B 3 KR 27/99 R
Tatbestand
Der klagende Kunstverein verfolgt nach seiner Satzung den Zweck, die moderne bildende Kunst insbesondere durch Ausstellungen, Vorträge und Aussprachen zu fördern. Er hat ca. 100 Mitglieder, darunter keine Künstler, verfügt über ein jährliches Beitragsaufkommen von ca. 3.000 DM und erhält Zuschüsse der Stadt Celle in Höhe von etwa 5.000 DM jährlich. In letzter Zeit hat er im Jahr in der Regel zwei Ausstellungen veranstaltet. Ein Verkauf der ausgestellten Exponate findet im Rahmen der Ausstellungen nicht statt. Die Räume werden von der Stadt Celle zur Verfügung gestellt. Eintrittsgelder werden anläßlich der Ausstellungen nicht erhoben. Die ausstellenden Künstler erhalten vom Verein Zahlungen als Auslagenerstattung.
Durch Bescheid vom 19. September 1994 stellte die beklagte Landesversicherungsanstalt - Künstlersozialkasse - fest, daß der Kläger seit 1. Januar 1983 der Künstlersozialabgabepflicht unterliege, weil er als Unternehmer eine Galerie betreibe. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos. Die Beklagte ermittelte die Höhe der vom Kläger zu entrichtenden Künstlersozialabgabe (KSA) zunächst aufgrund einer Schätzung (Bescheid vom 20. November 1994). Nach Vorlage von Abrechnungen über die in den Jahren 1989 bis 1993 durchgeführten Ausstellungen setzte sie die KSA neu fest, und zwar auf insgesamt 1.786,56 DM (Bescheid vom 21. Februar 1995). Der hiergegen eingelegte Widerspruch sowie der Antrag auf Erlaß der Abgabe für den zurückliegenden Zeitraum blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 23. März 1995 / Widerspruchsbescheid vom 3. August 1995). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. Januar 1997). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und der Klage stattgegeben (Urteil vom 14. September 1999). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei dem Grunde nach nicht abgabepflichtig, weil er kein Unternehmen betreibe, das der KSA unterliege. Kunstvereine seien als solche nicht abgabepflichtig, weil sie im Katalog des § 24 Abs. 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) nicht aufgeführt seien. Für sie bestehe eine Abgabepflicht nur dann, wenn sie ein dort aufgeführtes Unternehmen, etwa Kunsthandel oder eine Galerie, betrieben. Dies sei jedoch beim Kläger nicht der Fall.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 24 KSVG. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, für den Begriff Galerie sei erforderlich, daß Werke lebender Künstler erworben, veräußert oder in Kommission genommen würden. Nach dem KSVG sei nur die sog Selbstvermarktung abgabefrei. Fremdvermarktung liege aber schon dann vor, wenn sich der Künstler der vermittelnden Tätigkeit eines Unternehmens bediene, das Organisationsformen zur Verfügung stelle, die Kontakte zwischen Künstlern und Endabnehmern herstellten oder förderten und dadurch Kaufabschlüsse ermöglichten. Ausgehend von der gesetzgeberischen Intention müßten die Begriffe Galerie und Kunsthandel weit ausgelegt werden. Kunsthandel sei danach jede Förderung des Verkaufs von Kunstwerken. Bei der Tätigkeit von Kunstvereinen könne es deshalb auf die Organisation des Verkaufs von Ausstellungsstücken nicht ankommen. Der Kläger erfülle darüber hinaus auch den Tatbestand des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG, denn er betreibe für die von ihm organisierten Ausstellungen Werbung, wodurch Kunstinteressierte angesprochen werden sollten, die ausgestellten Kunstwerke zu kaufen. Darüber hinaus erfülle der Kläger auch die Voraussetzungen von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG; er betreibe ein sonstiges Unternehmen, dessen Zweck darauf gerichtet sei, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten.
Die Beklagte beantragt,
- das Urteil des LSG Niedersachsen vom 14. September 1999 abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Lüneburg vom 30. Januar 1997 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
- die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LSG Niedersachsen vom 14. September 1999 zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat der Berufung des Klägers zu Unrecht stattgegeben.
Die beklagte Künstlersozialkasse hat den Kläger zu Recht zur KSA herangezogen. Das LSG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß Kunstvereine als solche im Katalog des § 24 Abs. 1 und 2 KSVG (sowohl in der Ursprungsfassung vom 27. Juli 1981 - BGBl. I 705 - als auch mit den nachfolgenden Änderungen) nicht aufgeführt sind. Sie zählen nur dann zu den Abgabepflichtigen, wenn und soweit sie ein Unternehmen betreiben, das im Katalog genannt ist (vgl. BSG, Urteile vom 1. Oktober 1991 - SozR 3-5425 § 24 Nrn. 2 und 3 und Urteil vom 20. April 1994 - SozR 3-5425 § 24 Nr. 5). Im Gegensatz zur ursprünglichen Auffassung der Beklagten betreibt der Kläger durch die Organisation von jährlich in der Regel zwei Ausstellungen keinen Kunsthandel i.S. von § 24 Abs. 1 Nr. 4 KSVG (in der Ursprungsfassung) bzw. § 24 Abs. 1 Nr. 6 KSVG (i.d.F. des ÄndG vom 20. Dezember 1988 - BGBl. I 2606 -). Soweit der Senat in den aufgeführten Entscheidungen Kunstvereine als Kunsthandel betreibende Unternehmen angesehen hat, beruhte dies auf dem Umstand, daß die betroffenen Kunstvereine in den Verkauf der Kunstwerke, die bei den von ihnen organisierten Ausstellungen präsentiert wurden, eingebunden waren, wobei es keine Rolle spielte, ob ein ausstellender Künstler seine Werke selbst verkaufte oder ein Verkäufer im Namen des Künstlers handelte (so in BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 5), weil § 24 Abs. 1 KSVG grundsätzlich alle Handelsformen erfaßt. Von der Abgabepflicht nach § 24 KSVG bleibt nur die reine Selbstvermarktung durch den Künstler ausgeschlossen. Die Grenze zur Fremdvermarktung ist bereits dann überschritten, wenn sich der Künstler der vermittelnden Tätigkeit eines Unternehmers bedient, der Organisationsformen zur Verfügung stellt, die Kontakte zwischen Künstlern und Endabnehmern herstellen oder fördern und dadurch Kaufabschlüsse ermöglichen. Dies gilt jedoch nur, solange der Verkauf mit der von dem Verein organisierten Ausstellung im Zusammenhang steht und der Künstler die Organisation des Verkaufs durch den Kunstverein nutzt. Indiz für die Funktion eines Kunstvereins als Kunsthändler ist vor allem eine Beteiligung am Verwertungserlös, etwa in Form einer beim Verkauf anfallenden Provision, wie dies bei dem vom Urteil vom 20. April 1994 (a.a.O.) betroffenen Kunstverein der Fall war. Nach den Feststellungen des LSG besteht zwischen den vom Kläger organisierten Ausstellungen und etwaigen Verkäufen ausgestellter Kunstwerke kein unmittelbarer Zusammenhang. Während einer Ausstellung findet ein Verkauf nicht statt; Verkäufe nach dem Abschluß einer Ausstellung werden vom Kläger nicht vermittelt. Der Kläger ist damit an einer Veräußerung von Kunstwerken, die zuvor ausgestellt waren, in keiner Weise wirtschaftlich beteiligt. Er „handelt“ damit jedenfalls nicht selbst; dieser Begriff enthält nach kaufmännischem Sprachverständnis einen Austausch von Leistung und Gegenleistung.
Ob dasselbe für die Annahme einer Galerie gilt, ob also auch hier neben der Ausstellung stets ein Handel mit Werken der bildenden Kunst einhergehen muß (dafür: Nordhausen, in Finke u.a., KSVG, 2. Aufl. 1992, § 24 RdNr. 94; Böckel, KSVG, 3. Aufl. 1992, S. 28), kann dahinstehen. Denn der Kläger unterliegt im Hinblick auf die von ihm veranstalteten Ausstellungen bereits nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG i.d.F. vom 20. Dezember 1988 a.a.O. der Abgabepflicht. Danach sind u.a. Unternehmen abgabepflichtig, deren Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten. Von diesem Tatbestand wird nach ständiger Rechtsprechung auch erfaßt, wer für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Leistungen sorgt (BSG SozR 3-5425 § 24 Nrn. 4, 10 und 15). Hierzu zählt auch die Präsentation von Werken der bildenden Kunst im Rahmen einer Ausstellung. Eine Subsumtion der vom Kläger betriebenen Aktivitäten unter den in Nr. 3 geregelten Tatbestand scheidet nicht deshalb aus, weil die Darbietung von Werken der bildenden Kunst in den Nrn. 2 (Museen) und 6 (Galerien und Kunsthandel) speziell geregelt ist. Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des Katalogs der abgabepflichtigen Unternehmen in § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG lassen erkennen, daß Unternehmen einer bestimmten Kunstgattung, die nur mit Teilbereichen von den speziellen Abgabetatbeständen erfaßt werden, von der Abgabepflicht ausgenommen bleiben sollen. Ein derartiges Verständnis des Katalogs widerspräche dem Anliegen des Gesetzgebers, generell alle Unternehmen in die Abgabepflicht einzubeziehen, die zur Erreichung ihres Unternehmensziels regelmäßig künstlerische Leistungen verwerten. Dies ist bei den im Katalog des § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG speziell benannten Unternehmensarten typischerweise der Fall. Der Gesetzgeber hat es jedoch nicht nur bei einer detaillierten Aufführung typischer Kunstverwerter belassen, sondern darüber hinaus ein Bedürfnis erkannt, Auffangtatbestände zu schaffen, um Verwerter von Kunst im Interesse der Gleichbehandlung möglichst umfassend in die Abgabepflicht einzubeziehen. Man hatte erkannt (vgl. hierzu Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 1. Dezember 1988, BT-Drucks. 11/3629, S. 6), daß das Gesetz Lücken aufwies und eine Reihe von Verwertern deshalb nicht zur Künstlersozialabgabe herangezogen werden konnte. Um eine größere Gerechtigkeit bei der Erhebung der Künstlersozialabgabe zu erreichen, sollten über die Theater- und Konzertdirektionen hinaus umfassend sämtliche Unternehmen, deren Zweck darauf gerichtet sei, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten, zur Künstlersozialabgabe verpflichtet werden. Diesem Ziel diente die Erweiterung der in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG enthaltenen sog kleinen Generalklausel („sonstige Unternehmen“, vgl. Sölter, BB 1990, Beilage 22, S. 7) im Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2606). Wenn auch im Zusammenhang mit der Aufzählung von Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen eher an Werke der darstellenden Kunst oder der Musik gedacht worden sein mag, so schließt der Wortlaut der Vorschrift es nicht aus, auch Werke der bildenden Kunst einzubeziehen, die einem Publikum als künstlerische Leistungen „dargeboten“ werden. Ob statt dessen eine Erweiterung von Nr. 6 aus systematischen und sprachlichen Gründen sinnvoller gewesen wäre, mag dahinstehen; daß dies nicht geschehen ist, läßt jedenfalls nicht den Schluß zu, Werke der bildenden Kunst sollten von der Erweiterung durch die Generalklausel ausgenommen werden. Die durch das Gesetz vom 25. September 1996 (BGBl I 1461) vorgenommene Neufassung von § 24 Abs. 1 Nr. 3 KSVG macht dies noch deutlicher: Danach muß (insoweit allerdings einschränkend) der „wesentliche“ Zweck des Unternehmens darauf gerichtet sein, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Die durch die Verknüpfung „oder“ möglichen Alternativen umfassen nunmehr auch vom Wortlaut her die Darbietung künstlerischer Werke. Die Einschränkung, daß es auf den „wesentlichen Zweck“ des Unternehmens ankommt, dient ersichtlich auf andere Weise der Vorbeugung einer zu weitgehenden Ausdehnung der Abgabepflicht durch die Kombinationsmöglichkeiten, die der Wortlaut der Vorschrift nunmehr zuläßt. Der Kläger wird von dieser Einschränkung aber nicht erfaßt. Nach seiner Satzung gehört es vielmehr zu seinen vorrangigen Zwecken, Ausstellungen zu veranstalten und damit für die Darbietung künstlerischer Werke zu sorgen.
Auch die Struktur des klagenden Kunstvereins steht der Abgabepflicht nicht entgegen. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die offensichtlich bestehende Gemeinnützigkeit des Vereins i.S. von § 52 Abgabenordnung. Daß dies der Unternehmereigenschaft im Sinne des KSVG nicht entgegensteht, hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits dargelegt (vgl. Urteil vom 8. Dezember 1988, 12 RK 15/87 - NW StGB 1989, 287). Das BSG hat zudem mehrfach entschieden, daß Unternehmer i.S. des § 24 KSVG alle natürlichen oder juristischen Personen sind, deren Tätigkeit einem der in dieser Vorschrift genannten Zwecke dient. Weitere Anforderungen an die Professionalität der Vermarktung stellt das Gesetz nicht. Insbesondere ist eine Gewinnerzielungsabsicht auf Seiten des Vermarkters nicht erforderlich (BSG SozR 3-5425 § 24 Nrn 2 und 3). Eine Befreiung von der Abgabepflicht kann auch nicht deshalb eintreten, weil die Mitglieder des klagenden Vereins nicht nur keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil anstreben, sondern aus fremdnützigen Motiven handeln, indem sie das Interesse der Bevölkerung für zeitgenössische moderne Kunst mit eigenen finanziellen Opfern und persönlichem Einsatz zu wecken versuchen, und sich damit einer Aufgabe widmen, die durchaus auch von öffentlichen Einrichtungen verfolgt wird. Das öffentliche Interesse wird auch hier nicht zuletzt dadurch deutlich, daß die Kommune zum Finanzbedarf des Klägers einen erheblichen Anteil beiträgt. Der Senat hat jedoch bereits mehrfach entschieden, daß selbst die staatliche Kunstförderung der Künstlersozialabgabepflicht unterliegt, wenn sie sich der Handlungsformen bedient, die unter § 24 Abs. 1 KSVG zu subsumieren sind (SozR 3-5425 § 24 Nrn. 10, 15). Der Gesetzgeber geht davon aus, daß Aufwendungen für die soziale Sicherung der selbständigen Künstler und Publizisten mit den Mitteln der Künstlersozialversicherung zwangsläufig zu den mit der Inanspruchnahme von Künstlern verbundenen Kosten zählen und nicht nur denjenigen aufzuerlegen sind, die Kunst in Gewinnerzielungsabsicht vermarkten.
Ob der Kläger daneben auch, wie die Beklagte annimmt, ein Unternehmen betreibt, das Werbung (einschließlich Öffentlichkeitsarbeit) für Dritte betreibt, kann offenbleiben. Denn seine werbenden Aktivitäten beschränken sich auf Anschläge oder Plakate, mit denen er auf die Durchführung einer Ausstellung aufmerksam macht und für den Besuch der von ihm organisierten Ausstellung wirbt. Die hierdurch ausgelösten abgabepflichtigen Vorgänge werden bereits durch die Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG erfaßt. Der Begründetheit der Klage steht ferner nicht entgegen, daß der angefochtene Bescheid die Abgabepflicht des Klägers nur auf einen Tatbestand gestützt hat, der seine Heranziehung nicht trägt. Die Angabe der nach Auffassung der Beklagten maßgebenden Gesetzesvorschrift gehört zur Begründung des Verwaltungsakts, mit dem die Versicherungspflicht dem Grunde nach festgestellt wird. Eine fehlerhafte Begründung schadet nicht, sofern der Verfügungssatz des Verwaltungsakts im Ergebnis richtig ist.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden auch die Höhe der KSA festgesetzt. Nach der noch im Verwaltungsverfahren vorgenommenen Korrektur hat der Kläger die Höhe der KSA mit der Revision nicht mehr angegriffen; da es sich um einen selbständigen Streitgegenstand handelt, wäre für eine zulässige Revision eine eigenständige Begründung erforderlich gewesen, so daß dem Senat eine sachliche Prüfung verwehrt ist. Auch der im Verwaltungsverfahren gestellte Antrag auf Erlaß der Abgabenschuld ist vom Kläger im Revisionsverfahren nicht weiter verfolgt worden. Er ist ebenfalls ein selbständiger Streitgegenstand, und deshalb ist die ablehnende Entscheidung der Beklagten mangels Revisionsbegründung nicht zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.