätzlich eine pädagogische Qualifikation erforderlich. Eine solche besitze er nicht. Im übrigen verstoße die Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie beziehe zwar sozial schutzbedürftige Gruppen von Selbständigen in die Versicherungspflicht ein. Ohne sachlichen Grund seien ebenso schutzbedürftige Berufsgruppen aber nicht einbezogen, z.B. Kleingewerbetreibende oder Inhaber von Kiosken, Zeitschriften-, Tabak- oder Blumenläden, kleineren Gaststätten, Tankstellen, Änderungsschneidereien oder freiberuflich tätige Handels- und Versicherungsvertreter. Eine Milderung dieser Ungleichbehandlung durch einen Befreiungstatbestand sei nicht vorgesehen. Historische Gründe könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des LSG vom 13. April 1999 und das Urteil des SG vom 24. Juli 1997 sowie die Bescheide der Beklagten vom 8. Februar 1994 und 17. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 1995 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger unterliegt seit dem 1. Januar 1993 als selbständiger Lehrer der Rentenversicherungspflicht.

1. Nach § 2 Nr. 1 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Lehrer in diesem Sinne sind Personen, die durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln (vgl. Gürtner in Kasseler Komm., § 2 SGB VI RdNr. 8, Stand April 2000; Voelzke in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 3, Rentenversicherung, 1999, § 16 II 1 RdNr. 131).

Der Kläger ist Lehrer in diesem Sinne. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG vermittelt er Unterrichtsteilnehmern spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft. § 2 Nr. 1 SGB VI verlangt entgegen der Ansicht des Klägers nicht, daß der Lehrer über eine pädagogische Ausbildung verfügt. Dem Wortlaut der Vorschrift läßt sich ein solches Erfordernis nicht entnehmen. Soweit die Revision meint, die Begriffe Pädagoge und Lehrer seien deckungsgleich, entspricht dies nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Der Begriff des Pädagogen ist enger als derjenige des Lehrers. So wird etwa ein Fahrschullehrer oder Skilehrer nicht als Fahrschulpädagoge oder Skipädagoge bezeichnet.

Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift bestätigen die Ansicht der Revision ebenfalls nicht. Bei Einführung der Rentenversicherung in Deutschland durch das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz vom 22. Juni 1889 (RGBl. 97) war für Lehrer und Erzieher, gleich ob selbständig oder angestellt, eine staatliche Versicherung noch nicht vorgesehen. Es galt für sie der Grundsatz, daß eine höhere, mehr geistige Tätigkeit die Versicherungspflicht nicht begründe. In der Folgezeit wurde jedoch die Sozialversicherung auf immer weitere Gruppen ausgedehnt, u.a. auch auf Lehrer und Erzieher, für die in § 1 Nr. 2 des Invalidenversicherungsgesetzes vom 13. Juli 1899 (RGBl. 463) Versicherungspflicht angeordnet wurde. Diese Regelung wurde von § 1226 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19. Juli 1911 (RGBl. 509) und § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes vom 20. Dezember 1911 (BGBl. 989) übernommen (vgl. BSG SozR 2200 § 166 Nr. 5). Obgleich der Wortlaut dieser Vorschriften darauf hindeuten könnte, daß mit Lehrern nur abhängig beschäftigte Lehrer gemeint waren, nahmen das Reichsversicherungsamt (RVA), die Verwaltung und Teile der Literatur Versicherungspflicht auch bei selbständigen Lehrern an (vgl. RVA AN 1910 S. 471 Nr. 1469; 1915 S. 579 Nr. 2046; Anleitung betreffend den Kreis der nach dem Invalidenversicherungsgesetz versicherten Personen vom 19. Dezember 1899, AN 1900 S. 277, 292 f; Rosin, Das Recht der Arbeiterversicherung, Bd. 2, 1905, S. 166). 1922 wurde dies gesetzlich klargestellt und die Versicherungspflicht ausdrücklich für selbständige Lehrer angeordnet, die in ihrem Betrieb keine Angestellten beschäftigten (vgl. Art. 1 § 2 Nr. 2 des Gesetzes über Änderung des Versicherungsgesetzes für Angestellte und der RVO vom 10. November 1922, RGBl. I 849). Hierbei ist es im wesentlichen geblieben; die Versicherungspflicht ist jedoch seit Inkrafttreten des SGB VI ausgeschlossen, wenn im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit als Lehrer versicherungspflichtige Arbeitnehmer (Arbeiter oder Angestellte) beschäftigt werden.

§ 2 Nr. 1 SGB VI knüpft nicht an ein gesetzlich, etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbständigen) Lehrers an. Die Vorschrift erfaßt vielmehr alle Selbständigen, soweit ihre Tätigkeit der Art nach darin besteht, anderen Unterricht zu erteilen. Sie stellt nicht darauf ab, auf welchen Gebieten Wissen und Kenntnisse vermittelt werden, auf welche Weise der Lehrer seine Kenntnisse und die Lehrfähigkeit erworben hat oder wie er den Wissensstoff anderen vermittelt. Die Rechtsprechung hat daher nicht nur diejenigen als Lehrer angesehen, die wie Lehrer an öffentlichen Schulen und nach einer entsprechenden Ausbildung Unterricht erteilen. Sie hat vielmehr Versicherungspflicht auch bei Personen angenommen, die über keine besondere pädagogische Ausbildung verfügten (RVA AN 1910 S. 660 Nr. 1530 Handarbeitslehrerin). Sie hat Handwerker und Gewerbetreibende in ihrer Nebentätigkeit als Lehrer angesehen, die neben ihrem gewerblich geprägten Hauptberuf eine Lehrtätigkeit ausübten, in der sie anderen Kenntnisse und Fähigkeiten ihres Hauptberufes vermittelten (vgl. RVA AN 1910 S. 471 Nr. 1470 zur Versicherungspflicht eines an einer Gewerbeschule für das Zeichnen der Schuhmacher zuständigen Schuhmachermeisters; RVA AN 1910 S. 659 Nr. 1529 zum Handarbeitsunterricht von Hauswirtschafterinnen). Außerdem hat sie die Lehrereigenschaft bejaht: Bei einer früheren Opernsängerin, die an einer Volkshochschule Englischunterricht erteilte (BSG SozR 2200 § 166 Nr. 5); einem Golflehrer (BSGE 20, 6 = SozR Nr. 41 zu § 165 RVO; zum Status eines Tennislehrers vgl. RVA, Mitteilungen der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte 1932 S. 37; BSG, Die Beiträge 1977, 144); einer Hausfrau, die Koch- und Bastelkurse leitete (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36); einem Fahrlehrer (BSG SozR 2400 § 2 Nr. 24) und einem Tanzlehrer (RVA AN 1939 S. 411). Soweit in den genannten Entscheidungen die Versicherungspflicht als selbständiger Lehrer im Ergebnis gleichwohl verneint wurde, hatte dies seinen Grund darin, daß keine Selbständigkeit vorlag oder der Lehrer versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigte. Die von der Revision beispielhaft angeführte pädagogische Qualifikation von Fahrlehrern gehört erst seit 1969 zu deren Berufsanforderungen (vgl. Gesetz über das Fahrlehrerwesen vom 25. August 1969, BGBl. I 1336). Vorher war die Ausübung des Berufs eines Fahrlehrers ordnungsrechtlich erlaubnisfrei und nicht an pädagogische Anforderungen geknüpft (vgl. BVerwGE 21, 203). Gleichwohl ist die Versicherungspflicht von Fahrlehrern schon vor 1969 bejaht worden (LSG Berlin, Breith. 1957, 5).

Nach allem ist der Kläger Lehrer i.S. von § 2 Nr. 1 SGB VI. Nach den Feststellungen des LSG ist er als solcher nicht abhängig beschäftigt, sondern selbständig tätig. Er übt seine Tätigkeit für verschiedene Bildungszentren, Weiterbildungsakademien, Aus- und Weiterbildungszentren aus, mit denen er Verträge über Lehrverpflichtungen abgeschlossen hat. Er beschäftigt im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Schließlich ist er als Lehrer auch mehr als in geringfügigem Umfang i.S. des § 8 Abs. 1 und 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) tätig und somit nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungsfrei.

2. Das Verfahren war nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Vereinbarkeit von § 2 Nr. 1 SGB VI mit dem GG einzuholen. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, daß die Anordnung von Rentenversicherungspflicht für selbständige Lehrer verfassungswidrig ist.

a) Das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht des Klägers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit wird durch § 2 Nr. 1 SGB VI nicht verletzt. Der Schutzbereich dieser Vorschrift ist berührt, wenn der Gesetzgeber durch die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft und von Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt (BVerfGE 97, 271, 286 = SozR 3-2940 § 58 Nr. 1 S. 7 m.w.N.). Allerdings ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nur in den Schranken des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG gewährleistet. Es ist nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes entsprechen (BVerfGE 29, 221, 235 = SozR Nr. 7 zu Art. 2 GG Seite Ab 2 zur Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze für höherverdienende Angestellte; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr. 2 S. 2 zur Einführung der Krankenversicherung für Landwirte; BVerfGE 97, 271, 286 = SozR 3-2940 § 58 Nr. 1 S. 7 zur Einschränkung der Hinterbliebenenrenten). Dies ist hier der Fall. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung hat der Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit. Von dieser hat er bei der Anordnung der Rentenversicherungspflicht für selbständige Lehrer im SGB VI zulässigen Gebrauch gemacht.

Das Gesetz geht bei der Anordnung der Versicherungspflicht davon aus, bei selbständigen Lehrern bestehe ebenso wie bei anderen rentenversicherungspflichtigen Selbständigen ein den Arbeitnehmern vergleichbares Schutzbedürfnis, das ihre Einbeziehung rechtfertige (zur Einbeziehung Selbständiger vgl. Entwurf des Gesetzes zur Alters- und Invaliditätsversicherung, RT-Drucks. 1888/89 Nr. 10 S. 36). Danach sind bei typisierender Betrachtung selbständige Lehrer zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ebenso wie Arbeitnehmer maßgeblich auf die Verwertung ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen. Daß sich dies seit der erstmaligen gesetzlichen Begründung ihrer Versicherungspflicht bis heute geändert hat oder daß ihr Schutzbedürfnis entfällt, wenn sie nicht über eine pädagogische Ausbildung verfügen, ist nicht ersichtlich. Darauf, ob der Einzelne bereits anderweitige Vorsorge getroffen hat, z.B. durch eine private Lebensversicherung (vgl. BSG SozR 2400 § 2 Nr. 8 S. 12), durch freiwillige Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk (vgl. BSGE 80, 215, 222 = SozR 3-2940 § 7 Nr. 4) oder ob er sonst wegen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse des sozialen Schutzes nicht bedarf, kommt es bei der generalisierenden und typisierenden Regelung des § 2 Nr. 1 SGB VI nicht an (vgl. BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 2 S. 10 zur Versicherungspflicht von Physiotherapeuten).

Die Anordnung von Versicherungspflicht ist ein geeignetes und bei der geltenden Ausgestaltung des Beitragsrechts (vgl. § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI) auch verhältnismäßiges Mittel, selbständige Lehrer sozial zu sichern. Der Einzelne ist durch die Anordnung der Versicherungspflicht lediglich gehalten, eine an sich selbstverständliche Vorsorge für Alter, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit in einer bestimmten Art und Weise zu treffen (BVerfGE 29, 221, 236 = SozR Nr. 7 zu Art. 2 GG Seite Ab 2, Rückseite). Er erwirbt hierdurch Rechte gegen die Solidargemeinschaft, damit er seinen Unterhaltsbedarf bei Ausfall seiner Einnahmen aus Erwerbstätigkeit jedenfalls teilweise decken kann und insoweit im Alter nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; zur Entlastung der Allgemeinheit durch Anordnung von Versicherungspflicht vgl. bereits RT-Drucks. 1888/89 Nr. 10 S. 20). Hierbei handelt es sich um legitime öffentliche Zwecke. Demgemäß hat das BVerfG z.B. die Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze für höherverdienende Angestellte als zumutbaren Eingriff beurteilt (BVerfGE 29, 221, 235 = SozR Nr. 7 zu Art. 2 GG Seite Ab 2). Für die Versicherungspflicht selbständiger Lehrer gilt nichts anderes, zumal die Sozialversicherung weder auf abhängig Beschäftigte noch auf die Sicherung gegen Notlagen beschränkt ist (vgl. BVerfGE 11, 105, 113 = SozR Nr. 1 zu Art. 74 GG Seite Ab 2 zum Kindergeldgesetz und der Errichtung von Familienausgleichskassen; BVerfGE 75, 108, 146 = SozR 5425 § 1 Nr. 1 S. 3 f zur Künstlersozialversicherung).

b) § 2 Nr. 1 SGB VI verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Da der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Dieses ist insbesondere im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaft der Versicherten in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren allgemeine Handlungsfreiheit i.S. des Art. 2 Abs. 1 GG einschränkt, von Bedeutung (BVerfGE 92, 53, 69 = SozR 3-2200 § 385 Nr. 6 S. 19 m.w.N.).

In die gesetzliche Rentenversicherung waren bis Ende 1998 Selbständige nur berufsgruppenspezifisch einbezogen. Es konnte daher Gruppen von Selbständigen geben, die bei typisierender Betrachtung nicht weniger schutzbedürftig als selbständige Lehrer, aber bisher gleichwohl nicht in die Rentenversicherungspflicht nach § 2 SGB VI einbezogen waren. Hieraus ergibt sich jedoch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei selbständigen Lehrern handelt es sich um Personen, die eine persönliche Dienstleistung erbringen. Wie selbständige Pflegepersonen und Hebammen, für die in § 2 Nrn. 2 und 3 SGB VI ebenfalls Versicherungspflicht angeordnet ist, erzielen sie ihre Einkünfte aus der Verwertung der eigenen Arbeitskraft durch persönliche Dienstleistung. Ihre Stellung im Erwerbsleben ist damit derjenigen von Arbeitnehmern vergleichbar. Es ist daher sachlich gerechtfertigt gewesen, wenn der Gesetzgeber speziell für diese Selbständigen die Versicherungspflicht angeordnet hat. Mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (angefügt durch Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 <BGBl. I 3843>, geändert durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 <BGBl. 2000 I 2>) hat der Gesetzgeber die bisherige Regelung einer nur berufsgruppenspezifischen Einbeziehung Selbständiger in die Pflichtversicherung erweitert. Er hat nunmehr alle Selbständigen in die Rentenversicherungspflicht einbezogen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Die gesetzliche Entwicklung der letzten Zeit geht dahin, den Kreis der versicherungspflichtigen Selbständigen zu erweitern. Unter diesen Umständen sind keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, gerade bei den von jeher in die Rentenversicherung einbezogenen selbständigen Lehrern die Versicherungspflicht zu beanstanden.

Der Einbeziehung des Klägers in die Versicherungspflicht steht auch nicht entgegen, daß von der Beklagten möglicherweise nicht alle selbständigen Lehrer erfaßt und zu Beiträgen herangezogen werden. Zwar hat das BVerfG zur Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ausgeführt, der allgemeine Gleichheitssatz verlange, daß die Steuerpflichtigen rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden und Steuergesetze in ein normatives Umfeld eingebettet sind, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet (BVerfGE 84, 239, 271 f.). Dies war nach Ansicht des BVerfG bei der Besteuerung aus Kapitalvermögen nicht der Fall, weil der Gesetzgeber die gesetzwidrige Praxis gesehen, sie toleriert und sogar bewußt Lücken im Gesetz gelassen hatte, um diese Praxis nicht zu ändern. Dies ist bei § 2 Nr. 1 SGB VI nicht der Fall. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit wäre erst dann erreicht, wenn sich dem Gesetzgeber aufdrängen müßte, daß das Ziel einer gleichmäßigen Erfassung aller Normadressaten (hier: der Versicherten) prinzipiell nicht zu erreichen ist, weil insoweit ein struktureller Mangel des Gesetzes vorliegt. Dies trifft hier nicht zu. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte, sofern sie von den tatsächlichen Umständen Kenntnis erlangt, die Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 1 SGB VI nicht durchsetzt oder gar durch Rechtsvorschriften an der Durchsetzung des Rechts gehindert wird.

3. Das Verfahren war auch nicht auszusetzen, um nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 (<EGVtr> i.d.F. des Art. 2 des Amsterdamer Vertrages vom 2. Oktober 1997, BGBl. II 1998, 387) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Auslegung von Normen des Gemeinschaftsrechts einzuholen. Der Senat hat im Gegensatz zu der von der Revision im Parallelverfahren (Urteil vom 12. Oktober 2000 - B 12 RA 4/00 R) geäußerten Ansicht keinen Zweifel, daß die Anordnung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gegen die für (öffentliche) Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln des EGVtr (Art. 90, 85 ff. in der hier noch anwendbaren Fassung des EGVtr i.d.F. des Vertrages über die Europäische Union <EUVtr> vom 7. Februar 1992, BGBl. II 1253, jetzt Art. 86, 81 ff. EGVtr in der Fassung des Art. 2 des Amsterdamer Vertrages) verstößt. Die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung fällt nicht in den Geltungsbereich dieser Vorschriften, denn bei ihr handelt es sich nicht um ein öffentliches Unternehmen i.S. der Art. 90, 85 ff. EGVtr (vgl. Hochbaum in Groeben / Thiesing / Ehlermann, Komm. zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1999, Art. 90 RdNr. 16; Ebsen in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 3, Rentenversicherung, 1999, § 4 RdNr. 92; Rolfs, SGb 1998, 202, 206 f.; Schulz-Weidner, DRV 1997, 449, 466 ff.). Der EuGH versteht im Rahmen des Wettbewerbsrechts unter Unternehmen zwar „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und Art der Finanzierung“ (EuGH Rechtssache C-41/90 Höfner und Elsner, Slg 1991, I-1979, 2016 RdNr. 21 = SozR 3-6030 Art. 86 Nr. 1 zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit). Er hat von diesem weiten Begriff jedoch die mit der Verwaltung von Systemen der sozialen Sicherheit betrauten Einrichtungen ausgenommen, weil das Gemeinschaftsrecht die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt läßt, ihre Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten (EuGH Rechtssache 238/82 Duphar, Slg 1984, 523, 540 RdNr. 16; EuGH Rechtssache C-159/91 und C-160/91 Poucet und Pistre, Slg 1993, I-637, 667 RdNr. 6). Die gesetzliche Rentenversicherung ist ein solches, auf dem Grundsatz der Solidarität beruhendes obligatorisches System der sozialen Sicherheit; ihre Träger üben öffentliche Aufgaben der sozialen Sicherheit mit allein sozialem Charakter und ohne Gewinnzweck aus (zu diesem Erfordernis vgl. EuGH Rechtssache C-159/91 und C-160/91 Poucet und Pistre, Slg 1993, I-637, 669 f RdNrn. 16 bis 18).

Die in diesen Urteilen aufgestellten Grundsätze hat der EuGH seither nicht aufgegeben oder geändert. Er hat in späteren Entscheidungen zwar Systeme oder Einrichtungen, die Zusatzrentensysteme verwalten oder durchführen, unter bestimmten Voraussetzungen als Unternehmen angesehen, die in den Geltungsbereich der Art. 85 ff. EGVtr fallen. Hierbei handelte es sich aber um Systeme, die auf freiwilliger Mitgliedschaft und dem Prinzip der Kapitaldeckung beruhen und ihre Leistungen allein nach Maßgabe der gezahlten Beiträge und den Erträgen der vom System verwalteten Einrichtungen erbringen (vgl. EuGH Rechtssache C-244/94 Federation francaise des societes assurance, Slg 1995, I-4013, 4028 RdNr. 15 ff.; EuGH Rechtssache C-67/97 Albany, AP Art. 85 EGVtr Nr. 1 RdNr. 79 Bl. 609 zu einem niederländischen Betriebsrentenfonds) oder Systeme mit Pflichtmitgliedschaft, die die Höhe der Beiträge und Leistungen selbst bestimmen, nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeiten und bei denen die Höhe der Leistungen von den Erträgen der Anlagen abhängt (EuGH Rechtssachen C-115/97 bis 117/97 Brentjens, Slg 1999, I 6025, RdNr. 81 f.; Rechtssache C-219/97 Bokken, Slg 1999, I 6121, RdNr. 71 f; ebenfalls zu niederländischen Betriebsrentenfonds). In den zuletzt genannten Urteilen hat der EuGH für die Zuordnung der Systeme auf die Urteile Poucet und Pistre einerseits und Federation francaise des societes assurance andererseits Bezug genommen und die Zuordnung nach Maßgabe der in diesen Urteilen entwickelten Abgrenzungsmerkmale getroffen. In keiner dieser Entscheidungen ist das Urteil Poucet und Pistre in Frage gestellt worden, soweit danach Sozialversicherungsträger vom Anwendungsbereich der Art. 85 ff. EGVtr ausgenommen worden sind. Unter diesen Umständen begründet auch das von der Revision im Parallelverfahren (Urteil vom 12. Oktober 2000 - B 12 RA 4/00 R) erwähnte Ersuchen um Vorabentscheidung eines italienischen Gerichts in der Rechtssache C-218/00 (Amtsblatt EG C 233/17 vom 12. August 2000) keinen Zweifel an der Auslegung von Vorschriften des Europäischen Rechts. Hier ist nicht zu entscheiden, ob die Beantwortung der dort aufgeworfenen Frage bei einem vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt angesichts der Vorlage für den Senat zweifelhaft wäre. Der Senat hat hier die Frage nach der Geltung der Wettbewerbsvorschriften für einen Versicherungsträger zu entscheiden, der in seiner Struktur dem im Urteil Poucet und Pistre betroffenen Rentenversicherungsträger entspricht, für den also eine vom EuGH selbst nicht in Zweifel gezogene Entscheidung vorliegt.

4. Die Höhe der in den Bescheiden festgesetzten Beiträge entspricht § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI und ist vom Kläger nicht beanstandet worden.

5. Eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht kommt nicht in Betracht. An dem für eine Befreiung nach § 229 Abs. 1 Satz 2 SGB VI maßgeblichen Stichtag 31. Dezember 1991 war der Kläger noch nicht als selbständiger Lehrer tätig und daher als solcher nicht rentenversicherungspflichtig. Eine Befreiung nach § 229a Abs. 1 Satz 2 SGB VI scheitert daran, daß der Kläger nicht nur am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig war, sondern auch unter Geltung des SGB VI der Versicherungspflicht nach den §§ 1 bis 3 (hier: § 2 Nr. 1 SGB VI) unterliegt. Eine Befreiung nach § 6 Abs. 1a, § 231 Abs. 5 SGB VI scheidet aus, weil beim Kläger Versicherungspflicht nicht erst aufgrund des am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (sog arbeitnehmerähnliche Selbständige), sondern bereits zuvor nach § 2 Nr. 1 SGB VI eingetreten war.

Nach allem war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

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